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Kammergericht Berlin Urteil vom 11.04.2011 - 22 U 1/10 - Zum Regulierungsverhalten der Versicherung als deklaratorisches Schuldanerkenntnis und zur Prognosebildung bei Selbständigen

KG Berlin v. 11.04.2011: Zum Regulierungsverhalten der Versicherung als deklaratorisches Schuldanerkenntnis und zur Prognosebildung bei Selbständigen


Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 11.04.2011 - 22 U 1/10) hat entschieden:
  1. Zur Auslegung des Regulierungsverhaltens einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung als deklaratorisches Schuldanerkenntnis, insbesondere ihrer Eintrittspflicht betreffend eine behauptete unfallbedingte HWS-Verletzung.

  2. Zur Schätzung eines unfallbedingten Erwerbsschadens eines selbstständig Tätigen nach § 252 Satz 2 BGB, § 287 Abs. 1 ZPO (hier: Unmöglichkeit einer Prognoseentscheidung aufgrund unzureichenden Klagevortrages bei unfallunabhängig erheblich schwankenden und insgesamt rückläufigen Umsatzzahlen).

Siehe auch Schuldbekenntnis nach einem Unfall und Regulierungsverhalten und Zahlungen der Versicherung als deklaratorisches Schuldanerkenntnis? und Prognosebildung bezüglich des hypothetischen Zukunftseinkommens


Gründe:

I. Tatsächliche Feststellungen:

Der Kläger macht im Wege des Schadensersatzes aus einem Verkehrsunfall vom 10. Februar 2004 in der ... Straße in ... Berlin Ersatz eines Erwerbsschadens geltend. Der Versicherungsnehmer der Beklagten ist auf das Fahrzeug des Klägers aufgefahren. Über die Haftung der Beklagten dem Grunde nach besteht zwischen den Parteien kein Streit. Jedoch streiten die Parteien darüber, ob der Kläger bei dem Unfall verletzt worden ist und ob ihm unfallbedingt ein Verdienstausfallschaden entstanden ist und gegebenenfalls in welcher Höhe.

Der Kläger behauptet, er habe durch den Unfall ein HWS-Schleudertrauma sowie eine Stauchung des rechten Daumengrundgelenks erlitten. Infolge dieser Verletzungen sei seine Erwerbsfähigkeit nach dem Unfall bis zum 06. April 2004 zu 100% gemindert und bis zum 15. April 2004 noch deutlich herabgesetzt gewesen. Er hätte daher in dem von ihm betriebenen Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft im Februar 2004 überhaupt nicht, im März 2004 nur stundenweise und ab der 2. Aprilwoche bis zum 15. April 2004 nur halbtags arbeiten können. Da während der Zeit seiner unfallbedingten Erkrankung neben den in seinem Geschäft tätigen Teilzeitkräften nur sein Bruder und sein Sohn als ungelernte Hilfskräfte als Vertreter zur Verfügung gestanden hätten und die ihm obliegenden Arbeiten – Gewährleistung der Öffnungszeiten, des Ladens, Vornahme von Neubestellungen, Zahlungen an Lieferanten, ausreichende Präsentation von Waren, Auffüllen der Regale, Herausstellen von Angeboten, Anpassung von Preisen an die Marktschwankungen – teils nicht, teils nur unzureichend hätten wahrnehmen können, sei ihm unfallbedingt ein Verdienstausfallschaden in Form einer Gewinnminderung in Höhe von insgesamt 27.000,00 EUR entstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge und der Begründung der angefochtenen Entscheidung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen, mit dem die Klage nach Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens und eines medizinischen Sachverständigengutachtens abgewiesen worden ist weil nicht bewiesen worden sei, dass der Kläger unfallbedingt ein HWS-Trauma erlitten habe.

