Das Verkehrslexikon

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Landgericht Berlin Beschluss vom 16.09.2011 - 530 Qs 102/11 - Zur Verweigerung der Erstattung der notwendigen Auslagen des Betroffenen

LG Berlin v. 16.09.2011: Zur Verweigerung der Erstattung der notwendigen Auslagen des Betroffenen


Das Landgericht Berlin (Beschluss vom 16.09.2011 - 530 Qs 102/11) hat entschieden:
Bei § 109 Abs. 2 OWiG handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die Missbräuchen vorbeugen will, und daher nur in den Fällen heranzuziehen ist, in denen nicht rechtzeitiges Vorbringen als missbräuchlich oder unlauter anzusehen ist. Ein solch missbräuchliches Vorenthalten entlastender Umstände liegt vor, wenn kein vernünftiger und billigenswerter Grund für dieses Verhalten angeführt werden kann. Vernünftige und billigenswerte Gründe für ein Zurückhalten der Angaben zu entlastenden Umständen sind danach weder vorgetragen noch ersichtlich. Ein billigenswerter Grund für ein Zurückhalten entlastender Informationen kann insbesondere der Schutz eines nahen Angehörigen vor der Verfolgung sein. Es kann offen bleiben, ob dem der Schutz von Arbeitskollegen gleichzustellen ist, da es vorliegend ausgereicht hätte, die in der Hauptverhandlung offen gelegten Umstände darzulegen, ohne einen bestimmten Kollegen als Fahrer zu benennen und somit der Verfolgung preiszugeben.


Gründe:

Die nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde führt nicht zum Erfolg.

Der Betroffene, der durch das Amtsgericht Tiergarten mit Urteil vom 25. Januar 2011 rechtskräftig vom Vorwurf der Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit freigesprochen worden ist, hat gemäß § 109a Abs. 2 OWiG seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen.

Die Voraussetzungen des § 109a Abs. 2 OWiG, durch den die Grundregel des § 467 Abs. 1 StPO, wonach die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen der Staatskasse aufzuerlegen sind, in Bußgeldverfahren modifiziert wird, liegen vor.

Der Betroffene hat erst in der Hauptverhandlung angegeben, dass er nicht als Fahrer des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen ..., mit dem am 7. April 2010 gegen 14:03 Uhr an der Kreuzung An der Urania/Kurfürstenstraße in ... Berlin der Rotlichtverstoß begangen wurde, in Betracht komme, da er sich an dem Tag ganztätig im Büro aufgehalten habe, und dass etwa 15 Mitarbeiter des Unternehmens befugt seien, sich an der firmeneigenen Rezeption die Schlüssel für das Tatfahrzeug geben zu lassen und dieses zu nutzen. Diese Angaben betreffen ihn von der Verkehrsordnungswidrigkeit entlastende Umstände wesentlicher Art, die in der Sphäre des Betroffenen wurzeln und der Verwaltungsbehörde nicht ohne weiteres zugänglich waren. Zwar obliegt dieser grundsätzlich die Sachaufklärung und mithin auch die Fahrerermittlung. Weil es sich vorliegend aber um ein Firmenfahrzeug gehandelt hat, waren die Möglichkeiten der Verwaltungsbehörde, den Fahrer zu ermitteln, erheblich beschränkt. Sie hat, indem sie telefonisch bei der Firma … GmbH nachgefragt und in Erfahrung gebracht hat, dass das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … von dem Betroffenen genutzt wird, die ihr in zumutbarer Weise mögliche Sachaufklärung betrieben. Der Behörde war weder bekannt, dass neben dem Betroffenen auch weitere Personen Zugang zu dem Fahrzeug haben, noch, dass der Betroffene sich an dem fraglichen Tag ganztätig im Büro aufhielt.

Dem Betroffenen hingegen waren diese Umstände bereits im gegen ihn angestrengten Bußgeldverfahren bekannt.

Durch die rechtzeitige Mitteilung dieser Umstände im Bußgeldverfahren wären die ihm im nachfolgenden Gerichtsverfahren entstandenen Auslagen vermieden worden.

Nach Abwägung aller Umstände und unter Beachtung des Normzwecks war daher von § 109a Abs. 2 OWiG Gebrauch zu machen und von einer Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Landeskasse Berlin abzusehen.

Bei § 109 Abs. 2 OWiG handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die Missbräuchen vorbeugen will, und daher nur in den Fällen heranzuziehen ist, in denen nicht rechtzeitiges Vorbringen als missbräuchlich oder unlauter anzusehen ist. Ein solch missbräuchliches Vorenthalten entlastender Umstände liegt vor, wenn kein vernünftiger und billigenswerter Grund für dieses Verhalten angeführt werden kann (Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 109a Rn. 12).

Vernünftige und billigenswerte Gründe für ein Zurückhalten der Angaben zu entlastenden Umständen sind danach weder vorgetragen noch ersichtlich. Ein billigenswerter Grund für ein Zurückhalten entlastender Informationen kann insbesondere der Schutz eines nahen Angehörigen vor der Verfolgung sein (AG Lüdinghausen NJW 2007, 167). Es kann offen bleiben, ob dem der Schutz von Arbeitskollegen gleichzustellen ist, da es vorliegend ausgereicht hätte, die in der Hauptverhandlung offen gelegten Umstände darzulegen, ohne einen bestimmten Kollegen als Fahrer zu benennen und somit der Verfolgung preiszugeben [s.o.].

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG in Verbindung mit § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.



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