Das Verkehrslexikon

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OVG Saarlouis Beschluss vom 25.01.2002 - 9 Q 49/01 - Zur einer verkehrsrechtlichen Anordnung im Sinne der Zugänglichkeit eines Grundstücks für Rollstuhlfahrer

OVG Saarlouis v. 25.01.2002: Zur einer verkehrsrechtlichen Anordnung im Sinne der Zugänglichkeit eines Grundstücks für Rollstuhlfahrer


Das OVG Saarlouis (Beschluss vom 25.01.2002 - 9 Q 49/01) hat entschieden:
Der Anlieger, der auf den Rollstuhl angewiesen ist und sein Wohnhaus mit Hilfe einer in den Fahrbahnbereich hinreichenden beweglichen Rampe nur dann verlassen bzw nur dann mit deren Hilfe in das Haus zurückkehren kann, wenn das wegen dieses Umstandes vor dem Hauseingang angebrachte Halteverbot (Zeichen 283) mit Grenzmarkierung (Zeichen 299) eingehalten wird, hat Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde auf darüber hinausgehende verkehrsrechtliche Maßnahmen auf der Grundlage von § 45 StVO, wenn das Halteverbot häufig nicht beachtet wird.


Gründe:

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter anstelle des Senats (§ 87 II, III VwGO).

Gemäß § 194 I Nr. 1 VwGO in der Fassung von Art. 1 Nr. 28 Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) vom 20.12.2001 (BGBl. I S. 3987) ist über die Zulässigkeit der Berufung aufgrund des bis zum 31.12.2001 geltenden Rechts zu entscheiden. Nach Maßgabe des danach einschlägigen § 124 a VwGO a. F. i.V.m. § 124 II VwGO bleibt der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts ohne Erfolg.

Zur Begründung beruft sich der Beklagte auf die Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 II Nr. 1 VwGO) und grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 II Nr. 3 VwGO). Keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigt die Zulassung der Berufung.

In seinem Antrag auf Zulassung der Berufung vom 30.4.2001 macht er geltend, der Rechtssache komme deshalb grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 II Nr. 3 VwGO zu, weil die Rechtssache die entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige Frage aufwerfe, wieweit die Lenkungsmöglichkeiten einer Gemeinde aus § 45 I StVO zum Schutze von Belangen Einzelner reichten. Diese Frage sei auch für den vorliegenden Fall entscheidungserheblich. Der Beklagte habe den Tatsachen Rechnung getragen, dass der Kläger behindert und auf einen Rollstuhl angewiesen sei sowie dass er sein Haus, vor dem sich nur ein schmaler Bürgersteig befinde, nur dann verlassen beziehungsweise in sein Haus zurückkehren könne, wenn auf der Straße vor dem Bürgersteig genügend Platz für die dafür erforderliche bewegliche Rampe sei, indem er bereits im Jahre 1991 vor dem Haus ein Halteverbot gemäß Verkehrszeichen Nr. 283 angeordnet und eine Grenzmarkierung auf der Straße angebracht habe. Damit sehe er seine rechtlichen Möglichkeiten, den Belangen des Klägers nachzukommen, als erschöpft an. Demgegenüber habe das Verwaltungsgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung auf die Pflicht des Beklagten zu weitergehenden verkehrsrechtlichen Maßnahmen erkannt, ohne festzulegen, wie solche Maßnahmen im vorliegenden Falle konkret auszusehen hätten und wie solche Maßnahmen, wie zum Beispiel das Aufstellen von Blumenkübeln, mit den Verkehrssicherungspflichten der Beklagten zu vereinbaren wären. Diesen Frage komme erhöhte Bedeutung zu, da - nicht zuletzt weil von dem Kläger die Presse eingeschaltet worden sei - mit weiteren Fällen dieser Art zu rechnen sei und der Entscheidung deshalb Präzedenzwirkung zukomme, zumal bisher noch keine grundsätzliche Entscheidung zu dieser Problematik vorliege.

