Der Abstand hintereinander fahrender Kraftfahrzeuge kann nach allgemeiner Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung durch eine Schätzung darin geübter Personen jedenfalls dann hinreichend verlässlich festgestellt werden, wenn die beteiligten Fahrzeuge aus nicht zu großer Entfernung über eine genügend lange Fahrstrecke ungehindert beobachtet werden können und es sich nicht um einen "Grenzfall", sondern um eine beträchtliche Unterschreitung des notwendigen Sicherheitsabstandes handelt. |
"... Indessen tragen die getroffenen Feststellungen nicht den Schuldspruch des Betroffenen wegen Unterschreitung des gem. § 4 Abs. 1 S. 1 StVO einzuhaltenden Sicherheitsabstandes, weil das Amtsgericht materiell rechtlich fehlerhaft der von den Polizeibeamten hierbei angewandten Messmethode eine Beweiskraft beigemessen hat, die ihr nicht zukommt. Zwar ist es - auch im Hinblick auf die Beurteilung des einzuhaltenden Sicherheitsabstandes - grundsätzlich möglich, dass geübte und erfahrene Polizeibeamte durch Beobachtung der beteiligten Fahrzeuge über eine hinreichend lange Strecke den Abstand zwischen ihnen in gerichtsverwertbarer Weise einschätzen können, wenn sie in einer nicht zu großen Entfernung schräg versetzt hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug fahren (zu vgl. OLG Hamm, VRS 94, 303; VRS 58, 276; OLG Düsseldorf, VRS 56, 57), was insbesondere gilt, wenn Schätzungshilfen, wie etwa die Länge der Leitlinienmarkierungen oder dergleichen, vorhanden sind. Derartige Schätzungen bedürfen allerdings besonders kritischer tatsächlicher Bewertung, die hier der rechtlichen Nachprüfung nicht stand hält. Ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen wechselten die Zeuginnen L. und H. mit ihrem Fahrzeug vom rechten auf den linken Fahrstreifen, nachdem sie den Betroffenen auf dem linken Fahrstreifen fahrend mit einem geschätzten Abstand von 6 m zum vorausfahrenden Fahrzeug bemerkt hatten. In einem Abstand von 50 m zum Fahrzeug des Betroffenen folgten die Zeugen seitlich versetzt auf dem linken Fahrstreifen. Orientierungshilfen, durch die eine Schätzung von 6 m Abstand während der 1000 m Messstrecke gesichert wird, hat der Tatrichter nicht festgestellt. Allein der Hinweis, dass sich die Zeugen L. und H. leicht versetzt fahrend anhand der Seitenpfosten davon überzeugen konnten, dass auf der Messstrecke der von ihnen geschätzte Abstand von etwa 6 m zwischen dem Fahrzeug des Betroffenen und dem vorausfahrenden Pkw eingehalten wurde, lässt nicht auf eine hinreichende Möglichkeit schließen, dass es den beiden Polizeibeamten möglich war, den Abstand zwischen den Fahrzeugen zuverlässig zu beurteilen. Der Tatrichter hat die Schätzung der Zeugen L. und H. im Rahmen der Beweissicherung dagegen uneingeschränkt als zuverlässig beurteilt, anstatt sie kritisch auf ihre Vereinbarkeit mit den tatsächlichen Gegebenheiten zu überprüfen. Ausführungen dazu, dass es sich bei den Zeugen L. und H. um geübte und erfahrene Polizeibeamte gehandelt hat (vgl. dazu auch OLG Düsseldorf, NZV 1993, 242) und ihnen daher eine genaue Schätzung möglich gewesen sei, enthalten die Urteilsgründe nicht. Nähere Angaben dazu wären aber schon aufgrund des eingeschränkten ungünstigen Winkels erforderlich gewesen. Denn über die Messstreckendistanz fuhr das nachfahrende Fahrzeug nicht - wie sonst in diesen Fällen zur Erlangung einer möglichst guten Sicht für die Beamten üblich - schräg versetzt auf der benachbarten Fahrspur, sondern rückwärtig versetzt auf der von dem Betroffenen benutzten Richtungsfahrbahn. Das ermöglichte den Zeugen nur eine stark eingeschränkte Sicht auf die beiden vorausfahrenden Fahrzeuge in einem sehr spitzen Winkel. Wenn es aber schon unverhältnismäßig schwierig ist, den Abstand zweier vorausfahrender Fahrzeuge aus einem Fahrzeug heraus bei guter Sicht zuverlässig zu ermitteln (zu vgl. OLG Hamm, VRS 58, 276, 278), dann bedarf es gerade bei einem stark eingeschränkten Blickwinkel einer besonders kritischen tatrichterlichen Würdigung. Angesichts der Schwierigkeit einer zuverlässigen Schätzung unter den gegebenen Umständen konnte der Tatrichter ohne Verstoß gegen einen Erfahrungssatz die Schätzung der Zeugen L. und H. für nicht so zuverlässig erachten, dass er sie der Verurteilung des Betroffenen zugrunde legen durfte...." |