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OLG Brandenburg Urteil vom 11.11.2010 - 12 U 33/10 - Zum Freibeweis für die Kausalität eines Unfalls mit einem späteren gesundheitlichen Folgeschaden

OLG Brandenburg v. 11.11.2010: Zum Freibeweis für die Kausalität eines Unfalls mit einem späteren gesundheitlichen Folgeschaden und zu sonstigen Nebenansprüchen


Das OLG Brandenburg (Urteil vom 11.11.2010 - 12 U 33/10) hat entschieden:
  1. Erleidet jemand durch einen Verkehrsunfall als Primärverletzung ein Halswirbel-Schleuder-Syndrom, dann kann das Gericht im Wege freier Beweiswürdigung auf Grund eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur haftungausfüllenden Kausalität feststellen, dass ein späterer Bandscheibenvorfall ursächlich auf den Verkehrsunfall zurückzuführen ist.

  2. Der an sich auf die für die notwendige Zeit der Ersatzbeschaffung begrenzte Anspruch auf Nutzungsausfall verlängert sich, wenn der Geschädigte die Ersatzbeschaffung bzw. Reparatur nicht finanzieren kann und trotz Mahnung keinen Vorschuss erhält. Der Geschädigte hat über die gewöhnliche Wiederbeschaffungszeit hinaus Anspruch auf Nutzungsentschädigung, wenn er nicht in der Lage ist, die Reparatur bzw. den Erwerb eines Ersatzfahrzeuges ohne Erhalt der vollständigen Entschädigung vorzufinanzieren. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder einen Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen. Hierzu ist er im Rahmen des § 254 BGB allenfalls dann ausnahmsweise verpflichtet, wenn er sich den Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird.

  3. Im Falle einer gewerblichen Nutzung ist für eine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung grundsätzlich kein Platz, sondern der konkrete Vermögensschaden in Form des entgangenen Gewinns, der verlorenen Einnahmen oder zusätzlichen Kosten ist dann zu erstatten. Bei einer teilweisen privaten und gewerblichen Nutzung ist eine Aufspaltung vorzunehmen, wobei neben dem konkret zu berechnenden Gewinnausfall eine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung in Höhe des Anteils der privaten Nutzung zuzusprechen ist.

  4. Bei der Abwicklung eines „durchschnittlichen“ oder „normalen“ Verkehrsunfalls ist in der Regel eine Geschäftsgebühr von 1,3 gerechtfertigt. Eine höhere Gebühr als 1,3 kann nach Nr. 2300 VV zum RVG nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war.


Gründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517 ff ZPO eingelegte Berufung des Beklagten hat nur zu einem geringen Teil hinsichtlich der geltend gemachten Nutzungsausfallentschädigung sowie eines Teilbetrages der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig. Soweit hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 825,27 € zunächst Bedenken im Hinblick auf die Prozessführungsbefugnis der Klägerin bestanden, da sie selbst vorgetragen hat, dass die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten durch den Rechtsschutzversicherer gezahlt worden seien (Bl. 7 GA), so dass der Erstattungsanspruch gem. § 67 VVG a. F./ § 86 VVG n. F. in dieser Höhe auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen ist und die Klägerin mangels Aktivlegitimation zu einer gerichtlichen Geltendmachung im eigenen Namen daher nur berechtigt wäre, wenn sie von dem Rechtsschutzversicherer hierzu im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft zur Zahlung an sich ermächtigt worden wäre (so auch LG Bremen RVG-Report 2005, 359; OLG Köln JurBüro 2003, 468), wofür es jedoch an einem entsprechenden Vortrag der Klägerin fehlte, hat die Klägerin mit dem nachgereichten Schriftsatz vom 05.08.2010 eine entsprechende Rückabtretungserklärung des Rechtsschutzversicherers vom 04.08.2010 vorgelegt, mit der der Rechtsschutzversicherer den auf ihn übergegangenen Erstattungsanspruch wieder an die Klägerin rückabgetreten hat (Bl. 188 GA). Diese Abtretung hat die Klägerin spätestens konkludent mit der Vorlage der Abtretungserklärung in dem vorliegenden Rechtsstreit angenommen. Die darin liegende Klageänderung ist gem. § 533 ZPO zulässig, da sie zum einen sachdienlich ist und zum anderen auf neue Tatsachen gestützt ist, die der Senat gem. § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO bei der Entscheidung zugrunde zu legen hat.

