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OLG Saarbrücken Urteil vom 31.03.2009 - 4 U 26/08 - Zur Haftung bei einem Fahrstreifenwechsel, zur Verletzung der Anschnallpflicht und zur Berechnung des Haushaltsführungsschadens sowie des Schmerzensgeldes

OLG Saarbrücken v. 31.03.2009: Zur Haftung bei einem Fahrstreifenwechsel, zur Verletzung der Anschnallpflicht und zur Berechnung des Haushaltsführungsschadens sowie des Schmerzensgeldes


Das OLG Saarbrücken (Urteil vom 31.03.2009 - 4 U 26/08) hat entschieden:
  1. Nach einer beachtlichen Rechtsprechung muss derjenige, der unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO einen Fahrstreifenwechsel vornimmt und hierdurch einen Verkehrsunfall verursacht, die volle Haftung tragen. Steht fest, dass ein Kfz-Führer unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO einen Fahrstreifenwechsel einleitete und im Zuge dieses Fahrmanövers die Fahrspurbegrenzung überfuhr, tritt hinter diesem unfallursächlichen Fahrfehler die Betriebsgefahr des vom Unfallgegner geführten Fahrzeugs bei der Abwägung der Haftungsquoten vollständig zurück.

  2. Hätte ein Kfz-Führer gravierende Verletzungen der Schulter, des Beckens und des Brustkorbes nicht erlitten, wenn er korrekt angeschnallt gewesen wäre. muss er sich wegen des Verstoßes gegen die Anschnallpflicht (§ 21a StVO) ein Mitverschulden von 30 % anrechnen lassen.

  3. Finanzielle Aufwendungen für eine Durchführung einer Reise sind als Vermögensfolgeschaden zu erstatten, wenn die Genussmöglichkeit infolge der Verletzung des Anspruchsinhabers bei einem Verkehrsunfall vereitelt wird.

Siehe auch Sicherheitsgurt und Anschnallpflicht und Pflichten des Fahrzeugführers und Zustand des Fahrzeugs


Gründe:

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit streiten die Parteien in Klage und Widerklage um Ersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, welcher sich am 29.8.2002 auf der Bundesautobahn A 8 in Höhe der Anschlussstelle Wellingen in Richtung Merzig ereignete.

Die Klägerin fuhr mit ihrem bei der Widerbeklagten zu 2) versicherten Pkw, Marke Peugeot, amtliches Kennzeichen ... auf der Bundesautobahn A 8. Sie befand sich nach Durchfahrt des Pellinger Tunnels mit ihrem Fahrzeug auf dem linken Fahrstreifen der Autobahn. Die Beklagte zu 2) befuhr mit dem bei der Beklagten zu 3) versicherten Pkw des früheren Beklagten zu 1), Herrn ... der Marke Peugeot, amtliches Kennzeichen ... die rechte Fahrbahn der zweispurigen Autobahn. Auf dem Beschleunigungsstreifen der Anschlussstelle Wellingen wollte die Zeugin ... auf die Autobahn einfahren. Als die Klägerin das von der Beklagten zu 2) gelenkte Fahrzeug passieren wollte, geriet sie mit ihrem Pkw ins Schleudern. Aufgrund des Schleuderns kollidierte ihr Fahrzeug auf dem rechten Fahrstreifen mit der Vorderseite des von der Beklagten zu 2) gelenkten Fahrzeugs. Beide Fahrzeuge wurden über die Fahrbahn geschleudert und dabei erheblich beschädigt. Die Klägerin wurde aus ihrem Fahrzeug heraus geschleudert.

Die Klägerin erlitt durch den Unfall eine erstgradig offene Beckenschaufeltrümmerfraktur, ein stumpfes Thoraxtrauma mit Fraktur der zweiten Rippe rechts, eine Claviculafraktur rechts, multiple Prellungen und tiefe Schürfwunden sowie Gesichtsschnittwunden. Stationär wurde die Klägerin vom 29.8.2002 bis zum 9.9.2002 im Klinikum M und vom 22.9.2002 bis zum 30.9.2002 im St. E Krankenhaus in S behandelt. Die Klägerin war vom 29.8.2002 bis zum 14.1.2003 zu 100% sowie im Zeitraum 15.1.2003 bis zum 31.1.2003 zu 50% arbeitsunfähig. Ab dem 1.2.2003 ist sie dauerhaft zu 30% in der Erwerbsfähigkeit gemindert. Am 15.3.2004 wurde die Klägerin erneut operiert und war bis zum 31.3.2004 krank geschrieben. Unfallbedingt ist die Elevation des rechten Armes durch das Osteosynthesematerial der Claviculafraktur immer noch behindert. Die Klägerin hat einen hinkenden Gang und die Beweglichkeit im linken Hüftgelenk ist endgradig schmerzhaft eingeschränkt. Es bestehen Sensibilitätsstörungen im Bereich des linken Schädels. Im Gesicht sind Narben sichtbar. Sie leidet unter Angstzuständen während der Teilnahme am Straßenverkehr und weist ein depressives Verhalten auf.

Die Beklagte zu 2) erlitt eine Zerrung ihrer rechten Schulter sowie zahlreiche Prellungen. Sie befand sich für vier Tage stationär im Krankenhaus Saarburg und war bis einschließlich 20.9.2002 zu 100% arbeitsunfähig.

Zum Ausgleich ihrer immateriellen Einbußen hat die Klägerin die Zahlung eines Schmerzensgeldes begehrt, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Sie hat einen Schmerzensgeldbetrag von mindestens 25.000 EUR für angemessen erachtet und im ersten Rechtszug dargelegt, dass sie das Schmerzensgeld nur als Teilbetrag für die in der Klageschrift erwähnten Beeinträchtigungen begehre, da die weitere Entwicklung nicht absehbar sei und insbesondere die Frage, ob noch weitere Operationen und Behandlungen notwendig werden würden, nicht beantwortet werden könne (GA II Bl. 373).

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch hinsichtlich der entstandenen materiellen Schäden umfasst folgende Positionen: Die Kleidung der Klägerin im Wert von 500 EUR wurde zerstört. Für den Aufenthalt in der Rehaklinik S in O musste die Klägerin einen Eigenanteil in Höhe von 180 EUR leisten. Die Klägerin erhielt eine Rechnung des Sanitätshauses Prinz über 28,35 EUR (GA I Bl. 199). Weiterhin wurden der Klägerin Standgeldkosten in Höhe von 208,80 EUR (GA I Bl. 200) und Abschleppkosten in Höhe von 425,48 EUR in Rechnung gestellt (GA I Bl. 201). Die Klägerin nahm ihre Vollkaskoversicherung in Anspruch und musste eine Selbstbeteiligung von 1.000 EUR leisten. Die Selbstbeteiligung für die Krankenhausbehandlung betrug insgesamt 126 EUR. Für zwei Arztberichte der Gemeinschaftspraxis ... zahlte sie insgesamt 54,43 EUR. Für eine unfallbedingte Behandlung zahlte sie an die ... einen Betrag von 59,60 EUR. Die Stilllegung des Fahrzeugs kostete die Klägerin 32,80 EUR. Am 16.9.2002 ließ sich die Klägerin für 150 EUR unfallbedingt die zuvor zur Verlängerung der Haare angebrachten Haarsträhnen entfernen. Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte die Klägerin einen Urlaub gebucht. Reiseantritt war der 7.9.2002. Aufgrund des Unfalls wurde der Urlaub storniert, wodurch der Klägerin Stornierungskosten in Höhe von 1.309,00 EUR entstanden. Die Erstattung einer Kostenpauschale von 25 EUR bildet einen weiteren Bestandteil ihres Schadensersatzbegehrens.

