Das Verkehrslexikon

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Ludovisy DAR 1997, 80 f.: Beschlagnahme, Sichtvermerk usw. bei ausländischer Fahrerlaubnis (Aufsatz Ludovisy)

Ludovisy DAR 1997, 80 f.: Beschlagnahme, Sichtvermerk usw. bei ausländischer Fahrerlaubnis (Aufsatz Ludovisy)


Zur Problematik ausländischer Fahrerlaubnisse (Beschlagnahme, Sichtvermerk über die Untersagung der Benutzung usw.) führt Ludovisy in seiner Anmerkung zu einem Beschluß des LG München II DAR 1997, 80 (Beschl. v. 10.09.1996 - 1 Qs 198/96) folgendes aus:

"1. ... Voraussetzung für die Beschlagnahme der (ausländischen) Fahrerlaubnis gem. § 94 Abs. 3 i.V.m. § 98 StPO ist, daß der Führerschein der Einziehung überhaupt unterliegt. ... Nicht zu den Einziehungsobjekten i.S.v. § 74 Abs. 1 StGB gehören die sog. Beziehungsgegenstände. Dieser Begriff bezeichnet Objekte, deren Einziehung voraussetzt, daß sie "Gegenstand" der Tat waren oder daß sich die Tat darauf "bezieht" (Schönke / Schröder / Eser, StGB, § 74 Rdnr. 12 a). Ähnlich wie ein Fahrzeug, benutzt ohne Fahrerlaubnis, nur ein Beziehungsgegenstand ist (BGHSt 10, 28; OLG Frankfurt NJW 1954, 652), erscheint auch die Fahrerlaubnis nur als ein solcher Beziehungsgegenstand, wenn diese den Ermittlungsbehörden vermeintlich ungültig erscheint, dies aber tatsächlich, zumindest im Ausstellerland, nicht ist. Demgegenüber einziehbar wäre ein nach Entziehung der Fahrerlaubnis benutzter, (nun) ungültiger deutscher Führerschein (BayObLG VM 1976, 68). ...

Weiterhin unberücksichtigt gelassen hat das LG, daß das ausländische Dokument nicht dem Angeklagten i.S.v. § 74 Abs. 2 StGB "gehört". Ebenso wie Ausweisdokumente dem ausstellenden Staat "gehören", steht die Fahrerlaubnis im Eigentum des Ausstellerlandes.

Die bislang zu diesem Fragenkreis in der Literatur (Himmelreich / Hentschel, Fahrverbot - Führerscheinentzug, Bd. 1, Rdnr. 212) geäußerten Ansichten gehen davon aus, daß bei Vorliegen eines ausländischen Führerscheins grundsätzlich keine (wie bei einem deutschen durch Täuschung erlangten Führerschein zulässig) Einziehung möglich ist.

2. Überdies hat das LG übersehen, daß die einschlägigen internationalen Führerscheinbestimmungen als Spezialvorschriften vorrangig sind. Nicht übersehen hat dies der Gesetzgeber in § 111 a Abs. 6 StPO, wonach ausländische Führerscheine nach § 69 b StGB mit der Wirkung eines Fahrverbots im Gebiet der Bundesrepublik entzogen werden können. Hierbei ist auch eine vorläufige Entziehung zulässig. Obwohl nach § 94 Abs. 3 StPO nur Führerscheine beschlagnahmt werden können, die der Einziehung unterliegen, und dieses Erfordernis bei einem ausländischen Führerschein nicht erfüllt ist, kann gem. § 111 a Abs. 6 StPO die Beschlagnahme nur "bis" zur Eintragung eines Sichtvermerks erfolgen (Himmelreich / Hentschel aaO. Rdnr. 261). § 111 a Abs. 6 StPO verweist ausdrücklich auf die Vorschriften der §§ 94 Abs. 3 und 98 StPO. Dieser Sichtvermerk wird im ausländischen Führerschein eingetragen. Nur zu diesem Zweck darf die ausländische Fahrerlaubnis kurzfristig beschlagnahmt werden. Nach der Eintragung des Vermerks ist der Fahrausweis sofort wieder auszuhändigen.

