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Amtsgericht Düsseldorf Urteil vom 04.01.2010 - 231 C 11625/09 - Zur Notwendigkeit des Sachverständigenverfahrens und zur Einbeziehung der AKB

AG Düsseldorf v. 04.01.2010: Zur Notwendigkeit des Sachverständigenverfahrens und zur Einbeziehung der AKB in den Versicherungsvertrag durch Unterschrift


Das Amtsgericht Düsseldorf (Urteil vom 04.01.2010 - 231 C 11625/09) hat entschieden:

  1.  Der Versicherungsnehmer hat keinen Anspruch auf Entschädigungsleistung gegen den Fahrzeugversicherer, wenn das nach den AKB vorgeschriebene und mit ihm vereinbarte Sachverständigenverfahren nicht durchgeführt wurde.

  2.  Von einer wirksamen Einbeziehung der AKB in den Versicherungsvertrag ist auszugehen, wenn der Versicherungsnehmer auf dem Antrag unterschrieben hat, dass ihm die AKB vorgelegen haben.

Siehe auch
AKB - Allgemeine Kfz-Versicherungsbedingungen
und
Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung

Tatbestand:


Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Kfz-Teilkaskoversicherung.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten für seinen Wohnwagen Caravan LMC Typ 690 MDK eine Kaskoversicherung bei der Beklagten. Das Fahrzeug ist am 20.05.2009 gestohlen worden. Der Kläger schaffte sich im Rahmen eines Privatkaufs ein neues Fahrzeug zu einem Preis von 15.900,00 € an. Die Beklagte rechnete mit Schreiben vom 16.07.2009 auf Grundlage eines Gutachtens des hauseigenen Sachverständigen, der einen Wiederbeschaffungswert von 13.500,00 € einschließlich 2.155,46 € ermittelte, eine Entschädigung zugunsten des Klägers in Höhe von 11.194,54 € (Wiederbeschaffungswert netto laut Gutachten abzüglich einer Selbstbeteiligung von 150,00 €) ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.08.2009 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er mit dem von dem Sachverständigen ermittelten Wert nicht einverstanden sei und forderte unter Fristsetzung den Differenzbetrag zum Anschaffungspreis des neuen Wohnwagens, mithin Zahlung weiterer 4.555,46 €.

Die Beklagte hat sich mit der Verteidigungsanzeige auf die fehlende Entscheidung eines Sachverständigenausschusses gemäß A.2.18.1 AKB berufen.




Der Kläger behauptet, dass ihm bei Abschluss des Vertrags die AKB nicht vorgelegen hätten. Die Beklagte könne sich auf die Vereinbarung eines Sachverständigenverfahrens nicht berufen, da nicht ersichtlich sei, welche AKB dem Versicherungsvertrag zugrundeliegen würden und sich die Beklagte in ihren vorgerichtlichen Schreiben nicht darauf berufen habe. Es sei zudem Aufgabe der Beklagten gewesen, das Sachverständigenverfahren aufzurufen und ein Ausschussmitglied zu benennen.

Der von der Beklagten zu ersetzende Wiederbeschaffungswert läge bei insgesamt 15.900,00 €, da dieser Betrag zum Erwerb eines gleichwertigen Fahrzeugs erforderlich gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

   die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.555,46 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 489,45 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Sie erhebt den Einwand des nicht durchgeführten Sachverständigenverfahrens gemäß A.2.18.1 AKB.

Für die weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.




Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist zurzeit unbegründet.

I.

Ein etwaiger Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung einer weiteren Kaskoentschädigung nach den A 2.6.1 AKB ist nicht fällig. Mit ihrer Berufung auf die fehlende Entscheidung des Sachverständigenausschusses hat die Beklagte zu Recht die Fälligkeit des Zahlungsanspruches bestritten. Die Höhe der Entschädigung ist nicht festgestellt i.S.d. A 2.18.1 AKB, weil die Parteien das für Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Schadens einschließlich der Feststellung des Wiederbeschaffungswertes vertraglich vereinbarte Sachverständigenverfahren nach A 2.18.1. AKB nicht durchgeführt haben.

