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OLG Düsseldorf Beschluss vom 24.10.1990 - Zum Anlegen des Sicherheitsgurts und zur Ausnahme für Taxifahrer

OLG Düsseldorf v. 24.10.1990: Zum Anlegen des Sicherheitsgurts und zur Ausnahme für Taxifahrer


Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 24.10.1990 - 5 Ss (OWi) 326/90) hat entschieden:
  1. Der Sicherheitsgurt ist nur dann "angelegt" im Sinne des § 21a Abs. 1 Satz 1 StVO, wenn er so verwendet wird, dass er die ihm zugewiesene Schutzfunktion im Schulter- und Beckenbereich des Fahrzeuginsassen erfüllen kann. Das ist nur dann der Fall, wenn der Schultergurt auch tatsächlich über die Schulter geführt wird.

  2. Die Ausnahme von der Pflicht zur Anlegung der vorgeschriebenen Sicherheitsgurte für Taxifahrer gilt nur bei der Fahrgastbeförderung, nicht dagegen bei Leerfahrten.

Siehe auch Sicherheitsgurt und Anschnallpflicht und Pflichten des Fahrzeugführers und Zustand des Fahrzeugs


Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen § 21 a Abs. 1 Satz 1 StVO gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 20 a StVO in Verbindung mit § 24 StVG zu einer Geldbuße von 40,– DM verurteilt. Hiergegen richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Der Antrag ist nicht begründet.

Bei einer Geldbuße von – wie hier – nicht mehr als fünfundsiebzig Deutsche Mark wird die Rechtsbeschwerde nur zugelassen, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des sachlichen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 und 2 Nr. 1 OWiG). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Dass dem Betroffenen das rechtliche Gehör versagt worden wäre, macht dieser selbst nicht geltend.

Die Fortbildung des sachlichen Rechts, soweit es die Pflicht zur Anlegung des Sicherheitsgurtes betrifft, kommt nicht in Betracht.

I.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 7. Februar 1990 gegen 10.25 Uhr mit seinem Taxi ... in K die K Straße in Richtung Stadtmitte. Im Fahrzeug befand sich kein Fahrgast. Der Betroffene hatte den Drei-Punkt-Automatik-Sicherheitsgurt nicht ordnungsgemäß angelegt. Er hatte den Gurt zwar im Gurtschloss verriegelt, jedoch den oberen Schultergurt unterhalb des linken Armes durchgeführt. Auf diese Weise konnte der Gurt die erforderliche Rückhaltefunktion nicht erfüllen. Diese Art der Gurtanlegung – so meint das Amtsgerichts – stehe der Nichtanlegung des Sicherheitsgurtes gleich und verstoße gegen die in § 21 a Abs. 1 Satz 1 StVO vorgeschriebene Gurtanlegepflicht. Da der Betroffene keinen Fahrgast befördert habe, sei er von dieser Pflicht nicht gemäß § 21 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVO befreit gewesen.

II.

Die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts durch das Amtsgericht lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen. Das Amtsgericht befindet sich mit der von ihm vertretenen Rechtsauffassung, die auch der Senat teilt, im Einklang mit der gesetzlichen Regelung und der hierzu veröffentlichten einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum.

1. Nach § 20 a Abs. 1 Satz 1 StVO müssen vorgeschriebene Sicherheitsgurte während der Fahrt angelegt sein. Ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen diese Vorschrift über das Anlegen von Sicherheitsgurten verstößt (§ 49 Abs. 1 Nr. 20 a StVO). a) Von dieser Gurtanlegepflicht war der Betroffene nicht nach § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVO als Taxifahrer befreit. Die dort für Taxifahrer und Mietwagenfahrer geregelte Ausnahme von der generellen Pflicht zur Anlegung der vorgeschriebenen Gurte gilt nur bei der Fahrgastbeförderung, also nicht bei sogenannten Leerfahrten. Diese Einschränkung der Ausnahmeregelung ist durch die 9. Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrsordnung vom 22. März 1988 (BGBl. I Seite 405) mit Wirkung vom 1. Oktober 1988 in § 21 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVO eingefügt worden. Damit ist der bis dahin herrschende Streit darüber beendet, ob Taxi- und Mietwagenfahrer während sogenannter Leerfahrten der Pflicht zur Anlegung des Sicherheitsgurtes unterliegen (so BGHZ 83, 71 = NJW 1982, 985 = JR 1982, 406 mit zustimmender Anmerkung Schlund; Mindorf in DAR 1985, 283; Weber in DAR 1986, 1 f., der sich aber gegen die Bußgeldbewehrung in diesem Falle ausgesprochen hat) oder nicht (so OLG Hamm DAR 1988, 174; OLG Celle DAR 1988, 140). Nach den Urteilsfeststellungen befand sich der Betroffene auf einer Leerfahrt. Die Pflicht aus § 21 a Abs. 1 Satz 1 StVO zur Anlegung des Sicherheitsgurtes galt daher für den Betroffenen uneingeschränkt.

b) Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass der Betroffene der Gurtanlegepflicht nicht nachgekommen ist, weil er – wie das Amtsgericht festgestellt hat – das Gurtschloss zwar verriegelt, den Schultergurt jedoch nicht über die Schulter, sondern unter dem linken Arm geführt hatte. Damit hatte der Betroffene den vorgeschriebenen Sicherheitsgurt nicht angelegt im Sinne des § 21 a Abs. 1 Satz 1 StVO.

aa) In § 35 a Abs. 7 StVZO ist unter anderem vorgeschrieben, dass in Personenkraftwagen die unmittelbar hinter der Windschutzscheibe befindlichen Außensitze jeweils mindestens mit einem Schultergurt in Verbindung mit einem Beckengurt (Drei-Punkt-Gurt) oder mit Rückhaltesystemen, die in ihrer Wirkung mindestens Drei-Punkt-Gurten entsprechen, ausgerüstet sein müssen. Schon hieraus ergibt sich, dass das Anlegen des Sicherheitsgurtes nicht die beliebige Verwendung des Gurtes in irgendeiner Art und Weise bedeutet, sondern dass der Gurt nur dann "angelegt" ist, wenn er entsprechend seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch ordnungsgemäß benutzt wird. Er ist daher nur dann angelegt, wenn er so verwendet wird, dass er die ihm zugewiesene Schutzfunktion im Schulter- und Beckenbereich des Fahrzeuginsassen erfüllen kann. Das ist nur dann der Fall, wenn der Schultergurt auch tatsächlich über die Schulter geführt wird (so OLG Hamm – 6. Bußgeldsenat – VRS 69, 460 = NJW 1985, 3087; OLG Hamm – 4. Bußgeldsenat – VRS 69, 458 = NJW 1986, 267; OLG Celle VRS 70, 298 = DAR 1986, 28; OLG Braunschweig, Beschluss vom 17. Mai 1985 – Ss (BZ) 37/85 – zitiert in Anmerkung der Schriftleitung zu AG Braunschweig in NJW 1985, 3088 –; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 30. Aufl., § 21 a StVO Rdnr. 4; Lütkes/Meier/Wagner/Emmerich, Straßenverkehr, 2. Aufl., § 21 a StVO Rdnr. 3; Rüth/Berr/Bertz, Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 21 a StVO Rdnr. 11).

bb) Diese Auslegung der Vorschrift über die Pflicht zur Anlegung des vorgeschriebenen Sicherheitsgurtes entspricht im übrigen dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Es ist erwiesen, dass durch die Benutzung von Sicherheitsgurten die Zahl der Unfalltoten und Schwerverletzten erheblich gesenkt werden kann (vgl. Jagusch/Hentschel aaO Rdnr. 1; KG VRS 62, 247; OLG Hamm VRS 69, 460, 461). Verletzungen der Fahrzeuginsassen können durch ordnungsgemäßes Anlegen von Sicherheitsgurten vermieden oder wenigstens gemildert werden. Dies kann jedoch nur dann erreicht werden, wenn die vorgeschriebenen Gurte von den Fahrzeuginsassen so benutzt werden, wie es ihre Konstruktion verlangt. Durch vorschriftswidrigen Gebrauch – wie im vorliegenden Fall – wird die erstrebte Wirkung verfehlt, nämlich den Insassen davor zu bewahren, bei einem Verkehrsunfall nach vorn geschleudert und verletzt oder gar getötet zu werden. Danach verlangt der Schutzzweck der Gurtanlegepflicht nicht nur ein beliebiges Benutzen des Drei-Punkt-Gurtes, sondern dessen sachgemäßes Anlegen als Schultergurt in Verbindung mit einem Beckengurt entsprechend der Ausrüstungsvorschrift des § 35 a Abs. 7 StVZO (vgl. OLG Hamm, OLG Oldenburg, jeweils aaO).

2. Auch im übrigen wirft das angefochtene Urteil keine Rechtsfragen auf, die es geboten erscheinen lassen, das Urteil zur Fortbildung des sachlichen Rechts zu überprüfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.