2. Die Klage ist überwiegend begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus den §§ 7 Abs. 1, 11 S. 2 StVG, §§ 823 Abs. 1, 249 ff, 253 Abs. 2 BGB jeweils i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu.

a) Die grundsätzliche Einstandspflicht des Beklagten in vollem Umfang für die von der Klägerin bei dem Unfall vom 24.09.2008 erlittenen Schäden ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Unstreitig hat die Klägerin bei diesem Unfall eine HWS-Beschleunigungsverletzung davongetragen. Zutreffend ist das Landgericht gestützt auf die Ausführungen des landgerichtlichen Sachverständigen Dr. S… auch davon ausgegangen, dass es infolge des Unfalls zu einer Verschlechterung der bei der Klägerin bereits vorhandenen altersbedingten Vorschädigung der Halswirbelsäule und zu einem Bandscheibenprolaps gekommen ist.

aa) Anders als vom Landgericht angenommen, ist die Frage, ob der bei der Klägerin festgestellte Bandscheibenprolaps auf den Unfall zurückzuführen ist, nach dem Beweismaß des § 287 ZPO zu beurteilen. Zwar ist der Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität bei Personenschäden nach den strengen Anforderungen des Vollbeweises gem. § 286 ZPO zu führen, während die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität nach Maßgabe des § 287 ZPO zu prüfen ist. Steht eine Primärverletzung fest, ist es gerechtfertigt, hinsichtlich der Feststellung der Schadensfolgen auf das Beweismaß des § 287 ZPO zu verweisen. Im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 287 ZPO werden geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts gestellt; es genügt je nach Lage des Einzelfalles eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung. Dabei ist es dem Gericht nicht verwehrt, im Wege des Ausschlusses anderer Ursachen zu der Feststellung zu gelangen, dass als einzig realistische Ursache für die Beschwerden der Unfall in Betracht kommt (vgl. BGH VersR 2003, 474, 476; BGH NJW 2004, 777, 778; Saarländisches OLG OLGR 2005, 489, 491; Senatsurteile v. 08.03.2007 - 12 U 48/06, Schadenpraxis 2007, 428, und vom 25.09.2008 - 12 U 17/08, zitiert nach Juris; KG NZV 2003, 239; OLG Hamm r+s 2000, 155; OLG Karlsruhe NZV 2001, 511). Davon kann allerdings nicht ausgegangen werden, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass sich die Krankheit schicksalhaft entwickelt hat. In diesem Fall reicht allein die zeitliche Nähe zwischen dem Unfallereignis und der Entstehung der Beschwerden nicht aus (vgl. BGH NJW 2004, 777, 778; Saarländisches OLG a.a.O.).

bb) Im vorliegenden Fall steht der Eintritt einer HWS-Beschleunigungsverletzung bei der Klägerin als Primärverletzung fest, so dass für die Frage, ob der bei der Klägerin festgestellte Bandscheibenvorfall ebenfalls Folge des Verkehrsunfalls ist, sich nach dem Maßstab des § 287 ZPO richtet. Danach ist hier der Beweis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Verursachung durch den Unfall nach dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens geführt. Der Sachverständige hat festgestellt, dass es ausweislich des MRT-Befundes bei der Klägerin zu einer Verstärkung der Instabilität infolge einer Segmentverschiebung im Bereich C4/5 und zu einer rechtslateral betonten Bandscheibenprotrusion mit dem Übergang zu einem kleinen rechtslateralen Bandscheibenprolaps im Bereich C5/6 gekommen ist, wodurch die von der Klägerin nach dem Unfall behaupteten Beschwerden plausibel zu erklären sind. Zwar waren bei der Klägerin degenerative Bandscheibenveränderungen im Bereich der Wirbel C5/6 bereits vor dem Unfall vorhanden. Der Sachverständige hat bei dem Vergleich der MRT-Befunde und der Röntgenbilder vor und nach dem Unfall jedoch im Bereich der Wirbel C5/6 eine Verstärkung des Befundes durch Übergang in einen rechtslateralen Prolaps festgestellt, der als ursächlich für die von der Klägerin geschilderten Beschwerden angesehen werden kann. Nach der von dem Sachverständigen ebenfalls als glaubhaft angesehenen Schilderung der Klägerin bestehen die geschilderten Beschwerden in dieser Intensität erst unmittelbar seit dem Unfall. Eine andere Möglichkeit als Auslöser der Beschwerden als der Unfall ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

