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Amtsgericht Wesel (Urteil vom 27.03.2008 - 5 C 417/07 - Der Geschädigte hat Anspruch auf Anmietung eines gleichwertigen Geländewagens mit Allradantrieb

AG Wesel v. 27.03.2008: Der Geschädigte hat Anspruch auf Anmietung eines gleichwertigen Geländewagens mit Allradantrieb


Das Amtsgericht Wesel (Urteil vom 27.03.2008 - 5 C 417/07) hat entschieden:
Der Geschädigte darf sich nach einem unverschuldeten Unfall grundsätzlich ersatzweise denselben oder einen gleichwertigen Wagentyp anmieten. Dies gilt auch im Falle eines allradgetriebenen Geländewagens. Dabei ist auch ein Zuschlag von 25 Prozent für unfallbedingte Mehrleistung gerechtfertigt, wenn das Autohaus ein solches Mietfahrzeug selbst nicht vorrätig hat, sondern anderweitig besorgen muss und zudem die Vorfinanzierung des Mietzinses übernimmt.


Zum Sachverhalt: Der Kläger ist Eigentümer eines PKW Opel Frontera. Bei diesem Fahrzeug handelt es sich um einen allradgetriebenen Geländewagen. Dieses Fahrzeug wurde erheblich beschädigt, als der Beklagte zu 1) infolge von Unaufmerksamkeit mit dem bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten PKW des Beklagten zu 2) am 19.05.2007 in Hünxe mit dem Fahrzeug des Klägers kollidierte. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach war unstreitig. Die Parteien stritten nur noch um die Höhe der erstattungsfähigen Mietwagenkosten.

Das Autohaus …, das der Kläger mit der Reparatur des seines Fahrzeuges beauftragte, stellte ihm für die Dauer der Reparatur einen allradgetriebenen Geländewagen vom Typ Kia Sorento zur Verfügung, der vom Autohaus … anderweitig besorgt werden musste, weil es selbst keinen allradgetriebenen Geländewagen als Mietfahrzeug vorrätig hatte. Mit Rechnung vom 31.05.2007 rechnete das Autohaus … gegenüber dem Kläger für die Zeit vom 22.05.2007 bis 29.05.2007 unter Einschluss von Versicherungskosten und eines Zuschlags für unfallbedingte Mehrleistungen einen Betrag von insgesamt 1 126,43 EUR ab. Die Beklagte zu 3) zahlte hierauf vorgerichtlich einen Betrag von 481,95 EUR. Mit seiner Klage beansprucht der Kläger von den Beklagten wegen des Differenzbetrages Forderungsfreistellung.

Der Kläger behauptete, er benötige einen allradgetriebenen Geländewagen, um Viehanhänger zu ziehen. Zudem sei er als Jäger auf ein solches Fahrzeug mit entsprechender Bodenfreiheit angewiesen. Er habe das Mietfahrzeug für einen seit langem geplanten Jagdausflug über Pfingsten gebraucht. Ein günstigerer als der ihm vom Autohaus … berechnete Tarif sei ihm an seinem Wohnort Rees nicht zugänglich gewesen.

Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von der Forderung des Autohauses … in Höhe von 644,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 08.08.2007 freizustellen.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Sie waren der Ansicht, bei dem Rechnungsbetrag von 1.126,43 EUR handele es sich um einen unangemessen hohen Unfallersatztarif. Sie machen in diesem Zusammenhang insbesondere geltend, dass in der Schwacke- Liste 2007 neben dem unfallgeschädigten PKW des Klägers auch andere Fahrzeuge, wie beispielsweise Fahrzeuge der 3-er Reihe von BMW und Mercedes C Klasse Fahrzeuge der Fahrzeuggruppe F zugeordnet sind, die am Mietmarkt für die hier streitgegenständliche Mietdauer von einer Woche und einem Tag für Mietpreise zwischen 427 EUR und 488,99 EUR zu haben seien.

Die Klage war überwiegend erfolgreich.

Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Kläger kann von den Beklagten gemäß §§ 7, 18 StVG, 823 BGB, 3 PflVG in Verbindung mit §§ 249 Abs. 1, 257 Satz 1 BGB noch eine Forderungsfreistellung in Höhe von 554,12 EUR beanspruchen. Die weitergehende Klage ist unbegründet.

Hierzu im Einzelnen:

I.

Die alleinige Haftung der Beklagten für die Unfallschäden infolge der unfallursächlichen Unaufmerksamkeit des Beklagten zu 1) gemäß §§ 7, 18, StVG, 823 BGB, 3 PflVG ist unstreitig.

II.

1. Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB). Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er zu diesem Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen (§ 257 Satz 1 BGB). Zwar ist nur eine solche Verbindlichkeit erstattungspflichtig, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich des Gebrauchsentzuges seines Fahrzeuges für erforderlich halten durfte; dies ändert jedoch nichts daran, dass sich der Geschädigte grundsätzlich ersatzweise denselben oder einen gleichwertigen Wagentyp mieten darf (BGH, Urteil vom 02.03.1982, VI ZR 35/80, = NJW 1982, 1519 ff.; Heinrichs, in: Palandt, BGB, 64. Auflage, § 249 Rn. 30).