Diese Darlegungen führen nicht zur Zulassung der Berufung wegen der geltend gemachten Grundsatzbedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtsstreitigkeit zu, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Die Entscheidung muss aus Gründen der Rechtssicherheit, der Einheit der Rechtsordnung oder der Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse liegen. Dies erfordert, dass die klärungsbedürftige Frage mit Auswirkungen über den Einzelfall hinaus in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden kann. Nicht klärungsbedürftig ist eine Frage unter anderem dann, wenn sie von dem mit der Rechtsstreitigkeit befassten Oberverwaltungsgericht oder höchstrichterlich geklärt ist.

Davon ausgehend ist vorliegend maßgebend, dass die rechtliche Frage der Lenkungsmöglichkeiten der zuständigen Straßenverkehrsbehörden auf der Grundlage von § 45 I StVO zum Schutze von Einzelbelangen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, worauf das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil bereits ausdrücklich hingewiesen hat, geklärt ist. In seinem
Urteil vom 22.1.1971 - VII C 48.69 - BVerwGE 37, 112 ff,
hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt, dass § 4 I 1 StVO alter Fassung, der eine dem vorliegend einschlägigen § 45 I StVO geltender Fassung im wesentlichen gleich lautende Regelung enthält, wonach die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beschränken oder verbieten können, auch die Interessen eines Einzelnen schützt, wenn dieser einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entschließung darüber begründen kann, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen zur Beseitigung einer Behinderung seiner Belange zu treffen sind. Einen derartigen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entschließung der Behörde auf Einschreiten gegen rechtswidrige Zustände, wenn dadurch zugleich die von ihr sicherzustellenden öffentlich-rechtlich geschützten Interessen beeinflusst werden, hat das Bundesverwaltungsgericht dann anerkannt, wenn die Rechtsvorschrift, die durch die Handlung Dritter oder durch einen Zustand verletzt wird, nicht nur dem öffentlichen Interesse dient, sondern daneben, wenn auch nur in geringem Umfang, die Belange Einzelner schützen will. Ausgangspunkt für einen derartigen Anspruch eines Einzelnen hat es in der Behinderung eines Anliegers zur Benutzung der freien Ein- und Ausfahrt seiner Garage gesehen und die private Rechtsposition als zumindest Beeinträchtigung der Leichtigkeit des Verkehrs im Sinne der fraglichen Regelung der StVO anerkannt. Davon ausgehend hat es weiter ausgeführt, dass dem Belang der ungehinderten Grundstückszufahrt durch die straßenverkehrsrechtliche Vorschrift des Verbots des Parkens vor Grundstückseinfahrten und -ausfahrten zwar grundsätzlich geregelt werde, darüber hinaus aber auch Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen, die generell in der Straßenverkehrsordnung geregelt seien, durch konkrete Anordnungen jedenfalls dann verdeutlicht werden könnten, wenn ihre Voraussetzungen oder ihr Geltungsbereich den Verkehrsteilnehmern nicht ohne weiteres erkennbar seien. Diese Rechtsprechung erfasst ohne weiteres auch die dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegende Sachlage. Dem Kläger ist nämlich eine Teilnahme am Straßenverkehr als Rollstuhlfahrer nur dadurch möglich, dass er sein Haus über die bereits erwähnte Rampe verlässt, wobei diese aufgrund der baulichen Gegebenheiten bei ihrer Benutzung über den Bürgersteig hinaus in den Bereich der Fahrbahn hineinragt. Ebenso stellt sich dies dar, wenn er in sein Wohnhaus gelangen will. Diesem Umstand hat der Beklagte zwar durch die Anbringung eines Halteverbotsschildes und eine Fahrbahnmarkierung in Höhe der Haustür des Klägers Rechnung getragen. Eine darüber hinausgehende Verdeutlichung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wie sie der Kläger mit vorliegendem Verfahren begehrt, ist damit aber auf der Grundlage von § 45 I 1 StVO bei Vorliegen der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmenden Voraussetzungen nicht ausgeschlossen. Der damit gegebene Anspruch auf eine Prüfung nach pflichtgemäßem Ermessen zur Gewährleistung der individuellen Rechte des Klägers wird insbesondere daran deutlich, dass dieser nach den gegebenen örtlichen Verhältnissen aufgrund seiner Behinderung auf verkehrsbeschränkende Maßnahmen angewiesen ist, wenn er sein Haus verlassen beziehungsweise wieder betreten will. Dies verdeutlicht, dass es in seinem Falle um die ungehinderte Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ebenso geht, wie um den ungehinderten Zugang zu seinem Wohnhaus, letztlich also zugleich auch um die Verwirklichung seines Rechts auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne von Artikel 2 I GG geht.

