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Amtsgericht Düsseldorf Urteil vom 21.01.2011 - 30 C 4288/10 - Zur Täuschung über die Reparatur von Vorschäden in der Fahrzeugversicherung

AG Düsseldorf v. 21.01.2011: Zur Täuschung über die Reparatur von Vorschäden in der Fahrzeugversicherung


Das Amtsgericht Düsseldorf (Urteil vom 21.01.2011 - 30 C 4288/10) hat entschieden:
Die Annahme einer vorsätzlichen Täuschung des Versicherungsnehmers über angeblich reparierte Vorschäden an seinem Fahrzeug führt nach § 28 Abs. 2 VVG zur Leistungsfreiheit des Versicherers.


Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte als seiner Kaskoversicherung Ansprüche aus einem behaupteten Verkehrsunfallgeschehen vom 12.09.2009 geltend.

Im September 2009 zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Schadensfall aufgrund eines Verkehrsunfalls an. Dieser Schadensanzeige zufolge ist es am 12.09.2009 zu einem Zusammenstoß zwischen dem durch den Kläger geführten Fahrzeug BMW ..., amtliches Kennzeichen ..., dessen Halterin Frau N war, und dem durch den Zeugen S geführten Fahrzeug Mercedes Benz ... des A gekommen, bei dem das Klägerfahrzeug an der Motorhaube sowie an der Stoßstange beschädigt wurde. Zum Schadenshergang wurde angegeben, dass der Kläger aus Unachtsamkeit vor einem Stoppschild auf das vor ihm fahrende Fahrzeug aufgefahren sei.

In der Rubrik der Schadensanzeige, in der nach früheren Beschädigungen des Fahrzeugs gefragt wurde, war die Antwortmöglichkeit "ja" unterstrichen. Bei den Angaben zur Höhe dieser Schäden fand sich der Eintrag "ca. 3.000,- Euro". Schließlich wurde der Status dieser Vorschäden als "repariert" angegeben.

Die Beklagte erteilte unter dem 21.09.2009 der ... den Auftrag, ein Schadensgutachten zu erstellen. Das Gutachten vom 29.09.2009 weist Reparaturkosten in Höhe von 3.468,27 Euro ohne Mehrwertsteuer, 4.127,24 Euro inklusive Mehrwertsteuer, einen Wiederbeschaffungswert in Höhe von 5.500,00 Euro und einen Restwert in Höhe von 2.680,00 Euro inklusive Mehrwertsteuer aus. Darüber hinaus werden in dem Gutachten folgende Vorschäden ausgewiesen: Tür vorne links eingedrückt, Tür hinten links Streifschaden; Kotflügel eingedrückt und verschrammt, Stoßfänger vorne links verkratzt. Diese Schäden resultieren aus einem Kaskoschaden, den der Kläger gegenüber der Beklagten 1 Jahr zuvor fiktiv abgerechnet und nicht instandgesetzt hat.

Der Kläger behauptet, er habe am 12.09.2009 gegen 16.25 Uhr mit seinem Fahrzeug die ...straße in ... befahren. Vor ihm habe der Zeuge S mit dem PKW Mercedes die ...straße befahren. Vor dem Stoppschild vor der Einmündung der ...straße in die Sstraße habe der Zeuge S verkehrsbedingt angehalten. Der Kläger, der an genannter Kreuzung rechts abbiegen wollte, habe sich zu diesem Zeitpunkt nach links gewandt, um zu registrieren, ob aus dieser Richtung ein Fahrzeug die Sstraße befuhr. Der im Vorfeld durch ihn als ausreichend erachteter Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug sei während dieses Vorgangs derart zusammengeschmolzen, dass der Kläger, als er seinen Blick wieder nach vorne wandte, einen Zusammenstoß mit dem nach wie vor am Stoppschild wartenden PKW des Zeugen S nicht mehr verhindern konnte.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.845,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 22.04.10 zu zahlen,
sowie
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 316,18 freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet das Vorliegen eines Verkehrsunfalls im Rechtssinne. Vielmehr liege ein fingiertes Unfallgeschehen vor. Dafür spreche eine Reihe von Indizien. Zum einen sei der Unfallhergang nicht plausibel und lasse nur den Rückschluss auf ein manipuliertes Unfallereignis zu. Der Kreuzungsbereich der ...straße/Sstraße sei sehr übersichtlich und der Kläger habe das Fahrzeug des Unfallgegners zudem bei der Annäherung an das Stoppschild gesehen. Obwohl er dieses Fahrzeug zunächst gesehen habe, sei der Kläger dann ohne ersichtlichen Grund auf dieses Fahrzeug aufgefahren. Es sei lebensfremd, dass der Kläger aus Unachtsamkeit auf das von ihm zuvor wahrgenommene Fahrzeug aufgefahren sein will. Besonders auffällig sei, dass der Kläger erkannt hatte, dass er vor dem Stoppschild anhalten muss. Somit habe der Kläger seine Geschwindigkeit bei der Annäherung an das Gegnerfahrzeug verringern müssen. Die Behauptung des Klägers, er habe nach links geschaut, um zu sehen, ob von dort ein Fahrzeug kommt, erweise sich als Schutzbehauptung. Da der Kläger zunächst an dem Stoppschild hätte halten müssen, mache es keinen Sinn, bereits beim Zufahren auf das Stoppschild nach links zu blicken. Die Gesamtumstände ließen nur den Rückschluss zu, dass der Kläger absichtlich auf das Fahrzeug des Unfallgegners aufgefahren ist.