Die von dem Beklagten gegen die Feststellungen des Sachverständigen vorgebrachten Einwendungen greifen demgegenüber nicht durch. Hinsichtlich der nochmals mit der Berufung vorgebrachten Frage der Kollisionsgeschwindigkeit hat der Sachverständige bereits im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens im Termin vor dem Landgericht angegeben, dass die Frage der Auffahrgeschwindigkeit für die Beurteilung der Beschwerden der Klägerin keine Rolle spielt (Bl. 112 GA). Da der Sachverständige die Beschwerden der Klägerin anhand der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie als HWS-Beschleunigungstrauma 1. Grades qualifiziert hat, das mit einer Kollisionsgeschwindigkeit zwischen 8 und 30 km/h einhergeht, spricht dies eher für eine niedrigere Kollisionsgeschwindigkeit. Der Sachverständige ist auch entgegen der Auffassung des Beklagten nicht von einer Kollisionsgeschwindigkeit zwischen 50 und 60 km/h ausgegangen, sondern hat lediglich eine höhere Kollisionsgeschwindigkeit als 30 km/h angenommen (vgl. S. 22 seines Gutachtens). Andererseits behauptet der Beklagte selbst nicht, dass die Kollisionsgeschwindigkeit im vorliegenden Fall so niedrig gewesen sei, dass eine Verletzung der Klägerin deshalb ausgeschlossen gewesen wäre. Vielmehr spricht seine Argumentation, dass sich erst aufgrund der Schwere des Aufpralls und der Aufprallgeschwindigkeit ein Bandscheibenprolaps feststellen lasse, für eine höherliegende Aufprallgeschwindigkeit. Auch ist nicht ersichtlich, zu welchen Ergebnissen das von dem Beklagten beantragte zusätzliche biomechanische Sachverständigengutachten führen soll. Die Frage, inwieweit aus medizinischer Sicht der Unfall geeignet war, bei der Klägerin Beschwerden hervorzurufen, kann nur durch einen medizinischen Sachverständigen beantwortet werden, was im vorliegenden Fall durch den gerichtlichen Sachverständigen, der Facharzt für Neurochirurgie ist, erfolgt und mit überzeugenden Argumenten bejaht worden ist. Demgegenüber stellt die Angabe des Beklagten, dass die Unfallbedingtheit eines solches Bandscheibenvorfalls „nach Auffassung zahlreicher Gutachter“ eine Rarität darstelle, keine substanziierte Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens dar. Der weitere Einwand, bei der Klägerin hätten im engen zeitlichen Zusammenhang weitere Brückensymptome auftreten müssen, die jedoch nicht festgestellt worden seien, ist in zweiter Instanz mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Es handelt sich dabei um Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten, die der Beklagte bereits in erster Instanz hätte geltend machen und dem Sachverständigen vorhalten können. Schließlich lässt sich aus dem mit der Berufungsbegründung vorgelegten Arztbericht der behandelnden Ärztin Sch… (Bl. 151 ff GA) ebenfalls nichts Gegenteiliges entnehmen, da zu dem damaligen Zeitpunkt der MRT-Befund vom 13.10.2008 nicht vorlag und nicht ersichtlich ist, dass die Ärztin an dem Tage der Behandlung am 30.09.2008 weitergehende Befunde erhoben hat.

Dass bei der Klägerin bereits degenerative Vorschädigungen der Halswirbelsäule vorlagen, entlastet den Beklagten nicht. Nach ständiger Rechtsprechung kann sich der Schädiger nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalb eingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte infolge bereits vorhandener Beeinträchtigungen und Vorschäden besonders schadensanfällig gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wenn der Betroffene gesund gewesen wäre. Dementsprechend ist die volle Haftung auch dann zu bejahen, wenn der Schaden auf einem Zusammenwirken körperlicher Vorschäden und den Unfallverletzungen beruht, ohne dass die Vorschäden „richtunggebend“ verstärkt werden (vgl. BGH NJW 1996, 2425, 2426; BGH NJW-RR 1999, 819; BGH NZV 2005, 461, 463 m.w.N.; Knerr in Geigel/ Schlegelmilch, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., 1. Kap., Rn. 19). Anhaltspunkte dafür, dass die von der Klägerin geschilderten Beschwerden in diesem Ausmaß auch ohne den Unfall eingetreten wären, wofür der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast trägt, liegen nicht vor.

