Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgerichtshof Mannheim Urteil vom 09.01.2007 - 10 S 1386/06 - Für die Feststellung des Punktestandes oder die Feststellung eines bestimmten Punkteabzugs gibt es keine Rechtsgrundlage

VGH Mannheim v. 09.01.2007: Für die Feststellung des Punktestandes oder die Feststellung eines bestimmten Punkteabzugs durch feststellenden Verwaltungsakt gibt es keine Rechtsgrundlage


Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (Urteil vom 09.01.2007 - 10 S 1386/06) hat entschieden:
  1. Weder § 4 StVG noch § 41 FeV ist eine Anspruchsgrundlage auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts in Bezug auf den Punktestand eines Fahrerlaubnisinhabers oder in Bezug auf einen Teilaspekt, wie z.B. den mit dem Besuch eines Aufbauseminars nach § 4 Abs. 4 Satz 1 StVG verbundenen Punkteabzug, zu entnehmen.

  2. Im Bereich des § 4 StVG sind Feststellungsklagen eines Fahrerlaubnisinhabers auf verbindliche Feststellung seines Punktestandes wegen der Möglichkeit des nachträglichen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG und des danach fehlenden Feststellungsinteresses regelmäßig ausgeschlossen.

Siehe auch Das Punktsystem - Fahreignungs-Bewertungssystem und Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein


Zum Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Höhe eines Punkteabzugs nach § 4 Abs. 4 Satz 1 StVG.

Nach Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes an das Landratsamt Rems-Murr-Kreis vom 11.05.2004 beging der Kläger seit dem 19.01.2001 folgende Verkehrsverstöße, die vom Kraftfahrt-Bundesamt in diesem Schreiben nach der Anlage 13 zu § 40 FeV unverbindlich mit 10 Punkten bewertet wurden:
  • Tattag: 19.01.2001; Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 28 km/h; Datum der Entscheidung 28.02.2001; Datum der Rechtskraft 20.03.2001

  • Tattag: 22.08.2002, Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 39 km/h; Datum der Entscheidung 25.10.2002; Datum der Rechtskraft 23.11.2002

  • Tattag: 01.09.2003; Überholen trotz Überholverbots, Datum der Entscheidung 18.09.2003; Datum der Rechtskraft 09.10.2003

  • Tattag: 13.09.2003, Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h; Datum der Entscheidung 15.04.2004 (Urteil des Amtsgerichts Bad Mergentheim); Datum der Rechtskraft 28.04.2004.
Vom 22.11. bis zum 12.12.2003 nahm der Kläger an einem Aufbauseminar für Punktauffällige (§ 4 Abs. 8 StVG) teil. Auf der vom Kläger dem Landratsamt am 17.12.2003 vorgelegten Teilnahmebescheinigung vom 12.12.2003 vermerkte das Landratsamt „4 Punkte Rabatt“.

Mit Schreiben vom 09.06.2004 wies das Landratsamt den Kläger darauf hin, dass seine Verkehrsverstöße nach Anlage 13 zu § 40 FeV mit 10 Punkten zu bewerten seien, verwarnte den Kläger und wies ihn auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Aufbauseminar hin. Der durch die Teilnahme zu erwerbende Punkterabatt betrage bei einem Stand von nicht mehr als 8 Punkten 4 Punkte und bei einem Stand zwischen 9 und 13 Punkten 2 Punkte. Für das Schreiben wurden eine Gebühr von 17,90 EUR und Auslagen von 5,60 EUR angesetzt und der Kläger zur Zahlung innerhalb von 14 Tagen aufgefordert.

Mit Schreiben vom 16.06.2004 verwies der Kläger auf das von ihm im Zeitraum vom 22.11. bis zum 12.12.2003 besuchte Aufbauseminar, legte die Teilnahmebescheinigung vom 12.12.2003 erneut vor und bat um Überprüfung seines Punktestandes. Da er bereits an einem Aufbauseminar teilgenommen habe, habe er tatsächlich nur 6 Punkte.

Am 23.06.2004 teilte das Landratsamt dem Kläger mit, bereits vor der Teilnahme an dem Aufbauseminar seien für ihn 10 Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen gewesen. Dementsprechend könne ihm nur ein Rabatt von 2 Punkten eingeräumt werden. Angesichts eines Punktestandes von 8 Punkten sei die Verwarnung zu Recht erfolgt.

