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OVG Magdeburg Urteil vom 13.10.2005 - 1 L 422/04 - Zu den inhaltlichen Anforderungen an eine MPU-Anordnung

OVG Magdeburg v. 13.10.2005: Zu den inhaltlichen Anforderungen an eine MPU-Anordnung und zum Verfahren gegenüber dem Betroffenen


Das OVG Magdeburg (Urteil vom 13.10.2005 - 1 L 422/04) hat entschieden:
Die inhaltlichen Anforderungen einer Gutachtenanordnung sind in § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV bestimmt. Danach teilt die Behörde dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle bzw. Stellen mit, dass er sich innerhalb der von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat. Wegen der großen Bedeutung und wegen der nicht gegebenen Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Aufforderung muss die Anordnung im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein, und der Betroffene muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Kraftfahreignung zu rechtfertigen vermag. Die den Verdacht begründenden Umstände müssen so genau bezeichnet sein, dass es dem Betroffenen möglich ist, ggf. auch unter Heranziehung anwaltlicher Hilfe abzuschätzen, ob nach den Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung hinreichender Anlass zu der angeordneten Überprüfung besteht.


Siehe auch Stichwörter zum Thema medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU)


Zum Sachverhalt: Der Kläger begehrte die Erteilung einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung.

Unter dem 29. Oktober 2001 beantragte der Kläger die Erteilung einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung. Dazu legte der Kläger u. a. eine Bescheinigung über die ärztliche Untersuchung von Bewerbern um eine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung für Taxen des Facharztes für Allgemeinmedizin D vom 23. Oktober 2001 vor. In dieser Bescheinigung heißt es, dass bei dem Kläger keine Beeinträchtigungen des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens festgestellt werden konnten.

Am 6. November 2001 erschien der Kläger zum Zweck der für die Erteilung der Fahrerlaubnis notwendigen Ortskundeprüfung in der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten; diese Prüfung bestand der Kläger auch. Ausweislich eines Aktenvermerkes wurde von verschiedenen Mitarbeiterinnen des Beklagten beim Kläger ein vermeintlich sehr starker Alkoholgeruch festgestellt. Die vom Beklagten gerufene Polizei konnte bei einem Alkoholtest allerdings keinen Alkoholnachweis führen.

Am 30. November 2001 wurde der Kläger aufgefordert, ein Gutachten über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorzulegen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger am 6. November 2001 starken Alkoholgeruch in den Räumen der Fahrerlaubnisbehörde verbreitet habe, worauf angenommen werden musste, dass er Alkohol zu sich genommen habe. Da die Polizei aus gesundheitlichen Gründen keinen Alkoholtest habe vornehmen können, sehe man sich veranlasst, ihn einem Facharzt vorzustellen. Mit der Erstellung des Gutachtens wurde der Arzt D in A-Stadt beauftragt. Als Fragestellung wurde dort genannt:
„Liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges in Verbindung mit Fahrgastbeförderung der Klasse B infrage stellen (Blut- bzw. Leberwerte sowie andere körperliche Symptome)?“.
In dem am 13. Dezember 2001 erstellten ärztlichen Attest heißt es, dass keine weitere Untersuchung empfohlen werde, da keine Beeinträchtigungen des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens bei dem Kläger festgestellt werden konnten. Der Bescheinigung war ein Ausdruck über die festgestellten Laborwerte beigefügt. Nach diesem Laborbefund vom 12. Dezember 2001 wies der Kläger einen erhöhten Gamma-GT-Wert von 33 U/Liter (0,95 SI-Einheiten) auf. Der Normwert liegt ausweislich einer Anmerkung auf dem Laborbericht bis 28 U/Liter. Die Werte der anderen Leberenzyme GOT und GPT befanden sich jeweils im Normbereich.

Am 19. Dezember 2001 wurde der Kläger nunmehr aufgefordert, ein Gutachten eines Facharztes mit der Zusatzbezeichnung „Arzt für Psychiatrie“ mit verkehrsmedizinischer Qualifikation über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beizubringen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Gamma-GT-Bestimmung für die Erkennung von Leberschäden höchst bedeutungsvoll sei und sich als sehr zuverlässiger Labortest mit diagnostischer Aussagekraft erwiesen habe. Die Aufforderung enthielt indes keine nähere Bezeichnung der herangezogenen Rechtsgrundlage.