Sodann hat die Klägerin Kostenerstattung für die Einstellung einer Ersatzkraft verlangt: Die Klägerin betrieb zum Zeitpunkt der Operation vom 15.3.2004 ein Bekleidungsgeschäft. Da sie dieses alleine führte, musste sie für die Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.3.2004 eine Ersatzkraft einstellen, deren Einarbeitung bereits im Februar 2004 begann. Da die Klägerin auch noch nach Ende der Arbeitsunfähigkeit keine schweren Gegenstände tragen durfte, arbeitete die Ersatzkraft bis April 2004 weiter. Durch die Einstellung der Ersatzkraft entstanden Kosten von 1.442,92 EUR.

Ferner nimmt die Klägerin die Beklagten auf Zahlung eines Haushaltsführungsschadens in Anspruch: Bis zum 1.9.2003 wohnte die Klägerin gemeinsam mit ihrer Mutter in einem Haus, welches eine Wohnfläche von 109 m² besaß. Die Klägerin bewohnte ein Zimmer im dritten Stock. Bis Anfang 2003 konnte die Klägerin das Zimmer aufgrund ihrer Verletzungen nicht nutzen und schlief auf der Couch im Wohnzimmer. Auch konnte die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Haushaltstätigkeiten ausüben. Die Haushaltsführung war zwischen der Klägerin und ihrer Mutter aufgeteilt, wobei die Klägerin ihr Zimmer und das dritte Stockwerk reinigte und ihre eigene Wäsche wusch. Die Mahlzeiten wurden abwechselnd zubereitet. Die Mutter der Klägerin leistete einen größeren Anteil an der Hausarbeit als die Klägerin selbst. Für die Haushaltstätigkeiten fiel ein durchschnittlicher Aufwand an. Am 1.9.2003 bezog die Klägerin eine 93 m² große Wohnung. Am 1.11.2005 zog die Klägerin in eine andere Wohnung.

Schließlich hat die Klägerin im ersten Rechtszug die Zahlung von Verdienstausfall geltend gemacht: Sie hat hierzu behauptet, es sei ihr aufgrund des Unfalls unmöglich geworden, eine für den 1.9.2002 geplante Unternehmensgründung zu vollziehen. Als Berufseinsteigerin hätte sie einen monatlichen Provisionsertrag von 2.400 EUR erzielt. Für das Jahr 2002 sei daher mit einem Erlös von 5.388 EUR zu rechnen gewesen.

Zum Unfallhergang hat die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 2) habe plötzlich von der rechten auf die linke Fahrspur gewechselt, ohne auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Die Klägerin habe versucht, nach links auszuweichen. Dies sei jedoch nicht gelungen. Daraufhin habe sie eine Vollbremsung vorgenommen. In der Folge sei es dann zu einer Kollision gekommen.

Die Klägerin hat beantragt,
  1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 4.740,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 7.11.2003 zu zahlen;

  2. die Beklagten als Gesamtschuldner weiterhin zu verurteilen, an die Klägerin 13.897,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 14.1.2006 zu zahlen;

  3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen;

  4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin zukünftig sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis von 29.8.2002 zu ersetzen.

  5. die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagten zu 1) bis 3) haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend hat der frühere Beklagte zu 1) beantragt,
die Klägerin und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Beklagten zu 1) 9.392,41 EUR nebst 5% Zinsen hieraus seit dem 22.11.2003 zu zahlen.
Widerklagend hat die Beklagte zu 2) beantragt,
die Klägerin und die Drittwiderbeklagte gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Beklagte zu 2) ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen.
Die Drittwiderbeklagte hat beantragt,
die gegen sie gerichtete Widerklage abzuweisen.
Die Beklagten haben behauptet, die Beklagte zu 2) habe von der rechten auf die linke Fahrspur wechseln wollen und habe hierzu den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt. Da sie die Klägerin mit überhöhter Geschwindigkeit von hinten gesehen habe, sei sie auf der rechten Fahrbahn geblieben. Die Klägerin sei hinter dem Fahrzeug der Beklagten zu 2) ins Schleudern geraten, zunächst gegen das Fahrzeug der Beklagten zu 2) gestoßen, woraufhin beide Fahrzeuge mehrfach mit der Leitplanke kollidiert seien. Auch sei die Klägerin nicht angeschnallt gewesen. Dies müsse sich die Klägerin – so die Rechtsauffassung der Beklagten – als Mitverschulden zurechnen lassen, da sie die schweren Beckenverletzungen nicht erlitten hätte, wenn sie angeschnallt gewesen wäre.

Mit seiner Widerklage hat der frühere Beklagte zu 1) die Erstattung des an seinem Fahrzeug entstandenen Sachschadens begehrt.

Die Beklagte zu 2) hat die Zahlung eines Schmerzensgeldes begehrt und hat behauptet, sie sei für einen Zeitraum von dreieinhalb Wochen arbeitsunfähig gewesen und habe u. a. ein Rasanztrauma der Halswirbelsäule erlitten.

In der angefochtenen Entscheidung, auf die auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO verwiesen wird, hat das Landgericht unter Anrechnung einer 20-prozentigen Mithaftung der Klägerin für die materiellen Schäden und einer 50-prozentigen Mithaftung für die immateriellen Schäden die Beklagten zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von insgesamt 8.969,56 EUR und eines Schmerzensgeldes in Höhe von 22.500 EUR verurteilt. Des weiteren hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin zukünftig 80 Prozent der materiellen und 50 Prozent der immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 29.8.2002 zu ersetzen. Der Widerklage hat das Landgericht in Höhe eines Schadensersatzanspruchs von 1.783,20 EUR und eines Schmerzensgeldes von 100 EUR stattgegeben.

Mit ihrer Viertberufung wendet sich die Klägerin gegen die Auferlegung einer Mithaftungsquote hinsichtlich der materiellen Schäden. Sie vertritt zunächst die Auffassung, dass der Unfall für die Klägerin unabwendbar gewesen sei. Der Aussage der Zeugin ... sei zu entnehmen, dass sich die Fahrzeuge zum Unfallzeitpunkt auf einer Höhe befunden hätten. Ein versetztes Fahren habe diese Zeugin nicht bestätigt. Auch der Zeuge ... habe in der Sitzung vom 17.12.2003 ausgesagt, dass das von der Beklagten zu 2) gesteuerte Fahrzeug links geblinkt und gleich rübergezogen sei. Dadurch sei die Klägerin ins Schleudern geraten. Die Klägerin habe nach links ausweichen müssen und habe den linken Bordstein berührt. Nach der Auffassung des Sachverständigen E hätte nur ein sofortiges Reaktionsverhalten, welches allenfalls von geübten Fahrzeugführern und Rallyefahrern beherrscht werde, den Unfall vermeiden können. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe die Klägerin keinen Anlass gehabt, ihre Geschwindigkeit zu drosseln. Gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 StVO habe die Klägerin vielmehr beim Überholen eines anderen Fahrzeugs mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als das zu überholende Fahrzeug fahren müssen. Selbst wenn der Nachweis der Unabwendbarkeit nicht geführt werden könne, so trete dennoch die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs hinter dem nachgewiesenen groben Sorgfaltsverstoß der Beklagten zu 2), die die Sorgfaltsanforderungen des § 7 Abs. 5 StVO nicht eingehalten habe, vollständig zurück.