Gegen dieses Schreiben brachte der Kläger in der Folgezeit vor, dass bis Ende 2003 lediglich 7 Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen gewesen seien. Er bat um Rücknahme der Verwarnung, der Aufforderung zur Zahlung der Gebühr sowie um Richtigstellung des Punktestandes im Verkehrszentralregister. Zur Begründung wies er darauf hin, dass sich die Anwendung des Punktsystems nach § 4 StVG nur an rechtskräftigen Entscheidungen orientieren könne. Denn jede Eintragung setze eine rechtskräftige Entscheidung voraus. Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 4 StVG sei für den Punktestand das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.

Mit Schreiben vom 17.08.2004 lehnte das Landratsamt die Korrektur des Punktestandes von 8 auf 6 Punkte sowie die Rücknahme der Verwarnung ab. Hinsichtlich der Teilnahmebescheinigung sei das Ausstellungsdatum maßgebend. In Bezug auf die Verkehrsverstöße werde auf den Tag der Tat und nicht auf die Rechtskraft der Entscheidung abgestellt. Dementsprechend habe der Kläger bereits vor seiner Teilnahme am Aufbauseminar einen Punktestand von 10 Punkten erreicht, so dass der Punkterabatt infolge der Teilnahme am Aufbauseminar lediglich 2 Punkte betrage.

Der Kläger betrachtete das Schreiben des Landratsamtes vom 17.08.2004 als beschwerdefähige Entscheidung und erhob hiergegen mit Schreiben vom 31.08.2004 förmlich Widerspruch. Im Rahmen von Maßnahmen nach dem Punktsystem sei im Hinblick auf den Punktestand auf die Rechtskraft der Entscheidung abzustellen.

Den Widerspruch des Klägers gegen das Schreiben vom 17.08.2004 wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2005 zurück.

Der hiergegen gerichteten Klage gab das Verwaltungsgericht Stuttgart statt.

Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig. Der Beklagte hat innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung diese am 13.07.2006 begründet und einen bestimmten Antrag gestellt (§ 124a Abs. 6 Satz 1 und 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).

Die Berufung des Beklagten ist auch begründet.

In Bezug auf den Hauptantrag (Verpflichtungsklage,1) ist die Klage jedenfalls unbegründet. Im Hinblick auf den erst im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag ist die Klage bereits unzulässig (2).

1) Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Landratsamtes Rems-Murr-Kreis vom 17.08.2004 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.02.2005 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet festzustellen, dass die Teilnahme des Klägers an einem Aufbauseminar gemäß § 4 Abs. 8 StVG in der Zeit zwischen dem 22.11. und dem 12.12.2003 zu einem Punkteabzug in Höhe von vier Punkten geführt hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klage des Klägers auf Erlass dieses feststellenden Verwaltungsakts bereits wegen fehlender Klagebefugnis unzulässig ist. Jedenfalls ist die Verpflichtungsklage auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts mit dem vom Kläger begehrten Inhalt unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Erlass eines solchen Verwaltungsakts hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der Regelung des § 4 StVG kann keine Anspruchsgrundlage entnommen werden. Im Straßenverkehrsgesetz sind Verwaltungsakte, die den Punktestand eines Inhabers einer Fahrerlaubnis nach Maßgabe des Punktsystems des § 4 StVG im Hinblick auf ein bestimmtes Ereignis und/oder einen bestimmten Zeitpunkt verbindlich feststellen, nicht vorgesehen. Weder findet sich eine entsprechende ausdrückliche Regelung noch lässt sich eine solche im Wege der Auslegung ermitteln (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 12.12.1979 - 8 C 77.78 - Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 4; Urt. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83 -, BVerwGE 72, 265 , 268 m.w.Nachw.). Mit § 4 StVG hat der Gesetzgeber eine den Geboten der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit genügende komplexe Regelung geschaffen, die durch ihr abgestuftes System behördlicher Maßnahmen bis hin zur Entziehung der Fahrerlaubnis dem Schutz der Allgemeinheit vor der Gefährdung durch mehrfach mit Verkehrsverstößen auffällig gewordene Kraftfahrzeugführer oder -halter dient (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze, BR-Drucks. 821/96, S. 52 f. und 71 ff.). Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung und auch der weiteren Entstehungsgeschichte des § 4 StVG (vgl. insbesondere Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/7888) sind keine Anhaltspunkte für die Annahme zu entnehmen, der Gesetzgeber habe den Erlass feststellender Verwaltungsakte hinsichtlich des Punktestandes eines Fahrerlaubnisinhabers vorgesehen. Die Bestimmung des § 4 StVG enthält sowohl eine Vielzahl von detaillierten Vorgaben zur Berechnung des Punktestandes eines Fahrerlaubnisinhabers - abhängig u.a. von der Inanspruchnahme von Hilfestellungen durch Aufbauseminare und verkehrspsychologische Beratung - als auch zahlreiche Handlungsermächtigungen für die zuständige Fahrerlaubnisbehörde. Wenn der Gesetzgeber der Ansicht gewesen wäre, es sei wegen der Zweckdienlichkeit einer verbindlichen Festlegung des Punktestandes eines Fahrerlaubnisinhabers oder eines Teilaspekts - hier die Auswirkung der Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 4 Abs. 4 Satz 1 StVG auf den Punktestand - geboten, den Erlass solcher Verwaltungsakte vorzusehen, so hätte er dies ohne Weiteres regeln können. Insbesondere die Vorschriften der Absätze 4 und 5 - und auch Absatz 2 Satz 2 - des § 4 StVG sprechen gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe den Punktestand verbindlich feststellende Verwaltungsakte vorgesehen. Denn trotz genauer Vorgaben für die Bestimmung des für Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG maßgeblichen Punktestandes („Punkteabzug“) hat der Gesetzgeber den Erlass von feststellenden Verwaltungsakten nicht geregelt. Nach der Konzeption des Gesetzgebers sind die Bewertungen der nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 StVG zu erfassenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nach Maßgabe der Anlage 13 zu § 40 StVG und auch ein etwaiger Punkteabzug lediglich als ein Element bei der Berechnung des Punktestandes im Rahmen einer Entscheidung nach dem Punktsystem des § 4 StVG zu berücksichtigen.