Der Kläger wurde am 13. Mai 2002 aufgefordert, bis zum 31. Mai 2002 das angeforderte Gutachten vorzulegen. Der Kläger sei auch dem Vorschlag des Beklagten, einen Gamma-GT-Wert erheben zu lassen, um dann die begehrte Fahrerlaubnis erteilt zu bekommen, wenn der Wert im Normbereich liege, nicht nachgekommen.

Der Kläger kam nachfolgend der Aufforderung, sich einem Facharzt für Psychiatrie vorzustellen, nicht nach, sondern erhob eine Dienstaufsichtsbeschwerde, welche den Beklagten indes nicht zu einer Änderung der Verfügung veranlasste.

Mit Bescheid vom 5. Juni 2002 wurde der Antrag des Klägers auf Erteilung einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger das geforderte ärztliche Gutachten „in Form einer Blutanalyse“ nicht der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten vorgelegt habe. Somit sei gemäß § 11 Abs. 8 FeV von der fehlenden Eignung des Klägers hinsichtlich der Erteilung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung auszugehen.

Hiergegen legte der Kläger unter dem 24. Juni 2002 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass die Forderung einer Blutwertanalyse zur Abklärung der Fahrgastbeförderungstauglichkeit ermessensfehlerhaft sei. An dem Tage, als er die Ortskundeprüfung ablegt habe, sei entgegen seinem Wunsch keine Blutalkoholanalyse seitens der Polizei vorgenommen worden. Der lediglich im Normbereich erhöhte Gamma-GT-Wert sei vermutlich auf eine Medikamenteneinnahme oder eine allgemeine physiologische Schwankung zurückzuführen. Die erhöhten Leberwerte seien nicht auf Alkoholkonsum oder Alkoholmissbrauch zurückzuführen.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2003 wies das zu diesem Zeitpunkt zuständige Regierungspräsidium Magdeburg den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach § 11 Abs. 2 FeV die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen könne, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründeten. Dabei bestimme die Fahrerlaubnisbehörde, von welchem Arzt das Gutachten erstellt werden solle. Die Fahrerlaubnisbehörde könne von der Nichteignung gemäß § 11 Abs. 8 FeV ausgehen, wenn der Bewerber sich weigere, das geforderte Gutachten beizubringen. Auf Anordnung des Beklagten habe der Kläger zum Nachweis seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen eine ärztliche Bescheinigung und einen Laborbefundbericht vorgelegt. Laut diesem Befund habe der Gamma-GT-Wert den Referenzwert um mehr als 17 % überstiegen. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sei bei einem isolierten erhöhten Gamma-GT-Wert auf einen Alkoholkonsum über einen längeren Zeitraum zu schließen. In Ausnahmefällen könnten die erhöhten Gamma-GT-Wert ihre Ursache in Leberkrankheiten oder der Einnahme bestimmter Medikamente haben. Aufgrund dessen habe der Beklagte zu Recht ein weiteres ärztliches Gutachten zur Klärung der Frage angefordert, auf welche Ursache die erhöhten Gamma-GT-Werte zurückzuführen seien. Zu dieser Anordnung sei der Beklagte auch berechtigt gewesen. Die Aussage des Arztes des Klägers, dass Alkohol als Ursache für den erhöhten Gamma-GT-Wert auszuschließen sei, sei unzureichend. Das vorgelegte ärztliche Attest genüge nicht den Voraussetzungen der Anlage 15 zur § 11 Abs. 5 FeV . Danach müsse das Gutachten nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Dies bedeute, dass wesentliche Befunde und die Darstellung der zur Beurteilung führenden Schlussfolgerung im Gutachten wiedergegeben und das Untersuchungsverfahren, dass zu den Befunden geführt habe, benannt sein müssten. Dies sei hinsichtlich der vorgelegten Bescheinigung nicht gegeben.

Mit seiner am 29. August 2003 vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

Unter dem selben Datum hat der Beklagte den Kläger erneut aufgefordert, ein ärztliches Gutachten ebenfalls wegen des erhöhten Gamma-GT-Wertes am 12. Dezember 2001 und damit nunmehr verbundenen Zweifeln an seiner allgemeinen Kraftfahreignung vorzulegen. Es war dem Kläger in der Aufforderung ausdrücklich freigestellt worden, ob das Gutachten durch einen Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation i. S. d. § 65 FeV oder durch einen Arzt für Psychiatrie oder einen Arzt für Innere Medizin bzw. Arzt für Allgemeinmedizin erstellt wird. In der ärztlichen Bescheinigung der vom Kläger beauftragten Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. E vom 25. November und 30. Dezember 2003 wurde festgestellt, dass beim Kläger keine Alkoholabhängigkeit bestehe und auch ein Alkoholmissbrauch nicht vorliege. Ferner wurde ausgeführt, dass auch vormals keine Alkoholabhängigkeit beim Kläger bestanden habe. Der Kläger weise eine stabile psychische Persönlichkeit auf. Der ermittelte Gamma-GT-Wert habe nur 0,34 betragen und sei damit völlig unproblematisch gewesen. Es habe ein normgerechter Blutdruck festgestellt werden können und die Fein- als auch die Grobmotorik seien ohne Befund gewesen. Der Kläger habe harmonisch und ruhig gewirkt. Alle Laborparameter seien ohne Befund gewesen.

Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat die Klage mit Urteil vom 1. Oktober 2004 abgewiesen.

Die zugelassene Berufung des Klägers war erfolgreich.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 StVG i. V. m. § 48 Abs. 4 FeV liegen vor. Der Kläger erfüllt zunächst nach den vorgelegten Antragsunterlagen die in § 48 Abs. 4 Ziffern 1 bis 5 und 7 FeV genannten besonderen Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung. Der Erteilung dieser Fahrerlaubnis stehen im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren keine Zweifel an der Kraftfahreignung des Klägers entgegen. Selbst wenn bei Erlass der Bescheide vom 5. Juni 2002 und 22. Juli 2003 Zweifel an seiner Kraftfahreignung bestanden haben sollten, hat der Kläger diese Zweifel zwischenzeitlich durch die Vorlage von für ihn günstige ärztliche Gutachten hinreichend entkräftet.

Die Fahrerlaubnisbehörde hat die Erteilung einer Fahrerlaubnis zu versagen, wenn sich der Bewerber i. S. d. § 2 Abs. 4 StVG als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die Verweigerung der Erteilung der Fahrerlaubnis setzt mithin die Feststellung der Ungeeignetheit voraus, wobei allerdings - anders als bei einem Entzug der Fahrerlaubnis - grundsätzlich dem Fahrerlaubnisbewerber die Darlegungslast hinsichtlich der Feststellung der Kraftfahreignung obliegt. Im Vorfeld der entsprechenden Feststellung hat die Fahrerlaubnisbehörde, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme zulassen, dass der Bewerber ungeeignet oder bedingt geeignet ist, Ermittlungen anzustellen, die sich nach §§ 11 bis 14 FeV zu richten haben. Speziell zur Klärung von Eignungszweifeln bei einer vermuteten Alkoholproblematik ist auf § 13 FeV, der einerseits den Fall der Alkoholabhängigkeit und andererseits den Fall des Alkoholmissbrauchs regelt, abzustellen. Genügende Anzeichen für das Vorliegen von Alkoholabhängigkeit führen danach regelmäßig zu weiteren Ermittlungen im Wege der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung und der Vorlage eines darauf basierenden Gutachtens. Die Begutachtungsleitlinien für die Kraftfahrereignung orientieren sich dabei in Ziffer 3.11.2 hinsichtlich der Feststellung der Alkoholabhängigkeit an der internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10-Code, auszugsweise abgedruckt bei Bode/Winkler, Fahrerlaubnis, Anhang). Hiernach kann die Diagnose „Alkoholabhängigkeit“ in der Regel nur gestellt werden, wenn während eines zurückliegenden Jahres drei oder mehr der nachfolgenden Kriterien gleichzeitig erfüllt sind: Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Alkohol zu konsumieren; verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums; ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums; Nachweis einer Toleranz; fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Alkoholkonsums; erhöhter Zeitaufwand, um den Alkohol zu konsumieren oder sich von den Folgen des Konsums zu erholen; anhaltender Alkoholkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen wie z. B. Leberschädigung durch exzessives Trinken. Hierbei können grundsätzlich auch nicht normgerechte Werte bei den sog. Alkoholismusmarkern (Gamma-GT, CDT-Wert und Methanolspiegel) Veranlassung zu einer Gutachtenanforderung geben. Der Senat lässt es dabei ausdrücklich offen, ob bereits die isolierte Erhöhung des Gamma-GT-Wertes - ohne, dass wie im vorliegenden Fall in der Vergangenheit eine erhebliche einmalige Alkoholauffälligkeit (z. B. festgestellte Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,6 Promille) oder wiederholte Zuwiderhandlungen unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr feststellbar sind - ausreicht, um ein ärztliches Gutachten i. S. d. § 13 Nr. 1 FeV anzuordnen (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 16.06.1993 - 12 M 3291/92 - ZfS 1993, 323; VGH Mannheim, B. v. 24.09.1991 - 10 S 2323/91 - NZV 1992, 88). Wie sich aus den von dem Beklagten selbst beigezogenen Unterlagen ergibt (Bl. 33 der Beiakte A), kann die Erhöhung des Gamma-GT-Wertes nämlich auch durch die Einnahme von bestimmten Medikamenten, wie bestimmten handelsüblichen Schmerzmitteln (Paracetamol) und Schilddrüsenpräparaten (Thiamazol), eintreten (vgl. auch Blocher u. a., DAR 1998, 301; Gilg/Eisenmenger, DAR 1995, 438).

