Das Verkehrslexikon

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Das Zusammentreffen von Nichtbesitz oder Entzug der Fahrerlaubnis und Fahrverbot

Das Zusammentreffen von Nichtbesitz oder Entzug der Fahrerlaubnis und Fahrverbot


Dass ein von einem Strafverfahren im Bußgeldverfahren Betroffener gar keine oder noch keine neue Fahrerlaubnis hat, wenn gegen ihn ein strafrechtliches oder bußgeldrechtliches Fahrverbot verhängt wird, kommt bei folgenden Konstellationen vor:
  • der Betroffene hatte noch niemals eine Fahrerlaubnis und erwirbt während der Zeit, in der das Fahrverbot wirksam ist, auch keine Fahrerlaubnis;

  • dem Betroffenen wurde die Fahrerlaubnis rechtskräftig in einem anderen Verfahren vom Strafgericht oder von der Fahrerlaubnisbehörde entzogen;

  • die Verwaltungsbehörde hat die Fahrerlaubnis entzogen, die Entziehung ist jedoch noch nicht rechtskräftig, jedoch ist die sofortige Vollziehung angeordnet;

Siehe auch Stichwörter zum Thema Fahrverbot


Nicht einschlägig für hier interessierende Problem ist der Fall, dass lediglich der Führerschein verloren worden ist und der Betroffene deshalb nicht in der Lage ist, den Führerschein in amtliche Verwahrung zu geben (in diesem Fall genügt eine Mitteilung über den Verlust des Führerscheins mit dem Verlustdatum nach Rechtskraft der Fahrverbotsentscheidung an die zur Vollstreckung des Fahrverbots zuständige Behörde, vgl. AG Neunkirchen ZfSch 2005, 208 f. = Blutalkohol 42, 499 ff. (Beschluss vom 26.01.2005 - 19 OWi 6/05); LG Essen NZV 2006, 166 f. (Beschluss vom 31.10.2005 – 23 Os 160/05)).


Relativ einfach ist der Fall zu entscheiden, wenn der Betroffene überhaupt keine Fahrerlaubnis besitzt und auch nicht besitzen wird, denn dann kann kein Führerschein in Verwahrung gegeben werden und das Fahrverbot hat lediglich für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge Bedeutung. Hieran hat auch der Gesetzgeber gedacht, denn er führt in der amtlichen Begründung zu § 44 StGB (Bundestagsdrucksache IV/65, S. 14, 15) aus:
"Hat der Verurteilte keine Fahrerlaubnis und kommt damit dem Fahrverbot praktische Bedeutung nur für Kraftfahrzeuge zu, deren Führung ohne Fahrerlaubnis zulässig ist (vgl. dazu § 4 StVZO), so kann ein Führerschein nicht in Verwahrung genommen werden. Mangels eines anderen Anknüpfungspunktes muß hier die Verbotsfrist vom Tage der Rechtskraft an gerechnet werden; das ist in der Fassung des Absatzes 4 Satz 1 klargestellt."
Gleiches gilt ohne weiteres für den - praktisch fast niemals vorkommenden - Fall, dass dem Betroffenen wegen des selben Vorfalls gleichzeitig die Fahrerlaubnis entzogen und ein Fahrverbot verhängt wird (zur Zulässigkeit siehe OLG Karlsruhe VRS 34, 192; OLG Düsseldorf VerkMitt 1972, 23).

Wie ist aber nun in den beiden anderen Fällen zu verfahren? Der Betroffene hat keinen Führerschein in Händen, wenn die das Fahrverbot verhängende Entscheidung rechtskräftig, das Fahrverbot also wirksam wird. Er kann daher den Führerschein auch nicht in die amtliche Verwahrung geben. Dieser Fall kann im übrigen auch dadurch eintreten, dass ein Betroffener den Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid mit Fahrverbot zu einem Zeitpunkt zurück nimmt, vor dem ihm vom Strafgericht oder von der Verwaltungsbehörde die Fahrerlaubnis entzogen wurde, weil er der Auffassung war, nun komme es ja auf das ohnehin ins Leere führende Fahrverbot nicht mehr an.

Auch in diesem Fall beginnt die Verbüßung mit der Rechtskraft der Fahrverbotsentscheidung (vgl. hierzu die Nachweise bei Hentschel DAR 1988, 156 ff.,157).

Für die Fälle, dass das rechtskräftige Fahrverbot einen Betroffenen trifft, dem ohnehin - endgültig oder vorläufig, aber mit sofortiger Wirkung - die Fahrerlaubnis entzogen ist, führt Hentschel DAR 1988, 156 ff., Seite 157 aus:
"Schwieriger ist die Situation, wenn nach Rechtskraft des Fahrverbots ein Führerschein deswegen nicht in amtliche Verwahrung gegeben werden kann, weil gegen eine inzwischen erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde zwar Widerspruch oder Anfechtungsklage erhoben, jedoch sofortige Vollziehung angeordnet ist, oder wenn vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 111 la StPO wegen einer anderen Tat erfolgt ist. Hier darf der Angeklagte/Betroffene ebenso wie in Fällen, in denen er bei Verhängung des Fahrverbots keine Fahrerlaubnis hatte, ganz unabhängig vom Fahrverbot, ohnehin keine fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeuge führen, solange die aufschiebende Wirkung nicht gem. § 80 V VwGO angeordnet bzw. die vorläufige Entziehung nicht gem. § lll a II StPO aufgehoben ist. Für den Beginn der Verbotsfrist des Fahrverbots wird daher nichts anderes zu gelten haben als in den zuvor beschriebenen Fällen. D.h., spätestens ab dem Zeitpunkt, ab dem der Angeklagte/Betroffene von seinem Führerschein im Hinblick auf die zwar nicht rechtskräftige, aber sofort vollziehbare Fahrerlaubnisentziehung durch die Verwaltungsbehörde oder aber im Hinblick auf den Beschluß nach § 111 a StPO keinen legalen Gebrauch machen kann, beginnt die Verbotsfrist.

