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Verwaltungsgericht Gera Beschluss vom 22.02.2007 - 3 E 613/06 Ge - Wer durch den Erwerb eines ausländischen EU-Führerscheins eine Überprüfung der Fahreignung umgehen will, handet bei deren Erwerb rechtsmissbräuchlich

VG Gera v. 22.02.2007: Wer durch den Erwerb eines ausländischen EU-Führerscheins eine Überprüfung der Fahreignung umgehen will, handet bei deren Erwerb rechtsmissbräuchlich




Das Verwaltungsgericht Gera (Beschluss vom 22.02.2007 - 3 E 613/06 Ge) hat entschieden:

   Wenn der ausländische Führerschein mit dem Ziel der Umgehung inländischer Vorschriften erworben wurde, um eine Fahreignung vorzutäuschen und dieser Missbrauch zudem für andere Verkehrsteilnehmer zur Gefahr von Leib und Leben bei der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr führt, kann sich der Fahrerlaubnisinhaber hierauf nicht berufen. Ist offen, ob derartiger Rechtsmissbrauch vorliegt, so überwiegt im Eilverfahren das öffentliche Interesse dasjenige des Betroffenen.

Siehe auch
Stichwörter zum Thema EU-Führerschein
und
Die Nutzungsuntersagung bzw. Nichtanerkennung einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis im Inland

Zum Sachverhalt:


Der Antragsteller, der Inhaber einer in Tschechien ausgestellten EU-Fahrerlaubnis ist, wendet sich gegen eine Verfügung des Antragsgegners, mit der ihm das Recht aberkannt wird, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis im Geltungsbereich des Straßenverkehrsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen.

Im Juli 1997 fuhr der Antragsteller, der im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis war, mit seinem Pkw unter Alkoholeinfluss auf der Autobahn; die in der Folge entnommene Blutprobe ergab im Zeitpunkt der Blutentnahme eine Blutalkoholkonzentration von 2,15 ‰. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Chemnitz vom 24. Oktober 1997 wurde der Antragsteller wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt und seine Fahrerlaubnis entzogen. Im Rahmen eines nachfolgenden Neuerteilungsverfahrens gab der Antragsteller bei der medizinischpsychologischen Untersuchung an, dass er nunmehr keinen Alkohol mehr trinke und „zukünftig ein Leben lang abstinent leben wolle“. Im März 1999 erteilte der Antragsgegner dem Antragsteller schließlich eine neue Fahrerlaubnis.

Am 14. September 2002 fuhr der Antragsteller wiederum unter erheblichem Alkoholeinfluss mit seinem Pkw. Die eine Stunde später entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,58 ‰. Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Greiz vom 11. März 2003 wurde der Antragsteller daraufhin wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr verurteilt. Zudem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, vor Ablauf von weiteren 12 Monaten dem Antragsteller keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.




Im November 2003 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Entsprechend der vom Antragsgegner angeordneten Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens benannte der Antragsteller eine Begutachtungsstelle. Die vom Antragsgegner zur Verfügung gestellte Verwaltungsakte wurde am 22. März 2004 von der Begutachtungsstelle wieder zurückgesandt. Das geforderte Gutachten legte der Antragsteller in der Folge nicht vor. Mit Schreiben vom 18. Mai 2004 kündigte der Antragsgegner dem Antragsteller an, dass sein Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis wegen seiner fehlenden Mitwirkung abgelehnt werden müsse. Mit Schreiben vom 2. Juni 2004 zog der Antragsteller daraufhin seinen Antrag zurück.

Am 6. September 2004 wurde für den Antragsteller, der seit 1986 mit alleinigem Wohnsitz in M... /Deutschland gemeldet ist, in Kralovice (CZ) ein tschechischer Führerschein ausgestellt. Auf Anfrage des Antragsgegners teilte das tschechische Verkehrsministerium mit Schreiben vom 7. Juli 2005 über das Kraftfahrt-Bundesamt mit, dass der Antragsteller als Anschrift seines ständigen Aufenthalts eine Adresse auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland angegeben habe. Zudem habe er durch seine Unterschrift bestätigt, dass er nicht an einer körperlichen oder seelischen Behinderung leide, die ihn zum Führen von Kraftfahrzeugen unfähig machen würde. Der Führerschein sei nach Ablegen der Prüfung zur fachlichen Tauglichkeit und Vorlage eines ärztlichen Gutachtens, nach dem der Genannte zum Führen von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet sei, ausgestellt worden.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2005 ordnete der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass in den Fällen, wo unter Umgehung des Wohnsitzprinzips und unter Umgehung deutscher Vorgaben zur Eignungsüberprüfung im EU-Ausland eine Fahrerlaubnis erworben werde, die Behörde berechtigt sei, eine Eignungsüberprüfung einzuleiten. Der Antragsteller kam dieser Anordnung nicht nach.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2005 erkannte der Antragsgegner dem Antragsteller das Recht ab, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis im Geltungsbereich des Straßenverkehrsgesetzes innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, und ordnete insofern die sofortige Vollziehung an.




Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch und beantragte zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Mit Beschluss vom 17. November 2005 (3 E 1141/05 Ge) lehnte das Verwaltungsgericht Gera diesen Antrag ab. Der Antragsteller erhob hiergegen Beschwerde zum Thüringer Oberverwaltungsgericht (2 EO 1269/05).

Noch während des anhängigen Beschwerdeverfahrens hob der Antragsgegner im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit Abhilfebescheid vom 21. Juni 2006 seinen vom Antragsteller angegriffenen Bescheid vom 12. Oktober 2005 auf. Zur Begründung bezog sich der Antragsgegner auf die vorliegende aktuelle Rechtsprechung der Dritten Kammer des Europäischen Gerichtshofes vom 6. April 2006 (Az.: C-227/05).

Daraufhin stellte das Thüringer Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 29. Juni 2006 (2 EO 1269/05) das Verfahren ein.

Mit neuerlichem Bescheid vom 4. Juli 2006 erkannte der Antragsgegner dem Antragsteller das Recht ab, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis im Geltungsbereich des Straßenverkehrsgesetzes innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, und entzog die tschechische Fahrerlaubnis des Antragstellers (Nr. 1 des Bescheides). Zugleich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung dieses Bescheides an (Nr. 2 des Bescheides). Zur Begründung führte der Antragsgegner sinngemäß aus, dass er nach wie vor von der Ungeeignetheit des Antragstellers ausginge. Der zwischenzeitlich ergangene Beschluss des Europäischen Gerichtshofes vom 6. April 2006 könne letztlich keine andere Beurteilung in der Sach- und Rechtslage herbeiführen. Insofern verwies der Antragsgegner auf die neuere verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, unter anderem des Thüringer Oberverwaltungsgerichts.

Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 6. Juli 2006 Widerspruch. Am 17. Juli 2006 beantragte er zudem die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

Der Antragsteller ist zum einen der Auffassung, dass sich der Antragsgegner mit seinem Bescheid vom 4. Juli 2006 in Widerspruch zu seinem Abhilfebescheid vom 21. Juni 2006 gesetzt habe. Der unangekündigte Erlass des neuen Bescheides vom 4. Juli 2006 stelle einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör dar. Zum anderen hält der Antragsteller die getroffene Entscheidung des Antragsgegners auch in der Sache für rechtswidrig.

Der Antrag blieb erfolglos.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung, bei der die Sach- und Rechtslage nur summarisch geprüft wird, fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Das - nach den Erfordernissen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechend begründete - öffentliche Interesse am Sofortvollzug der angefochtenen Verfügung des Antragsgegners hat Vorrang gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 4. Juli 2006 weiterhin auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit seiner tschechischen Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr führen zu dürfen. Allerdings ist der Bescheid nach der im vorliegenden Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig anzusehen.

Grundsätzlich ist es dem Antragsgegner nicht verwehrt, trotz des vorangegangenen Abhilfebescheides vom 21. Juni 2006 erneut einen Verwaltungsakt zu erlassen, mit dem dem Antragsteller das Recht zur Nutzung seiner tschechischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland aberkannt wird (vgl. Funke-Kaiser in Bader/Funke- Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 3. Aufl., § 72 Rnr. 13; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1991 - 8 C 83.88 - BVerwGE 88, 41 [43]).