Mit seiner Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, das Landgericht habe das medizinische Sachverständigengutachten fehlerhaft gewürdigt, da es dabei nicht den gesamten Prozessstoff berücksichtigt habe. Das gelte insbesondere in Bezug auf die unter Beweisantritt vorgetragenen Beschwerden des Klägers nach dem Unfall betreffend die rechte Hand sowie die durch die HWS-Verletzung hervorgerufenen Beschwerden.

Auch entspreche die Annahme des Sachverständigen, die Beschwerden im Hals-, Kopf- und Nackenbereich seien direkt nach dem Unfall aufgetreten, nicht der Darstellung des Klägers. Danach seien die Beschwerden vielmehr im Laufe des Unfalltages aufgetreten und erst am Morgen danach so stark gewesen, dass der Kläger sich in ärztliche Behandlung begeben habe. Auch seien der von dem Sachverständigen als unzureichend dokumentiert erachtete Krankheitsverlauf sowie die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers aufgrund der von dem Kläger beklagten Beschwerden und der von den behandelnden Ärzten gestellten Diagnosen "objektiv nachgewiesen". Entgegen der Darstellung in dem Sachverständigengutachten seien die Beschwerden des Klägers mit dem Ende der Krankschreibung am 06. April 2004 noch nicht vollständig abgeklungen gewesen, sondern soweit gebessert, dass der Kläger in Teilzeit wieder habe arbeiten können. Vollständig beschwerdefrei sei der Kläger erst nach dem Ende der ärztlichen Behandlung am 15. April 2004 gewesen.

Zu Unrecht sei bei der Beweiswürdigung unberücksichtigt geblieben, dass auch der Beifahrer des Klägers durch den Unfall eine HWS-Verletzung erlitten hätte, die durch Röntgenaufnahmen nachweisbar sei. Der Schluss des Landgerichts, die Beschwerden des Klägers seien nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen, widerspreche jeder Lebenserfahrung, zumal bei dem Kläger keine Vorerkrankungen im Kopf- und Nackenbereich vorgelegen hätten. Vielmehr sei insgesamt unter Berücksichtigung der beiden vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten bewiesen, dass die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung 11-14 km/h betragen habe und der Kläger unfallbedingt ein HWS-Schleudertrauma sowie eine Stauchung des rechten Daumengrundgelenks erlitten habe und deshalb 6 Wochen arbeitsunfähig gewesen sei. Auch sei das Landgericht nicht darauf eingegangen, dass die Verletzung des Daumens durchgängig dokumentiert sei.

Das Landgericht habe insgesamt das medizinische Sachverständigengutachten, mit dem der Beweis für die Verletzungen des Klägers erbracht sei, nicht zutreffend gewürdigt und insoweit auch die Anforderungen an die Beweisführung überspannt.

Auch habe das Landgericht nicht hinreichend gewürdigt, dass die Beklagte dem Kläger vorprozessual ein Schmerzensgeld von (unstreitig) zunächst 750,00 EUR gezahlt, dies dann auf insgesamt 1.000,00 EUR erhöht und Unterlagen und Auskünfte angefordert habe, um den Verdienstausfall berechnen zu können. Darin liege ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis.

Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 09. November 2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin - 59 O 245/07 den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wedding vom 13. Juli 2007 – Geschäftszeichen 06-1186623-0-3 – aufrecht zu erhalten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen für zutreffend. Sie meint insbesondere, nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme lasse sich nicht mit dem Grad der für einen Vollbeweis erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der Kläger bei dem Unfall die von ihm behaupteten Verletzungen erlitten habe. Auch erschließe sich nicht, inwieweit die behauptete Verletzung seines Beifahrers Rückschlüsse auf eine unfallbedingte Verletzung des Klägers zulasse.

Letztlich meint die Beklagte, auf die Frage, ob der Kläger bei dem Unfall in der von ihm behaupteten Weise verletzt gewesen sei, komme es nicht an, weil er einen unfallbedingten Verdienstausfallschaden nicht schlüssig dargelegt habe. Er habe auch in zweiter Instanz nicht vorgetragen, welche unfallbedingten Beeinträchtigungen dazu geführt haben sollen, dass er seiner Arbeitstätigkeit nicht habe nachgehen können. Der behauptete Verdienstausfallschaden von monatlich 18.000,00 EUR lasse sich nicht nachvollziehen.

Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis habe die Beklagte nicht abgegeben, sondern Schmerzensgeld ohne Anerkennung einer Rechtspflicht geleistet.


II. Würdigung:

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Erwerbsschadens aus §§ 7, 17, 11 Satz 1 StVG, § 252 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG in der hier gemäß Art. 1 Abs. 2 EGVVG noch anzuwendenden früheren Fassung nicht zu.

1. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger infolge des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls die von ihm behauptete HWS-Verletzung und die behauptete Verletzung seines Daumens erlitten hat.

a) Allerdings schließt sich der Senat der Würdigung des Landgerichts an, dass in der von der Beklagten vorprozessual geleisteten Zahlung auf die vom Kläger erhobene Schmerzensgeldforderung kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis (vgl. dazu Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., § 781 BGB Rdn. 3 mit zahlreichen weiteren Nachweisen) liegt mit der Folge, dass die Beklagte nicht mehr einwenden könnte, der Kläger sei nicht in der von ihm behaupteten Weise verletzt worden. Zwar kann in einer Mitteilung einer Versicherung an den Geschädigten, sie werde auf bestimmte geltend gemachte Schadenpositionen leisten, ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis liegen, wenn hierdurch eine zwischen den Parteien bestehende Ungewissheit über den Haftungsgrund oder die Forderungshöhe unter Verzicht auf bereits bekannt Einwendungen beseitigt werden soll (etwa OLG Frankfurt, Urteil vom 15. August 2008 – 19 U 153/08). Ob ein solcher Schuldbestätigungsvertrag gemeint ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 781 BGB Rdn. 1, 3).

Im vorliegenden Fall kann das Verhalten der Beklagten aber nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) aus dem insoweit maßgebenden objektiven Empfängerhorizont des Klägers lediglich dahin verstanden werden, dass die Beklagte ihre Haftung für die dem Kläger durch den Verkehrsunfall entstandenen Schäden dem Grunde nach anerkenne, was sie in ihrem Schreiben vom 08. März 2004 auch ausdrücklich erklärt hat. Das Verhalten der Beklagten ist aber darüber hinaus nicht dahin zu verstehen, dass die Beklagte ihre Eintrittspflicht für die vom Kläger als unfallbedingt behaupteten Verletzungen im Wege eines Schuldbestätigungsvertrages anerkennen wollte und ihm ein dahingehendes Angebot unterbreitet hätte.

Zwar enthält das Schreiben der Beklagten vom 03. Mai 2005, mit dem sie die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 750,00 EUR angekündigt hat, entgegen dem Vorbringen der Beklagten keinen ausdrücklichen Vorbehalt dahin, dass die Leistung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolge. Jedoch hat die Beklagte die vom Kläger wegen der von ihm behaupteten Verletzungen mit Schreiben vom 03. März 2004 erhobenen Forderungen mit dem Schreiben vom 03. Mai 2005 auch dem Grunde nach gerade nicht in vollem Umfang anerkannt und ist mit der angekündigten Überweisung sogar hinter dem vom Kläger auf die von ihm behaupteten verletzungsbedingten Schäden geforderten Vorschuss von 1.000,00 EUR zurückgeblieben. Die weiteren 250,00 EUR hat sie nach ihrem Schreiben vom 23. Juni 2004 ausdrücklich "zur Klaglosstellung" überwiesen und Zahlungen auf den geltend gemachten Verdienstausfall abgelehnt. Unter diesen Umständen hat die Beklagte nach dem objektiven Empfängerhorizont des Klägers nicht zum Ausdruck gebracht, sie erkenne die vom Kläger behaupteten Verletzungen und ihre Eintrittspflicht insoweit dem Grunde nach im Sinne eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses an und werde jedenfalls nicht mehr einwenden, der Kläger sei nicht verletzt worden. Denn es besteht eine so erhebliche Divergenz zwischen den vom Kläger erhobenen Forderungen und der erklärten Eintrittsbereitschaft der Beklagten, dass der Kläger aus objektiver Sicht nicht annehmen konnte, die Beklagte erkenne die von ihm behaupteten Verletzungen als unfallbedingt an. Vielmehr stellt sich ihr Verhalten aus objektiver Sicht dahin dar, dass sie die Zahlungen zur Vermeidung von weiteren Auseinandersetzungen geleistet hat und sich alle Einwände offen halten wollte. Im Übrigen erscheint es gerade bei einer behaupteten HWS-Verletzung und einer geltend gemachten höheren Forderung auf Ersatz von Verdienstausfallschäden eher lebensfern, allein aus der Zahlung eines recht geringen Schmerzensgeldes durch eine Versicherung ohne weiteres einen Schuldbestätigungsvertrag des Inhalts anzunehmen, die Versicherung erkenne die HWS-Verletzung als unfallbedingte Verletzung und damit ihre Haftung für die Folgen an.