Was nun - ausgehend von der dargestellten, nicht weiter als verallgemeinerungsfähig anzusehenden höchstrichterlichen Bewertung - die von dem Beklagten aufgeworfene Frage der Reichweite der Lenkungsmöglichkeiten der Straßenverkehrsbehörde angeht, stellt sich weder rechtlich noch tatsächlich eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Es muss nämlich dem jeweiligen Einzelfall überlassen bleiben, welche Maßnahmen im Hinblick auf die konkreten Gegebenheiten im Rahmen von § 45 I StVO vor Ort durchgeführt werden können und - bei entsprechender Anspruchsposition - auch müssen. Im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung ist zu prüfen, ob ein derartiger Anspruch besteht und wie er, wenn er denn besteht, verwirklicht werden kann, um den individuellen Belang sicherzustellen und gleichzeitig die öffentlichen Belange zu wahren, ohne dass die Straßenverkehrsbehörde dabei gezwungen wäre, Maßnahmen zu ergreifen, die sie einer Schadensersatzpflicht aussetzte, oder unverhältnismäßige Maßnahmen zu ergreifen. Eine weitergehende grundsätzliche Klärung ist insoweit auch in einem Berufungsverfahren nicht zu erwarten. Soweit die Beklagte auf eine Präzedenzwirkung hinweist, hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass es unwahrscheinlich sei, dass ein weiterer Fall, wie der vorliegende, im Gemeindegebiet des Beklagten auftrete, zumal dieser keine dahingehend eventuell zu erwartenden Fälle darzulegen vermocht hat. Selbst wenn nicht allein auf das Gebiet des Beklagten abgestellt wird, spricht alles dafür, dass es sich bei dem vorliegend zugrundeliegenden Sachverhalt um eine extreme Situation handelt, die eine irgendwie geartete Häufung von derartigen Fällen nicht erwarten lässt. Die Tatsache, dass durch Einschalten der Presse möglicherweise eine Öffentlichkeitswirkung der Angelegenheit entstanden ist, und die Befürchtung, dass deshalb "mit weiteren Fällen dieser Art", also von gleich erheblicher Beeinträchtigung des betroffenen Einzelnen, zu rechnen sei, ist auch nicht ansatzweise belegt.