Hinsichtlich des Personenschadens rechnet sich die Klägerin ein 30%-iges Mitverschulden wegen des Nichtangeschnalltseins an.

In Berufungsrechtzug verfolgt die Klägerin in ihrem Klageantrag zu 1) die Selbstbeteiligung für die Vollkaskoversicherung (1.000 EUR), die Selbstbeteiligung für die Krankenhausbehandlung über 162 EUR, Abschleppkosten von 425,48 EUR, Standgeldkosten von 208,80 EUR sowie die Kosten des Sanitätshauses Prinz (28,35 EUR) weiter.

Mit dem Berufungsantrag zu 2) begehrt die Klägerin Ausgleich der Kosten für Arztberichte in Höhe von 54,43 EUR, der Rechnung der ... GmbH über 59,60 EUR, der Stilllegungskosten von 32,80 EUR, der Haarverlängerung über 150 EUR, Ersatz der Urlaubsstornierung in Höhe von 1.309,09 EUR, Schadensersatz für beschädigte Kleider in Höhe von 500 EUR und die allgemeine Unkostenpauschale in Höhe von 25 EUR. Die Lohnkosten für die Zeit ihres stationären Aufenthalt (1.442,92 EUR) und der geltend gemachte Haushaltsführungsschaden, den sie für den Zeitraum vom 29.8.2002 bis zum 31.12.2005 mit 10.668,72 EUR beziffert, seien mit Blick auf das 30-ige Mitverschulden um 30% zu kürzen.

Hinsichtlich des Schmerzensgeldes habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die Klägerin das Schmerzensgeld als Teilschmerzensgeld für die unstreitigen Verletzungen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung begehre. Unter Berücksichtigung einer vollständigen Haftungsquote sei ein Schmerzensgeld von 25.000 EUR angemessen.

Die Beklagte zu 1) ist Rechtsnachfolgerin des früheren Beklagten zu 1) und hat den Rechtsstreit aufgenommen.

Mit ihrer Drittberufung erstreben die Klägerin und die Drittwiderbeklagte zu 2) die Abweisung der Widerklage. Sie vertreten die Auffassung, dass das Verkehrsunfallereignis aus Sicht der Klägerin unabwendbar gewesen sei und machen sich die Argumente der Viertberufung zu Eigen.

Mit ihrer Viertberufung beantragt die Klägerin,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 14.12.2007:
  1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.968,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen;

  2. die Beklagten als Gesamtschuldner weiterhin zu verurteilen, an die Klägerin über den erstinstanzlich zugesprochenen Betrag von 7.539,56 EUR weitere 3.069,45 EUR, insgesamt also 10.609,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Schriftsatzes vom 29.12.2005 zu zahlen;

  3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Teilschmerzensgeld, mindestens jedoch 18.500 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

  4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin zukünftig sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis von 29.8.2002 zu ersetzen.

Mit ihrer Drittberufung beantragen die Klägerin und die Drittwiderbeklagte zu 2),
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Widerklage abzuweisen.
Weiterhin beantragt die Klägerin,
  1. die Erstberufung der Beklagten zu 3) zurückzuweisen;

  2. die Zweitberufung der Beklagten zu 1) und 2) zurückzuweisen.
Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen mit ihrer Zweitberufung,
unter Abänderung des Urteils des Landgericht Saarbrücken von 14.12.2007 – 12 O 267/03 – die Klägerin und die Drittwiderbeklagte zu verurteilen,
  1. an die alleinige Rechtsnachfolgerin des Widerklägers zu 1) als Gesamtschuldner 8.036 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2003 zu zahlen;

  2. als Gesamtschuldner an die Beklagte zu 2) ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen;

  3. die gegen die Beklagten zu 1) und 2) gerichtete Klage abzuweisen;

  4. die (Dritt- und Viert-)berufung der Klägerin und der Drittwiderbeklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 3) beantragt mit ihrer Erstberufung,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Erstberufung der Beklagten zu 3) beanstandet zunächst die Haftungsquote und vertritt die Auffassung, es sei keineswegs nachgewiesen, dass die Beklagte zu 2) mittig oder links orientiert auf der linken Fahrspur gefahren sei. Tatsächlich habe die Beklagte zu 2) zwar den Blinker nach links gesetzt, um einen Fahrstreifenwechsel nach links durchzuführen. Dann sei sie jedoch auf dem rechten Fahrstreifen geblieben, nachdem sie die Klägerin wahrgenommen habe. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass das vorkollisionäre Fahrverhalten in die Kollisionsposition auf der rechten Fahrspur über die Spurenlage nicht eindeutig rekonstruiert werden könne. Die Reaktion der Klägerin könne ohne weiteres dadurch erklärt werden, dass diese unaufmerksam oder durch ein Handeln im Innenraum abgelenkt gewesen sei. In jedem Falle stelle die Reaktion der Klägerin, ihr Fahrzeug so stark nach links zu reißen, dass es dort mit der Bordsteinkante kollidiert sei, eine Überreaktion der Klägerin dar, die die Beklagte zu 2) nicht zu verantworten habe. Darüberhinaus belege das Unfallgeschehen, dass die Klägerin ihr Fahrzeug nicht mehr habe sicher beherrschen können, weshalb ihr ein erhebliches Mitverschulden anzulasten sei. Dies rechtfertige zumindest eine erhebliche Mithaftung der Klägerin, wenn nicht sogar eine alleinige Haftung der Klägerin.

Sodann habe das Landgericht die materiellen Ansprüche rechtsfehlerhaft an Hand einer Haftungsquote von 80% zugesprochen. Hierbei habe das Landgericht verkannt, dass es sich bei den materiellen Schadenspositionen ausnahmslos um Positionen handele, die dadurch verursacht worden seien, dass die Klägerin nicht angeschnallt gewesen sei und deshalb aus dem Fahrzeug geschleudert worden sei. Dies werde hinsichtlich der Positionen Kleiderschaden, Reisestornierungskosten und Entfernung der Haarverlängerung offensichtlich. Die Haare wären nicht verschmutzt worden, wenn die Klägerin im Fahrzeug verblieben wäre. Nach dem Sachverständigengutachten sei davon auszugehen, dass das stumpfe Thoraxtrauma, die Fraktur der zweiten Rippe rechts, die Claviculafraktur, die Beckenschaufeltrümmerfraktur sowie die Gesichtsschnittwunden vermieden worden wären, wenn die Klägerin angeschnallt gewesen wäre. Die Klägerin hätte in diesem Falle allenfalls Prellungen im Schulterbereich erlitten. Auch die weiteren Kosten für Atteste etc. beträfen zu weit überwiegendem Teil die erheblichen Verletzungen der Klägerin, die diese selbst zu verantworten habe.

Bei der Zuerkennung des Schmerzensgeldes habe das Landgericht nicht beachtet, dass die Mithaftung des Geschädigten nicht als Quote festzusetzen sei, sondern als Faktor bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen sei. Auch hier habe das Landgericht nicht hinreichend beachtet, dass die deutlich schwerwiegenderen Verletzungen alleine darauf zurückzuführen seien, dass die Klägerin nicht angeschnallt gewesen sei.