Auch § 41 Abs. 1 FeV , der § 4 Abs. 3 StVG ergänzt, kann nach Wortlaut und Systematik nicht als Anspruchsgrundlage ausgelegt werden (vgl. Entwurf einer Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, BR-Drucks. 443/98, S. 293). Die Fahrerlaubnis-Verordnung als Rechtsverordnung spricht nur von Unterrichtung des Betroffenen durch die Fahrerlaubnisbehörde. Damit ist aber lediglich eine Mitteilung der Behörde an den betreffenden Fahrerlaubnisinhaber über den nach Ansicht der Behörde maßgeblichen Punktestand geregelt, den die Fahrerlaubnisbehörde auf der Grundlage der Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes (§ 4 Abs. 6 StVG) ermittelt. Auch der Umstand, dass es sich bei der Fahrerlaubnis-Verordnung lediglich um eine Rechtsverordnung handelt, spricht gegen die Annahme, dass ihr § 41 Abs. 1 Grundlage für einen einklagbaren Anspruch (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) auf Erlass eines Verwaltungsakts ist, der in Bezug auf den Punktestand eine verbindliche Feststellung enthält. Denn § 4 StVG kann, wie oben dargelegt, nicht in diesem Sinne ausgelegt werden. Sollte § 41 Abs. 1 FeV eine hiervon abweichende Bedeutung haben, so hätte es hinsichtlich der Verordnungsermächtigung einer insoweit eindeutigen gesetzlichen Regelung bedurft. Eine solche ist aber den für den Erlass der Fahrerlaubnis-Verordnung maßgeblichen gesetzlichen Regelungen nicht zu entnehmen.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil auch keine konkrete Anspruchsgrundlage genannt, sondern in erster Linie auf das schutzwürdige Interesse des Klägers an einer verbindlichen Feststellung seines Punktestandes im Sinne von § 4 StVG abgestellt, wenn dieser zwischen ihm und der Fahrerlaubnisbehörde umstritten ist. Die Frage des berechtigten Interesses am Erlass eines einen bestimmten Umstand feststellenden Verwaltungsakts ist aber von der vorrangigen Frage zu trennen, ob der Betreffende nach der Rechtsordnung einen Anspruch auf Erlass eines solchen Verwaltungsaktes hat. Mit der Regelung des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist die Auffassung unvereinbar, der Betroffene könne in jedem Fall, in dem er eine verbindliche Regelung eines bestimmten Sachverhalts durch einen Verwaltungsakt für wünschenswert hält, auch den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes unabhängig davon verlangen, ob der Normgeber einen solchen Verwaltungsakt vorgesehen hat. Bestandteil des Streitgegenstandes der Verpflichtungsklage ist die Feststellung, dass die Weigerung der Behörde in dem für das Verpflichtungsbegehren entscheidenden Zeitpunkt, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, die Rechtsordnung verletzt (BVerwG, Urt. v. 24.01.1992 - 7 C 24.91 -, BVerwGE 89, 354). In Bezug auf den geltend gemachten Anspruch kann hiervon aufgrund von Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte des § 4 StVG nicht ausgegangen werden.