b) Für eine unfallbedingte HWS-Verletzung des Klägers streitet hier auch kein Beweis des ersten Anscheins. Nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts spricht bei einem Auffahrunfall mit Heckaufprall jedenfalls dann kein Beweis des ersten Anscheins für eine behauptete unfallbedingte Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule, wenn die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung bis zu 15 km/h betragen hat (vgl. etwa KG, Urteil vom 21. Oktober 1999 – 12 U 8303/95 – NJW 2000, 877 f). Hier lag die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung nach dem Unfallrekonstruktionsgutachten des Sachverständigen ... vom 22. Januar 2009 lediglich zwischen 11 und 14 km/h.

c) Demgemäß hatte der Kläger den Vollbeweis im Sinne von § 286 ZPO für die von ihm behauptete unfallbedingte HWS-Verletzung und die behauptete unfallbedingte Verletzung seines Daumens zu führen. Für die Entscheidung des Senats kann allerdings letztlich dahinstehen, ob ohne eine ergänzende Klarstellung des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. P angenommen werden kann, dass der Kläger den ihm obliegenden Vollbeweis für die von ihm behaupteten unfallbedingte behauptete HWS-Verletzung und die behauptete Verletzung seines Daumens nicht geführt hat. Selbst wenn man zugunsten des Klägers die behaupteten Verletzungen und ihre Unfallbedingtheit unterstellen würde, wäre dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zuzuerkennen.

2. Allerdings würde ein nach §§ 7 Abs. 1, 17, 11 StVG in Verbindung mit dem hier noch maßgebenden, zur Unfallzeit geltenden § 3 Nr. 1 PflVG a.F. zu ersetzender Erwerbsschaden gemäß § 252 Satz 1 BGB auch einen dem Kläger entgangenen Gewinn umfassen. Dabei würde der Schaden in einer Differenz zwischen dem tatsächlich vom Kläger erzielten Einkommen und einem Einkommen bestehen, das der Kläger ohne die Verletzungen hypothetisch erzielt hätte.

Hinsichtlich des Nachweises, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger ein Erwerbsschaden entstanden ist, gelten zu seinen Gunsten die Beweiserleichterungen nach § 252 Satz 2 BGB und § 287 Abs. 1 ZPO. Es muss danach im Wege der Prognose der Verdienst ermittelt werden, den der Kläger ohne den Unfall nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und unter den besonderen Umständen des Einzelfalles hätte erzielen können. Denn der Wegfall der Arbeitskraft als solcher ist kein ersatzpflichtiger Schaden (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 10. Aufl., Rdn. 137 m. w. N.). Vielmehr bedarf es bei einem selbständig Tätigen zur Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe er einen Verdienstausfallschaden erlitten hat, der Prüfung, wie sich das von ihm betriebene Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte (vgl. BGH Urteil vom 16. März 2004 – VI ZR 138/08 – Rdn. 13, zitiert nach juris – NJW 2004, 1945 ff).