Allerdings hat der Antragsgegner hierbei seine Anhörungspflicht nach § 28 Abs. 1 ThürVwVfG verletzt, weil er den Bescheid vom 4. Juli 2006 erließ, ohne dem Antragsteller zuvor Gelegenheit gegeben zu haben, sich zu dieser neuerlichen Maßnahme zu äußern. Dieser Verstoß hat jedoch keine rechtlichen Auswirkungen. Denn nach § 46 ThürVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 ThürVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dies ist hier der Fall. Denn alle rechtlichen Gesichtspunkte sowie die persönlichen Aspekte des Antragstellers sind zwischen den Beteiligten schon im Rahmen des Erlasses des ersten - inhaltsgleichen - Bescheides des Antragsgegners vom 12. Oktober 2005 ausführlich erörtert worden. Der Antragsteller trägt auch nicht vor, dass zwischenzeitlich neue, noch nicht berücksichtigte Umstände eingetreten seien. Er rügt lediglich den Gehörsverstoß als solchen.




Allerdings könnte das europäische Gemeinschaftsrecht dem Bescheid des Antragsgegners vom 4. Juli 2006 entgegenstehen. Dies lässt sich aber im Rahmen des Eilverfahrens nicht abschließend beantworten.

Grundsätzlich verlangt der in Artikel 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG niedergelegte Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine - ohne generelle Einschränkung - auch in solchen Fällen, in denen nach den Maßgaben der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) Zweifel an der Fahreignung des Betroffenen nicht ausgeräumt sind, von der jeweils zuständigen inländischen Fahrerlaubnisbehörde die erteilte EU-Fahrerlaubnis eines Mitgliedsstaates zu akzeptieren, wenn die Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis abgelaufen war, bevor der Führerschein von dem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn nach einem vorausgegangenem alkoholbedingten Entzug der Fahrerlaubnis ein die Fahreignung bestätigendes medizinisch-psychologisches Gutachten der inländischen (deutschen)Fahrerlaubnisbehörde nicht vorgelegt wurde (ThürOVG, Beschluss vom 29. Juni 2006 - 2 EO 240/06 - ThürVBl. 2006, 249; vgl. auch OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. August 2006 - 1 M 46/06 - zitiert nach juris, m.w.N.).

Im Einzelfall kann es aber einem Fahrerlaubnisinhaber aufgrund der Besonderheiten des zu beurteilenden Sachverhalts ausnahmsweise verwehrt sein, sich auf den Anerkennungsgrundsatz des Artikels 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG zu berufen. Insbesondere, wenn der Führerschein mit dem Ziel der Umgehung inländischer Vorschriften erworben wurde, um eine Fahreignung vorzutäuschen und dieser Missbrauch zudem für andere Verkehrsteilnehmer zur Gefahr von Leib und Leben bei der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr führt, kann sich der Fahrerlaubnisinhaber hierauf nicht berufen. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass die missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht gestattet ist, und dass die nationalen Gerichte das missbräuchliche Verhalten des Betroffenen zu seinen Lasten berücksichtigen können, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf die geltend gemachte, für ihn allgemein gültige Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu verwehren (ThürOVG, Beschluss vom 29. Juni 2006, a.a.O., Seite 251 m.w.N.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. August 2006, a.a.O.; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Juli 2006 - 10 S 1337/06 - NJW 2007, 99 [100] m.w.N.; im Ergebnis ebenso HessVGH, Beschluss vom 3. August 2006 - 2 TG 673/06 - NJW 2007, 102 [103]).

Hier gibt es erhebliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich der Antragsteller nur deshalb an die tschechischen Behörden gewandt hat, um dort - ohne sich im Hinblick auf eine möglicherweise schwerwiegende Alkoholproblematik einer Untersuchung unterziehen zu müssen - pro forma einen EU-Führerschein für die anschließende Nutzung in Deutschland zu erlangen, weil ihm dort die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis bislang versagt geblieben ist.

Schon die Beantragung einer EU-Fahrerlaubnis in Tschechien stellt sich beim Antragsteller nicht als Ausübung der Grundfreiheit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der Niederlassungsfreiheit oder der Dienstleistungsfreiheit in der EU dar, die das Gemeinschaftsrecht gewährleisten will. Der Antragsteller hatte seinen Wohnsitz nie in Tschechien. Nach der Auskunft des tschechischen Verkehrsministeriums vom 7. Juli 2005 hat der Antragsteller im Rahmen der dortigen Fahrerlaubniserteilung als Anschrift seines ständigen Aufenthalts eine Adresse auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland angegeben. Laut der Meldeauskunft des Einwohnermeldeamtes vom 16. März 2005 ist der Antragsteller seit 1986 mit alleinigem Wohnsitz in Mohlsdorf/Deutschland gemeldet. Dieser Wohnort ist dann auch im tschechischen Führerschein aufgenommen worden (unter 8.). Dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Beantragung der tschechischen Fahrerlaubnis im Jahre 2004 persönliche oder berufliche Bindungen in die Tschechische Republik hatte, ist vom Antragsteller weder vorgetragen worden noch sonst wie ersichtlich.