Folgt aus alledem, dass eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung ausscheidet, rechtfertigen auch die von dem Beklagten behaupteten ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 124 II Nr. 1 VwGO die Zulassung der Berufung nicht. Diesbezüglich macht er geltend, dass das Verwaltungsgericht zwar ausdrücklich betont habe, dass die gerichtliche Überprüfbarkeit der dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden Verwaltungsentscheidungen auf der Rechtsfolgenseite begrenzt sei auf die Prüfung von Ermessensfehlern, und führt dazu weiter aus, in der erstinstanzlichen Entscheidung sei aber nicht erörtert worden, worin denn überhaupt der Ermessensfehler des Beklagten bestehen solle. Dieser habe vor dem Hause des Klägers in Form des Anbringens eines Halteverbots und einer Sperrfläche Maßnahmen ergriffen, die unter Abwägung der Interessen der Verkehrsteilnehmer, des fließenden und des ruhenden Verkehrs und der Belange des Klägers pflichtgemäß und in ausreichendem Maße erfolgt seien. Die Situation in der betreffenden Straße mache es dem Beklagten nicht möglich, weitergehende Maßnahmen - "Welcher Art, außer Blumenkübeln ?" - zu ergreifen, als die bereits vorhandenen, zumal beim Ortstermin im erstinstanzlichen Verfahren ersichtlich geworden sei, dass die Straße, in der der Kläger wohne, eng und insbesondere im Bereich von dessen Anwesen schlecht übersichtlich sei. Deshalb habe er das Aufstellen von Blumenkübeln abgelehnt, um Gefahren durch diese für die Allgemeinheit zu verhindern. Von einem Ermessensnichtgebrauch könne nicht die Rede sein, da das Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt worden sei und das erstinstanzliche Urteil nicht erkennen lasse, worin konkret der Ermessensfehler der Beklagten bestanden haben soll. Ergänzend hat der Beklagte insbesondere mit Schriftsatz vom 4.7.2001 diesbezüglich dargelegt, das Verwaltungsgericht habe die Klage als Verpflichtungsklage gedeutet, daran anknüpfend aber eine konkrete Maßnahme insbesondere technischer oder baulicher Art, zu der der Beklagte verpflichtet sei, nicht ausgewiesen. Sofern die Verpflichtungsklage in Form einer Untätigkeitsklage als zulässige Klageart bejaht worden sei, müsse zunächst einmal eine Untätigkeit des Beklagten vorgelegen haben. Tatsächlich habe der Beklagte jedoch zuletzt in Abstimmung mit dem Kläger mehrere verkehrsrechtliche Anordnungen getroffen, die das Parken beziehungsweise das Halten vor der Haustür des Klägers untersagte. Auch die Aufstellung von Blumenkübeln, die unter verkehrssicherungsrechtlichen Aspekten ein zivilrechtliches Problem darstelle, sowie eventuell weitere Bodenmarkierung könnten ebenfalls nicht verhindern, dass Verkehrsteilnehmer, die sich über straßenrechtliche Anordnungen hinwegsetzten, widerrechtlich vor dem Haus des Klägers hielten bzw. parkten. Schließlich müsse für den Kläger die Fahrbahn vor seiner Haustür ebenfalls freibleiben, damit er das Haus mittels einer Rampe verlassen könne. Davon ausgehend sei von Interesse für den Beklagten, die rechtliche Vorschrift, auf die sich das Verwaltungsgericht bei der Anordnung einer solchen konkreten Maßnahme stütze. § 45 I StVO könne dies nicht sein, da es sich dort um eine Kann-Vorschrift handele. Das Gericht müsse also darlegen, inwiefern das Ermessen des Beklagten bei der Nichtvornahme einer konkret geforderten Handlung auf Null reduziert sei, so dass ausschließlich diese bzw. mehrere konkret zu bezeichnende Mittel zwingend von dem Beklagten eingesetzt werden müssten.

Diese Darlegungen rechtfertigen die Zulassung der Berufung unter dem Gesichtspunkt ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 124 II Nr. 1 VwGO nicht. Derartige Zweifel liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs, dessen Zulassung begehrt wird, wahrscheinlicher ist, als ein Misserfolg. Dies ist dann der Fall, wenn überwiegende Bedenken gegen die Richtigkeit erkennbar sind bzw. wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die zu überprüfende Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält. Davon kann vorliegend indes keine Rede sein.