b) Die Einwendungen des Beklagten gegen die Schadenshöhe sind nur zum Teil berechtigt.

aa) Da die Klägerin den Beweis der haftungsausfüllenden Kausalität geführt hat, ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass der von dem Beklagten gezahlte Schmerzensgeldbetrag von 500,00 € nicht ausreichend ist. Auch bestehen gegen den vom Landgericht für insgesamt angemessen erachteten Betrag von 5.000,00 € keine Bedenken. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu beachten. Insoweit kommt es auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychischen Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Primärverletzung, die Zahl und Schwere der Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlungen, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden. Im Rahmen der bei normalen Straßenverkehrsunfällen nur eingeschränkt zu berücksichtigenden Genugtuungsfunktion ist insbesondere die Schwere des Verschuldens des Schädigers in Ansatz zu bringen (vgl. BGH NJW 1955, 1675; BGH NJW 1982, 985; BGH VersR 1992, 1410; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Aufl., Rn. 274 ff).

Im vorliegenden Fall rechtfertigen die von der Klägerin erlittenen Verletzungen und Beeinträchtigungen ein Schmerzensgeld von insgesamt 5.000,00 €. Die Klägerin war bis zum 17.10.2008 krankgeschrieben und befand sich zudem im Zeitraum vom 02.02. bis zum 14.02.2009 in stationärer Behandlung. Die Beschwerden dauern bis zum heutigen Tage knapp zwei Jahre nach Unfallereignis noch an, die Klägerin ist auf starke Schmerzmittel angewiesen, zudem verbleibt nach den Ausführungen des Sachverständigen als Dauerschaden eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 %. Dagegen ist ein verzögertes Regulierungsverhalten des Beklagten nicht als schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen. Es kann dem Beklagten nicht zu seinen Lasten vorgeworfen werden, dass er die Unfallbedingtheit der Beschwerden der Klägerin bestritten hat und aus diesem Grunde nur ein geringes Schmerzensgeld gezahlt hat. Allein die Verzögerung von knapp vier Monaten reicht für eine signifikant relevante Erhöhung des Schmerzensgeldverlangens nicht aus, zumal es im vorliegenden Fall nicht um eine Existenzbedrohung der Klägerin geht, aufgrund derer die Klägerin auf eine unverzügliche Zahlung angewiesen gewesen wäre, und auch ein herabwürdigendes Prozessverhalten aufseiten des Beklagten nicht vorliegt. Dass der Rechtsstreit insgesamt über ein Jahr dauert und die Ansprüche der Klägerin knapp zwei Jahre nach dem Verkehrsunfall noch nicht vollständig reguliert sind, begründet für sich allein genommen noch kein im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung zu berücksichtigendes verzögertes Regulierungsverhalten.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das vom Landgericht als angemessen erachtete Schmerzensgeld auch im Rahmen vergleichbarer Entscheidungen liegt. So hat das Saarländische OLG (a.a.O.) bei einem zum Unfallzeitpunkt 41-jährigen Kläger, der durch einen Unfall eine HWS-Distorsion 1. Grades sowie Prellungen des rechten Schultergelenkes und des rechten Unterarmes erlitt und bei dem es im Zusammenhang mit dem Unfallereignis bei vorhandenen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule zu einem Bandscheibenvorfall kam, ein Schmerzensgeld von 7.500,00 € zuerkannt. Das vom Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeld liegt daher auch unter Außerachtlassung eines verzögerten Regulierungsverhaltens noch im Rahmen des Angemessenen, so dass für eine Herabsetzung aus Sicht des Senates kein Anlass besteht.

bb) Die Klägerin hat ferner Anspruch auf Ersatz des von ihr geltend gemachten Verdienstausfallschadens in Höhe von 2.058,87 €. Diese Schadensposition war in erster Instanz der Höhe nach unstreitig. Erstmals mit der Berufungsbegründung hat der Beklagte die Arbeitsfähigkeit der Klägerin für den Zeitraum bis einschließlich November 2008 und die Höhe der von der Klägerin vorgetragenen durchschnittlichen Einnahmen im Jahre 2008 bestritten. Dieses Bestreiten ist jedoch in zweiter Instanz nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Beklagte ohne Nachlässigkeit daran gehindert war, den diesbezüglichen Tatsachenvortrag der Klägerin bereits in erster Instanz zu bestreiten, oder ein sonstiger Fall des § 531 Abs. 2 ZPO vorliegt.