Der Kläger kann auch nicht vortragen, das Gebot des effektiven Rechtsschutzes erfordere, dass die Fahrerlaubnisbehörde auf Antrag zum Erlass von Verwaltungsakten verpflichtet sei, die in Bezug auf das Punktsystem eine verbindliche Feststellung treffen. Es ist dem Kläger unbenommen, bei jeder von der Behörde nach § 4 StVG in Anknüpfung an seinen Punktestand getroffenen Maßnahme - und auch in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - geltend zu machen, der Besuch des Aufbauseminars im Zeitraum vom 22.11. bis zum 12.12.2003 habe nicht nur zu einem Abzug von 2, sondern tatsächlich zu einem solchen von 4 Punkten geführt. Unter Umständen kann der Kläger auch vorbeugenden Rechtsschutz in Anspruch nehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83 -, BVerwGE 72, 265).

2) Die hilfsweise erhobene Klage auf Feststellung, dass die durch die Bescheinigung vom 12.12.2003 nachgewiesene Teilnahme an einem Aufbauseminar zu einem Abzug von 4 Punkten geführt hat, ist unzulässig.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Rechtsauffassung zu folgen ist, wonach die Punktebewertung aufgrund ihres internen Charakters und ihrer bloßen Hilfsfunktion kein isoliertes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO begründet (vgl. VG München, Urt. v. 14.07.2000 - M 6a K 00.3 -, juris, Rn. 25; VG Ansbach, Urt. v. 16.10.1975 - AN 9997-V/75, DAR 1976, 52 f; Lässig, JuS 1990, 459 , 461). Hierfür könnte sprechen, dass unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO nur die rechtlichen Beziehungen zu verstehen sind, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.01.1996 - 8 C 19.94 -, BVerwGE 100, 262 m.w.Nachw.). Derzeit wirkt sich aber der unter Berücksichtigung der Teilnahme am Aufbauseminar zu ermittelnde Punktestand des Klägers - mit Ausnahme der im Verwarnungsschreiben vom 09.06.12.2004 enthaltenen Forderung nach Zahlung des Gesamtbetrages von 23,50 EUR - nicht in dem vorgenannten Sinne aus.