Der Kläger hat für seinen unfallgeschädigten allradgetriebenen Geländewagen PKW Opel Frontera einen allradgetriebenen Geländewagen vom Typ Kia Sorento als Mietfahrzeug in Anspruch genommen. Damit hat er von seinem Recht Gebrauch gemacht, einen gleichwerten Wagentyp mieten zu dürfen. Auf die Behauptungen des Klägers, er benötige einen allradgetriebenen Geländewagen, um Viehanhänger zu ziehen, er sei zudem als Jäger auf ein solches Fahrzeug mit entsprechender Bodenfreiheit angewiesen und habe das Mietfahrzeug für einen seit langem geplanten Jagdausflug über Pfingsten gebraucht, kommt es vor diesem Hintergrund nicht entscheidend an.

2. Zwar mag der unfallgeschädigte PKW Opel Frontera des Klägers in der Schwacke- Liste 2007 der Fahrzeuggruppe F zugeordnet sein, in die auch andere PKW, wie beispielsweise der PKW BMW der 3-er Reihe und der PKW Mercedes C Klasse, eingruppiert sein mögen; dies führt indes nicht dazu, dass der Kläger gehalten war, ein solches Fahrzeug anzumieten. Denn es handelt sich bei den genannten Fahrzeugen nicht um mit dem unfallgeschädigten allradgetriebenen Geländewagen des Klägers gleichwertige Wagentypen. Vielmehr bestehen in Bauart und Antriebsart wesentliche Unterschiede, die gerade auch in der Bezeichnung des Unfallfahrzeuges des Klägers als „Geländewagen“ ihren Ausdruck finden.

3. Dass dem Kläger auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt in Rees oder Umgebung ein wesentlich günstigerer als der ihm vom Autohaus … berechnete Tarif für einen allradgetriebenen Geländewagen zugänglich war, ist von den Beklagten nicht substantiiert vorgetragen worden. Dies geht zu ihren Lasten. Auf den Hinweis des Gerichts, dass die Beklagten nicht substantiiert dargelegt haben könnten, dass dem Kläger in Rees oder Umgebung am Mietmarkt ein passendes allradgetriebenes Mietfahrzeug zu dem von ihnen behaupteten Normaltarif in Höhe von 397 EUR netto bzw. 472,43 EUR brutto zugänglich gewesen wäre, haben die Beklagten nur auf Mietpreise für die oben genannten BMW und Mercedes Fahrzeuge zwischen 427 EUR und 488,99 EUR verwiesen. Auf diese Preise kann indes nicht abgestellt werden, weil es sich insoweit nicht um mit dem unfallgeschädigten Geländewagen des Klägers gleichwertige Wagentypen handelt.

Da der Kläger einen Anspruch auf einen gleichwertigen Wagentyp hatte und die Beklagten es versäumt haben, substantiiert darzulegen, dass dem Kläger in Rees oder Umgebung am Mietmarkt ein passendes allradgetriebenes Mietfahrzeug zu einem niedrigeren Mietpreis zur Verfügung stand, kommt dem Umstand, dass es sich bei dem unfallgeschädigten allradgetriebenen Geländewagen des Klägers nach dem Schadensgutachten um ein älteres und deshalb nach den Erläuterungen zur Schwacke Liste zur Nutzungsausfallentschädigung um eine Fahrzeuggruppe herabzustufendes Fahrzeug aus dem Jahre 1999 mit einer Kilometerleistung von 73.643 km und einem Wiederbeschaffungswert von 8 100 EUR handelte, das nicht ohne weiteres in die dieselbe Fahrzeuggruppe der Schwacke-Liste 2007 eingruppiert werden kann, wie das allradgetriebene Mietfahrzeug mit einer Kilometerleistung bei Anmietung laut Mietvertrag von lediglich 4 610 km, vorliegend keine entscheidende Bedeutung zu.

4. Auf die vom Autohaus … als Normaltarif abgerechneten Mietkosten für eine Woche und einen Tag in Höhe von 531,51 EUR und 75,93 EUR muss sich der Kläger im Wege der Vorteilsausgleichung ersparte Eigenaufwendungen für die Dauer der Mietzeit anrechnen lassen, die mit 10 % der Mietkosten angesetzt werden können (LG Dortmund, Urteil vom 14.06.2007, 4 S 129/06, = NZV 2008, 93, 95). Dies ist bei Nettomietkosten für eine Woche und einen Tag in Höhe von 531,51 EUR und 75,93 EUR ein Betrag von 60,74 EUR.

5. Die abgerechneten Versicherungskosten von 131,09 EUR und 18,73 EUR sind gesondert erstattungsfähig und zwar unabhängig davon, ob und inwieweit das bei dem Verkehrsunfall beschädigte Fahrzeug des Klägers versichert war (LG Dortmund, Urteil vom 14.06.2007, 4 S 129/06, = NZV 2008, 93 ff.).

6. Der abgerechnete Zuschlag von 25 % für unfallbedingte Mehrleistung ist deshalb gerechtfertigt, weil das Autohaus … das Mietfahrzeug selbst nicht vorrätig hatte, sondern anderweitig besorgen musste und das Autohaus … zudem die Vorfinanzierung des Mietzinses übernahm. Der Zuschlag ist mit einem Betrag von 174,13 EUR zu bemessen (= 25 % von 531,51 EUR + 75,93 EUR – 60,74 EUR + 131,09 EUR + 18,73 EUR).

7. Insgesamt berechnet sich nach alledem ein Erstattungsbetrag von netto 870,65 EUR (531,51 EUR + 75,93 EUR – 60,74 EUR + 131,09 EUR + 18,73 EUR + 174,13 EUR). Zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer ergibt sich ein Forderungsbetrag von 1.036,07 EUR. Abzüglich der vorgerichtlichen Zahlung von 481,95 EUR verbleibt eine Freistellungsforderung von 554,12 EUR. ..."



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