Die Klägerin hat weiter Anspruch auf Ersatz der von ihr geleisteten Zuzahlung zum stationären Aufenthalt in der …-Klinik im Zeitraum vom 02.02. bis zum 14.02.2009 in Höhe von 130,00 € sowie der geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von 40,25 €, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststeht, dass diese Kosten im Zusammenhang mit dem unfallbedingten Bandscheibenvorfall der Klägerin stehen.

cc) Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin eine Nutzungsausfallentschädigung für weitere 28 Tage in einer Gesamthöhe von 980,00 € geltend macht.

Grundsätzlich hat der Eigentümer eines privat genutzten Pkws, der die Möglichkeit zur Nutzung seines Pkws einbüßt, gem. §§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB auch Anspruch auf Ersatz desjenigen Schadens, der ihm durch den Entzug der Gebrauchsmöglichkeit des Unfallfahrzeuges entstanden ist. Dieser Anspruch ist jedoch auf die für die Reparatur oder Ersatzbeschaffung notwendige Zeit beschränkt, weil der Geschädigte aufgrund der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB verpflichtet ist, die Reparatur bzw. Ersatzbeschaffung ohne vorwerfbares schuldhaftes Zögern innerhalb angemessener Frist vorzunehmen (vgl. OLG Naumburg NJW 2004, 1191). Dieser Zeitraum verlängert sich, wenn der Geschädigte die Ersatzbeschaffung bzw. Reparatur nicht finanzieren kann und trotz Mahnung keinen Vorschuss erhält. Der Geschädigte hat über die gewöhnliche Wiederbeschaffungszeit hinaus Anspruch auf Nutzungsentschädigung, wenn er nicht in der Lage ist, die Reparatur bzw. den Erwerb eines Ersatzfahrzeuges ohne Erhalt der vollständigen Entschädigung vorzufinanzieren (vgl. OLG Naumburg a.a.O., OLG Frankfurt DAR 1984, 318; OLG Nürnberg DAR 1981, 14; Senatsurteil v. 30.08.2007, Az.: 12 U 60/07, VRR 2008, 27; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 12 StVG Rn. 43). Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder einen Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen. Hierzu ist er im Rahmen des § 254 BGB allenfalls dann ausnahmsweise verpflichtet, wenn er sich den Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird (vgl. BGH NJW-RR 2006, 394, 397; BGH NJW 2002, 2553, 2555; Senatsurteil v. 30.08.2007 a.a.O.).

Im Streitfall hat die Klägerin zwar vorgetragen, dass sie die Instandsetzungskosten nicht aus eigenen Mitteln habe aufbringen und auch keine Finanzierung hierfür habe erhalten können (Bl. 67 GA). Für das Gegenteil ist der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet, wozu es jedoch bereits an einer entsprechenden Behauptung des Beklagten fehlt. Die Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB umfasst jedoch auch die Pflicht, dem Schädiger rechtzeitig anzuzeigen, dass der Gläubiger ohne Kostenvorschuss zu einer zeitnahen Schadensbeseitigung nicht in der Lage ist und hierdurch weitere Kosten entstehen. Diese Anzeigepflicht soll dem Schädiger Gelegenheit geben, durch Zahlung eines Vorschusses Gegenmaßnahmen gegen den drohenden weiteren Schaden zu ergreifen (vgl. Senatsurteil a.a.O.). Dass die Klägerin dieser Verpflichtung nachgekommen ist, kann nicht festgestellt werden. Mit dem Schreiben vom 29.09.2008 ist lediglich eine Reparaturkostenübernahmebestätigung angefordert worden.