Alkoholmissbrauch liegt nach Ziffer 3.11.1 der Begutachtungsleitlinien hingegen vor, wenn ein Bewerber für eine Fahrerlaubnis das Führen eines Kraftfahrzeuges und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann, ohne bereits alkoholabhängig zu sein. Ein solcher Missbrauch liegt in der Regel dann vor, wenn wiederholt ein Fahrzeug unter unzulässig hoher Alkoholeinwirkung geführt wurde, nach einmaliger Fahrt unter hoher Alkoholeinwirkung (ohne weitere Anzeichen einer Alkoholwirkung) bzw. aktenkundig belegt ist, dass es bei dem Betroffenen in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der Verkehrsteilnahme zu einem Verlust der Kontrolle des Alkoholkonsums gekommen ist.

Die Verweigerung der Erteilung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung lässt sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zunächst nicht auf § 11 Abs. 8 FeV stützen. Nach dieser Bestimmung kann auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden, wenn der Kraftfahrer ein von ihm zu Recht gefordertes Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die inhaltlichen Anforderungen einer Gutachtensanordnung sind in § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV bestimmt. Hiernach teilt die Behörde dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle bzw. Stellen mit, dass er sich innerhalb der von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat. Wegen der großen Bedeutung und wegen der nicht gegebenen Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Aufforderung muss die Anordnung im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein, und der Betroffene muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Kraftfahreignung zu rechtfertigen vermag. Die den Verdacht begründenden Umstände müssen so genau bezeichnet sein, dass es dem Betroffenen möglich ist, ggf. auch unter Heranziehung anwaltlicher Hilfe abzuschätzen, ob nach den Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung hinreichender Anlass zu der angeordneten Überprüfung besteht. Genügt eine Aufforderung zur Gutachtensbeibringung nicht diesen formellen Anforderungen, so kann dieser Mangel nicht dadurch geheilt werden, dass die Behörde nachträglich darlegt, objektiv hätten zu ihrem Zeitpunkt Umstände vorgelegen, die Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung hätten geben können (vgl. VGH Mannheim, U. v. 28.10.2004 - 10 S 475/04 - ZfS 2005, 316).

Die verschiedenen Gutachtenanforderungen des Beklagten lassen zunächst jeweils offen, ob er hinreichende Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit oder für einen Alkoholmissbrauch des Klägers gesehen hat; auf die bei einer vermuteten Alkoholproblematik einschlägige Vorschrift des § 13 FeV, welche insoweit gegenüber § 11 FeV lex specialis ist, wird weder in den Gutachtenanordnungen noch in den angefochtenen Bescheiden eingegangen.

Die Aufforderung zur Vorlage eines Gutachtens über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vom 19. Dezember 2001 benennt als Grund für die Vorlage des ärztlichen Gutachtens nur den erhöhten Gamma-GT-Wert aufgrund der Untersuchung vom 12. Dezember 2001. Der Kläger wurde aufgefordert, ein Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beizubringen. Dieser dürfe nicht zugleich der behandelnde Arzt sein. Der Gutachtenaufforderung war jedoch ausdrücklich der Zusatz „Arzt für Psychiatrie“ angefügt worden. Eine Begründung, warum gerade diese Einschränkung hinsichtlich der in Betracht kommenden Ärzte aufgenommen worden ist, ist aus den Akten nicht ersichtlich und auch vom Beklagten nicht vorgetragen worden. Aus welchen Gründen zur Abklärung eines internistischen medizinischen Sachverhaltes (Klärung der Erhöhung des Gamma-GT-Wertes) die Erstellung eines Gutachtens durch einen Arzt für Psychiatrie geeignet und erforderlich sein soll, ist nicht erkennbar.