Vorab ist klarzustellen, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Vornahme straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen, wie bereits dargelegt, zutreffenderweise auf § 45 I StVO gestützt werden kann. Auf dieser Grundlage hat der Einzelne Anspruch auf Einschreiten gegen rechtswidrige Handlungen Dritter oder rechtswidrige Zustände, wenn dadurch seine öffentlich-rechtlich geschützten Interessen beeinflusst werden, wobei dieser Anspruch beschränkt ist auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde. Da der Anspruch auf den Erlass straßenverkehrsrechtlicher Verwaltungsakte gegen Dritte gerichtet ist, ist er, wie das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt hat, im Wege der Verpflichtungsklage zu verfolgen. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang mit Schriftsatz vom 4.7.2001 Bedenken dahingehend aufgeworfen hat, dass das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage in Form einer Untätigkeitsklage bejaht hat, nach Ansicht des Beklagten eine Untätigkeit aber nicht vorgelegen habe, weil er ja bereits verkehrsrechtliche Maßnahmen getroffen habe, verknüpft er in unzulässiger Weise die Frage der Zulassung der Verpflichtungsklage mit der Frage eines materiell-rechtlichen Anspruchs des Klägers auf die Vornahme weitergehender straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen. Die Zulässigkeit auf der Grundlage von § 75 VwGO hat das Verwaltungsgericht mit Gründen bejaht, die jedenfalls keinen Anlass zu ernsthaften Zweifeln im Sinne von § 124 II Nr. 1 VwGO geben. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 75 VwGO, unter dem von dem Erfordernis eines Vorverfahrens abgesehen werden kann, ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung,
vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., 2000, § 75 Rdnr. 11, m. w. N.
hier der 20. März 2001. Abzustellen hinsichtlich der Untätigkeit ist auf den von dem Kläger vorsorglich eingelegten Widerspruch vom 2.3.2000 (Bl. 15 VG-Akte). Dieser ist gerichtet gegen das ablehnende Schreiben des Beklagten vom 22.2.2000, mit dem dieser die seit jedenfalls 1997 - nach Verbreiterung der Grenzmarkierung vor dem Haus des Klägers im September 1996 (vgl. Bl. 102 VG-Akte) - erfolgten Bemühungen des Klägers, letztmals die Eingabe des Klägers vom 10.2.2000 (vgl. die Bezugnahme im Schreiben vom 22.2.2000 auf die "Nachricht" der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 10.2.2000 und das klägerische Schreiben vom 3.3.1997; Bl. 12 ff VG-Akte), auf erneute Prüfung weitergehender verkehrsrechtlicher Maßnahmen abschließend entschieden hat, ohne indes dem Schreiben eine Rechtsmittelbelehrung beizufügen. Dennoch ist das Schreiben nach seinem Inhalt als abschließende Entscheidung über das Begehren des Klägers, weitergehende Maßnahmen zu veranlassen, und damit als Verwaltungsakt anzusehen. Unbeschadet der Erhebung der Klage am 5.4.2000 und damit vor Ablauf der Frist nach § 75 Satz 2 VwGO lagen die Voraussetzungen der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Jahre 2001 vor, da entweder der Beklagte seit Einlegung des Widerspruchs insofern untätig geblieben ist, als er den Widerspruch der Widerspruchsbehörde nicht vorgelegt hat, oder, falls der Beklagte dem nachgekommen ist, diese bis dahin nicht entschieden hat. Ein zureichender Grund, dafür, dass über den Widerspruch noch nicht entschieden worden ist, ist nicht erkennbar. Daher bestehen unter Zulässigkeitsgesichtspunkten keine ernsthaften Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 75 VwGO, zumal im übrigen sich der Beklagte auf diesen Gesichtspunkt im Berufungszulassungsverfahren nicht eindeutig berufen hat. Sein Hinweis auf die Untätigkeit im Sinne von § 75 VwGO bezieht sich vielmehr erkennbar darauf, dass er die Auffassung vertritt, er habe bereits das Notwendige getan und es bedürfe keiner weiteren verkehrsrechtlicher Maßnahmen, um den Belangen des Klägers Rechnung zu tragen. Damit wird aber der materiell-rechtliche Gesichtspunkt des Anspruchs des Klägers auf Vornahme weiterer Maßnahmen vermischt mit der soeben dargestellten Zulassungsproblematik, für die es nur darauf ankommt, ob die Behörde das Begehren des Klägers förmlich beschieden hat oder nicht.