Zur Ermöglichung dieser Prognose hätte der Kläger hinreichende konkrete Anknüpfungstatsachen vortragen müssen, aus denen das Gericht sich die Überzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der vom Kläger behaupteten Gewinnerwartung bilden kann. Dabei hätte der Kläger als Geschädigter die Tatsachen, die seine Gewinnerwartung wahrscheinlich machen, im einzelnen darlegen und beweisen müssen (vgl. dazu BGH Urteil vom 16. März 2004 – VI ZR 138/08 – Rdn. 15, zitiert nach juris – NJW 2004, 1945 ff). Der Schaden kann nicht abstrakt in Höhe des Gehalts einer gleichwertigen Ersatzkraft geltend gemacht werden (vgl. BGH a.a.O., Rdn. 19, zitiert nach juris m. w. N.). An einer solchen hinreichenden Darlegung fehlt es hier, auch wenn insoweit keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (BGH, a.a.O., Rdn. 21 , zitiert nach juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Küppersbusch,. a.a.O., Rdn. 138 m. w. N.).

Die vom Kläger zunächst eingereichten "Betriebswirtschaftlichen Auswertungen" für die Monate Januar 2003 bis April 2005 sind allein nicht hinreichend aussagekräftig, auch wenn es bei der Feststellung des Erwerbsschadens eines selbständig Tätigen, im Rahmen der Schadensschätzung nach §§ 252 BGB, 287 ZPO in der Regel angebracht ist, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren vor dem Unfall anzuknüpfen (vgl. BGH a.a.O., Rdn. 18 m. w. N.). Der Kläger hat auch nach der Auflage des Senats keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen dargelegt und unter Beweis gestellt, aus denen sich auch unter Berücksichtigung der sich aus § 252 BGB und § 287 ZPO ergebenden Beweiserleichterungen mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit entnehmen ließe, dass ihm unfallbedingt in der Zeit zwischen dem Unfall am 10. Februar 2004 bis zum 15. April 2004 ein Erwerbsschaden entstanden wäre, der den von der Berufsgenossenschaft gezahlten Betrag von 1.432,19 EUR übersteigt.

Der Kläger hat nach seinen von den Beklagten bestrittenen Behauptungen in den Monaten März und April 2004 Umsatz- und Gewinneinbußen erlitten, die insgesamt gegenüber den Vergleichsmonaten des Vorjahres ca. 15% betragen haben. Seine Umsätze in den Monaten der von ihm behaupteten Arbeitsunfähigkeit stellen sich nach Auswertung der vom Kläger eingereichten betriebswirtschaftlichen Auswertungen gegenüber den Vergleichsmonaten des Vorjahres wie folgt dar:

  2003 2004
Februar 49.845,45 € 53.535,09 €
März 54.880,47 € 46.720,64 €
April 57.885,81 € 38.117,60 €
Gesamt 162.611,73 € 138.373,33 €
Monatsdurchschnitt 54.203,91 € 46.124,44 €


Soweit der Kläger im Monat Februar 2004 eine leichte Umsatzsteigerung angibt, hat er sie zwar plausibel damit erklärt, dass in diesem Monat zunächst ein Abverkauf der vorhandenen Waren stattgefunden habe.

Jedoch spricht trotz der Umsatz- und Gewinneinbußen in den Monaten März und April 2004, für die es im Übrigen an einem geeigneten Beweisantritt fehlt, hier eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein erheblicher Umsatzrückgang auch ohne den Unfall – selbst eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers unterstellt – eingetreten wäre. Denn der Kläger hat in den weiteren Monaten des Jahres 2004 gegenüber den Vergleichsmonaten des Vorjahres einen noch deutlicheren Umsatzrückgang erlitten, nämlich um ca. 29%, wie sich aus der nachfolgenden Aufstellung ergibt.