Die zugesprochenen Lohnkosten seien nicht erstattungsfähig, da auch diese Kosten durch ein grobes Verschulden gegen sich selbst, nämlich durch das Nichtanlegen des Gurtes, entstanden seien.

Dies gelte auch hinsichtlich des zugesprochenen Haushaltsführungsschadens. Das Gericht habe überdies verkannt, dass eine dauerhafte Minderung in der Erwerbstätigkeit von 30% einer Minderung in der Fähigkeit, den Haushalt zu führen, nicht gleichzustellen sei. Der Umfang der dauerhaften Minderung in der Haushaltsführung könne nicht ohne Hinzuziehung eines medizinischen Sachverständigen beantwortet werden. Überdies würden Minderungen in der Erwerbstätigkeit von bis zu 30% im täglichen Leben zu einem erheblichen Teil kompensiert. Schließlich habe das Landgericht einen Sachvortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 26.4.2007 übergangen. Dort sei bestritten worden, dass die Klägerin im Haushalt ihrer Mutter überhaupt Haushaltspflichten übernommen habe, da es sich um den alleinigen Haushalt der Mutter gehandelt habe.

Schließlich beanstandet die Beklagte zu 3) die Tenorierung des Feststellungsausspruchs.

Mit ihrer Zweitberufung erstreben die Beklagten zu 1) und 2) eine Abweisung der gegen sie gerichteten Klage und verfolgen die Widerklage im abgewiesenen Umfang weiter. Die Beklagten vertreten die Auffassung, dass der Verkehrsunfall auf ein alleiniges Verschulden der Klägerin zurückzuführen sei. Das Urteil des Landgerichts beruhe auf einer Hypothese: Es sei durch nichts belegt, dass die Beklagte zu 2) eine Bewegung nach links auf die linke Fahrspur ausgeführt habe. Der Umstand, dass die Beklagte zu 2) die Fahrspur habe wechseln wollen, sei kein Grund gewesen, eine Vollbremsung auszuführen. Die Klägerin habe wegen überhöhter Geschwindigkeit die Gewalt über ihr Fahrzeug verloren. Mit Blick auf die geringe Geschwindigkeitsdifferenz der beiden Fahrzeuge hätte die Klägerin in der Annäherung an das Fahrzeug der Beklagten zu 2) reaktionsbereit sein müssen, um darauf reagieren zu können, dass das rechts vor ihr fahrende Fahrzeug der Beklagten zu 2) dem auf der Beschleunigungsspur fahrenden Fahrzeug der Zeugin T durch Lenken nach links ein Einfahren ermöglichen werde. In jedem Fall sei der Klägerin nicht nur die Betriebsgefahr, sondern auch ein Verschulden anzulasten, da die Klägerin ihre Geschwindigkeit nicht gedrosselt und unmotiviert eine Vollbremsung vollzogen habe. Der viertägige stationäre Krankenhausaufenthalt der Beklagten zu 2) rechtfertige ein Schmerzensgeld in Höhe einer Größenordnung von 1.200 EUR.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat hat der Klägerin mit Beschluss vom 27.8.2008 (GA IV Bl. 741 ff.) in eingeschränktem Umfang Prozesskostenhilfe für die Durchführung der von ihr beabsichtigten Viertberufung bewilligt und der Klägerin mit Beschluss vom 10.3.2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen (GA IV Bl. 789 f.). Darüber hinaus hat der Senat Beweis erhoben über den streitigen Unfallhergang und die Klägerin dazu gehört, in welchem Umfang sie unfallverletzungsbedingt in der Haushaltsführung beeinträchtigt war.


II.

A.

Zur Klage (zu Erst-, Dritt- und Viertberufung):

1. Die Einstandspflicht der Beklagten für die durch das Unfallereignis entstandenen Schäden gem. § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 StVG, § 823 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung steht dem Grunde nach nicht im Streit. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Viertberufung zunächst gegen die Anrechnung einer 20-prozentigen Mithaftungsquote hinsichtlich des schadensursächlichen Primärereignisses. Insoweit hat die Berufung der Klägerin Erfolg: Nach dem Ergebnis der im Berufungsrechtszug ergänzten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagte unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO einen Fahrstreifenwechsel einleitete und im Zuge dieses Fahrmanövers die Mittellinie überfuhr. Hinter diesem nachgewiesenermaßen unfallursächlichen Fahrfehler tritt die Betriebsgefahr des von der Klägerin gesteuerten Fahrzeugs bei der Abwägung der Haftungsquoten im haftungsbegründenden Tatbestand vollständig zurück.

a) Gemäß § 17 Abs. 1 StVG hängt im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen (BGH, Urt. v. 21.11.2006 – VI ZR 115/05, NJW 2007, 506; Urt. v. 27.6.2000 – VI ZR 126/99, NJW 2000, 3069; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 17 StVG Rdnr. 5) sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d. h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben.

b) Soweit das Landgericht unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze zum Nachteil der Beklagten zu 2) einen grob fahrlässigen Verstoß gegen die der Beklagten zu 2) nach § 7 Abs. 5 S. 1 StVO obliegende Sorgfaltspflicht vorgeworfen hat, halten die Feststellungen des Landgerichts den Angriffen der Erst- und Zweitberufung stand:

aa) Die Überzeugung des Senats beruht zunächst auf dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Parteianhörung:

So hat die Klägerin ausgesagt, sie habe nach der Fahrt durch den Pellinger Tunnel die linke Fahrspur befahren. Vor ihr sei auf der rechten Spur das von der Beklagten zu 2) gesteuerte rote Fahrzeug gefahren, welches die Klägerin habe überholen wollen. Als sie die Höhe des Kofferraums dieses Fahrzeugs erreicht habe, habe das Fahrzeug geblinkt und sei unmittelbar nach links auf die von der Klägerin befahrene Spur hinüber gewechselt. Die Klägerin hat die Vermutung geäußert, dass sie im "toten Winkel" der Beklagten zu 2) gefahren sei. Beim Versuch auszuweichen, sei das Fahrzeug der Klägerin ins Schleudern geraten, woraus sich das Unfallgeschehen entwickelt habe.

Der Senat sieht keine Veranlassung, die Glaubhaftigkeit dieser Angaben in Zweifel zu ziehen. Denn sie stehen im relevanten Kern mit den Angaben der Beklagten zu 2) in Einklang. Auch die Beklagte zu 2) hat bestätigt, dass sie das Fahrzeug der Klägerin erst im letzten Augenblick wahrgenommen habe. Die Beklagte zu 2) konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob sie vor der Einleitung des Überholvorganges überhaupt in den Rückspiegel geblickt habe. Sie gestand allerdings zu, dass sie das klägerische Fahrzeug im Seitenspiegel des von ihr gesteuerten PKWs erst nach Setzen des Blinkers gesehen habe. Darüber hinaus hielt es die Beklagte zu 2) für möglich, dass sie das linksseitige Fahrmanöver unmittelbar nach dem Setzen des Blinkers eingeleitet habe und beim Abbruch des Fahrstreifenwechsels bereits über die Mittellinie hinaus gelangt sei.

bb) Auch die Aussage des Zeugen ... bestätigte die Schilderung der Klägerin.