Vielmehr deutet alles daraufhin, dass der Antragsteller sich nur deshalb an die tschechischen Behörden wandte, weil er in Deutschland seine entzogene Fahrerlaubnis in absehbarer Zeit nicht wiedererlangen konnte.

Der Antragsteller ist mit dem deutschen Verfahren zur Neuerteilung einer Fahrerlaubnis genau vertraut. Von 1998 bis 2004 unterzog sich der Antragsteller insgesamt drei Neuerteilungsverfahren. Zuletzt hatte er im November 2003 die Neuerteilung seiner zuvor entzogenen Fahrerlaubnis beantragt. Ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten, das seine wiedererlangte Fahreignung bestätigt hätte, konnte der Antragsteller aber in der Folge nicht vorlegen. Daraufhin nahm er Anfang Juni 2004 bei der zuständigen deutschen Fahrerlaubnisbehörde seinen Neuerteilungsantrag zurück. Stattdessen ließ er sich nur drei Monate später, nämlich Anfang September 2004, in Tschechien eine EU-Fahrerlaubnis ausstellen.

Hierbei ist die vom Antragsteller gezeigte Alkoholproblematik aber offenbar nicht Gegenstand einer Untersuchung gewesen. Denn nach der Auskunft des tschechischen Verkehrsministeriums vom 7. Juli 2005 hat der Antragsteller bei der dortigen Beantragung der Fahrerlaubnis angegeben, dass er nicht an einer körperlichen oder seelischen Behinderung leide, die ihn zum Führen von Kraftfahrzeugen unfähig machen würde. Danach hat der Antragsteller auch seine früheren Fahrten unter Alkoholeinfluss nicht erwähnt. Nach der weiteren Auskunft des tschechischen Verkehrsministeriums wurde dann zwar auch ein ärztliches Gutachten vorgelegt, nach dem der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet sei. Aufgrund der unvollständigen Angaben des Antragstellers kann sich dieses Gutachten aber nicht mit der Alkoholproblematik des Antragstellers befasst haben.


Die genauen Umstände der damaligen Erteilung der Fahrerlaubnis in Tschechien können im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht abschließend geklärt werden. Dazu wird der Sachverhalt im Widerspruchsverfahren und gegebenenfalls in einem anschließenden Klageverfahren weiter aufzuklären sein. Zum anderen steht auch noch nicht endgültig fest, ob das Verhalten eines Fahrerlaubnisinhabers, wie das des Antragstellers, als missbräuchliche Berufung auf den in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG niedergelegten Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von EU-Führerscheinen anzusehen ist und - wenn ja - welche Rechtsfolge das Gemeinschaftsrecht an eine solche Qualifizierung knüpft. Zur Klärung dieser Fragen wird es einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs in einem Vorlageverfahren nach Art. 234 EGV bedürfen. Eine entsprechende Vorlage an den Europäischen Gerichtshof kann aber erst - nach vollständiger Klärung des Sachverhalts - in einem etwaigen Hauptsacheverfahren erfolgen (ThürOVG, Beschluss vom 29. Juni 2006 - 2 EO 240/06 - a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Juli 2006 - 10 S 1337/06 - a.a.O.; HessVGH, Beschluss vom 3. August 2006 - 2 TG 673/06 - a.a.O.).