Hinzu komme, dass die Kreuzung aus Richtung ...straße kaum befahren werde. Der Schadenermittler der Beklagten, Herr A, habe die Schadensstelle am30.10.09 besichtigt und konnte dabei feststellen, dass es ca. 15 Minuten dauert, bis dort zwei Fahrzeuge kurz hintereinander in Richtung Stoppschild fahren. Es handele sich daher um eine einsame Unfallstelle, die die Unfallbeteiligten ganz bewusst ausgesucht hätten, um dort einen Verkehrsunfall herbeizuführen, ohne die Gefahr, durch andere Verkehrsteilnehmer oder durch unliebsame Zeugen gestört zu werden. Dementsprechend existierten auch keine neutralen Zeugen.

Ein weiteres Indiz liege darin, dass der Kläger seine Schadensersatzansprüche aus einem Haftungssachverhalt herleitet, der völlig eindeutig erscheint, also von vornherein sowohl bei der Polizei als auch beim Haftpflichtversicherer keine Zweifel an der Alleinhaftung des Schädigers aufkommen lassen soll. Dazu gehöre auch das Auffahren auf ein stehendes Fahrzeug. Gerade in letzter Zeit werde diese Unfallvariante immer wieder für gestellte Unfälle gewählt.

Weiterhin hätten beide Unfallbeteiligten kein Motiv gehabt, an der Unfallstelle zu sein.

Auch bezüglich des anderen Unfallbeteiligten A lägen Indizien vor, die gegen ein Unfallgeschehen sprechen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf den als Anlage B 3 zur Klageerwiderung vorgelegten Schriftsatz der Beklagten in dem Verfahren 3 O 83/10 vor dem Landgericht Krefeld Bezug genommen.

Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass sie auch deshalb leistungsfrei sei, weil der Kläger arglistig über die Beseitigung von Vorschäden an seinem Fahrzeug getäuscht habe. In der nach dem ...-Gutachten unrichtigen Angabe in der Schadensanzeige, wonach Vorschäden in Höhe von ca. 3.000,00 Euro repariert worden seien, liege eine arglistig Täuschung, welche gemäß § 28 Abs. 3 VVG zur Leistungsfreiheit der Beklagten führe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst der dazu gehörigen Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag.

Es kann letztlich dahinstehen, ob eine Ersatzpflicht der Beklagten schon deshalb nicht besteht, weil es sich um ein fingiertes Unfallgeschehen handelt, ob es sich also wegen einer Einwilligung des Klägers bereits nicht um einen ersatzfähigen Schaden im Sinne der Versicherungsbedingungen handelt.