  2003 2004
Mai 65.147,50 € 40.388,21 €
Juni 62.801,63 € 43.429,59 €
Juli 54.998,30 € 51.450,37 €
August 60.622,88 € 46.732,87 €
September 54.761,48 € 43.203,47 €
Oktober 62.058,58 € 44.706,89 €
November 56.625,02 € 30.386,40 €
Dezember 47.574,07 € 31.805,71 €
Gesamt 464.589,46 € 332.103,51 €
Monatsdurchschnitt 58.073,68 € 41.512,94 €


Dieser Umsatzrückgang hat sich dann bis zum Jahre 2005 wie folgt fortgesetzt, in dem der Kläger schließlich sein Geschäft aufgegeben hat:

  2005
Januar 31.842,89 €
Februar 26.003,59 €
März 28.014,16 €
April 27.709,12 €


Danach spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Umsatzeinbußen des Klägers auch in den hier in Frage stehenden beiden Monaten ebenso wie in den Folgemonaten des Jahres auf andere Gründe zurückzuführen sind als auf eine unfallbedingte Verletzung des Klägers.

Auch aus den Betriebsergebnissen, die die Beklagten ebenfalls bestritten haben und für die es ebenfalls an einem geeigneten Beweisantritt fehlt, lässt sich nicht mit der im Rahmen von § 287 ZPO erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit schließen, dass und gegebenenfalls in welcher möglichen Höhe der Kläger unfallbedingt Gewinneinbußen gehabt hat. Die Betriebsergebnisse sind zwar jedenfalls in den Monaten März und April 2004 negativ und damit schlechter ausgefallen als in den Vergleichsmonaten der Jahre 2003 und 2005. Damit spricht, eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers unterstellt, auf den ersten Blick eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine unfallbedingte Verschlechterung des Betriebsergebnisses. Jedoch hat der Kläger auch in anderen Monaten der Jahre 2003 und 2004 ähnlich schwache oder schwächere Betriebsergebnisse erzielt, so etwa im Januar 2003 in Minus von 9.078,46 EUR, im Dezember 2003 ein Minus von 17.433,87 EUR und im Dezember 2004 ein Minus von sogar 25.526,67 EUR.

  2003 2004 2005
Januar - 9.078,46 € 10.580,12 € 10.551,21 €
Februar 7.094,08 € 29.000,03 € 7.361,26 €
März 54,88 € - 12.250,27 € 761,47 €
April 19.697,91 € - 11.573,50 € 2.803,19 €
Mai 11.932,49 € - 2.171,39 €  
Juni 330,64 € - 3.824,40 €  
Juli 10.180,80 € 16.832,27 €  
August 7.893,82 € 21.039,25 €  
September 6.815,18 € - 6,01 €  
Oktober 7.027,66 € 9.930,94 €  
November 12.460,09 € - 2.503,75 €  
Dezember - 17.433,87 € - 25.526,67 €  
Gesamtergebnis 56.975,22 € 29.526,62 € 21.477,13 €
Durchschnitt 4.747,94 € 2.460,55 € 5.369,28 €


Hinzukommt, dass der Kläger nach den von ihm eingereichten Einkommensteuerbescheiden zwar im Jahre 2003 Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat, die der von ihm nunmehr eingereichten Gewinnermittlung für das Jahr 2003 entsprechen. Jedoch weist dieser Einkommenssteuerbescheid einen Verlustvortrag aus Einkünften aus Gewerbebetrieb aus, was dafür spricht, dass der Kläger bereits früher negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat.

Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 weist negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 66.044,00 EUR aus, obwohl die nunmehr eingereichte Gewinnermittlung für das Gesamtjahr 2004 einen Gewinn von 28.489,36 EUR aufweist. Der Kläger hat nicht dargelegt, wie sich die negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb zusammensetzen. Der Einkommensteuerbescheid lässt für sich genommen insoweit keine Rückschlüsse zu. Einkommensteuererklärungen hat der Kläger nicht eingereicht, sondern insoweit vorgetragen, die Steuererklärungen seien "zur Beweisführung im Rahmen dieses Prozesses nicht geeignet".