Soweit in dem Bescheid vom 5. Juni 2002 weiter darauf verwiesen wird, dass in Absprache mit dem Bevollmächtigten des Klägers im Februar 2002 festgelegt worden sei, dass der Kläger gemäß § 11 Abs. 2 FeV zur Abklärung des Gamma-GT-Wertes vom 12. Dezember 2001 einen aktuellen Blutbefund vorlegen solle, handelt es sich nicht um eine den formellen Anforderungen genügende Anordnung i. S. d. § 11 Abs. 6 FeV, sondern allenfalls nur um eine informelle Absprache zwischen den Beteiligten. Jedenfalls kann aus der unterlassenen Vorlage des geforderten Laborbefundes nicht gemäß § 11 Abs. 8 FeV geschlossen werden, dass der Kläger nicht über die erforderliche Kraftfahreignung verfügt.

Im Übrigen hat sich der Kläger dann aufgrund einer weiteren Anordnung des Beklagten vom 29. August 2003 erneut ärztlich untersuchen lassen. Nach dieser Anordnung, welche ebenfalls wegen des erhöhten Gamma-GT-Wertes am 12. Dezember 2001 und damit nunmehr verbundenen Zweifeln an seiner allgemeinen Kraftfahreignung ergangen ist, ist dem Kläger ausdrücklich freigestellt worden, ob das Gutachten durch einen Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation i. S. d. § 65 FeV oder durch einen Arzt für Psychiatrie oder einen Arzt für Innere Medizin bzw. Arzt für Allgemeinmedizin erstellt werden kann. Diese Vorgehensweise des Beklagten ist jedoch in § 11 Abs. 2 FeV nicht vorgesehen. § 11 Abs. 2 FeV Satz 3 FeV enthält eine enumerative Aufzählung der für eine Begutachtung infrage kommenden Ärzten bzw. Stellen. Allen in § 11 Abs. 2 Satz 3 Ziffern 1 bis 5 FeV aufgezählten Gutachtern ist dabei gemein, dass diese über eine nachgewiesene verkehrsmedizinische Qualifikation verfügen müssen, damit eine den Anforderungen von § 11 Abs. 5 FeV i. V. m. Anlage 15 FeV genügende Begutachtung - insbesondere unter Beachtung der jeweils aktuellen Begutachtungsleitlinien für den Kraftfahrerverkehr - erfolgen kann (vgl. Bouska/Laeverenz, Fahrerlaubnisrecht, § 11 FeV Rn. 10). Die Möglichkeit einer Begutachtung durch einen Facharzt ohne verkehrsmedizinische Qualifikation ist in § 11 Abs. 2 FeV nicht vorgesehen, worauf die vom Kläger benannte Ärztin Dr. med. E auf der Rückseite des an sie gerichteten Schreibens des Beklagten vom 10. September 2003 auch ausdrücklich hingewiesen worden ist. Aus welchen Gründen Frau Dr. med. E zum einen um die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens zur Klärung von Zweifeln an der Kraftfahreignung des Klägers gebeten, zum anderen ihr aber gleichzeitig mitgeteilt worden ist, dass das von ihr zu fertigende Gutachten aus rechtlichen Gründen bei der Prüfung der Kraftfahreignung des Klägers nicht berücksichtigt werden könne, legt der Beklagte nicht dar. Vor dem Hintergrund dieses eigenen widersprüchlichen Verhaltens kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die ärztlichen Stellungnahmen der Frau Dr. med. E vom 25. November 2003 und 30. Dezember 2003 nicht den Anforderungen der Begutachtungsleitlinien für den Kraftfahrerverkehr entsprechen, da nach der Wertung in § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV entsprechende Gutachten ohnehin nur von Fachärzten mit verkehrsmedizinischer Qualifikation verlangt werden können.

Substanziierte Zweifel an der Feststellung der Frau Dr. med. E, dass der Gamma-GT-Wert des Klägers bei ihren Untersuchungen im November 2003 sich im Normbereich befunden habe und bei ihm auch ansonsten keine Anzeichen für eine Alkoholabhängigkeit bzw. einen Alkoholmissbrauch erkennbar sind, sind vom Beklagten nicht vorgetragen worden und auch ansonsten nicht aus der Akte ersichtlich. Es ist auch nicht aus den Akten ersichtlich bzw. vom Beklagten dargelegt worden, dass nach den ärztlichen Untersuchungen im November 2003 bis zum Termin der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren noch Umstände eingetreten sind, welche Zweifel an der Kraftfahreignung des Klägers begründen könnten.

Aus diesem Grunde ist dem Kläger die beantragte Fahrerlaubnis zu erteilen, da § 2 Abs. 2 StVG dem Beklagten insoweit kein Ermessen einräumt. ..."



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