Für ein solches fingiertes Unfallgeschehen spricht indes eine Reihe von Indizien. Ein wesentliches Indiz stellt die Tatsache dar, dass der durch den Kläger geschilderte Unfallverlauf in höchstem Maße lebensfremd ist. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass der Kläger auf ein vor ihm fahrendes Fahrzeug aufgefahren sein will, welches er vorher zweifellos gesehen hat und zu dem er nach eigenem Vortrag einen ausreichenden Sicherheitsabstand gehalten hat. Auch war dem Kläger offenbar bewusst, dass sich die Fahrzeuge auf ein Stoppschild zubewegen, sodass mit einem Anhalten des Vorausfahrenden zu rechnen war. Darüber hinaus ist der durch den Kläger vorgetragene Grund für seine behauptete zeitweilige Unaufmerksamkeit nicht nachvollziehbar. Warum der Kläger bei der Anfahrt auf ein Stoppschild nach links geblickt haben will, um festzustellen, ob sich von dort Fahrzeuge nähern, ist nicht nachvollziehbar. Einer solchen Überprüfung bedurfte es gleich aus zwei Gründen nicht. Zum einen befand sich vor ihm noch das Fahrzeug des angeblichen Unfallgegners, so dass sich zunächst allein dessen Fahrer darum hätte Gedanken machen müssen, ob von links sich ein Fahrzeug nähert. Darüber hinaus hätte auch der Kläger selbst, nachdem das vor ihm fahrende Fahrzeug die Kreuzung passiert hätte, an dem Stoppschild halten und sich erst dann hinsichtlich von links herannahender Fahrzeuge orientieren müssen. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, in welcher Art und Weise sich der Kläger nach links hätte orientieren müssen, um dadurch das vor ihm fahrende Fahrzeug völlig aus den Augen verlieren zu können, so dass er trotz ausreichenden Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug keine Reaktionsmöglichkeit mehr gehabt hätte, um einen Auffahrunfall zu vermeiden.

Hinzu treten die weiteren durch die Beklagte aufgeführten Indizien. Deren Vortrag, dass es sich um eine einsame Stelle handelt, die sich für einen fingierten Verkehrsunfall besonders gut eignet, hat der Kläger nicht bestritten. Ebenso hat er auf den Vortrag der Beklagten, wonach beide Unfallbeteiligten keinerlei Motiv gehabt hätten, sich an der Unfallstelle zu befinden, nicht mehr reagiert. Die vermeintlich eindeutige Haftungsfrage sowie das Fehlen unabhängiger Zeugen erhärten den Verdacht eines manipulierten Geschehens zusätzlich.

Jedenfalls aber besteht ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte deshalb nicht, weil der Kläger die Beklagte arglistig über an seinem Fahrzeug vorhandene Vorschäden getäuscht hat. Die diesbezüglichen Angaben des Klägers in der Schadensanzeige, wonach das Fahrzeug reparierte Vorschäden aufweise, sind unstreitig falsch. Es besteht auch kein Zweifel daran, dass es sich insoweit um eine arglistige Täuschung des Klägers handelt. Da dem Kläger die Vorschäden offensichtlich bekannt waren, da er diese bei der Beklagten 1 Jahr zuvor bereits angemeldet hatte, ist nicht ersichtlich, wie die falschen Angaben in der Schadensanzeige lediglich versehentlich hätten erfolgen können. Insbesondere hat der Kläger nichts vorgetragen, was auf Unklarheiten hinsichtlich des Reparaturstatus der Vorschäden hindeutet. Da die Vorschäden etwa auch die Fahrertür betrafen, kann deren Fortbestehen dem Kläger weder verborgen geblieben sein, noch ist plausibel, dass der Kläger diese Schäden irrtümlich als Folge des behaupteten Unfallgeschehens eingeordnet hat.

Der Annahme einer arglistigen Täuschung steht auch nicht entgegen, dass der Kläger davon hat ausgehen müssen, dass die Beklagte bei der Prüfung des Schadensfalles die Tatsache bemerken müssen, dass es in der Vergangenheit bereits einen Schadensfall hinsichtlich des Fahrzeugs gegeben hat. Ebenfalls steht die Tatsache nicht entgegen, dass mit der Einholung eines Sachverständigengutachtens durch die Beklagte zu rechnen war. Diese Tatsachen schließen keinesfalls aus, dass der Kläger zumindest in der Hoffnung handelte, dass eine Identität der damals angemeldeten Schäden mit den nunmehr noch vorhandenen Schäden nicht bemerkt werden würde. Ohne dass es nach § 28 Abs. 3 S. 2 VVG wegen des arglistigen Verhaltens des Klägers darauf ankäme, war seine falsche Angabe auch im Sinne des § 28 Abs. 3 S. 1 geeignet, auf das Prüfungsverhalten der Beklagten Einfluss zu nehmen.

Die Annahme einer vorsätzlichen Täuschung über Vorschäden führt nach § 28 Abs. 2 VVG zur Leistungsfreiheit der Beklagten. Die als Voraussetzung nötige Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG ist erfolgt.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 2.845,00 Euro festgesetzt.



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