Sind damit - eine dahingehende Geltendmachung im Zulassungsverfahren unterstellt - ernsthafte Zweifel an der Zulässigkeit der Klage nicht zu erkennen, so vermögen die Darlegungen des Beklagten zur Frage eines Anspruchs des Klägers ebenfalls keine ernsthaften Zweifel an der von dem Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil ausgesprochenen Verpflichtung des Beklagten, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass unmittelbar vor dem Hauseingang des klägerischen Anwesens keine Fahrzeuge abgestellt werden können, aufzuwerfen. Ausgehend von der bereits eingangs dargestellten Möglichkeit des Bestehens eines Anspruchs auf straßenverkehrsbehördliches Einschreiten auf der Grundlage von § 45 I StVO zugunsten auch privater Belange, übersieht der Beklagte, der darauf hinweist, von einem Ermessensnichtgebrauch könne keine Rede sein, weil er bereits durch die bisherigen Anordnungen sein Ermessen ausgeübt habe, dass der Kläger darüber hinausgehend weitere Maßnahmen begehrt und der Beklagte hinsichtlich dieses Antrags eine erneute ermessensgerechte Prüfung durchzuführen hatte. Die Entscheidung des Beklagten in seinem Schreiben vom 22.2.2000 stellt sich, wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, als ermessensfehlerhaft dar. Er hat nämlich eine Beschränkung seines Ermessensspielraumes angenommen (sogenannte Ermessensunterschreitung), wenn er dort ausführt, bezüglich der Rechtslage und der zulässigen Maßnahmen sehe er keine Möglichkeit, Möblierungselemente, Poller oder andere Absperr-Einrichtungen vor dem Anwesen installieren zu lassen, ohne gegen die Vorschriften der StVO zu verstoßen, so dass im Schadensfalle die Gemeinde haftungsrechtlich belangt werden könne. Dem steht entgegen, dass es dem Beklagten möglich wäre, über die bereits vorhandenen Regelungen hinausgehende verkehrsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, wie dies das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil eindeutig aufgezeigt hat. Vor dem Hintergrund der festzustellenden Situation des Klägers und davon ausgehend, dass das Verwaltungsgericht es im angefochtenen Urteil als unstreitig angesehen hat, dass der Kläger auf die Freihaltung der vorhandenen Sperrfläche vor seinem Hauseingang angewiesen ist und er das Haus nur mit der Rampe verlassen und wieder betreten kann, dass eine sinnvolle und wirtschaftlich zumutbare bauliche Maßnahme auf dem klägerischen Anwesen ausscheidet und dass ebenso unstreitig das Halteverbot in der Praxis so häufig nicht beachtet wird, so dass es zu den seitens des Beklagten nicht bestrittenen Nachteilen für den Kläger kommt, was der Beklagte im übrigen auch mit Zulassungsgründen nicht angegriffen hat, kann nur festgestellt werden, dass das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass weitere bzw. andere verkehrsrechtliche Maßnahmen zur Sicherstellung des Rechtes des Klägers auf Verlassen und Betreten seines Hauses einen Einschreitensanspruch auf der Grundlage von § 45 I, III und IX StVO begründen. Dafür spricht insbesondere auch, dass - wie das Verwaltungsgericht dies ebenfalls bereits ausgeführt hat - das an der Hauswand des klägerischen Hauses angebrachte Zeichen 283 nicht den Verwaltungsvorschriften zu § 39 bis 43 (Ziffer III. 9.) entspricht. Wie das im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Lichtbild (Bl. 7 VG-Akte) belegt, befindet sich das Schild - mit der Sichtfläche parallel zur Fahrbahn - an der Wand neben der Eingangstür des Hauses des Klägers und ist nicht, wie dort vorgeschrieben, in etwa rechtem Winkel zur Verkehrsrichtung angebracht. Durch seine Anbringung, die zudem den Eindruck einer eigenmächtigen Anbringung des Verbotszeichens durch eine Privatperson zu erwecken geeignet ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei den Verkehrsteilnehmern die Verbindlichkeit des Verbotes in Zweifel gezogen wird. Hinzu kommt, dass der Kläger zum Betreten und Verlassen seines Hauses mit Hilfe der Rampe die Fahrbahn zum Teil in Anspruch nehmen muss, wie dies eindrücklich die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Lichtbilder (Bl. 6 und 8 VG-Akte) belegen, woraus jeweils ein zusätzliches Gefahrenmoment für ihn selbst und seine Hilfspersonen im und für den fließenden Verkehr und den Parkverkehr im Verkehrsbereich in Höhe des Hauses des Klägers gesetzt wird, dem durch die dort angebrachte Markierung und das nicht vorschriftskonform angebrachte Verbotsschild nicht genügend Rechnung getragen wird. All dies spricht ohne weiteres dafür, dass ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung hinsichtlich des Ob eines im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten liegenden Eingreifens in Form der Vornahme zusätzlicher oder weitergehender verkehrsrechtlicher Maßnahmen nicht bestehen. Die aufgezeigten Mängel der bisherigen Regelung erfordern ohne Zweifel eine Optimierung sowohl zur Entschärfung der beim Verlassen und Betreten des Wohnhauses des Klägers bestehenden gefahrenträchtigen Situation im Interesse des öffentlichen Straßenverkehrs und zugleich zu Gunsten des Klägers und seines Anspruchs auf ungehinderten gefahrenfreien Zugang zu seinem Wohnhaus.

