Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Oldenburg Urteil vom 18.09.2002 - 7 A 2014/01 - Der Besitz eines Führerscheins beweist nicht das Vorhandensein einer Fahrerlaubnis

VG Oldenburg v. 18.09.2002: Der Besitz eines Führerscheins beweist nicht das Vorhandensein einer Fahrerlaubnis und zum Verlust der Fahrerlaubnis durch Rücknahme eines Rechtsmittels


Das Verwaltungsgericht Oldenburg (Urteil vom 18.09.2002 - 7 A 2014/01) hat entschieden:
Der Besitz eines Führerscheins beweist nicht das Vorhandensein einer Fahrerlaubnis. Wird einem Angeklagten während des strafrechtlichen Berufungsverfahrens wegen Ablaufs der erstinstanzlich verhängten Sperrfrist der Führerschein wieder ausgehändigt und nimmt der Angeklagte später die Berufung zurück, so hat er keinen Anspruch auf Umstellung des Führerscheins auf einen solchen des neuen Rechts.


Zum Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Umstellung einer Fahrerlaubnis der Klasse 3 alten Rechts auf die neuen Fahrerlaubnisklassen nach § 6 Fahrerlaubnisverordnung (FeV).

Der Kläger ist 19.. geboren. Die Fahrerlaubnis zum Führen von Fahrzeugen der Klasse 3 erwarb er erstmals am 04. Dezember 1968. Nach einer Entziehung seiner Fahrerlaubnis wurde ihm diese am 06. September 1973 wiedererteilt. Mit dem aus diesem Grunde angefertigten Führerschein erschien der Kläger am 27. November 2000 bei der Beklagten und beantragte die Umstellung seiner Fahrerlaubnis auf die neuen EU-Fahrerlaubnisklassen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach weiterem Schriftverkehr mit Bescheid vom 02. Februar 2001 ab und führte zur Begründung aus, dass dem Kläger nach ihren Ermittlungen die 1973 wiedererteilte Fahrerlaubnis aufgrund eines Urteils des Amtsgerichts Bochum-Langendreer rechtskräftig entzogen worden sei. Eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach dieser Entziehung sei weder in ihren - der Beklagten - Registerunterlagen noch bei der Stadt Bochum verzeichnet. Im Urteil des Amtsgerichts Bochum-Langendreer vom 03. Mai 1977 heißt es im Tenor u.a.:
„Der Angeklagte wird wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr.... zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Die Fahrerlaubnis wird ihm entzogen. Sein Führerschein wird eingezogen.

Das Straßenverkehrsamt wird angewiesen, ihm vor Ablauf einer Sperrfrist von drei Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.....“.
Auf der Ausfertigung des Urteils, dessen Kopie der Kammer vorliegt, befinden sich zwei Rechtskraftvermerke. Derjenige, aus dem sich die Rechtskraft seit dem 11. Mai 1977 ergibt, ist durchgestrichen. Aus einem weiteren Vermerk ergibt sich, dass das Urteil seit dem 28. Oktober 1977 rechtskräftig ist.

Am 01. März 2001 legte der Kläger Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten ein und führte aus, dass er seiner Auffassung nach im Besitz einer Fahrerlaubnis sei. Gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum-Langendreer habe er nämlich Berufung eingelegt. Den Führerschein habe er im Jahre 1977 vom Berufungsgericht, dem Landgericht Bochum, zurückbekommen. Diesen Umstand erkläre er sich damit, dass offenbar vor Beginn der Berufungsverhandlung die im Urteil des Amtsgerichts Bochum-Langendreer festgesetzte Sperrfrist abgelaufen sei. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren verfolgte der Kläger sein Begehren auf Umstellung weiter.

Die Verpflichtungsklage blieb erfolglos.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Kläger begehrt die Umstellung einer Fahrerlaubnis nach § 6 Abs. 7 S. 1 FeV. In dieser Vorschrift heißt es, dass Fahrerlaubnisse, die bis zum 31. Dezember 1998 erteilt worden sind, auf Antrag des Inhabers auf die neuen Fahrerlaubnisklassen umgestellt werden. Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch ist, dass der Kläger überhaupt Inhaber einer Fahrerlaubnis alten Rechts ist. Das ist nicht der Fall. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass dem Kläger mit Urteil des Amtsgerichts Bochum-Langendreer vom 3. Mai 1977 die 1973 erteilte Fahrerlaubnis entzogen worden ist und ihm seitdem von keiner Fahrerlaubnisbehörde eine neue Fahrerlaubnis erteilt worden ist. Im Tenor des Urteils des Amtsgerichts Bochum-Langendreer vom 03. Mai 1977 heißt es ausdrücklich, dass dem Kläger die Fahrerlaubnis entzogen wird. Hierbei handelte es sich – wie sich aus den Urteilsgründen ergibt - um eine endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB. Dieses Urteil ist auch in vollem Umfange rechtskräftig geworden. Dies ergibt sich aus dem auf § 451 StPO beruhenden amtlichen Vermerk auf der ersten Seite des Urteilsabdrucks. Der Beweis des Gegenteils obliegt nach § 98 VwGO, § 417 ZPO dem Kläger. Tatsachen, denen Gegenteiliges zu entnehmen wäre, hat der Kläger aber nicht vorgetragen. Im Gegenteil hat er sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, dass er zwar zunächst Berufung gegen das Urteil eingelegt, das Rechtsmittel später aber zurückgenommen habe. Dadurch ist das Urteil des Amtsgerichts Bochum Langendreer rechtskräftig geworden. Eine Entscheidung, durch die das Landgericht Bochum das erstinstanzliche Urteil ganz oder zum Teil – etwa hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis – aufgehoben hätte, konnte der Kläger im Übrigen nicht vorlegen. Auch ergab eine Anfrage des Gerichts bei der Staatsanwaltschaft Bochum, dass ein solches Dokument nicht existiert.

Auch der Umstand, dass der Kläger angibt, durch das damalige Berufungsgericht den Führerschein im Jahre 1977 zurückbekommen zu haben, belegt nicht, dass das Urteil des Amtsgerichts Bochum-Langendreer hinsichtlich der endgültigen Fahrerlaubnisentziehung aufgehoben worden ist. Das Gericht glaubt dem Kläger zwar die vorgetragenen Tatsachen. Bei Rücksendung des Führerscheins war die vom Amtsgericht verhängte 3-monatige Sperrfrist abgelaufen. In derartigen Fällen, in denen während eines Berufungsverfahrens die Sperrfrist ablief, wurde die Rechtsauffassung vertreten, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111 a Abs. 5 StPO müsse aus Gründen der Verhältnismäßigkeit aufgehoben werden (s. Kleinknecht, StPO, 33. Aufl., 1977, § 111a, Rz. 9 m.w.N.). Eine solche Vorgehensweise hatte zur Folge, dass dem Betroffenen der beschlagnahmte Führerschein wieder ausgehändigt werden musste, den er (zunächst) behalten durfte. Im vorliegenden Fall dürfte der Kläger deshalb nach Aufhebung der vorläufigen Entziehungsverfügung wieder im Besitz des Führerscheins und einer Fahrerlaubnis gewesen sein. Dies galt allerdings nur bis zur Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Bochum-Langendreer. Denn damit ist die endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB wirksam geworden (vgl. etwa OLG Koblenz, Beschluss vom 22. Dezember 1977 - 1 WS 645/77 - MDR 1978, 337). Anschließend hätte der Führerschein eingezogen werden müssen. Aus welchen Gründen dies unterblieb, brauchte das Gericht nicht aufzuklären. Der Umstand, dass der Kläger seinen Führerschein trotz rechtskräftiger Entziehung der Fahrerlaubnis ab dem 28. Oktober 1977 immer noch „in den Händen hielt“, führte nicht dazu, dass er auch im Besitz einer Fahrerlaubnis war. Davon ist der Kläger - wie viele Laien – zwar ausgegangen. Denn die Unterscheidung zwischen Fahrerlaubnis und Führerschein ist nicht allgemein geläufig. Die objektive Rechtslage vermag diese Vorstellung des Klägers jedoch nicht zu beeinflussen. Zudem verkannte der Kläger wohl auch den Sinn und Zweck der Sperrfrist. Der Kläger schien und scheint zu glauben, nach Ablauf der Sperrfrist sei er quasi automatisch wieder im Besitz einer Fahrerlaubnis. Das ist aber nicht der Fall. Wie sich auch aus dem Wortlaut des amtsgerichtlichen Urteils ergibt, wurde mit Verhängung der Sperrfrist lediglich die Straßenverkehrsbehörde angewiesen, „dem Kläger vor Ablauf der Sperrfrist keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.“ Der Kläger verwechselt aus Sicht des Gerichts deshalb die (nach einer Entziehung angeordnete) Sperrfrist mit einem bloßen Fahrverbot (§ 44 StGB), bei dem dem Betroffenen untersagt wird, für eine gewisse Anzahl von Monaten ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, wobei die Existenz der Fahrerlaubnis selbst unangetastet bleibt.

Schließlich folgt die Kammer auch nicht der Erwägung des Klägers, dem § 10 Abs. 1 S. 6 StVZO a.F. ließe sich entnehmen, dass er nach Wiedererhalt des Führerscheins im Besitz einer Fahrerlaubnis gewesen sei. Auch 1977 bewies der Besitz eines Führerscheins nicht die Rechtmäßigkeit des Besitzes. Zudem war das Landgericht Bochum nicht die zuständige Verwaltungsbehörde, welche dem Kläger durch Rückgabe des Führerscheins eine Fahrerlaubnis hätte wiedererteilen können. Letztlich besitzt der Kläger nicht deshalb gewohnheitsrechtlich eine Fahrerlaubnis, weil er seinen Führerschein seit 1977 wieder in den Händen hat und seitdem beanstandungsfrei als Kraftfahrer am Straßenverkehr teilgenommen hat. Diese Umstände wären allerdings wohl im Rahmen eines Neuerteilungsverfahrens zu berücksichtigen. ..."



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