Das Verkehrslexikon

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Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom 18.10.1999 - 3 B 105/99 - Zum Anlieger-Lärmschutz durch straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen

BVerwG v. 18.10.1999: Zum Anlieger-Lärmschutz durch straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen


Das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 18.10.1999 - 3 B 105/99) hat entschieden:
Bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen müssen die verkehrsberuhigenden oder verkehrslenkenden Maßnahmen entgegenstehenden Verkehrsbedürfnisse und Anliegerinteressen von einigem Gewicht sein, wenn mit Rücksicht auf diese Belange ein Handeln der Behörde unterbleiben soll. Jedenfalls darf die zuständige Behörde selbst bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen absehen, wenn ihr dies mit Rücksicht auf die damit verbundenen Nachteile gerechtfertigt erscheint.


Gründe:

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Beschwerdevorbringen ergibt keinen Revisionszulassungsgrund. Namentlich trifft die in erster Linie aufgestellte Behauptung der Beschwerde nicht zu, das angefochtene Urteil weiche in der von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vorausgesetzten Weise von einschlägiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab.

In seinem - sowohl vom Verwaltungsgerichtshof als auch von der Beschwerde maßgeblich herangezogenen - Urteil vom 4. Juni 1986 - BVerwG 7 C 76.84 - (BVerwGE 74, 234 <240>) hat das Bundesverwaltungsgericht dargelegt, dass der - vom Kläger beanspruchte - Lärmschutz durch Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO in das pflichtgemäße Ermessen der zuständigen Behörde gestellt ist. Diese hat dabei über die Belange der betroffenen Anlieger hinaus sowohl diejenigen des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer zu würdigen, als auch die Interessen anderer Anlieger in Rechnung zu stellen, ihrerseits von übermäßigem Lärm verschont zu bleiben, der als Folge verkehrsberuhigender Maßnahmen durch Verlagerung des Verkehrs eintreten kann. Die Behörde darf dabei in Wahrung allgemeiner Verkehrsrücksichten und sonstiger entgegenstehender Belange von derartigen Maßnahmen um so eher absehen, je geringer der Grad der Lärmbeeinträchtigung ist, dem entgegengewirkt werden soll. Umgekehrt - und dies ist im Streitverfahren entscheidungserheblich - müssen bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen die verkehrsberuhigenden oder verkehrslenkenden Maßnahmen entgegenstehenden Verkehrsbedürfnisse und Anliegerinteressen schon von einigem Gewicht sein, wenn mit Rücksicht auf diese Belange ein Handeln der Behörde unterbleibt. Jedenfalls darf die zuständige Behörde selbst bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen absehen, wenn ihr dies mit Rücksicht auf die damit verbundenen Nachteile gerechtfertigt erscheint (vgl. auch Urteil vom 22. Dezember 1993 - BVerwG 11 C 45.92 - NJW 1994, 2037 <2038 f.>).

Mit der Behauptung, eine Abwägung mit den Belangen des Klägers habe im angefochtenen Urteil nicht stattgefunden, rügt die Beschwerde der Sache nach, es müsse dahin verstanden werden, dass es auch Fälle geben könne - und ein solcher liege hier vor -, bei denen eine Abwägung entbehrlich sei, denn - so die Beschwerde - das Urteil habe sich auf den Standpunkt gestellt, die faktische Verkehrsbedeutung der Alten Allee, an der das Grundstück des Klägers anliegt, sei ein "per se" tragender und ausreichender Grund für eine Ablehnung eines Einschreitens, der keiner weiteren Abwägung mit den Belangen des Klägers bedürfe. Indessen verkennt die Beschwerde hiermit den eindeutig erkennbaren tragenden rechtlichen Ansatz des angefochtenen Urteils:

Der Verwaltungsgerichtshof ist nach seinen Urteilsgründen (beginnend auf S. 11) auf der Grundlage der gemessenen Lärmwerte und der Eigenart des Gebiets, in dem der Kläger lebt, zunächst davon ausgegangen, dass der Kläger eine - so S. 15 des Urteils - "im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO unzumutbar(e)" Lärmbelastung erleidet. Schon die Verwendung des Wortes "gleichwohl" am Anfang der Urteilsgründe (S. 19), mit welchen die gerichtliche Überzeugung von der Ermessensgerechtigkeit der getroffenen Entscheidung dargelegt wird, belegt, dass das Gericht des weiteren auch seiner Verpflichtung zur Abwägung genügt hat. Es hat, wie es die Beschwerde unter Heranziehung einschlägiger Rechtsprechung im Ansatz zutreffend verlangt, "Gründe und Gegengründe" für ein Einschreiten gegenübergestellt. Es ist freilich zu dem Abwägungsergebnis gelangt, dass der Kläger trotz der unzumutbaren Belastung deren Beseitigung nicht auf dem von ihm beanspruchten Wege der generellen Geschwindigkeitsreduzierung verlangen kann. Auch ein solches Ergebnis liegt indessen in dem rechtlichen Ansatz eingeschlossen, der dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Juni 1986 zugrunde liegt.

Allenfalls könnte es daher im angestrebten Revisionsverfahren darum gehen, ob der Verwaltungsgerichtshof die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Rechtssätze fehlerhaft angewendet hat; das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung solcher Rechtssätze kann jedoch weder zu einer Revisionszulassung wegen Divergenz noch wegen Grundsätzlichkeit führen (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328 m.w.N.).

Dies hat zur Folge, dass auch die von der Beschwerde erhobene Grundsatzrüge nicht durchgreift. Namentlich entzieht sich auch die Frage, die vor dem Hintergrund des Dargelegten sowie der tatsächlichen und rechtlichen Annahmen des Verwaltungsgerichtshofs allein klärungsbedürftig sein könnte, einer allgemeinverbindlichen Klärung, wann ein einer Maßnahme entgegenstehendes Verkehrsbedürfnis "von einigem Gewicht" ist.

Unhaltbar ist im übrigen das vom Verwaltungsgerichtshof gefundene Ergebnis selbst unter der Voraussetzung nicht, dass die Lärmbelastung des Klägers ihn in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG beeinträchtigen sollte (vgl. hierzu Urteile vom 29. April 1988 - BVerwG 7 C 33.87 - BVerwGE 79, 254 und vom 23. April 1997 - BVerwG 11 A 17.96 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 13). Insoweit kann nämlich nicht außer Betracht bleiben, dass nach den von der Beschwerde unbeanstandeten Annahmen des Verwaltungsgerichtshofs eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung zwar zu einer spürbaren, aber gleichwohl nicht zu einer unter das Niveau der Unzumutbarkeit führenden Absenkung der Lärmwerte führen würde (vgl. einerseits die Ausführungen auf S. 18 oben und andererseits auf S. 14 f. des Urteils). Dies deutet darauf hin, dass womöglich andere (tauglichere) Mittel in Betracht zu ziehen sein könnten, mit denen den im Urteil offengelegten Konflikten begegnet werden könnte.



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