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Stellungnahme zum Beschluss des OLG Düsseldorf v. 24.04.2006 - III-5 Ss 133/05 - 91/05 IV

Stellungnahme zum Beschluss des OLG Düsseldorf v. 24.04.2006 - III-5 Ss 133/05 - 91/05 IV




Siehe auch
Stichwörter zum Thema EU-Führerschein
und
Die Nutzungsuntersagung bzw. Nichtanerkennung einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis im Inland

Ich halte die Entscheidung für falsch. Offenbar waren die Gerichte, die gegen den Angeklagten mehrfach isolierte Sperrfristen für den Neuerwerb einer Fahrerlaubnis verhängt haben, in Unkenntnis von der litauischen Fahrerlaubnis des Angeklagten. Denn hätten sie von ihr Kenntnis gehabt, dann hätten sie diese entzogen (mit der sich aus § 69b StGB ergebenden Wirkung, dass deren Gebrauch im Inland untersagt gewesen wäre).

Wäre so verfahren worden, dann läge danach strafbares Fahren ohne Fahrerlaubnis vor. Unterbleibt jedoch die ausdrückliche Entziehung der Fahrerlaubnis im Urteil, sondern wird vielmehr lediglich eine isolierte Sperrfrist verhängt, dann liegt eben keine Entziehung der Fahrerlaubnis vor. Insoweit ist der Fall nicht anders zu entscheiden, als wenn ein Gericht im Strafbefehl oder im Urteil versehentlich die Entziehung der Fahrerlaubnis "vergisst" und lediglich eine Sperrfrist für die Wiedererteilung verhängt, es sei denn es liegt ein offensichtlicher Schreibfehler vor, der berichtigt werden kann. Von einem derartigen zur Berichtigung berechtigenden Versehen kann aber im vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall keine Rede sein, sondern den Vorgerichten war die Existenz einer Fahrerlaubnis überhaupt nicht bewusst.


Der Angeklagte befand sich also trotz mehrfacher Vorverurteilungen und Verhängung isolierter Sperrfristen ununterbrochen im rechtmäßigen Besitz einer EU-Fahrerlaubnis, deren Nutzung ihm auch im Verwaltungsweg offenbar nicht untersagt worden war.

Interessant ist auch der Satz des Beschlusses:

   "Er hat nach Ablauf der durch Urteil des Amtsgerichts Kleve vom 04. Juli 1997 bis zum 11. Oktober 1998 verhängten Sperrfrist am 2. September 2000 durch die Republik Litauen - die seit 2004 Mitglied der EU ist - einen neuen Führerschein ausgehändigt erhalten, dessen Gültigkeit die Bundesrepublik Deutschland zunächst nicht in Frage stellen konnte - wobei es nach Auffassung des Senats nicht erheblich ist, ob es sich dabei lediglich um einen Führerschein als Ausweispapier oder eine neue Fahrerlaubnis gehandelt hat."

Das OLG ist sich da wohl offenbar nicht sicher gewesen, wie ein Fall zu behandeln ist, in dem die Fahrerlaubnis - im Gegensatz zum Führerschein - aus der Zeit stammt, als der Ausstellerstaat noch nicht Mitglied der EU war. Dabei hätte es sich aber beim AG Lüdinghausen NZV 2005, 112 (Urt. v. 12.11.2004 - 9 Ds 26 Js 1599/03) Rat holen können, das entschieden hat, dass mit dem Beitritt eines Staates zur EU auch deren zuvor erteilte Führerscheine vollwertige EU-Fahrerlaubnisse werden.

Der grundlegende Fehler des OLG ist, dass es die Verhängung einer isolierten Sperre als eine Maßnahme nach Art. 8 Abs. 2 der 3. Führerschein-Richtlinie angesehen hat. Derartige Maßnahmen sind aber nur die Einschränkung, die Aussetzung, der Entzug oder die Aufhebung der Fahrerlaubnis (wie auch das OLG zutreffend aufzählt). Die isolierte Sperrfrist ist ja kein Eingriff in eine bestehende Fahrerlaubnis und gehört somit nicht dazu. Folglich hat eine isolierte Sperre auch keine Auswirkung auf die berechtigte Nutzung einer EU-Fahrerlaubnis. Insofern ist § 28 Abs. 4 Nr. 4 FeV eben mit Art. 8 Abs. 2 3. FS.-Richtl. unvereinbar.

Im übrigen kann auch dem Gedanken des OLG Düsseldorf nicht uneingeschränkt zugestimmt werden, dass Strafbarkeit dann vorliegt, wenn von einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis (wann auch immer sie ausgestellt wurde) zu einem Zeitpunkt Gebrauch gemacht wird, zu dem eine inländische Sperrfrist bereits abgelaufen ist. Hier hätte es wohl zumindest einer Auseinandersetzung mit der vom AG Günzburg (Beschl. v. 14.03.2005 - 1 Ds 24 Js 1358/00) vertretenen Auffassung bedurft, dass kein strafbares Fahren ohne Fahrerlaubnis vorliegt, wenn der Betroffene im Inland mit einer EU-Fahrerlaubnis fährt, die ihm zwar noch während des Laufes einer deutschen Sperrfrist erteilt wurde, der Tatzeitpunkt jedoch nach dem Ablauf der Sperrfrist liegt.

Misslich ist der derzeitige Informationszustand: Gäbe es ein einheitliches europäisches Führerscheinregister, dann hätten die Vorgerichte jeweils herausfinden können, dass der Angeklagte im Besitz einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis war. In den Verfahren wegen der Trunkenheitsdelikte hätte diese dann ordnungsgemäß entzogen werden können (was natürlich einer jederzeitigen Neuerteilung außerhalb Deutschlands nicht entgegen gestanden hätte).

Was den Angeklagten bewogen haben mag, sich in den vorangehenden Verfahren lieber wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilen zu lassen, anstatt seine litauische Fahrerlaubnis vorzuweisen, kann nur vermutet werden.

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