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Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom 15.12.2006 - 3 B 49/06 - Die Unterrichtung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG entfaltet keine Bindungswirkung für nachfolgende Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde

BVerwG v. 15.12.2006: Die Unterrichtung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG entfaltet im Hinblick auf den darin mitgeteilten Punktestand keine Bindungswirkung für nachfolgende Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde.




Das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 15.12.2006 - 3 B 49/06) hat entschieden:

   Die Unterrichtung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG entfaltet im Hinblick auf den darin mitgeteilten Punktestand keine Bindungswirkung für nachfolgende Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde.

Siehe auch
Das Fahreignungs-Bewertungssystem - neues Punktsystem
und
Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein

Zum Sachverhalt:


Der Kläger wandte sich anlässlich einer gebührenpflichtigen Mitteilung der Beklagten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - über seinen Punktestand im Verkehrszentralregister gegen die Berücksichtigung aller in die Berechnung eingeflossenen Punkte. Er wollte, dass eine im Verkehrszentralregister ausgewiesene Verurteilung wegen Betruges und falscher uneidlicher Aussage nicht berücksichtigt wird.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil es sich um ein Begehren vorbeugenden Rechtsschutzes handele, wofür das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehle; denn dem Kläger sei zuzumuten, die befürchteten Maßnahmen der Verwaltung abzuwarten und dagegen um Rechtsschutz nachzusuchen.

Die Berufung, mit der der Kläger seine Klageanträge weiterverfolgt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf die Gründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils zurückgewiesen. Zusätzlich hat er ausgeführt, dass selbst dann, wenn der Kläger sich gegen die in der Mitteilung der Beklagten liegende Verwarnung hätte wenden wollen, die Klage erfolglos geblieben wäre, weil es sich bei der Verwarnung ungeachtet der damit verbundenen Gebührenerhebung mangels eigenständigen Regelungsgehalts nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt handele.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil blieb ohne Erfolg.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Ausgehend vom erklärten Ziel der Klage ist die Frage nach der Rechtsqualität der Verwarnung allein im Hinblick darauf entscheidungserheblich, ob die Höhe des darin mitgeteilten Punktestandes in Bestandskraft erwachsen und demgemäß Bindungswirkung für nachfolgende Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden entfalten kann. Wäre ein solcher Regelungsgehalt der Mitteilung zu bejahen, läge es nahe, die Klage als der Sache nach gegen diese Regelung gerichtet anzusehen mit der Folge, dass dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr abgesprochen werden dürfte; denn der angestrebte Rechtsschutz hätte dann nicht mehr ausschließlich vorbeugenden Charakter. Es liegt jedoch auf der Hand und bedarf daher keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens, dass die mit einer Unterrichtung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG mitgeteilte Punktezahl keine solche Bindungswirkung entfaltet. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits mit Urteil vom 20. Mai 1987 - BVerwG 7 C 83.84 - (BVerwGE 77, 268) entschieden, dass Eintragungen in das Verkehrszentralregister keine Verwaltungsakte sind, weil sie keine unmittelbaren Rechtsfolgen für den Verkehrsteilnehmer auslösen. Mit der Erfassung und Sammlung der einzutragenden Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Gerichte wird lediglich eine Tatsachengrundlage zur Vorbereitung von Entscheidungen der in § 30 Abs. 2 Satz 1 StVG genannten Stellen geschaffen. Rechtsfolgen können sich erst aus den Entscheidungen ergeben, die diese Stellen, wenn auch möglicherweise gestützt auf das Ergebnis der eingeholten Auskünfte, in eigener Verantwortung treffen (BVerwG, a.a.O. S. 272). Das gilt nach dem erwähnten Urteil auch für das seinerzeit noch in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 15b StVZO geregelte Punktesystem. An dieser rechtlichen Einordnung hat sich nichts dadurch geändert, dass dieses Punktesystem inzwischen in § 4 StVG eine gesetzliche Grundlage erhalten hat. Nach wie vor ist die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG nur an rechtskräftige Entscheidungen über Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gebunden; für das "Erreichen" eines Punktestandes ist - worauf in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zutreffend hingewiesen wird - die Eintragung im Verkehrszentralregister oder die Mitteilung hierüber nicht ausschlaggebend. Allein die Straßenverkehrsbehörden haben zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen gegen den Fahrerlaubnisinhaber zu ergreifen sind; dabei müssen sie auch die Richtigkeit der Punktebewertung eigenständig überprüfen (BVerwGE a.a.O.).


Soweit der Kläger zusätzlich beanstandet, dass der Verwaltungsgerichtshof ihm ansinnt, die in der Verwarnung angedrohten Maßnahmen abzuwarten und erst dann um Rechtsschutz nachzusuchen, ist nicht erkennbar, welche grundsätzlich klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit diesem Vortrag verbunden sein soll. Abgesehen davon liegt es wegen der fehlenden Bindungswirkung der in der Verwarnung mitgeteilten Punktezahl auf der Hand, dass "nachträglicher" Rechtsschutz gegen straßenverkehrsbehördliche Maßnahmen, gegebenenfalls verbunden mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, hinreichend effektiv ist. ..."

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