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OLG Hamm Urteil vom 13.01.2006 - 9 U 164/04 - Zur Haftungsverteilung bei Kollision im Kreuzungsbereich nach Fahrstreifenwechsel und Abbremsen des Vorausfahrenden

OLG Hamm v. 13.01.2006: Zur Mitschuld an einem Auffahrunfall bei verkehrswidrigem Linksabbiegen des Vordermannes




Das OLG Hamm (Urteil vom 13.01.2006 - 9 U 164/04) hat entschieden:

   Kommt es in einer Kreuzung zu einem Auffahrunfall, weil der vorausfahrende Fahrzeugführer entgegen der Erwartung des Hintermanns die Kreuzung nicht zügig räumt, sondern - um nach links abzubiegen - verkehrswidrig vom Geradeausfahrstreifen in den Linksabbiegerverkehr wechselt und dort wegen Gegenverkehrs anhält, muss der Störer den Schaden dann nicht allein tragen, wenn der Auffahrende auf den Vordermann schuldhaft nicht rechtzeitig reagiert hat.

Siehe auch
Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden und Auffahrunfall
und
Stichwörter zum Thema Auffahrunfälle




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlich abgewiesenen Schadensersatzanspruch aus dem Verkehrsunfall vom 15.7.2003 innerorts von F in vollem Umfang weiterverfolgt, hat - nur - insoweit Erfolg, als die Klageforderung auf der Basis einer Haftungsverteilung zu je 50 % am Zustandekommen des Unfalls teilweise zuzusprechen ist.

Die Beklagten haften dem Kläger gemäß § 7 I StVG i. V. m. § 3 Zif.1 PflVG grundsätzlich auf Ersatz seines Schadens. Dabei belastet die Beklagten über die einfache Betriebsgefahr des Wohnmobils hinaus ein schuldhafter Fahrfehler des Beklagten zu 1 (fortan nur Beklagter), der sich in dem für ihn vermeidbaren Auffahren auf den Pkw Mercedes des Klägers manifestiert hat. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte nicht den nötigen Sicherheitsabstand eingehalten (§ 4 Abs. 1 StVO) oder es an der erforderlichen Aufmerksamkeit hat fehlen lassen (§ 1 Abs. 2 StVO). Die Beweisaufnahme vor dem Senat hat ergeben, dass der Beklagte den Zusammenstoß durch einen größeren, ein plötzliches Abbremsen des vorausfahrenden Fahrzeugs pflichtgemäß einkalkulierenden Abstand, jedenfalls durch größere Aufmerksamkeit hätte vermeiden können. Er hat bei seiner Anhörung durch den Senat anschaulich geschildert, dass er davon ausgegangen war, der vor ihm fahrende Mercedes werde, dessen Einordnung in der Geradeausspur entsprechend, die Kreuzung zügig durchfahren, ganz plötzlich habe sich jedoch der Abstand verkürzt und der Kläger angehalten. Hierzu hat der Sachverständige Prof. T festgestellt, dass auch bei einer Vorverlegung des Kollisionsortes gegenüber der in der polizeilichen Unfallskizze festgehaltenen Endstellung des Wohnmobils entsprechend den Angaben des Beklagten diesem mindestens 2 Sekunden für eine Reaktion auf das Anhalten des Mercedes blieben. Auch die Zeugin G. (vormals C) hat eine langsamer werdende Fahrweise des Mercedes beschrieben, der die Absicht des Fahrzeugführers, eine Lücke in der Schlange der Linksabbieger abzuwarten, anzumerken war.




Der Kläger muss jedoch gemäß §§ 17 I, II StVG, 254 BGB eine Minderung seiner Ansprüche um die Hälfte hinnehmen, da auch der Betrieb seines Kfz zur Unfallverursachung beigetragen hat. Auch ihn belastet über die einfache Betriebsgefahr seines Pkw hinaus ein schuldhafter Verkehrsverstoß, der für den Unfall ursächlich geworden ist. Zwar hat die Beweisaufnahme ein grundloses starkes Bremsen des Klägers als Verstoß gegen § 4 I S. 2 StVO nicht ergeben. Jedoch durfte der Kläger seinen Geradeausfahrstreifen weder vor der Wartelinie nach links über die durchgehende Fahrstreifenbegrenzungslinie verlassen (§ 41 III Nr. 3 StVO i. V. m. Zeichen 295) noch innerhalb der Kreuzung nach links abbiegen (§ 41 III Nr. 5 StVO) und deshalb auch nicht zu diesem Zweck in seiner Spur verharren, bis links eine Lücke entstand.

Abweichend von der Auffassung der Vorinstanz wiegt dieser Verstoß des Klägers jedoch nicht schwerer als der des Beklagten, mag auch sein Versuch, sich in die Schlange der vorschriftsmäßig eingeordneten und deshalb bereits länger an der Kreuzung wartenden Linksabbieger zu drängeln, jenen gegenüber besonders rücksichtslos erscheinen. Vorliegend ist die Abwägung im Verhältnis zum Beklagten vorzunehmen, der sich auf eine ungebremste Vorausfahrt der vor ihm befindlichen Fahrzeuge nicht so vertrauen durfte, wie er es getan hat. ..."

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