Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 17.04.1973 - VI ZR 108/72 - Geschwindigkeistschätzung durch Beifahrer

BGH v. 17.04.1973: Zur Geschwindigkeistschätzung durch Beifahrer


Der BGH (Urteil vom 17.04.1973 - VI ZR 108/72) hat unter besonderen Umständen ausnahmsweise eine Geschwindigkeitsschätzung einer Insassin eines Kfz für verwertbar gehalten:


Siehe auch Stichwörter zum Thema Geschwindigkeit


"... Die Zeugin R. hatte bekundet: Nach ihrem Empfinden sei der Bekl. sehr schnell gefahren. Sie - die Zeugin - sei selbst Kraftfahrerin und würde nicht so schnell gefahren sein. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, die diese Aussage als "zu unbestimmt" außer Betracht lassen wollen, lassen nicht erkennen, daß die Bekundung der Zeugin die unter Berücksichtigung der Gesamtumstände gebotene Würdigung erfahren hat. Zwar mag allgemein gegenüber konkreten Geschwindigkeitsschätzungen auch erfahrener Kraftfahrer Vorsicht geboten sein. Hier galt es jedoch zu beachten, daß bei der besonderen Verkehrslage (bevorrechtigte Straße, gute Sicht und fast völlige Verkehrsleere) auch für einen vorsichtigen Kraftfahrer kein Anlaß bestand, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/st zu unterschreiten. Damit kann die Aussage nur dahin verstanden werden, daß der Zeugin die Fahrweise des Zweitbekl. diese jedem Kraftfahrer in besonderem Maße vertraute Geschwindigkeitsstufe in auffälliger Weise zu überschreiten schien.

Die Aussage war also nach ihrem objektiven Sinn nicht etwa deshalb allgemein unbestimmt, weil sich, die Zeugin eine genaue Geschwindigkeitsschätzung in Stundenkilometern nicht zugetraut hat. Es gibt auch keinen Erfahrungssatz dahin, daß eine verkehrskundige Person zu, der von der Zeugin bekundeten Beobachtung nicht in der Lage sei. Sollte das Berufungsgericht aber im Gegensatz zum LG in die persönliche Urteilsfähigkeit oder Wahrheitsliebe der Zeugin Zweifel gesetzt haben, dann hätte es auf eine eigene Vernehmung nicht verzichten dürfen (BGH LM ZPO § 398 Nr. 3; ständige Rechtsprechung). ..."