Die Erfolgsaussichten des vom Antragsteller erhobenen Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. Juli 2006 müssen daher noch als offen angesehen werden. Bei der in diesem Fall vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt eindeutig das öffentliche Interesse am Vollzug der Verfügung des Antragsgegners. Beim Antragsteller kann derzeit noch nicht davon ausgegangen werden, dass er seine Fahreignung wieder erlangt hätte. Das Gericht hat hierzu in seinem Beschluss vom 17. November 2005 (3 E 1141/05 Ge) ausgeführt:

   „Für die Kammer drängt sich der Eindruck auf, dass der Antragsteller noch immer unter einem seine Fahreignung ausschließenden Alkoholproblem leidet. So ist er in der Vergangenheit bereits zweimal, nämlich in den Jahren 1997 und 2002, mit einem außerordentlich hohen Alkoholisierungsgrad im Straßenverkehr aufgefallen. Dass von dem Antragsteller eine entsprechende Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nun nicht mehr ausgeht, ist derzeit nicht belegt. Aus dem bloßen Zeitablauf und dem Umstand, dass der Antragsteller seit der Erteilung der EU-Fahrerlaubnis gut ein Jahr lang im Straßenverkehr nicht mehr aufgefallen ist, kann - entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers - noch keineswegs der Schluss gezogen werden, dass der Antragsteller sich nunmehr bewährt habe. Dies kann in der Regel - entsprechend der einschlägigen Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV - nur bei einem veränderten Umgang mit Alkohol bzw. einer abstinenten Lebensführung angenommen werden. Eine solche Umstellung ist dem Antragsteller aber in der Vergangenheit nicht gelungen. Im Rahmen der medizinisch-psychologischen Untersuchung im März 1999 versicherte der Antragsteller noch, dass er zukünftig ein Leben lang abstinent leben wollte. Dreieinhalb Jahre später ist der Antragsteller dann aber erneut erheblich alkoholisiert, diesmal sogar mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,58 ‰ (gemessen 1 Stunde nach der Tat), beim Führen eines Kraftfahrzeugs festgestellt worden. Eine entsprechende Verhaltensumstellung hat der Antragsteller auch in jüngster Vergangenheit nicht zu belegen vermocht. Bei dem Neuerteilungsverfahren im Frühjahr 2004 konnte er ein positives Gutachten der Begutachtungsstelle nicht vorlegen. Stattdessen zog er seinen in Deutschland gestellten Neuerteilungsantrag zurück und ließ sich nur drei Monate später in Tschechien eine Fahrerlaubnis ausstellen. Eine ärztliche Begutachtung des Antragstellers bezüglich seines Umgangs mit Alkohol hat hierbei offenbar nicht stattgefunden. Denn nach der Auskunft des tschechischen Verkehrsministeriums vom 7.7.2005 hat der Antragsteller bei der Frage nach einer körperlichen oder seelischen Behinderung, die ihn zum Führen von Kraftfahrzeugen unfähig machen würde, seine früheren Fahrten unter Alkoholeinfluss nicht erwähnt. Das - nach der weiteren Auskunft des Ministeriums - vorgelegte ärztliche Gutachten, nach dem der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet sei, kann demzufolge auch keine positive Aussage zu der früheren Alkoholproblematik des Antragstellers getroffen haben. Die vom Antragsteller nunmehr vorgelegte erste Seite einer „Bescheinigung über die ärztliche Untersuchung“ enthält hierzu ebenfalls keinerlei Aussagen. Das daneben eingereichte Nervenärztliche Attest seines behandelnden Arztes vom 3.2.2004 bescheinigt dem Antragsteller zwar, während der Beobachtungszeit alkoholabstinent gewesen zu sein. Allerdings kann der Arzt auch nur einschränkend feststellen, dass eine stabile Kontrolle über das Alkoholtrinkverhalten „weitgehend“ erreicht sei. Auf welchen Zeitraum sich diese Feststellung konkret bezieht, bleibt zudem offen. Jedenfalls hat es der Antragsteller nach der Ausstellung dieses Attests Anfang Februar 2004 in der Folge nicht vermocht, ein positives Gutachten der Begutachtungsstelle dem Antragsgegner vorzulegen. Damit gibt es insgesamt keine sicheren Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Antragsteller sich mit seiner Alkoholproblematik ausreichend auseinandergesetzt hat und keine akute Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer mehr darstellen würde. Sein privates Interesse, von der in Tschechien erworbenen EU-Fahrerlaubnis auch hier in Deutschland Gebrauch machen zu dürfen, hat demgegenüber unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit zurückzutreten.“

Diese damalige Einschätzung vertritt die Kammer - mangels anderer Anhaltspunkte - nach wie vor. Ergänzende Unterlagen hat der Antragsteller nicht beigebracht. ..."

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