Das Schreiben enthält dagegen keinen Hinweis darauf, dass die Klägerin mangels finanzieller Leistungsfähigkeit zu einer Vorleistung nicht in der Lage war. Auch kann in der Anforderung einer Reparaturkostenübernahmebestätigung nicht zugleich ohne weiteres auch die Erklärung gesehen werden, dass die Klägerin zur Zahlung der Reparaturkosten nicht in der Lage sei. Es steht nicht fest, dass der Beklagte auf die Anforderung eines Kostenvorschusses nicht reagiert hätte. Schließlich ist es auch nicht nachvollziehbar, warum nach Erklärung der Reparaturkostenübernahme mit dem Schreiben vom 29.10.2008 es bis zum 17.11.2008 gedauert hat, bis die Klägerin den Reparaturauftrag tatsächlich erteilt hat. Der Hinweis darauf, dass wegen des Vorbehaltes des Beklagten auf der Reparaturkostenübernahmeerklärung, der sich ersichtlich darauf bezog, dass die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert überstiegen, noch ein Besprechungstermin mit dem damaligen anwaltlichen Bevollmächtigten der Klägerin erforderlich war, vermag eine Verzögerung mehr als 14 Tage bis zur tatsächlichen Erteilung der Reparatur nicht zu erklären.

Schließlich kommt im Streitfall eine Nutzungsausfallentschädigung auch deshalb nicht in Betracht, weil nach dem eigenen Vortrag der Klägerin davon auszugehen ist, dass sie ihr Fahrzeug auch gewerblich nutzt. Sie hat im Rahmen der Darlegungen ihres Nutzungswillens vorgetragen, dass sie ihre selbständige Tätigkeit als Kosmetikerin auch im Rahmen von Hausbesuchen ausübe und deshalb auf das Fahrzeug angewiesen sei (Bl. 53 GA). Im Falle einer gewerblichen Nutzung ist für eine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung grundsätzlich kein Platz, sondern der konkrete Vermögensschaden in Form des entgangenen Gewinns, der verlorenen Einnahmen oder zusätzlichen Kosten ist dann zu erstatten (vgl. Knerr in Geigel/ Schlegelmilch, a.a.O., 3. Kap., Rn. 102). Bei einer teilweisen privaten und gewerblichen Nutzung ist eine Aufspaltung vorzunehmen, wobei neben dem konkret zu berechnenden Gewinnausfall eine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung in Höhe des Anteils der privaten Nutzung zuzusprechen ist (vgl. Knerr, a.a.O.). Die Klägerin hat jedoch zum Umfang einer gewerblichen Nutzung und zur Abgrenzung zur privaten Nutzung auch mit dem nachgereichten Schriftsatz vom 05.08.2010 keine konkreten Einzelheiten vorgetragen, sondern nur pauschal geltend gemacht, das Fahrzeug sei überwiegend privat genutzt worden.

dd) Die Klägerin hat schließlich Anspruch auf Ersatz der als Nebenforderung geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 775,64 €.

Die Aktivlegitimation der Klägerin ist nach erfolgter Rückabtretung durch den Rechtsschutzversicherer gegeben. Auf das diesbezügliche, nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte Vorbringen der Klägerin war die mündliche Verhandlung gem. § 156 Abs. 2 ZPO wieder zu eröffnen, da ein Hinweis auf die bis dahin gegebene teilweise Unzulässigkeit der Klage erst in der mündlichen Verhandlung erteilt worden ist (vgl. dazu BGH NJW-RR 2007, 412). Das Vorbringen war nach § 531 Abs. 2 ZPO noch zu berücksichtigen, da die Abtretung erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erfolgt ist und daher in erster Instanz noch keine Berücksichtigung finden konnte.

Die außergerichtlich entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung zählen zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten, wenn die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte unter den Umständen des Einzelfalls erforderlich und zweckmäßíg war (vgl. BGH NZV 1995, 103; BGH NJW 2004, 444, 446; BGH NJW 2006, 1065; König a.a.O. Rn. 50). An der Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach bestehen im Streitfall keine Bedenken, nachdem der Beklagte auf die erstmalige Schadensanmeldung mit Schreiben vom 29.09.2008 zunächst nur schleppend und zudem nicht vollständig reguliert hat. Die Klägerin kann die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten jedoch mit Erfolg nur auf der Grundlage einer Geschäftsgebühr von 1,3 gem. § 14 Abs. 1 RVG erstattet verlangen. Bei der Abwicklung eines „durchschnittlichen“ oder „normalen“ Verkehrsunfalls ist in der Regel eine Geschäftsgebühr von 1,3 gerechtfertigt (vgl. BGH NJW-RR 2007, 420, 421; BGH NJW 2008, 3641, 3642; OLG München NZV 2007, 211; OLG Saarbrücken OLGR 2009, 549 f.). Eine höhere Gebühr als 1,3 kann nach Nr. 2300 VV zum RVG nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war. Dass für die Abwicklung des hier maßgeblichen Verkehrsunfalls ein überdurchschnittlicher Aufwand erforderlich war, hat die Klägerin nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Die volle Einstandspflicht des Beklagten stand von Anfang an nicht im Streit. Die Klägerin hat bei dem Verkehrsunfall nur leichte Verletzungen erlitten, auch wurden im Übrigen nur die „klassischen“ Schadenspositionen wie Schmerzensgeld, Reparaturkosten, Gutachterkosten, Verdienstausfall oder Nutzungsausfallentschädigung geltend gemacht. Die Ermittlung des Verdienstausfallschadens erforderte ebenfalls keinen überdurchschnittlichen Aufwand, denn insoweit beschränkte sich die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten auf die Vorlage der jeweiligen Gewinn- und Verlustrechnungen sowie handschriftlich erstellter Umsatzsteuervoranmeldungen.

