Das Verkehrslexikon

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OLG Hamm Beschluss vom 04.11.2003 - 1 Ss OWi 729/03 - Zu den erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen zum Nachweis einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit

OLG Hamm v. 04.11.2003: Zu den erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen zum Nachweis einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit


Das OLG Hamm (Beschluss vom 04.11.2003 - 1 Ss OWi 729/03) hat entschieden:
Beim Nachfahren zur Nachtzeit muss der Tatrichter über die allgemeinen Grundsätze zur Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren hinaus zusätzliche Feststellungen zu den Beleuchtungsverhältnissen, zur sicheren Feststellung oder Schätzung eines gleichbleibenden Abstandes und zur Sichtbarkeit des verfolgten Fahrzeugs treffen.


Siehe auch Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren oder Vorausfahren


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Das Amtsgericht hat die Geschwindigkeitsüberschreitung, die der Betroffene am 16. März 2003 gegen 00:40 Uhr begangen haben soll, auf der Grundlage der Angaben der Polizeibeamten B. und H. festgestellt. Diese haben nach ihren Angaben durch Nachfahren mit ihrem Polizeifahrzeug über eine Strecke von mehr als 3000 m eine Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Betroffenen von mindestens 200 km/h von ihrem justierten Tachometer abgelesen. Dabei hätten sie zunächst einen gleichbleibenden Abstand von etwa 150 m, den sie anhand von Leitpfosten geschätzt hätten, eingehalten. In der Folgezeit habe man über mehrere Kilometer stets die Höchstgeschwindigkeit gefahren, die der Streifenwagen habe fahren können (gut 200 km/h). Dabei habe sich der Abstand zum Fahrzeug des Betroffenen nicht verringert, sondern auf zeitweise 5 bis 6 Leitpfosten (also 250 bis 300 m) erhöht. Während der gesamten Nachfahrstrecke habe man zum Fahrzeug Sichtkontakt gehabt. Von diesem Messwert hat das Amtsgericht als Toleranz zum Ausgleich von Messungenauigkeiten 15 % abgezogen und so eine vorwerfbare Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 km/h bei erlaubten 120 km/h ermittelt.

Diese Ausführungen genügen nicht den von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit außerhalb geschlossener Ortschaften entwickelten Grundsätzen (vgl. OLG Köln VRS 86, 199 und 360; BayObLG VRS 88, 58; OLG Schleswig DAR 1964, 279; RÜ-Übersicht bei Burhoff in DAR 1996, 381; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Oktober 1999 - 4 Ss OWi 612/99 -; OLG Hamm, Beschluss vom 16. Mai 2000 - 5 Ss OWi 19/00 -). Danach muss der Tatrichter bei einer durch Nachfahren zur Nachtzeit vorgenommenen Geschwindigkeitsermittlung über die allgemeinen Grundsätze zur Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren hinaus zusätzliche Feststellungen dazu treffen, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren und ob bei den zur Nachtzeit regelmäßig schlechteren Sichtverhältnissen der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt worden ist und damit ausreichend erfasst und geschätzt werden konnte, sowie dazu, ob für die Schätzung eines gleichbleibenden Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz der Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden waren und ferner, ob die Umrisse des vorausfahrenden Fahrzeugs und nicht nur dessen Rücklichter erkennbar waren. Bei einem Abstand wie hier von 150 m und mehr kann nämlich ohne besondere Feststellungen angesichts der Reichweite des Abblendlichts nicht davon ausgegangen werden, dass die Rückseite des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs des Betroffenen durch die Scheinwerfer des nachfolgenden Polizeifahrzeuges aufgehellt war oder etwa aufgrund anderer Lichtquellen die Silhouette des Fahrzeugs für die Polizeibeamten erkennbar war, so dass der Abstand ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte. ..."