Der Zeuge hat ausgesagt, dass er das linksseitige Blinken und die Schwenkbewegung des Fahrzeugs der Beklagten zu 2) nach links wahrgenommen habe. Er hat vor dem Senat plastisch geschildert, dass er in diesem Fahrmanöver eine konkrete Gefährdung für die Klägerin erblickt habe. Anhaltspunkte, die die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage in Zweifel ziehen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Zeuge seine erstinstanzliche Aussage, wonach er in einem Abstand von 200 m hinter der Klägerin hergefahren sei, nachvollziehbar und glaubhaft mit der Angabe relativiert, dass er den genauen Abstand nicht angeben könne und er lediglich zum Ausdruck habe bringen wollen, dass er mit einem auf Autobahnen normalen Abstand hinter der Klägerin hergefahren sei.

cc) Schließlich stehen die Angaben der Klägerin mit dem Ergebnis des Sachverständigenbeweises in Einklang: Zwar war das vorkollisionäre Fahrverhalten der Beklagten zu 2) im Rahmen der Sachverständigenbegutachtung nicht eindeutig zu klären. So hat der Sachverständige ... auf GA II Bl. 309 ausgeführt, dass das vorkollisionäre Fahrverhalten der Beklagten zu 2) in die Kollisionsposition sich über die Spurenlage nicht eindeutig rekonstruieren lasse. Zugleich hat der Sachverständige dargelegt, die nach rechts geneigte Fahrbahnlängsachsenausrichtung spreche "mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit" dafür, dass die Beklagte zu 2) aus einem von der Fahrbahnmitte orientierten Bereich in die Kollisionsposition eingefahren sei. Dies deckt sich mit der Schilderung der Klägerin.

dd) Auf der Grundlage dieser Feststellungen steht ein Verstoß der Klägerin gegen § 7 Abs. 5 StVO fest: Nach dieser, die strengste Sorgfalt vorschreibenden Verhaltensnorm darf der Fahrstreifen nur dann gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Zuvor ist jeder Fahrstreifenwechsel rechtzeitig und deutlich anzukündigen. Gegen diese Sorgfaltsanforderungen hat die Beklagte zu 2) in mehrfacher Weise verstoßen: Die Beklagte zu 2) hat sich offensichtlich spontan – ohne den rückwärtigen Verkehr in der gebotenen Weise zu beobachten – zu einem Fahrstreifenwechsel entschlossen, um der Zeugin T ein Auffahren auf die Autobahn zu ermöglichen. Sodann hat die Beklagte zu 2) den Fahrstreifenwechsel nicht rechtzeitig angekündigt, sondern das Fahrzeug unmittelbar nach dem Setzen des Blinkers nach links gelenkt. Diese Fahrweise begründete für die in unmittelbarer Nähe fahrende Klägerin aus objektiver Sicht eine hohe Gefahr.

c) Bei der Haftungsabwägung nach § 17 StVG rechtfertigt es die Schwere dieses Verkehrsverstoßes, der Beklagten zu 2) die volle Haftung aufzuerlegen.

aa) Nach einer beachtlichen Rechtsprechung muss derjenige, der unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO einen Fahrstreifenwechsel vornimmt und hierdurch einen Verkehrsunfall verursacht, die volle Haftung tragen. Die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs tritt regelmäßig vollständig zurück (vgl. KG OLGR 2003, 272; OLGR Hamm 2005, 262; vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 17 Rdnr. 16 mit weiterem Nachweis).

bb) Die Klägerin trifft kein eigenes Verschulden an der Entstehung des Unfalls.

Insbesondere kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, von einem Überholen der Beklagten zu 2) Abstand genommen zu haben. Denn es ist nicht nachgewiesen, dass sich die Verkehrssituation aus Sicht der Klägerin als unklare Verkehrslage i.S. von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO darstellte. Letztlich ist nicht gesichert, in welchem Abstand die Klägerin das auf der Einfädelspur befindliche Fahrzeug in der Annäherung an die Beklagte zu 2) wahrgenommen hatte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1) und 2) darauf hingewiesen, dass zwischen dem Tunnelende und der späteren Unfallstelle keine große Strecke liege. Zudem werde die Sicht in der Annäherung an die Unfallstelle durch eine Lärmschutzwand beeinträchtigt. Dies spricht dafür, dass die Klägerin die Einfädelspur, auf der die Zeugin ... fuhr, nicht in einer hinreichenden Entfernung vor der Einleitung des Überholvorgangs wahrnahm. In jedem Fall musste die Klägerin ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht damit rechnen, dass die Beklagte zu 2) unter Missachtung des rückwärtigen Verkehrs einen Wechsel der Fahrspur einleiten würde, um der Zeugin ... ein Auffahren auf die Autobahn zu ermöglichen.

Bereits aufgrund der soeben beschriebenen zweifelhaften Einsicht auf die Einfädelspur kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, ihre Geschwindigkeit mit Blick auf die Einfädelabsicht der Zeugin ... nicht herabgesetzt zu haben. Dessen ungeachtet weist die Klägerin mit Recht darauf hin, dass das Überholen gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 StVO nur zulässig ist, wenn der Überholer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt.

Auch ein Geschwindigkeitsverstoß kann bei der Haftungsabwägung nicht zum Nachteil der Klägerin Berücksichtigung finden. Es kann dahinstehen, ob die Angabe der Klägerin, sie sei "so ungefähr 120 m/h gefahren" eine tragfähige Grundlage dafür bildet, die bislang im Rechtsstreit nicht behauptete Geschwindigkeitsüberschreitung als nachgewiesen zu betrachten. In jedem Fall steht die Ursächlichkeit einer geringfügigen Überschreitung der an der Unfallörtlichkeit vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit für das Unfallgeschehen nicht fest.

Schließlich kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, den Unfall durch ein falsches Reaktionsverhalten nicht vermieden zu haben: Der exakte Ablauf des Unfallgeschehens konnte im Rahmen der sachverständigen Begutachtung nicht ermittelt werden: Da der genaue Abstand zwischen den Fahrzeugen zum Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung für die Klägerin nicht feststeht, verbietet sich der Schluss, dass die Klägerin den Bürgersteigkontakt an der Mittelleitplanke bei besonnener Fahrweise hätte vermeiden können. Für den weiteren Unfallverlauf hat der Sachverständige ... überzeugend ausgeführt, dass nur ein sofortiges Bewegungs- und Reaktionsverhalten, wie dies von geübten Fahrzeugführern und Rallyefahren beherrscht werde, die Schleuderbewegung hätte auffangen können (GA II Bl. 310). Dass die Klägerin über eine solche Fahrzeugbeherrschung nicht verfügte, gereicht ihr nicht zum Nachteil.