Diese kurzzeitige Beschlagnahmemöglichkeit muß unterschieden werden von den nachstehend angesprochenen Möglichkeiten der Herbeiführung und des Vermerkens der Aberkennung des Rechts, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.

Eine der Spezialvorschrift des § 21 Abs. 3 StVG (Einziehung des Fahrzeugs) vergleichbare besondere Regelung im Hinblick auf die ausländische Fahrerlaubnis enthält auch § 11 Abs. 2 der Verordnung über den Internationalen Kraftfahrzeugverkehr (IntKfzVO). Nach dieser Vorschrift kann dem Inhaber einer im Ausland erteilten Fahrerlaubnis bei erwiesener Ungeeignetheit das Führen eines Kraftfahrzeugs in der Bundesrepublik untersagt werden. Als ungeeignet ist auch derjenige Fahrerlaubnisinhaber anzusehen, dem in Deutschland die deutsche Fahrerlaubnis entzogen worden ist. Die Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, ist auf dem ausländischen Fahrausweis zu vermerken und der ausstellenden Stelle des Auslands und dem Kraftfahrt-Bundesamt mitzuteilen.

Durch die o.g. Fahrerlaubnis-Verordnung vom 19. Juni 1996 ist mit § 3 Abs. 2 dieser Verordnung eine dem bisherigen § 11 Abs. 2 IntKfzVO vergleichbare Spezialvorschrift EU-weit in Kraft getreten. Mit dieser Neuregelung ist eine Vorlagepflicht zur Eintragung derartiger den Gebrauch der Fahrerlaubnis im Inland untersagender Vermerke neu geregelt worden (§ 3 Abs. 2 Satz 2). Die Möglichkeit der Aberkennung des Rechts, von der ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, ist an die Stelle der Entziehung getreten.

Nicht übersehen darf in diesem Zusammenhang Art. 8 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (91/439/EWG). Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie sieht vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsprinzips Möglichkeiten der Einschränkungen, der Aussetzungen, des Entzugs und der Aufhebung des ausländischen Führerscheins innerhalb des Wohnsitzstaates vor. Zu diesem Zweck sieht die Richtlinie erforderlichenfalls den Umtausch der ausländischen Fahrerlaubnis vor. Gem. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie leitet in derartigen Fällen der umtauschende Mitgliedsstaat den abgegebenen Führerschein an die zuständige Stelle des Mitgliedsstaats, der ihn ausgestellt hat, zurück und begründet dieses Verfahren im einzelnen.

Bislang finden sich in Literatur und Rechtsprechung zu Fragen der Handhabung ausländischer Führerscheine lediglich Hinweise, die die Begriffe Beschlagnahme, Entziehung und Einziehung offensichtlich vermischen. Feststeht insoweit, daß ausländische Führerscheine einem beschränkten Beschlagnahmeverbot unterliegen (Wetterich / Hamann, Strafvollstreckung, Handbuch der Rechtspraxis, Bd. 9, 5. Aufl., Rdnr. 391). Das bedeutet, daß ausländische Fahrausweise nach Verkehrsstraftaten unter den gleichen Voraussetzungen sichergestellt oder beschlagnahmt werden können wie deutsche Führerscheine, allerdings nur mit dem Ziel, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Richter herbeizuführen und die Eintragung des Vermerks über die vorläufige Entziehung zu bewirken. Nach der Eintragung ist der Führerschein dem Inhaber zurückzugeben oder gem. Art. 8 der Richtlinie vom 29. Juli 1991 zu verfahren. In diesem Sinne hat auch das LG Bad Kreuznach (Urt. v. 24.04.1995; 2 Qs 78/95) entschieden. Die Beschlagnahme ist grundsätzlich nur solange zulässig, so das Gericht, bis der Rechtspfleger des Amtsgerichts einen Sperrvermerk gem. § 111 a Abs. 6 StPO gefertigt hat. Etwas anderes gelte nach Ansicht des Gerichts nur für den Fall, daß der Sperrvermerk aufgrund einer Verschweißung des Führerscheins mit einer Plastikfolie nicht möglich ist. Dann dürfe wegen der Gefahr des Mißbrauchs der Fahrerlaubnis diese weiter in Beschlagnahme verbleiben. Diese Problem hätte allerdings durch ein Vorgehen gem. Art. 8 der Richtlinie vom 29. Juli 1991 gelöst werden können.