Soweit der Kläger nach der Auflage des Senats weiter betreffend seine eigene Tätigkeit und den Personaleinsatz auch während seiner angeblichen Arbeitsunfähigkeit vorgetragen hat, ist dieser Vortrag von den Beklagten bestritten worden und es fehlt insoweit an jedem Beweisantritt.

Im Übrigen ergeben sich daraus auch keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen unfallbedingten Erwerbsschaden erlitten hat und auch keine Anhaltspunkte für eine Schätzung der Höhe nach. Denn es erscheint schwer nachvollziehbar, dass es nicht zumindest mit vorübergehenden Mehrleistungen der in dem Betrieb des Klägers beschäftigten Teilzeitkräfte sowie seines in dem Betrieb tätigen Sohnes und seines ebenfalls in dem Betrieb tätigen Bruders möglich gewesen ist, einen unfallbedingten Ausfall des Klägers weitgehend auszugleichen, zumal der Kläger ab März zumindest jedenfalls stundenweise in seinem Unternehmen arbeiten konnte. Jedenfalls erklärt sich der erhebliche Gewinnrückgang im März 2004, in dem der Kläger nach eigenem Vorbringen stundenweise wieder tätig sein und daher Weisungen erteilen konnte, und insbesondere im April 2004, in dem der Kläger doch wieder weitgehend arbeitsfähig war, nicht ohne weiteres als Folge der behaupteten unfallbedingten HWS-Erkrankung. Denn es ist nicht ersichtlich, warum er in dieser Zeit nicht etwa für einen erfolgreichen Weiterbetrieb ausreichende Weisungen erteilen konnte.

Im Übrigen ist nach den eingereichten Unterlagen auch nicht ersichtlich, dass der Kläger versucht hat, seinen behaupteten unfallbedingten Ausfall mit einem Mehreinsatz an Personal auszugleichen, wozu er im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht verpflichtet gewesen wäre. Denn seine Personalausgaben in den Monaten Februar bis April 2004 unterscheiden sich nicht nennenswert von den Personalkosten in den Monaten vor und nach dem Unfall, wie die folgende Aufstellung zeigt.

  2004
Januar 3.582,61 €
Februar 3.961,51 €
März 3.961,51 €
April 3.961,51 €
Mai 3.928,33 €
Juni 3.456,31 €


Insoweit hat der Kläger zwar vorgetragen, er habe sich nicht beim Arbeitsamt um eine Ersatzkraft gekümmert, weil er habe absehen können, dass seine Arbeitsunfähigkeit nicht längere Zeit andauern würde, was in sich plausibel erscheint. Jedoch hat der Kläger, den insoweit zunächst eine erweiterte Darlegungslast trifft, nicht vorgetragen, wieso sein Stammpersonal, das überwiegend nur in Teilzeit und stundenweise bei Bedarf bei ihm tätig gewesen ist, nicht für die hier in Frage stehende kurze Zeitspanne in größerem Umfang hätte eingesetzt werden können.

Im Übrigen haben die Beklagten die Höhe der vom Kläger angegebenen Umsatzerlöse, der Kosten und die Höhe der monatlichen Betriebsergebnisse mit Nichtwissen bestritten und der Kläger hat trotz der Auflage des Senats die den betriebswirtschaftlichen Auswertungen zugrunde liegenden Zahlen nicht näher konkretisiert und insoweit auch keine Belege eingereicht. Soweit er die Einholung eines betriebswirtschaftlichen Gutachtens beantragt, kann ein solches Gutachten keine Feststellungen zu der Frage treffen, ob die Ursache des Verdienstrückganges in einer unfallbedingten Erkrankung des Klägers liegt. Im Übrigen fehlt es ohne näheres Zahlenmaterial an hinreichenden Anknüpfungstatsachen für ein solches Gutachten. Nach alledem muss der Berufung der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären sind und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).