2. Nach Erlass des PKH-Beschlusses vom 27.8.2008 steht zwischen den Parteien nicht mehr im Streit, dass sich die Klägerin wegen des Verstoßes gegen die Anschnallpflicht (§ 21a StVO) im haftungsausfüllenden Tatbestand ein Mitverschulden anrechnen lassen muss.

a) Das Landgericht hat festgestellt, dass die Klägerin die gravierenden Verletzungen der Schulter, des Beckens und des Brustkorbes nicht erlitten hätte, wenn sie korrekt angeschnallt gewesen wäre. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO gebunden, da sie verfahrensfehlerfrei getroffen wurden und keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an ihrer Richtigkeit wecken: Die Sachverständigen ... kommen in ihrem schriftlichen Gutachten vom 4.9.2006 (GA III Bl. 455) zu dem Ergebnis, dass die beschriebenen Verletzungen der Schulter, des Brustkorbes, des Beckens und der unteren Extremitäten aufgrund der nicht nachweisbaren Deformierung der Fahrgastzelle höchst wahrscheinlich nicht aufgetreten wären. Diese Ausführungen vermögen zu überzeugen.

c) Hinsichtlich der Berechnung der Mitverschuldensquote erachtet der Senat eine Minderung aller adäquat auf das Nichtanlegen des Gurtes zurückzuführenden Schäden um 30% für angemessen. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

Zunächst vermag die Argumentation der Erstberufung der Beklagten zu 3) nicht zu überzeugen, ein vollständiger Anspruchsausschluss sei deshalb gerechtfertigt, weil die deutlich schwerwiegenderen Verletzungen alleine auf das Nichttragen des Gurtes zurückzuführen seien. Diese Betrachtungsweise verkennt, dass die Ursächlichkeit des das Mitverschulden begründenden Umstandes gerade Voraussetzung dafür ist, dem Geschädigten überhaupt ein Mitverschulden aufzuerlegen. Hätte die Klägerin auch bei Anlegen eines Sichergurtes die gleichen Verletzungen davongetragen, so würde eine Anrechnung des nicht kausal gewordenen Sorgfaltsverstoßes ausscheiden. Zudem verstellt sich die Argumentation der Erstberufung den Blick darauf, dass die Klägerin ohne das Zutun der Beklagten zu 2) unverletzt geblieben wäre. Mithin könnte der selbständige Haftungsbeitrag der Beklagten zu 2) bei der Bemessung des Schmerzensgeldes und aller adäquat auf die Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin zurückzuführenden materiellen Schäden selbst dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn die Klägerin beim Anlegen eines Gurtes unverletzt geblieben wäre.

Stellt man – anknüpfend an die soeben dargestellte Erwägung – weiterhin in Rechnung, dass die Klägerin – wäre sie angeschnallt gewesen – nicht unverletzt geblieben wäre, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit gravierende, wenngleich nicht nachgewiesenermaßen gleich schwere Verletzungen davon getragen hätte, so müssen die Beklagten auch unter Berücksichtigung des Mitverschuldens die überwiegende Haftung tragen:

Zwar sah sich der Sachverständige ... außerstande, den hypothetischen Unfallverlauf für den Fall, dass die Klägerin in der Fahrgastzelle geblieben wäre, verlässlich zu bestimmen. Dennoch gelangte der Sachverständige ... seinem Ergänzungsgutachten von 23.2.2007 zu dem Schluss, es sei mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von schwer wiegenden Verletzungen im Bereich des Schädel-Hirn-Traumas beziehungsweise der HWS auszugehen. Auch die medizinischen Sachverständigen ermittelten im Falle eines Angeschnalltseins eine höhere Wahrscheinlichkeit für ein schwer wiegendes Schädel-Hirn-Trauma und schwer wiegende Verletzungen der HWS (GA III 455). Obwohl der Sachverständige ... diese Einschätzung in seiner persönlichen Befragung (GA III Bl. 482) abgeschwächt hat, indem er ausgeführt hat, er könne bei der Klägerin nicht davon ausgehen, dass eine HWS-Fraktur eingetreten wäre, wenn sie angeschnallt gewesen wäre, hielt er eine solche Verletzung durchaus aus möglich.

Zusammenfassend erlaubt das Ergebnis der Beweisaufnahmen die Schlussfolgerung, dass die Klägerin auch bei einem Verbleiben in der Fahrgastzelle nicht unerhebliche Verletzungen davongetragen hätte, weshalb es interessengerecht erscheint, die Mitverschuldensquote in der Zusammenschau der relevanten Faktoren auf 30% zu begrenzen.

4. Angewandt auf die zur Berufung angefallenen Klageanträge ergibt sich folgendes Bild:

a) Mit dem Klageantrag zu 1) hat die Klägerin ursprünglich den Eigenanteil für den Aufenthalt in der Rehaklinik in O in Höhe von 180 EUR, die Rechnung des Sanitätshauses ... in Höhe von 28,35 EUR, Standgeldkosten über 208,80 EUR, Abschleppkosten über 425,48 EUR, die Selbstbeteiligung für die Vollkaskoversicherung über 1.000 EUR sowie die Selbstbeteiligung für die Krankenhausbehandlung in Höhe von 126 EUR geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin Erstattung der Kosten für die Rehaklinik begehrt, und unter Ziffer 1) des Urteilstenors unter Berücksichtigung einer 80-prozentigen Haftung der Klage in Höhe eines Betrages von 1.430,33 EUR stattgegeben. Mit ihrer Viertberufung erstrebt die Klägerin mit Ausnahme des Eigenanteils für den Klinikaufenthalt die vorgenannten Schadenspositionen weiter.

Die Berufung der Klägerin hat hinsichtlich der Positionen Standgeld, Abschleppkosten und Selbstbeteiligung Erfolg, da diese Schadenspositionen den am PKW entstandenen Sachschaden betreffen, hinsichtlich dessen sich die Klägerin kein Mitverschulden anrechnen lassen muss. Mithin steht der Klägerin insoweit gem. § 249 Abs. 2 BGB ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.634,28 EUR zu. Die Schadenspositionen "F" und "Krankenhaus" sind adäquate Folgen des Personenschadens und auf die Berufung der Beklagten um die 30-prozentige Mitverschuldensquote auf 108,04 EUR zu reduzieren, weshalb die in Ziff. 1) tenorierte Summe von 1.742,32 EUR verbleibt.

b) Hinsichtlich des Klageantrags zu 2) verfolgt die Klägerin neben den Lohnkosten für die Zeit ihres stationären Aufenthalts in Höhe von 1.442,92 EUR, der allgemeinen Unkostenpauschale von 25 EUR, die Kosten für die Arztberichte in Höhe von 54,43 EUR, die Rechnung der ... GmbH über 59,60 EUR, die Stillegungskosten über 32,80 EUR, eine Haarverlängerung über 150 EUR, Stornierungskosten für den Urlaub in Höhe von 1.309,09 EUR und Kosten für die Beschädigung der Kleider im Wert von 500 EUR weiter. Daneben erstrebt die Klägerin unter Anrechnung eines 30-prozentigen Mithaftung die Erstattung ihres Haushaltsführungsschadens, den sie zunächst ohne Berücksichtigung des Mitverschuldens mit 10.668,72 EUR beziffert hat.

aa) Die Stillegungskosten und die allgemeine Unkostenpauschale sind gem. § 249 Abs. 2 BGB in vollem Umfang zu erstatten (57,80 EUR).