Die Feststellungsklage ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil dem Kläger derzeit das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt. Das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung ist nicht gleichbedeutend mit einem „rechtlichen Interesse“, sondern schließt darüber hinaus jedes als schutzwürdig anzusehendes Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art, ein (BVerwG, Urt. v. 26.01.1996 - 8 C 19.94 -, BVerwGE 100, 262 , 271 m.w.Nachw.). Das Gesetz verlangt in § 43 Abs. 1 VwGO aber ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des Bestehens des Rechtsverhältnisses. Im vorliegenden Fall stehen jedoch keine weiteren konkreten Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde gegenüber dem Kläger an, die an seinen Punktestand im Sinne von § 4 StVG anknüpfen und bei denen es damit auf den mit der Teilnahme am Aufbauseminar verbundenen Punkteabzug tatsächlich ankommt. Der Sache nach geht es dem Kläger mit der Feststellungsklage um die Klärung einer Rechtsfrage für eine zukünftige Fallkonstellation. Für den damit verlangten vorbeugenden Rechtsschutz ist aber kein Raum, wenn es dem Betroffenen zuzumuten ist, die befürchtete Maßnahme der Verwaltung abzuwarten, und er auf einen als ausreichend anzusehenden nachträglichen Rechtsschutz, gegebenenfalls mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, verwiesen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.05.1987 - 3 C 53.85 - BVerwGE 77, 207 , Rn. 23 ff.). Danach ist dem Kläger das berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung abzusprechen. Denn es ist ihm ohne Weiteres zuzumuten, eine etwaige - von einem weiteren Fehlverhalten seinerseits im Straßenverkehr abhängige - Maßnahme der Fahrerlaubnisbehörde im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG abzuwarten und im Rahmen des gerichtlichen Rechtsschutzes gegen diese Maßnahme geltend zu machen, dass der Besuch des Aufbauseminars entgegen der Ansicht des Landratsamtes zu einem Abzug von 4 Punkten geführt habe. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Eintritt der zukünftigen Fallkonstellation, für die die zwischen den Beteiligten umstrittene Rechtsfrage von Bedeutung ist, ungewiss ist. Denn erhöhte sich der Punktestand des Klägers im Anschluss an die gerichtliche Auseinandersetzung nicht mehr, wäre die Inanspruchnahme der Gerichte sinnlos. In diesem Fall diente der Rechtsstreit lediglich dazu, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen zu lösen (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.06.2000 - 11 C 13.99 -, BVerwGE 111, 276). Das Entsprechende gilt für die Möglichkeit eines Wechsels der örtlichen Zuständigkeit der Fahrerlaubnisbehörde nach § 73 Abs. 2 FeV. Denn verzöge der betroffene Fahrerlaubnisinhaber, nachdem er - bei Bejahung des Feststellungsinteresses - ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hinsichtlich der Berechnung seines Punktestandes unter Anwendung des § 4 Abs. 4 Satz 1 StVG im Vorfeld einer Maßnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG erwirkt hätte, in ein anderes Bundesland, so wäre dieses an das Feststellungsurteil nach § 121 VwGO nicht gebunden. Dies gilt auch für einen Umzug des Fahrerlaubnisinhabers innerhalb eines Landes, soweit dann ein anderer als der am Gerichtsverfahren beteiligte Rechtsträger zuständig ist. Das Interesse eines Fahrerlaubnisinhabers, im Vorfeld einer - weiteren - Maßnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG rechtsverbindlich zu erfahren, in welchem Umfang er sich weitere mit Punkten zu bewertende Verkehrsverstöße „noch erlauben“ kann, bis die Fahrerlaubnisbehörde nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG - erneut - zu reagieren hat, ist rechtlich nicht schutzwürdig. Eine solche Klarstellung könnte den betreffenden Fahrerlaubnisinhaber mit der Folge weiterer Zuwiderhandlungen in der Haltung bestätigen, dass Verkehrsvorschriften nicht grundsätzlich, sondern erst dann zu beachten sind, wenn durch einen erneuten Verkehrsverstoß eine - weitere - Maßnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG droht. Die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften beanspruchen aber im Interesse des Schutzes der hochrangigen Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer uneingeschränkt Geltung.

Das in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzte Interesse an der baldigen Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses folgt hier auch nicht aus dem Umstand, dass das Landratsamt dem Kläger im Verwarnungsschreiben vom 09.06.2004 die Zahlung eines Gesamtbetrages von 23,50 EUR aufgegeben hat und durch eine Entscheidung über die Feststellungsklage zugleich eine der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Zahlungsverpflichtung geklärt werden könnte. Denn bei dieser Zahlungsverpflichtung handelt es sich im Gegensatz zur Verwarnung um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 LVwVfG. Zur Klärung der Frage, ob dieser rechtmäßig ist, sieht die Verwaltungsgerichtsordnung in § 42 Abs. 1 und § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die besonderen Regelungen unterliegende Anfechtungsklage (vgl. z.B. §§ 68 ff. oder § 74 Abs. 1 VwGO) vor. Der Kläger hat durch sein eigenhändiges Schreiben an das Landratsamt vom 16.06.2004, beim Landratsamt eingegangen am 18.06.2004 (AS 11), im Sinne von § 68 und § 70 Abs. 1 VwGO auch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Gebührenfestsetzung in Höhe von 17,90 EUR - und damit zugleich die Forderung nach Auslagenersatz in Höhe von 5,60 EUR - als rechtswidrig ansieht und deren Aufhebung begehrt (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.11.1970 - VII C 33.70 -, Buchholz 310 § 70 VwGO Nr. 4). Wie die Beklagtenvertreter in der Berufungsverhandlung mitgeteilt haben, ist dieses Widerspruchsverfahren aber nicht weiter betrieben worden. Wird jedoch über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist sachlich entschieden, so kann der Kläger nach § 75 VwGO Untätigkeitsklage erheben. Der Klägervertreter hat in der Berufungsverhandlung auch klargestellt, dass dieser Widerspruch weiter verfolgt wird, falls im vorliegenden Klageverfahren keine sachliche Entscheidung über die Höhe des mit der Teilnahme des Klägers am Aufbauseminar verbundenen Punkteabzugs getroffen werden sollte. Die Existenz der für die Anfechtungsklage geltenden besonderen Bestimmungen schließt es aus, durch die Annahme des für die Feststellungsklage erforderlichen Feststellungsinteresses die für die Klärung der Rechtmäßigkeit einer Zahlungsverpflichtung einschlägige Anfechtungsklage überflüssig zu machen...."



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