Was nun die Rechtsfolgenseite anbelangt verkennt der Beklagte, dass die gerichtliche Entscheidung bei der Nachprüfung von Ermessensentscheidungen auf der Grundlage von § 114 VwGO eingeschränkt ist und das Gericht nicht sein Ermessen an dasjenige der Behörde setzen darf, es sei denn es läge sich eine sogenannte Ermessensreduzierung auf Null vor. Davon kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden, da dem aufgezeigten Interesse der Allgemeinheit im Sinne von § 45 I StVO und den zu berücksichtigenden Belangen des Klägers nach den Verhältnissen der Örtlichkeit auf verschiedene Art und Weise, wie dies das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil bereits dargestellt hat, Rechnung getragen werden kann. Insbesondere kommen in Frage, das Halteverbotsschild wirkungsvoll anzubringen und oder darüberhinaus die vorhandene Grenzmarkierung für Halte- und Parkverbote (Zeichen 299) beidseits mit Hilfe einer Sperrfläche (Zeichen 298) geringfügig zu erweitern und innerhalb der Sperrflächen durch Leitmale oder -tafeln (§ 43 III Nr. 3 b) StVO) gekennzeichnete, von der StVO - im Unterschied zu "Blumenkübeln" ausdrücklich erwähnte Sperrpfosten (§ 43 I StVO) anzubringen oder dort "Blumenkübel" - aufzustellen und diese zusätzlich zu kennzeichnen und abzusichern, zumal "Blumenkübel" innerhalb von Sperrflächen kein "Hindernis" darstellen.
vgl. Janiszewski/Jagow/Burmann, StVO, 16. Aufl., 2000, § 32 Rdnr. 4 und § 45 Rdnr. 12 a, m. w. N.
Dem Beklagten ist es weiter unbenommen, die lediglich auf der Seite des Anwesens des Kläger bestehenden Parkmöglichkeiten längs der gesamten Straße beziehungsweise eines Teilstücks der Straße im Bereich des klägerischen Anwesens dergestalt zu regeln, dass mit Hilfe von Parkflächenmarkierungen (§ 41 III Nr. 7 StVO) Parkflächen oder Parkbuchten ausgewiesen werden, die das Parken ordnen und - was bisher dort nicht der Fall ist - diejenigen Stellen genau festlegen, an denen überhaupt geparkt werden darf. Da sich der Sperrbereich vor dem klägerischen Hauseingang dann innerhalb dieses geordneten Bereiches befindet, wird die Signalwirkung der so integrierten Sperrfläche verdeutlicht und damit eine erhöhte Beachtung bewirkt. In einem derart geordneten und beruhigten Parkbereich stellen sich die von dem Beklagten befürchteten Zusatzmaßnahmen durch nach den Regeln der StVO gekennzeichnete Sperrpfosten oder "Blumenkübel" zudem, falls sie dann noch erforderlich sind, als noch unproblematischer dar als bei dem zuvor erwähnten Einsatz derartiger Verkehrseinrichtungen. In diesem Zusammenhang wird der Beklagte insbesondere zu berücksichtigen haben, dass sich nach seinem eigenen Vortrag im vorliegenden Verfahren die Situation vor dem Haus des Klägers als beengt und unübersichtlich darstellt, so dass auch von daher eine weiträumigere Ordnung des Durchgangs- und Parkverkehrs sinnvoll erscheint. All dies macht deutlich, dass auf der Rechtsfolgenseite eine Ermessensreduzierung auf Null nicht in Rede steht. Vielmehr ist der Beklagte zu Recht, wie geschehen, zur Entscheidung über weitergehende Maßnahmen, denen nur er, der auch die Kosten für die öffentliche Hand berücksichtigen muss, Rechnung tragen kann, verpflichtet worden, zumal die Durchführung derartiger Maßnahmen Abstimmungen erfordert, die im gerichtlichen Verfahren nicht zu leisten sind. Die für die Zulassung der Berufung nach § 124 II Nr. 1 VwGO erforderlichen ernsthaften Zweifel im eingangs dargestellten Sinn liegen somit nicht vor.

Nach allem ist der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 II VwGO zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 73 I 1, 25 II, 13 I GKG. Da die Kosten des Verfahrens gemäß § 73 I GKG nach dem bisherigen, also bis zum 31.12.2001 geltenden Recht und damit auf der Grundlage von DM-Beträgen erhoben werden, erfolgt die Festsetzung des Streitwertes, der Berechnungsgrundlage für die Kosten, ebenso in Deutscher Mark.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.