bb) Darüber hinaus steht der Klägerin gem. § 249 Abs. 2 BGB dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung der Stornierungskosten für die ausgefallene Urlaubsreise zu: Nach richtiger Auffassung sind finanzielle Aufwendungen für eine Durchführung einer Reise als Vermögensfolgeschaden zu erstatten, wenn die Genussmöglichkeit infolge der Verletzung des Anspruchsinhabers vereitelt wird (Bamberger/Roth/Schubert, BGB, 2. Aufl., § 249 Rdnr. 40; MünchKomm (BGB)/Oetker, 4. Aufl., § 249 Rdnr. 93; vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., vor § 249 Rdnr. 35). Obwohl die Stornierungskosten adäquate Folgen der Gesundheitsbeeinträchtigung der Klägerin waren, war die Schadensposition nicht um den Mitverursacherbeitrag zu kürzen: Nach der Überzeugung des Senats wäre die Klägerin i.S. des § 287 ZPO mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch beim Anlegen des Gurtes zumindest so schwer verletzt worden, dass sie außerstande gewesen wäre, eine gute Woche nach dem Unfallereignis eine Urlaubsreise anzutreten.

cc) Auch die Kosten für den Ersatz der beschädigten Kleider, die Haarverlängerung und die Fertigung der Arztberichte stehen der Klägerin ungekürzt zu, da diese Kosten auch bei einer geringfügigeren Verletzung der Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit angefallen wären (insgesamt: 704,43 EUR). Demgegenüber sind die Lohnkosten für die Einstellung der Ersatzkraft auf die Berufung der Beklagten anteilig zu kürzen (auf 1.010,04 EUR), da diese Aufwendungen nicht unmittelbar mit dem Unfallereignis entstanden und der weitere Krankheitsverlauf einer hypothetisch weniger schwerwiegenden Verletzung nicht verlässlich prognostiziert werden kann. Das gleiche gilt hinsichtlich der Kosten der ... GmbH (GA II Bl. 424). Hieraus verbleibt ein Schadensersatzbetrag von 41,72 EUR.

dd) Weiterhin steht der Klägerin dem Grunde nach gemäß § 843 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB unter dem rechtlichen Aspekt der vermehrten Bedürfnisse ein Anspruch auf Ersatz des abstrakten Haushaltsführungsschadens zu, der sich jedoch im Ausgangspunkt an den Aufwendungen orientieren muss, die der Klägerin zur hauswirtschaftlichen Erledigung ihrer eigenen Angelegenheiten entstanden wären. Demgegenüber scheiden die von der Klägerin beschriebenen Tätigkeiten aus, die sie während ihrer Zugehörigkeit zum elterlichen Haushalt für die weiteren Familienmitglieder erledigte. Dieser Aufwand könnte unter den Voraussetzungen des § 843 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB nur dann erstattungsfähig sein, wenn die Klägerin den Familienmitgliedern gegenüber zur Unterhaltsleistung verpflichtet gewesen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.1992 – VI ZR 367/90, NJW-RR 1992, 972; OLGR KG 2008, 860; Palandt/Sprau, aaO., § 843 Rdnr. 8). Ein solcher Sachverhalt ist nicht vorgetragen.

In zeitlicher Hinsicht ist zu differenzieren:

aaa) Vom Zeitpunkt des Unfalls bis zum 14.1.2003 war die Klägerin zu 100% arbeitsunfähig. Der Senat sieht im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO auch für den Bereich der Haushaltstätigkeit den Nachweis als erbracht, dass die Klägerin in diesem Zeitraum keine Hausarbeiten leisten konnte. Soweit die Klägerin den Umfang der von ihr geleisteten Hausarbeit im elterlichen Haushalt auf 15 Arbeitsstunden geschätzt hat, erachtet der Senat unter Berücksichtigung des Beweismaßes des § 287 ZPO eine auf die Deckung des Eigenbedarfs beschränkte Haushaltstätigkeit von fünf Wochenstunden für angemessen. Angewandt auf den vom Landgericht zutreffend zu Grunde gelegte monatlichen Nettoverdienst einer 16,6 Wochenstunden tätigen Haushaltshilfe (640,43 EUR) schätzt der Senat den entstandenen Haushaltsführungsschaden bezogen auf die reduzierte Wochenarbeitszeit von nur fünf Stunden auf (gerundete) 200 EUR. Mithin entfallen auf den hier untersuchten Zeitraum von 22.8.2002 bis 15.1.2003 (viereinhalb Monate) 900 EUR. Dieser Betrag ist jedoch um die Mitverursachungsquote von 30% auf 670 EUR zu reduzieren, da auch der Haushaltsführungsschaden adäquate Folge der Verletzungen der Klägerin ist. Hinsichtlich des auf den Krankenhausaufenthalt entfallenden Zeitraums ist nicht weiter zu differenzieren: Auch während des Krankenhausaufenthaltes musste die Klägerin selbst für eine Erledigung ihrer Wäsche Sorge tragen.

bbb) Im Zeitraum vom 15.1. bis zum 31.1.2003 war die Klägerin zu 50% arbeitsunfähig. Der Senat geht aufgrund der Schilderungen der Klägerin davon aus, dass die Klägerin auch zur Haushaltsführung nur in einem Umfang von 50% in der Lage war. Unter Berücksichtigung der Mitverursachungsquote verbleibt folglich ein erstattungsfähiger Haushaltsführungsschaden von 70 EUR.

ccc) Für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.8.2003 legt der Senat in Anlehnung an die entsprechende Minderung der Arbeitsfähigkeit eine 30-prozentige Minderung in der Fähigkeit zur Haushaltsführung zu Grunde. Der Senat stützt sich insoweit auf die glaubhafte Angabe der Klägerin, sie habe im fraglichen Zeitraum keine Wäsche waschen können, weil sie nichts Schweres habe tragen können. Andererseits hat die Klägerin eingeräumt, dass sie ihr eigenes Zimmer sauber gehalten und gelegentlich gekocht habe. Für die Einschränkung beim Wäschewaschen ist ein monatlicher Haushaltsführungsschaden von 48 EUR (30% von 200 EUR vermindert um die 30-prozentige Mithaftung) anzuerkennen. Für den Zeitraum bis zum 31.8.2008 verbleiben weitere 384 EUR.

ddd) Ab dem 1.9.2003 bis zum 31.10.2005 hat die Klägerin eine eigene, 93 m² große Wohnung bewohnt. Der Senat erachtet aufgrund der glaubhaften Schilderungen der Klägerin auch in diesem Zeitraum eine Beeinträchtigung der Klägerin in der Haushaltsführung für erwiesen: Die Klägerin hat glaubhaft dargelegt, dass sie zwar mit der Wäsche zurecht gekommen sei, ihr jedoch die übrige Hausarbeit schwer gefallen sei. Zum Teil sei sie auf die Mithilfe ihres Lebensgefährten angewiesen gewesen, da sie insbesondere beim längeren Stehen oder Gehen Schmerzen verspürt habe. In Anbetracht des Umstandes, dass die Klägerin den in ihrer eigenen Wohnung notwendig gewordenen Bedarf an Hausarbeit alleine befriedigen musste, verbleibt ein restitutionsfähiger Haushaltsführungsschaden, der die Grenze übersteigt, die üblicherweise durch maschinellen Einsatz ausgeglichen werden kann. Ausgehend von einem monatlichen Haushaltsführungsausfall von 180 EUR (30% von 600 EUR) verbleibt ein um die Mithaftung bereinigter Monatsbetrag von 126 EUR, insgesamt also 3.150 EUR.

