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BayObLG Beschluss vom 04.06.1976 - 1 Ob OWi 178/76 - Zur Abgrenzung zwischen Halten und Parken

BayObLG v. 04.06.1976: Zur Abgrenzung zwischen Halten und Parken


Das BayObLG (Beschluss vom 04.06.1976 - 1 Ob OWi 178/76) hat entschieden:
Solange ein Fahrzeugführer nach dem Aussteigen noch in der Lage ist, jederzeit wieder den Fahrersitz einzunehmen und wegzufahren, hat er es nicht im Sinne des § 12 Abs 2 StVO verlassen. Ist dies der Fall, hält der Fahrzeugführer, er parkt aber nicht, solange dies nicht länger als drei Minuten dauert.


Gründe:

I.

Das Amtsgericht Augsburg verhängte gegen den Betroffenen mit Urteil vom 12.12.1975 wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 12 Abs 4, 49 StVO iVm § 24 StVG eine Geldbuße von 10 DM.

Es ging davon aus, der Betroffene habe am 24.4.1975 gegen 16.30 Uhr seinen Personenkraftwagen Mercedes auf dem S.-Berg in A. rechts neben am linken Straßenrand in Höhe des Gebäudes der Handwerkskammer geparkten Fahrzeugen abgestellt, um daraus einen Rasenmäher zu holen und diesen mit dem Kraftwagen abzutransportieren. Als ihn ein Polizeibeamter aufforderte weiterzufahren, kam er dieser Aufforderung erst nach einer längeren, außerhalb des Fahrzeugs geführten Debatte mit dem Beamten nach.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung sachlichen Rechts.


II.

Dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, gegen dessen Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, ist stattzugeben, da eine Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 80 Abs 1 und 3 Satz 1 OWiG). Die damit zulässige Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

Die Feststellungen des Amtsgerichts sind nicht geeignet, die Verurteilung des Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 12 Abs 4 StVO zu tragen. Ohne dies ausdrücklich festzustellen, ist das Gericht ersichtlich davon ausgegangen, dass sich der Vorfall in einer Einbahnstraße ereignete. Dort durfte auch auf der linken Straßenseite unter den gleichen Voraussetzungen geparkt und gehalten werden, wie sonst nur auf der rechten Seite (§ 12 Abs 4 Satz 3 StVO). Jedoch hat der Richter - wie der Beschwerdeführer mit Recht beanstandet - den Begriff des Parkens in Form des Verlassens eines Fahrzeugs verkannt. Er hat ihn schon deshalb als erfüllt angesehen, weil der Betroffene aus seinem Personenkraftwagen ausgestiegen war. Solange ein Fahrzeugführer jedoch nach dem Aussteigen noch in der Lage ist, jederzeit wieder den Fahrersitz einzunehmen und wegzufahren, hat er es nicht im Sinne des § 12 Abs 2 StVO verlassen. Auf die räumliche Entfernung allein kommt es für den Begriff des Verlassens nicht an (Möhl in Müller Straßenverkehrsrecht 22. Aufl StVO § 12 RdNr 6; Jagusch Straßenverkehrsrecht 22. Aufl StVO § 12 RdNr 42; vgl auch Mühlhaus StVO 6. Aufl § 14 Anm 3b; sowie BGH VerkMitt 1961, 10 zu § 35 StVO 1937). Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen ergeben aber nicht, dass der Betroffene sich in der Weise vom Steuer seines Wagens entfernt hätte, dass er nicht jederzeit in der Lage gewesen wäre, weiter darauf einzuwirken. Schon der Umstand, dass sich seine Ehefrau noch auf dem Beifahrersitz befand, spricht dagegen. Gegenwärtig steht daher nicht fest, dass der Betroffene seinen Personenkraftwagen geparkt hat. Seine Verurteilung wegen unzulässigen Parkens kann daher nicht bestehen bleiben.

Zwar wäre der Begriff des Parkens auch dann erfüllt, wenn der Betroffene länger als drei Minuten gehalten hätte (§ 12 Abs 2 StVO). Über die Dauer des Haltens durch den Betroffenen hat das Amtsgericht jedoch ebenfalls Feststellungen nicht getroffen. Das Halten selbst ist allerdings, wenn es wie hier in zweiter Reihe geschieht, ebenfalls in der Regel untersagt. Es ist nur dann zulässig, wenn das Interesse des Haltenden gegenüber dem des fließenden Verkehrs überwiegt (Mühlhaus § 12 Anm 5b und g; BGHSt 23, 195/199; BayObLGSt 1969, 3; 1972, 94/95). Mangels ausreichender Feststellungen kann jedoch auch nicht beurteilt werden, ob unter diesem Gesichtspunkt das Halten in zweiter Reihe als verkehrswidrig anzusehen war. Abgesehen davon wäre ein etwa hierin liegender Verstoß gegen § 12 Abs 4 Satz 2, Halbsatz 1 StVO nicht als solcher, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 1 Abs 2 StVO, dh dann, wenn er zu einer konkreten Behinderung eines anderen geführt hätte, mit Geldbuße bedroht (vgl § 49 Abs 1 Nr 12 StVO, § 24 Abs 1 Satz 1 StVO).


III.

Hiernach ist das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO, § 79 Abs 3 OWiG). Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 79 Abs 6 OWiG). Die Entscheidung ergeht gemäß § 79 Abs 5 Satz 1 OWiG durch Beschluss.



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