Die streitgegenständlichen AKB sind vorliegend wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Ausweislich des Antragsformulars vom 07.04.2008 hat der Kläger mit einer gesonderten Unterschrift am Ende des Antrags bestätigt, dass ihm die allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung bei Antragsunterzeichnung vorgelegen haben. Das diesbezüglich pauschale Bestreiten der Aushändigung der AKB ist daher unbeachtlich, zumal der Kläger auf den substantiierten Vortrag der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 30.11.2009 diesbezüglich nicht erwidert hat. Letztlich kann dies auch dahinstehen, denn gemäß § 5 a) Abs. 1 VVG sind die Versicherungsbedingungen auch dann wirksam in den Versicherungsvertrag ohne Übergabe der Versicherungsbedingungen einbezogen, soweit der Versicherungsnehmer nach Überlassung der Unterlagen nicht innerhalb von 14 Tagen in Textform widerspricht. Unabhängig von der Frage, ob vorliegend eine wirksame Widerrufsbelehrung gemäß § 5 a) Abs. 2 VVG vorlag, hat der Kläger den Vertrag jedenfalls zu keinem späteren Zeitpunkt widerrufen. Nach alledem sind die AKB wirksam in den streitgegenständlichen Vertrag einbezogen worden.


Die Beklagte ist auch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht an der Erhebung des Einwands des fehlenden Sachverständigenverfahrens gehindert. Ein treuwidriges Verhalten der Beklagten liegt nicht vor. Hat der Versicherer nach Abschluss der Regulierungsverhandlungen einen nach seinem Dafürhalten angemessenen Entschädigungsbetrag gezahlt, so ist er nach Treu und Glauben nicht gehindert, sich im anschließenden Deckungsprozess wegen einer Mehrforderung des Versicherungsnehmers auf mangelnde Fälligkeit wegen Nichtdurchführung des Sachverständigenverfahrens zu berufen ( OLG Köln, RuS 1996, S. 14; OLG Saarbrücken, Versicherungsrecht 1966, S. 136, 137; Hanseatisches Oberlandesgericht, Versicherungsrecht 2009, S. 1485 ff.). Dabei ist der Versicherungsnehmer nicht gehindert, den Einwand des fehlenden Sachverständigenverfahrens erst im Deckungsprozess zu erheben (vgl. Pröls/Martin Versicherungsvertragsgesetz, 27. Auflage, § 14 AKB, Rnr. 2 m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versicherer die Regulierung schon dem Grunde nach endgültig abgelehnt hat (OLG Frankfurt, Versicherungsrecht 1990, S. 1384) oder den Versicherungsnehmer seinerseits auf den Klageweg verwiesen hat ( OLG Köln, RuS 2002, S. 188 ff.). Auch dies ist vorliegend nicht der Fall; insbesondere hat die Beklagte ihre grundsätzliche Einstandspflicht nicht in Frage gestellt. Die Parteien können zwar auch konkludent auf die Durchführung des Sachverständigenverfahrens verzichten. An die Annahme eines Verzichts sind indes hohe Anforderungen zu stellen. Ein solcher Verzicht liegt noch nicht vor, wenn der Versicherer vor Einleitung des Sachverständigenverfahrens ein Gutachten einholt, um einen Entschädigungsvorschlag vorzubereiten ( OLG Köln, RuS 2002, S. 188 ff.). Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte vorliegend weder auf die Durchführung des Sachverständigenverfahrens konkludent verzichtet, noch ist ihre Berufung auf die mangelnde Fälligkeit erst im Prozess treuwidrig. Denn sie hat lediglich einseitig ohne Einvernehmen mit dem Kläger ein hauseigenes Sachverständigengutachten eingeholt, um den ihrer Meinung nach angemessenen Wiederbeschaffungswert zu ermitteln. Durch die Einholung dieses Gutachtens verfolgte die Beklagte – auch aus der Sicht des Klägers – allein das Ziel, ihre eigene Position im Streit um den angemessenen Entschädigungswert zu untermauern. Diesem Verhalten der Beklagten kann nicht der Erklärungswert beigemessen werden, sie wolle auf die Durchführung des Sachverständigenverfahrens verzichten. Das ergibt sich insbesondere, wenn man Sinn und Zweck des Sachverständigenverfahrens berücksichtigt (vgl. OLG Köln, RuS 2002, S. 188 ff.). Dadurch kann regelmäßig eine schnellere und billigere Klärung des allein auf die Höhe beschränkten Streits zwischen den Parteien erreicht werden. Außerdem haben die Feststellungen der Sachverständigen weitgehend bindende Wirkung, da sie nur unverbindlich sind, wenn sie offenbar von der wirklichen Rechtslage erheblich abweichen. Mit dieser ganz anderen Zielsetzung des Sachverständigenverfahrens hat die Einholung vorprozessualer Gutachten durch eine Seite nichts gemein, so dass darin kein Verzicht auf die Durchführung dieses andersartigen Verfahrens gesehen werden kann.

Nach alledem ist die Klage derzeit unbegründet. Da die Klageabweisung mangels Fälligkeit gerechtfertigt ist, bedarf es nicht der sonst erforderlichen Beweiserhebung zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes. Mangels Fälligkeit der Hauptforderung und somit mangels Verzugs besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.


II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.


III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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