eee) Demgegenüber ist für die weitere Zeit der gemeinsamen Lebensführung mit ihrem Partner (ab dem 1.11.2005) ein weitergehender Haushaltsführungsschaden nicht mehr anzuerkennen: Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin nach ihrem in der mündlichen Verhandlung hinterlassenen persönlichen Eindruck den nunmehr arbeitsteilig organisierten Haushalt auch unter Berücksichtigung der fortdauernden Beschwerden unter zumutbarem Aufwand, insbesondere unter Einsatz haushaltstypischer Hilfsmittel erledigen kann. Die sodann noch verbleibende gesundheitliche Beeinträchtigung bei der Haushaltsführung unterschreitet die für die Ersatzpflicht anerkannte Erheblichkeitsgrenze (vgl. Palandt/Sprau, aaO., § 843 Rdnr. 8).

c) Soweit die Klägerin jedoch mit ihren Berufungsantrag zu 3) ein Schmerzensgeld für die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung entstandenen immateriellen Einbußen erstrebt, erachtet der Senat die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 17.500 EUR für angemessen.

aa) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist von folgenden Rechtsgrundsätzen auszugehen:

Das Schmerzensgeld verfolgt vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden zu bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien (vgl. BGHZ 18, 149, 154). Als objektivierbare Umstände besitzen vor allem die Art der Verletzungen, Art und Dauer der Behandlungen sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ein besonderes Gewicht. Hierbei zählen das Entstehen von Dauerschäden, psychischen Beeinträchtigungen und seelisch bedingten Folgeschäden zu den maßgeblichen Faktoren (vgl. Palandt/Heinrichs, aaO., § 253 Rdnr. 17). Auch das Mitverschulden des Geschädigten ist ein wichtiger Bemessungsfaktor, der jedoch nicht zu einer quotenmäßigen Beschränkung des Anspruchs führt.

Darüber hinaus sind die speziellen Auswirkungen des Schadensereignisses auf die konkrete Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen. Auch die beruflichen Folgen der Verletzung und ihre Auswirkungen auf die Freizeitgestaltung des Geschädigten sind Faktoren bei der Bemessung des Schmerzensgeldes. Hierbei kommt es auch auf das Alter des Geschädigten an: Die Beeinträchtigung wird nicht in jedem Lebensalter gleich gravierend empfunden.

Bei der Schmerzensgeldbemessung verbietet sich eine schematische, zergliedernde Herangehensweise. Einzelne Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen dürfen nicht gesondert bewertet und die so ermittelten Beträge addiert werden. Vielmehr ist die Schmerzensgeldhöhe in einer wertenden Gesamtschau aller Bemessungskriterien des konkreten Falls zu ermitteln, wobei die in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder einen gewissen Anhaltspunkt bieten können, ohne jedoch zwingend zu einer bestimmten "richtigen" Schmerzensgeldhöhe zu führen (vgl. BGH, Urt. v. 8.6.1976 – VI ZR 216/74, VersR 1976, 967 f.; Beschl. v. 1.10.1985 – VI ZR 195/84, VersR 1986, 59).

Schließlich begegnet es in prozessualer Hinsicht keinen Bedenken, den Schmerzensgeldanspruch im Wege der offenen Teilklage auf diejenigen Verletzungsfolgen zu beschränken, die bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten sind. Ein solches Vorgehen ist jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen und unüberschaubar ist. Insbesondere steht dem nicht entgegen, dass die unbeschränkte Schmerzensklage nicht nur alle bereits eingetretenen, sondern auch alle erkennbaren und objektiv vorhersehbaren unfallbedingten Verletzungsfolgen in die Erkenntnis des Gerichts stellt. Denn auch ein einheitlicher Anspruch ist im rechtlichen Sinne teilbar, wenn er abgrenzbar und eindeutig individualisierbar ist (BGH, Urt. v. 20.1.2004 – VI ZR 70/03, NJW 2004, 1243). Diesen Anforderungen genügt der Klägervortrag.

bb) Angewandt auf den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt sind folgende Erwägungen für die Entscheidungsfindung des Senats von Relevanz: Die Klägerin hat in Gestalt der Beckenschaufelfraktur, des Bruchs des Schlüsselbeins und der Rippe schwere, schmerzhafte Verletzungen erlitten, die einen mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt erforderten. Hinzu kommt, dass das Unfallereignis nachvollziehbar eine Traumatisierung der Klägerin bedingte, die einer unbefangenen Nutzung von Kraftfahrzeugen für eine nicht unerhebliche Zeit entgegenstand. Sodann hat sich ein Dauerschaden eingestellt, dessen Auswirkungen freilich auf den Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu begrenzen ist: Die Klägerin leidet zumindest bei längerem Gehen unter Schmerzen; die Beweglichkeit des Hüftgelenks ist eingeschränkt. Auch das Heben des Armes gelingt unter Belastung nicht beschwerdefrei. Im Bereich des linken Schädels verbleiben Sensibilitätsstörungen. Von nicht unbeträchtlichem Gewicht ist die ästhetische Beeinträchtigung, die die Schürf- und Gesichtsschnittwunden mit sich brachten.

Mit Recht hat der Klägervertreter mit der zögerlichen Regulierungspraxis der Beklagten zu 3) einen Aspekt benannt, der eine Erhöhung des Schmerzensgeldes rechtfertigt (vgl. OLGR Nürnberg, MDR 2007, 718).

In Anbetracht des Mitverschuldens erachtet der Senat das zuerkannte Schmerzensgeld in Übereinstimmung mit der Kasuistik (OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.3.1994 – 3 U 540/93-101-, zit. nach Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge 2009, Rdnr. 2315; OLG Saarbrücken, Urt. v. 23.10.1992 – 3 U 136/91, zit. nach Hacks/Ring/Böhm, aaO., Rdnr. 2314; OLG München, 7 U 2328, zit. nach Hacks/Ring/Böhm, Rdnr. 2328) für angemessen.

d) Der Feststellungsantrag, gegen dessen Zulässigkeit mit Blick auf die noch nicht abgeschlossene Schadensentwicklung keine Bedenken bestehen, war mit Blick auf das Mitverschulden einzugrenzen, dessen Berücksichtigung nicht auf die immateriellen Zukunftsschäden zu beschränken war, sondern alle Schadenserfolgen erfasst, die adäquat auf dem das Mitverschulden begründenden Umstand des Verstoßes gegen die Anschnallpflicht beruhen.

Der Zinsanspruch folgt aus Verzugsgesichtspunkten (§§ 284, 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1, § 291 BGB). Soweit die Klägerin hinsichtlich des Klageantrags zu 3) erstmals im Berufungsrechtszug Zinsen begehrt, bestehen gegen die Zulässigkeit der Klageerweiterung keine Bedenken (§ 533 ZPO). Auch der unbezifferte Klageanspruch ist gem. § 291 BGB ab Rechtshängigkeit zu verzinsen (Palandt/Grüneberg, aaO., § 291 Rdnr. 1).

B.

Zur Widerklage

Die Widerklage der Beklagten zu 1) und 2) bleibt ohne Erfolg. Der Beklagten zu 1) stehen keine Schadensersatzansprüche aus § 7 Abs. 1 StVG zu, da die Beklagte zu 1) bei der Abwägung der Haftungsquoten beider Halter nach § 17 Abs. 1, 2 StVG die alleinige Haftung für das Unfallgeschehen trifft. Die Erwägungen stehen gem. § 18 Abs. 3 StVG auch einer Inanspruchnahme der Klägerin als Fahrerin entgegen. Ansprüche der beklagten zu 2) scheitern an § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Nr. 10 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).