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OLG Jena Beschluss vom 07.11.2005 - 1 Ss 124/05 - Zur Verwertung einer Zeitschätzung eines Polizeibeamten für die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes

OLG Jena v. 07.11.2005: Zur Verwertung einer Zeitschätzung eines Polizeibeamten für die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes


Das OLG Jena (Beschluss vom 07.11.2005 - 1 Ss 124/05) hat entschieden:
Auch wenn im allgemeinen die Zeitschätzung eines Polizeibeamten hierfür nicht ausreichend ist, können zusätzliche glaubhaft geschilderte Umstände zu der Schlussfolgerung führen, dass die Rotphase der Ampel bereits länger als 1 Sekunde andauerte, als der Betr. die Haltelinie bzw. LZA mit seinem Fahrzeug passierte.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Rotlichtverstöße


Zum Sachverhalt: Das AG verurteilte den Betr. am 8. 2. 2005 wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichtes einer LZA, wobei die Rotphase länger als eine Sekunde andauert, zu einer Geldbuße von 125 € und ordnete unter Anwendung der Wirksamkeitsregel des § 25 Abs. 2a StGB ein Fahrverbot von einem Monat Dauer an.

Die Rechtsbeschwerde des Betr. blieb erfolglos.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Zu der der Verurteilung zugrunde liegenden Tat hat das AG folgende Feststellungen getroffen:
"Aufgrund von Unaufmerksamkeit bemerkte er an der darauffolgenden Kreuzung zwischen der T-Straße und der B.straße das dort befindliche Rotlicht der Ampel für die Geradeausspur nicht und überfuhr die Ampelkreuzung in Richtung V.-Kreuzung bei Rotlicht. welches bereits länger als 1 Sekunde angezeigt war. Erst an der danach folgenden Kreuzung, hier der sogenannten V-Kreuzung. an der die T.-Straße von der W. Straße bzw. F.-Straße gekreuzt wird. hielt er an der dort ebenfalls Rotlicht ausweisenden Ampelkreuzung an."
Diese Feststellungen beruhen in erster Linie auf der Aussage des Polizeibeamten G. R., deren wesentlicher Inhalt im Urteil wie folgt wiedergegeben wird:
"Der Polizeibeamte hat den - wie oben festgestellten Sachverhalt - detailliert geschildert. Insbesondere hat er angegeben. dass bereits. als er auf der T.-Straße in Richtung der Ampelkreuzung T.-Straße, B.straße zugefahren sei, die Ampel für ihn schon in der linken Geradeausspur Rot angezeigt habe. Er sei deshalb langsam an die Kreuzung herangefahren und habe dort nach seiner Auffassung ca. 1 - 2 Sekunden gestanden, als das Fahrzeug des Betr. bei Rot an ihm in der rechten Geradeausspur über die Kreuzung vorbeigefahren sei."
a) Es lässt keinen Rechtsfehler erkennen, dass der Tatrichter aufgrund dieser Aussage zu der Annahme gelangt ist, der Betr. habe die Ampelanlage an der Kreuzung T.-Straße/ B.straße bei Rot passiert und damit objektiv einen Rotlichtverstoß begangen.

b) Ebenso zutreffend hat das AG aufgrund des im Urteil dargestellten Ergebnisses der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass es sich nicht bloß um einen einfachen, sondern um einen qualifizierten Rotlichtverstoß handelt, d.h. um ein Passieren der Haltelinie vor der LZA bzw. der LZA selbst bei Fehlen einer Haltelinie (vgl. BGHSt 45, 134, 137 ff), als die Ampel bereits länger als 1 Sekunde rotes Licht zeigte (Nr. 132.2 BKat).

Der Tatrichter hat durchaus in Rechnung gestellt, dass die Schätzung eines Zeitablaufes durch eine Person, selbst wenn es sich um einen darin eher geübten Polizeibeamten handelt, im Allgemeinen mit einer hohen Unsicherheit belastet ist. Dies gilt erst recht dann, wenn die den Verkehrsverstoß beobachtende Person nicht zu einer gezielten Rotlichtüberwachung eingesetzt war, sondern nur zufällig die Fahrweise des Betr. im Ampelbereich wahrnahm. Das AG hat sich die Überzeugung von dem qualifizierten Rotlichtverstoß aber nicht allein aufgrund der Schätzung durch den Polizeibeamten R. gebildet, sondern auch anhand anderer Umstände, nämlich der vom Zeugen R. geschilderten Abläufe kurz vor dem Rotlichtverstoß. Diese zusätzlichen Umstände genügen für sich allein zu der Schlussfolgerung, dass die Rotphase der Ampel bereits länger als 1 Sekunde andauerte, als der Betr. die Haltelinie bzw. LZA mit seinem Fahrzeug passierte. Der Zeuge R. schilderte, dass die Ampel für die Geradeausspur bereits Rot anzeigt habe, als er, der Zeuge, auf sie zugefahren sei. Er sei deshalb langsam an die Kreuzung herangefahren und sei dann zum Stehen gekommen. Erst danach - der Zeuge schätzt den Zeitraum auf 1 bis 2 Sekunden - sei der Betr. an ihm vorbei und über die Kreuzung hinüber gefahren. Schaltete die Ampel aber schon in einem Zeitpunkt von Gelb auf Rot, als der Zeuge R. auf die Ampel zufuhr, so ist nach der Lebenserfahrung sicher auszuschließen, dass während des nachfolgenden Verlangsamens und Anhaltens des Fahrzeugs nur 1 Sekunde oder gar weniger als 1 Sekunde verstrichen ist. Die Zeit, in der ein Pkw aus der - selbst langsamen - Fahrt bei üblicher Verzögerung, d.h. einer solchen unterhalb einer scharfen Bremsung, zum Stillstand kommt, beträgt stets mehr als 1 Sekunde. Somit zeigte die Ampel selbst dann schon länger als 1 Sekunde rotes Licht, wenn der Betr. die LZA bereits in demselben Augenblick passierte, in dem der Zeuge R. mit seinem Fahrzeug zum Stillstand kam. ..."







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