Ebenfalls in diesem Sinne hat das AG Homburg (ZfS 1995, 352 mit Anm. von Bode) entschieden und eine Beschlagnahme bis zum Verfahrensende für zulässig erachtet, wenn wegen der besonderen Beschaffenheit der Führerscheinurkunde der Sichtvermerk nicht hinreichend sicher und dauerhaft eingetragen werden kann.

Die aufgezählten Vorschriften und Beispiele zeigen deutlich, daß den deutschen Bedürfnissen nach strafrechtlicher Ahndung und Untersagung des Führens eines Kraftfahrzeugs auch bei beschränkten Beschlagnahmemöglichkeiten ausländischer Führerscheine genüge getan ist. In der Begründung zu § 69 b StGB (Internationaler Führerschein) heißt es zur Entziehung und Sperre der Fahrerlaubnis: "In diesen Fällen kann die Entziehung nicht den Verlust der von einer ausländischen Behörde erteilten Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen bewirken, weil das als Eingriff in fremde Hoheitsrechte rechtlich unzulässig wäre" (Jagusch / Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 31. Aufl., § 69 b Rdnr. 1). Es wäre auch eine andere gesetzliche Regelung in Deutschland möglich gewesen. Gem. Art. 42 Abs. 1 S. 2 Buchstabe a des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr kann die zuständige Behörde bei Aberkennung des Rechts zum Gebrauchmachen von der ausländischen Fahrerlaubnis den Führerschein einziehen und ihn bis zum Ablauf der Aberkennung oder bis zur Ausreise des Inhabers zurückbehalten. Von dieser Regelungsmöglichkeit hat die Bundesrepublik jedoch in § 69 b StGB und § 111 a Abs. 6 StPO keinen Gebrauch gemacht; statt dessen hat sie sich auf die Vorgehensweise mittels Sichtvermerk festgelegt. An das Gesetz ist die Rechtsprechung gebunden, Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. hierzu näher Bode, Anm. zu AG Homburg ZfS 1995, 353). Es ist nicht einsichtig, wenn nun versucht werden soll, diese getroffene Regelung durch eine Beschlagnahme der ausländischen Fahrerlaubnis quasi als Tatwerkzeug zu unterlaufen, auch wenn es hierzu - soweit ersichtlich - noch keine Veröffentlichungen gibt.

3. Der Weg einer Untersagung des Gebrauchs der ausländischen Fahrerlaubnis mittels Sichtvermerk erscheint logisch und trägt dem Gedanken Rechnung, daß der Wohnsitzstaat nicht in das Verwaltungsrecht des Ausstellerstaates einzugreifen befugt ist. Wäre die Beschlagnahme der ausländischen Fahrerlaubnis durch ein deutsches Gericht zulässig, würde dies de facto zu einer weitreichenden Entscheidungsbefugnis deutscher Gerichte führen. Mit der Umgehung des europäischen Führerscheinrechts durch deutsche Gerichte würde die Fahrberechtigung, zumindest mangels Dokument der Nachweis derselben, auch für den Bereich des Ausstellerlandes der Fahrerlaubnis faktisch entzogen. Ein deutsches Gericht besitzt jedoch keinerlei Befugnis, die Verwaltungsmaßnahme "Erteilung einer Fahrerlaubnis" des Ausstellerstaates aufzuheben oder den Gebrauch dieses Rechts im Ausstellerstaat zu vereiteln.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Freizügigkeit innerhalb der EU sollte berücksichtigt werden, daß durch eine Beschlagnahme einer ausländischen Fahrerlaubnis das Recht zum Führen eines Kraftfahrzeugs in Europa vereitelt wird. Bevor sich deutsche Gerichte anmaßen, nationale ausländische Dokumente zu beschlagnahmen und damit die Ausübung darin verbriefter Rechte im Ausland vereiteln, sollte eine Vorlage beim Europäischen Gerichtshof in Erwägung gezogen werden."



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