Dem Erstattungsanspruch der Klägerin ist grundsätzlich derjenige Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (vgl. BGH NJW 2005, 1112; BGH NJW 2008, 1888 f.). Hier haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zwar bei der Bemessung des Gegenstandswertes auch eine Nutzungsausfallentschädigung von 1.120,00 € berücksichtigt, auf die kein Anspruch bestand. Andererseits haben sie als Schmerzensgeld nur einen Betrag von 3.000,00 € als Mindestbetrag zugrunde gelegt, während tatsächlich ein Betrag von 5.000,00 € angemessen war, so dass sich die Zuvielforderung bei der Berechnung des Gegenstandswertes nicht auswirkt. Ausgehend von einem Gegenstandswert von bis zu 10.000,00 € (unter Berücksichtigung der vorgerichtlich noch offenen Reparatur- und Gutachterkosten) errechnet sich eine 1,3-fache Geschäftsgebühr in Höhe von 631,80 € netto. Zuzüglich der Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV und der Mehrwertsteuer ergibt sich ein erstattungsfähiger Betrag von 775,64 €.

Soweit der Beklagte erstmals im Schriftsatz vom 28.10.2010 geltend macht, er habe bereits an die zunächst von der Klägerin beauftragten Rechtsanwälte Gebühren in Höhe von 368,66 € entrichtet, was sich die Klägerin auf die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten anrechnen lassen müsse, war dieser Einwand gem. §§ 530, 296 Abs. 2, 282 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Der Beklagte hat gegen seine Prozessförderungspflicht verstoßen, indem er diesen Einwand erst so spät vorgebracht hat, dass der Klägerin hierzu bis zu dem Zeitpunkt, der gem. § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, keine Stellungnahme mehr möglich war. Die Einholung der ansonsten erforderlichen Stellungnahme der Klägerin würde zu einer Verzögerung des im Übrigen entscheidungsreifen Rechtsstreits führen. Die Verspätung beruht auch auf grober Nachlässigkeit des Beklagten bzw. seines Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO), denn es muss jeder Partei unter den gegebenen Umständen einleuchten, dass neues Vorbringen, das im schriftlichen Verfahren erst am letzten Tag der gesetzten Schriftsatzfrist bei Gericht eingeht, ohne dass der Gegner Gelegenheit hat, zu diesem Vorbringen Stellung zu nehmen, zu einer Verspätung führt, da dem Gegner – sofern es sich um entscheidungserheblichen Vortrag handelt - zunächst rechtliches Gehör zu gewähren ist.

c) Der von der Klägerin geltend gemachte Feststellungsantrag ist gem. § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, soweit die Klägerin die Feststellung der Ersatzpflicht im Hinblick auf künftige materielle Schäden begehrt. Aus dem Vorbringen der Klägerin ist jedoch nicht ersichtlich, dass über die Beeinträchtigungen hinaus, die bereits Gegenstand des ausgeurteilten Schmerzensgeldes sind, weitere künftige Beeinträchtigungen möglich sind, deren Eintritt zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch ungewiss ist.

d) Die geltend gemachte Zinsforderung beruht auf § 291 BGB, wobei der Zinsausspruch dahingehend zu korrigieren war, dass die Zinspflicht entsprechend § 187 Abs. 1 BGB erst mit dem Tag nach Zustellung der Klageschrift beginnt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 69. Aufl., § 187 Rn. 1).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Im Hinblick darauf, dass die Entscheidung des Senats einen Einzelfall betrifft und der Senat dabei nicht von bestehender höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abweicht, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).



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