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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Urteil vom 08.06.2005 - 12 E 135/04 - Zur straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom Bewohnererfordernis

VG Frankfurt am Main v. 08.06.2005: Zur straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom Bewohnererfordernis


Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 08.06.2005 - 12 E 135/04) hat entschieden:
Nach § 46 Abs. 1 StVO steht die Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung im Ermessen der Behörde. Die Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO setzt Gründe voraus, welche das öffentliche Interesse an dem Verbot, von welchem dispensiert werden soll, überwiegen. Die mit dem Verbot verfolgten öffentlichen Belange sind unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen die besonderen Interessen desjenigen, der die Ausnahmeerlaubnis begehrt, abzuwägen. Die Einführung von Bewohnerparkzonen dient der Verbesserung der Lebensqualität der Bewohner. Den Interessen auswärtiger Verkehrsteilnehmer wird dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass das Bewohnerparkrecht nur ca. 50 % aller zur Verfügung stehenden öffentlichen Stellplätzen beschränkt ist und zudem nur in den Zeiten von 6.00 - 9.00 Uhr sowie von 15.00 - 19.00 Uhr besteht.


Tatbestand:

Der Kläger ist als Rechtsanwalt tätig; sein Kanzleisitz befindet sich seit mindestens 10 Jahren in der H.straße ... in Frankfurt am Main - Sachsenhausen. Der Kläger beantragte am 04.12.2003 bei der Beklagten die Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung zum Parken in den Bewohnerparkzonen im Umfeld der H.straße ... . Die Beklagte hatte Mitte des Jahres 2002 in dem betreffenden Gebiet Bewohnerparkzonen eingeführt. Mit Bescheid der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 08.12.2003 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine gewisse Zeit zur Parkplatzsuche sei in den zur City einer Großstadt gehörenden Bereichen angesichts des herrschenden Verkehrsaufkommens unvermeidlich und stelle schon aus diesem Grund keine Behinderung der Berufsausübung dar. Ausnahmegenehmigung nach der Straßenverkehrsordnung könnten nur erteilt werden, wenn die beabsichtigte Tätigkeit ohne diese nicht oder nahezu nicht durchgeführt werden könnte. Lediglich Ärzten bestimmter Fachrichtungen, die nachweislich von der Praxis aus regelmäßige Notdienste wahrnehmen müssen, könnte angesichts der besonderen Wertigkeit der beruflichen Aufgaben zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung eine gewisse Hilfestellung gegeben werden, eine Parkmöglichkeit in der Nähe ihrer Praxis zu finden, wobei auch ihnen eine fußläufige Entfernung von bis zu 200 m zumutbar sei. Gewerbetreibende, die in den Bewohnerparkzonen ihren Geschäftssitz haben oder dort Kunden aufsuchen, würden eine Ausnahmegenehmigung nur erhalten, wenn sie sperrige und schwere Güter transportieren müssten. Dies würde jedoch auf den Fall des Klägers nicht zutreffen. Darüber hinaus stünden in der unmittelbaren Umgebung der Kanzlei des Klägers eine größere Anzahl von Parkplätzen zur Verfügung, die vom Bewohnerparken ausgenommen seien. Der Bescheid vom 08.12.2003 wurde dem Kläger am 11.12.2003 zugestellt.

Der Kläger hat am 12.01.2004, einem Montag, die vorliegende Klage erhoben.

Der Kläger vertritt die Auffassung, er habe einen Anspruch auf Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung. Er könne seinen Pkw, auf den er wegen der Wahrnehmung von Gerichtsterminen im gesamten Rhein-Main-Gebiet täglich angewiesen sei, aufgrund der bestehenden Parkplatzsituation nicht mehr in der Nähe der Kanzlei parken, zumal auch Bewohner die vom Bewohnerparken ausgenommene Parkflächen in Anspruch nehmen würden. Durch die Verweigerung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung würde massiv in seine Berufsausübung als Rechtsanwalt eingegriffen werden. Darüber hinaus übe die Beklagte das ihr zustehende Ermessen ungleich aus. So sei für das Fahrzeug des Geschäftsführers der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt e.V. eine Ausnahmegenehmigung erteilt worden.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 08.12.2003 die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Ausnahmegenehmigung zum Parken in den Bewohnerparkzonen im Umfeld H.straße ..., 6... Frankfurt am Main zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt die Beklagte Bezug auf den angefochtenen Bescheid. Ergänzend bringt sie vor, gerade angesichts der angespannten Parksituation in einem Bereich wie Sachsenhausen mit einer hohen Bewohnerzahl sowie motorisierten Pendlern und nur begrenzt zur Verfügung stehenden Parkflächen, sei es zur Verbesserung der Lebensqualität sachgerecht, das Konkurrenzverhältnis zu bestimmten Zeiten zugunsten der Bewohner zu entscheiden, zumal ca. 50 % aller in einem Regelungsgebiet befindlichen Parkflächen rund um die Uhr und die weiteren 50 % tagsüber von 9.00-15.00 Uhr dem allgemeinen Parkverkehr zur Verfügung stünden.

Das Gericht hat den dem Vorgang betreffenden Behördenheftstreifen bei gezogen und ihn zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Mit Beschluss vom 09.05.2005 hat die Kammer den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig. Insbesondere war vor Erhebung der Klage nicht die Durchführung eines Vorverfahrens erforderlich gewesen (§ 68 Abs. 1 S. 2 VwGO i.V.m. § 16 a Abs. 1 HessVwGO i.V.m. Nr. 12.1 der dazugehörigen Anlage).