Die Verbotsfrist eines rechtskräftigen Fahrverbots beginnt also zu laufen

a) mit der Führerscheinablieferung in amtliche Verwahrung,

b) mit der Rechtskraft der Entscheidung, wenn der Angeklagte/Betroffene keine Fahrerlaubnis hat,

c) bei Entziehung der Fahrerlaubnis vor Vollstreckung des Fahrverbots mit Rechtskraft bzw. Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis, weil dann die gleiche Lage eintritt wie unter b),

d) bei vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis in anderer Sache oder Anordnung der sofortigen Vollziehung verwaltungsbehördlicher Entziehung der Fahrerlaubnis mit Eintritt von deren Wirkungen, weil die Rechtslage bezüglich dieser Wirkungen denen einer rechtskräftigen Entziehung der Fahrerlaubnis entspricht."
Noch komplizierter wird die Lage dadurch, dass durch die 1998 erfolgte Änderung des § 25 StVG die sog. 4-monatige Schonfrist gem. Abs. 2a eingeführt wurde, weil die sich daraus eventuell ergebenden Abweichungen von der Literatur, die ganz überwiegend aus der Zeit von vor 1998 stammt, nicht berücksichtigt werden konnte.

Beispiel:

Dem Betroffenen wird die Fahrerlaubnis entzogen. Noch bevor ihm eine neue Fahrerlaubnis (wieder-)erteilt wird, wird gegen ihn ein Fahrverbot rechtskräftig. Einen Führerschein zum Abliefern in die amtliche Verwahrung hat der Betroffene nicht. In der Bußgeldentscheidung ist ihm die Schonfrist von vier Monaten zugebilligt worden. Noch vor Ablauf der vier Monate liegen sämtliche Voraussetzungen für die Neuerteilung vor. Der Führerschein könnte jetzt ausgehändigt werden, jedoch stellt sich die Fahrerlaubnisbehörde auf den Standpunkt, dass der Führerschein noch zur Verbüßung in amtlicher Verwahrung bleiben müsse.

Ähnliches könnte sich auch ereignen, wenn nur noch ein Teil der Viermonatsfrist nicht abgelaufen ist; die Behörde möchte dann für den verbleibenden Rest den Führerschein vor seiner Aushändigung noch einbehalten.
Hier gibt es allerdings ein Urteil aus neuerer Zeit. Das OLG Karlsruhe NZV 2005, 211 = VRS 108, 292 ff. (Beschluss vom 13.12.2004 - 1 Ss 201/04) hat entschieden, dass beim Zusammentreffen von Fahrverbot und vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis keine Anschlussvollstreckung stattfindet:
  1. Liegen die Anordnungsvoraussetzungen des § 25 II a 1 StVG vor, so steht dem. Gericht kein Ermessen zu, ob es die Vorschrift anwendet oder nicht (Anschluss an OLG Düsseldorf, DAR 1998, 402).

  2. Trifft ein derartiges Fahrverbot mit dem durch eine Verwaltungsbehörde angeordneten vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis zusammen, so steht das Analogieverbot einer Anschlussvollstreckung des Fahrverbots nach § 25 II a 2 StVG entgegen.

  3. In einem solchen Fall ist es für den Beginn der Verbotsfrist ausreichend, wenn der Betroffene der Vollstreckungsbehörde nach Eintritt der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung mitteilt, dass sich der Führerschein bei einer anderen Behörde in amtlicher Verwahrung befindet und ab welchem Zeitpunkt innerhalb der Viermonatsfrist das Fahrverbot wirksam werden soll.
Dass sich zügig zu diesem Problem eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung entwickeln wird, steht eher nicht zu erwarten, da diese Fälle in der Praxis äußerst selten auftreten dürften.

In der Praxis ist also einem Betroffenen dringend anzuraten, der für die Vollstreckung des Fahrverbots zuständigen Behörde den Tag der Rechtskraft der Fahrverbotsentscheidung sowie die Tatsache mitzuteilen, dass er sich nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis befindet. Da das Wahlrecht, wann genau das Fahrverbot innerhalb der 4 Monate verbüßt werden soll, beim Betroffenen und nicht bei der Behörde liegt, beginnt somit die Verbüßung des Fahrverbots mit der Rechtskraft der Fahrverbotsentscheidung, frühestens jedoch mit dem Zeitpunkt der Mitteilung an die Vollstreckungsbehörde.

Gleichzeitig sollte der Betroffenen auch seiner Fahrerlaubnisbehörde hiervon Mitteilung machen, wenn eine Aushändigung eines Führerscheins auf Grund von Neuerteilung bevorsteht. Die Fahrerlaubnisbehörde darf dann den neuen Führerschein nicht aushändigen, solange das Fahrverbot noch läuft. Aber eine reine Anschlussvollstreckung des gesamten Fahrverbots nach der Wiedererteilung kommt nicht in Betracht, wenn die entsprechenden Mitteilungen bereits davor erfolgt sind. Zu vollstrecken ist immer nur der verbleibende Rest ab Datum der Mitteilung an die Vollstreckungsbehörde.




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