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung noch einen Anspruch auf Neubescheidung seines Begehrens. Vielmehr ist der Bescheid der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 08.12.2003 rechtmäßig und verletzt den Kläger dadurch nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 S. 1 VwGO).

Nach § 46 Abs. 1 StVO steht die Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung im Ermessen der Behörde. Die rechtliche Überprüfung des Bescheides vom 08.12.2003 hat sich gemäß § 114 S. 1 VwGO darauf zu beschränken, ob die Ablehnung der beantragten Ausnahmegenehmigung deshalb rechtswidrig ist, weil die Beklagte die ihr gesetzten gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Die Ablehnung der vom Kläger begehrten Ausnahmegenehmigung durch die Oberbürgermeisterin der Beklagten ist nicht ermessensfehlerhaft.

Die Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO setzt Gründe voraus, welche das öffentliche Interesse an dem Verbot, von welchem dispensiert werden soll, überwiegen. Die mit dem Verbot verfolgten öffentlichen Belange sind unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen die besonderen Interessen desjenigen, der die Ausnahmeerlaubnis begehrt, abzuwägen (BVerwG, NZV 1994, 244; Bay.VGH, Bay. VBl. 1998, 536). Dies setzt voraus, dass derjenige, der die Ausnahmegenehmigung begehrt, wesentlich stärker darauf angewiesen sein muss, die Straßenverkehrsordnung nicht einhalten zu brauchen, als sonstige Personen in vergleichbarer Lage (VGH Baden-Württemberg, VBlBV 1991, 304). Nach der Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO (siehe Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 46 Erl. 4 ff.) ist die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nur in besonders dringenden Fällen gerechtfertigt, wobei an den Nachweis solcher Dringlichkeit strenge Anforderungen zu stellen sind. Die genannte Verwaltungsvorschrift gibt eine allgemeine Richtlinie für die Ausübung des in § 46 StVO eingeräumten Ermessens und beschränkt so in zulässigerweise die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen auf besondere Ausnahmefälle (Bay. VGH, a.a.O.). Die von der Beklagten im vorliegenden Fall getroffene Ermessensentscheidung wird diesen Maßstab gerecht.

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte das vom Kläger dargelegte Interesse unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an der Wahrung der Straßenverkehrsordnung nicht als dringenden Fall in diesem Sinne bewertet hat. Wie die Beklagte in dem ablehnenden Bescheid ausgeführt hat, dient die Einführung von Bewohnerparkzonen im Umfeld der Kanzlei des Klägers der Verbesserung der Lebensqualität der Bewohner. Den Interessen auswärtiger Verkehrsteilnehmer wird dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass das Bewohnerparkrecht nur ca. 50 % aller zur Verfügung stehenden öffentlichen Stellplätzen beschränkt ist und zudem nur in den Zeiten von 6.00 - 9.00 Uhr sowie von 15.00 - 19.00 Uhr besteht. Somit besteht auch für den Kläger in zumutbarer Reichweite von seinem Kanzleibesitz die Möglichkeit, einen öffentlichen Stellplatz für seinen Pkw zu finden. Dass dies in einem zur City einer Großstadt gehörenden Stadtteil wie Sachsenhausen in der Regel nicht ohne weiteres gelingt, sondern mit Schwierigkeiten verbunden ist, ist ein allgemeines Problem, dem sich jeder Verkehrsteilnehmer, der keine Bewohnerparkberechtigung besitzt, gegenüber sieht. Es sind auch keine Gründe gegeben, aus denen sich ergibt, dass der Kläger wesentlich stärker darauf angewiesen sei, die Verkehrsanordnung nicht einhalten zu brauchen als sonstige Personen in vergleichbarer Lage. Soweit der Kläger durch die begehrte Ausnahmegenehmigung ehe in der Lage wäre, in der Nähe seiner Kanzlei einen öffentlichen Stellplatz für seinen Pkw zu finden und hierdurch Zeit zu sparen, rechtfertigt dies allein nicht die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger ohne die begehrte Ausnahmegenehmigung nicht in der Lage wäre, seinen Kanzleibetrieb an der bisherigen Stelle fortzuführen. Hiergegen spricht schon die Tatsache, dass der Kläger die Kanzlei dort seit mindestens 10 Jahren betreibt und in dieser Zeit in dem betreffenden Gebiet vorübergehend eine Anwohnerparkzone bestand und seit nunmehr knapp 3 Jahren eine Bewohnerparkzone. Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessenlagen ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger seine Kanzlei "sehenden Auges" in einem innenstädtischen Bereich eingerichtet hat, in dem ein Mangel an öffentlichen Halte- und Parkraum für Kraftfahrzeuge besteht und er über eine eigene Parkfläche nicht verfügt.

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Ermessensausübung der Beklagten gegen das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) verstößt. Die Erteilung von straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigungen für die Fälle des Transportes von schweren und sperrigen Gütern betrifft eine andere Fallgestaltung, so dass für die abweichende Behandlung dieser Fälle ein sachlicher Grund gegeben ist. Soweit sich der Kläger auf den Fall des Geschäftsführers der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt e.V. beruft, ist zunächst unklar, ob es sich hierbei überhaupt um einen vergleichbaren Fall handelt. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, könnte der Kläger hieraus keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung herleiten. In einem solchen Falle wäre nämlich die Erteilung an den Geschäftsführer der Behindertenhilfe rechtsfehlerhaft erfolgt, so dass der Grundsatz "kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht" greifen würde.

Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO.