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OLG Frankfurt am Main Urteil vom 18.06.1999 - 25 U 129/98 - Zu den Sorgfaltspflichten des Fahrzeugführers im verkehrsberuhigten Bereich

OLG Frankfurt am Main v. 18.06.1999: Zu den Sorgfaltspflichten des Fahrzeugführers gegenüber Kindern im verkehrsberuhigten Bereich


Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.06.1999 - 25 U 129/98) hat entschieden:
Nach StVO § 42 Abs 4a ist dem sich in einem verkehrsberuhigten Bereich bewegenden Kraftfahrer abzuverlangen, dass er sich auch auf die Möglichkeit einrichtet, dass zunächst noch nicht sichtbare Personen, insbesondere Kinder, plötzlich die Fahrbahn betreten könnten. Dazu gehört auch das Einhalten von Schrittgeschwindigkeit.


Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Haftung aufgrund eines Verkehrsunfalles, der sich am 19. Mai 1997 gegen 19.35 Uhr in ... in der ... ereignet hat.

Zum Unfallzeitpunkt befuhr der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw (amtliches Kennzeichen ...) die ..., welche durch Verkehrszeichen Nr. 325 als verkehrsberuhigter Bereich (sogenannte "Spielstraße") ausgewiesen ist. Auf der Höhe der Grundstückseinfahrt des von den Klägern bewohnten Hauses ... kam es zu einem Zusammenstoß zwischen dem Pkw des Beklagten zu 1) und dem auf einem Kinderauto (sogenannter Bobby-​Car) fahrenden seinerzeit dreijährigen Kläger zu 1). Dieser hatte sich zusammen mit seinem damals fünf Jahre alten Bruder zunächst im Bereich der Grundstückseinfahrt aufgehalten und war dann - etwa im rechten Winkel zur Fahrtrichtung des Beklagten zu 1) - in die Fahrbahn der ... gefahren, wo er gegen die Beifahrerseite des Pkw stieß. Sein Vater, der Kläger zu 2), kam kurz nach dem Unfall hinzu und zog den Kläger zu 1) unter dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) hervor. Bei der Einlieferung ins Krankenhaus, wo der Kläger zu 1) vom 19. Mai bis 6. Juni 1997 stationär behandelt werden musste, wurden eine Unterschenkelfraktur links sowie Hautabschürfungen festgestellt. Auch der Kläger zu 2) wurde ins Krankenhaus eingeliefert, jedoch noch am selben Abend wieder entlassen. Nach einem von ihm vorgelegten Attest der Ärztin ... vom 20. November 1997 (Kopie Bl. 15 d. A.) hatte der Kläger zu 2) einen Schock mit Synkope erlitten und war vor allem wegen einer schlechten psychischen Verfassung bis zum 25. Mai 1997 als arbeitsunfähig krankgeschrieben worden. Bei dem Kläger zu 1) ist es infolge der Unterschenkelfraktur zu einer posttraumatischen Beinverlängerung links gekommen sowie zu einer Fehlstellung des linken Fußes, die bisher nicht korrigiert werden konnte. Seither leidet der Kläger zu 1) unter schmerzhaften Einschränkungen seines Laufvermögens. Bei längerem Laufen dreht sich die Fußspitze des linken Fußes immer weiter nach innen, so dass der Kläger zu 1) darüber stolpert.

Mit der Klage hat der Kläger zu 1) die Beklagten auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (Mindestvorstellung: 10.000 DM) sowie auf Ersatz materiellen Schadens in Höhe von 200 DM (120 DM für angeblich beschädigte Kleidungsstücke; 40 DM Eigenbeteiligung an Krankentransportkosten; 40 DM als Unkostenpauschale) in Anspruch genommen. Der Kläger zu 2) hat ebenfalls ein angemessenes Schmerzensgeld (Mindestvorstellung: 2.000 DM) sowie eine Unkostenpauschale von 40 DM verlangt.

Mit Urteil vom 6. April 1998 hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Kassel dem Kläger zu 1) 70 DM Schadensersatz zuerkannt (40 DM für Krankentransportkosten und 30 DM für beschädigte Kleidung) und im übrigen die Klagen beider Kläger abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Beklagten seien lediglich aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung nach dem StVG verpflichtet, dem Kläger zu 1) materiellen Schaden in der zuerkannten Höhe zu ersetzen. Weitergehende Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung (§§ 823, 847 BGB) stünden beiden Klägern nicht zu, weil sich nicht habe nachweisen lassen, dass den Beklagten zu 1) ein Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalles treffe.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgen die Kläger ihr über den zuerkannten Betrag hinausgehendes Klagebegehren weiter.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil.

Der Senat hat mit den aus der Sitzungsniederschrift vom 9. Oktober 1998 (Bl. 173 bis 179 d. A.) ersichtlichen Ergebnissen Beweis erhoben durch Vernehmung des Kraftfahrzeugsachverständigen ....


II.

Die Berufungen beider Kläger sind an sich statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache führt jedoch nur die Berufung des Klägers zu 1) im wesentlichen zum Erfolg, während die Berufung des Klägers zu 2) als unbegründet zurückzuweisen war.

1) Zur Berufung des Klägers zu 1):

Der vom Kläger zu 1) mit der Berufung weiterverfolgte Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes ist nach den §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB dem Grunde nach gerechtfertigt, weil der vom Kläger zu 1) erlittene Körperschaden vom Beklagten zu 1) fahrlässig (§§ 823 Abs. 1, 276 Abs. 1 S. 2 BGB) verursacht worden ist, so dass der Beklagte zu 1) dem Kläger zu 1) nicht nur aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung nach dem StVG, sondern auch wegen unerlaubter Handlung haftet. Die Beklagte zu 2) haftet als Gesamtschuldnerin neben dem Beklagten zu 1) in derselben Weise (§ 3 Nr. 1 und 2 PflVersG), weil die Haftpflichtversicherung für das Fahrzeug des Beklagten zu 1) bei ihr bestand.

Bei der Beurteilung der zwischen den Parteien streitigen Haftungsfrage vermochte sich der Senat allerdings nicht der Auffassung des Klägers zu 1) anzuschließen, aufgrund der konkreten Unfallsituation (Zusammenstoß zwischen einem Kraftfahrzeug und einem spielenden Kind in einem verkehrsberuhigten Bereich) sei hier von einer Verschuldensvermutung zu Lasten des Beklagten zu 1) bzw. jedenfalls von einer Beweiserleichterung zugunsten des Klägers zu 1) auszugehen. Ebensowenig vermochte sich der Senat die Auffassung des Klägers zu 1) zu eigen zu machen, von einer schuldhaften Verletzung ihn treffender Pflichten durch den Beklagten zu 1) sei bereits deshalb auszugehen, weil er nach dem Vorbringen der Beklagten die ... als verkehrsberuhigten Bereich mit einer Geschwindigkeit von 7 km/h befahren habe. Von einer näheren Darstellung der Gründe, aus denen sich der Senat gehindert sieht, in den genannten Punkten der Ansicht des Klägers zu folgen, wird abgesehen, weil es darauf für die Entscheidung im Ergebnis nicht ankommt. Letzteres gilt auch für die streitige, nach den Ausführungen des Sachverständigen unrealistische Behauptung, die Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1) habe nicht 7 km/h sondern vielmehr 25 km/h betragen.

Denn unabhängig von den zuvor erörterten Gesichtspunkten ist der Senat aus anderen Gründen, namentlich aufgrund der Ergebnisse der im Berufungsrechtszug ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme, davon überzeugt, dass sich der Beklagte zu 1) den Vorwurf einer fahrlässigen Verursachung des streitigen Unfalls gefallen lassen muss. Hierbei war im Ausgangspunkt zu beachten, dass den Beklagten zu 1) in der konkreten Verkehrssituation höchste Sorgfaltspflichten trafen. Dies ergibt sich zum einen aus § 3 Abs. 2 a StVO, wonach sich ein Fahrzeugführer u.a. gegenüber Kindern, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten muss, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Der dem Kraftfahrer durch diese Vorschrift abverlangte Ausschluss einer Gefährdung u.a. von Kindern kennzeichnet einen besonders hohen Sorgfaltsmaßstab. Zwar dürfen die danach zu stellenden Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Kraftfahrers nicht überspannt werden, wenn nach der gewöhnlichen Lebenserfahrung eine Gefährdung nicht zu erwarten ist (vgl. BGH NJW 1986, 184/185; BGH NZV 1992, 360/361). Besondere Vorkehrungen zur Abwehr einer Gefahr werden dem Kraftfahrer aber dann abverlangt, wenn sich die ihm darbietende Verkehrssituation Auffälligkeiten zeigt, die zu Gefährdungen führen können (vgl. BGH, jeweils aaO; vgl. auch BGH NJW 1982, 1149). Hierbei setzen die besonderen Sorgfaltspflichten nach § 3 Abs. 2 a StVO allerdings erst dann ein, wenn für den Kraftfahrer die Anwesenheit schutzbedürftiger Personen im Sinne dieser Vorschrift - also u.a. von Kindern - erkennbar ist; dies setzt indes nicht notwendig voraus, dass die schutzbedürftigen Personen bereits in das Blickfeld des Kraftfahrers geraten sind, sondern besondere Sorgfalt wird vom Kraftfahrer auch bereits dann verlangt, wenn aufgrund anderer konkreter Anhaltspunkte mit der Anwesenheit solcher Personen zu rechnen ist (vgl. BGH NZV 1991, 23/24; BGH NZV 1990, 227/228; OLG Köln VRS 28, 266/268; vgl. auch Amtliche Begründung zu § 3 Abs. 2 a StVO, abgedruckt bei: Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Aufl., § 3 StVO Rdn. 10 a).

Dabei ist im übrigen weiter zu berücksichtigen, dass ein Kraftfahrer schon nach dem allgemeinen Sorgfaltsmaßstab und ungeachtet des Grundsatzes, dass er sein Hauptaugenmerk auf den Verkehr auf der Fahrbahn zu richten hat, grundsätzlich verpflichtet ist, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auch das Gelände neben der Fahrbahn zu beobachten (vgl. BGH VersR 1965, 501; BGH NJW 1987, 2377/2378). Soweit es die Umstände des Einzelfalls und insbesondere die konkrete Verkehrslage zulassen, hat der Kraftfahrer daher z. B. auch einmündende Wege (vgl. BGH VersR 1965, 501) und Bürgersteige (BGH VersR 1955, 602 f; OLG Hamm NZV 1991, 194) im Auge zu behalten und auf dort befindliche Kinder Rücksicht zu nehmen. Ist ein Kind erkennbar, muss es der Kraftfahrer, sofern die sonstige Verkehrslage das zulässt, beobachten, solange die Möglichkeit einer Gefährdung besteht (BGH NZV 1992, 360/361). Insbesondere bei einem kleinen Kind ohne Begleitung Erwachsener, das sich z. B. in Richtung zur Fahrbahn bewegt (BGH VersR 1965, 501), in geringer Entfernung zur Straße ein Gebäude verlässt (OLG Karlsruhe DAR 1990, 137/138) oder sich bereits am Straßenrand befindet (BGH NZV 1991, 23/24), muss der Kraftfahrer mit einem unbesonnenen, verkehrswidrigen Verhalten rechnen und seine Fahrweise auf die Möglichkeit einstellen, dass das Kind ohne Beachtung des Fahrverkehrs die Straße betreten könnte, es sei denn, das Verhalten des Kindes erlaubt den verlässlichen Schluss, es habe das Fahrzeug wahrgenommen und werde warten.

Derartige Sorgfaltspflichten bestehen nicht nur in gleicher, sondern in noch gesteigerter Weise, wenn sich der Kraftfahrer mit seinem Fahrzeug in einer sogenannten "Spielstraße" (verkehrsberuhigter Bereich, Zeichen 325) bewegt. In diesem Fall verlangt § 42 Abs. 4 a StVO (soweit hier von Bedeutung) vom Kraftfahrer zunächst, dass er Schrittgeschwindigkeit einhält (Nr. 2) und Fußgänger weder gefährdet noch behindert sowie, wenn nötig, wartet (Nr. 3). Darüber hinaus muss der Kraftfahrer sein Verhalten insbesondere darauf einrichten, dass in verkehrsberuhigten Bereichen Fußgänger die Straße in ihrer ganzen Breite benutzen dürfen und Kinderspiele überall erlaubt sind (§ 42 Abs. 4 a Nr. 1 StVO). Aufgrund dieser in einem verkehrsberuhigten Bereich bestehenden Besonderheit ist es einem sich durch einen solchen Bereich bewegenden Kraftfahrer abzuverlangen, dass er sich - jedenfalls dort, wo es nach den örtlichen Gegebenheiten in Frage kommt - auch auf die Möglichkeit einrichtet, dass zunächst noch nicht sichtbare Personen, insbesondere Kinder, plötzlich die Fahrbahn betreten könnten (vgl. OLG Köln VRS 36, 360/361; OLG Braunschweig DAR 1963, 353 f = NJW 1963, 2038).

Ob daraus - wie der Kläger zu 1) unter Hinweis auf eine Literaturveröffentlichung (Fuchs-​Wissemann in DAR 1999, 41 ff) meint - zu folgern ist, dass ein Kraftfahrer in einem verkehrsberuhigten Bereich bereits dann anzuhalten und zu warten hat, wenn eine Gefährdung zwar noch nicht erkennbar, aber abstrakt möglich und nicht auszuschließen ist, erscheint dem Senat allerdings zweifelhaft. Denn eine solche Verhaltensanforderung erscheint kaum praktikabel und müsste in ihrer Konsequenz vielfach zu einem gänzlichen Stillstand des Fahrzeugverkehrs in verkehrsberuhigten Zonen führen, obwohl er dort - wie § 42 Abs. 4 a StVO zeigt - nach dem Willen des Verordnungsgebers grundsätzlich erlaubt bleibt. Müsste nämlich ein Kraftfahrer vor jedem aus seiner Fahrerposition im Fahrzeug nicht einsehbaren Bereich außerhalb der Fahrbahn warten und sich vergewissern, ob sich in jenem Bereich möglicherweise Personen aufhalten, die alsbald auf die Straße gelangen könnten, so könnte er einer solchen Erkundungspflicht praktisch nur genügen, indem er vor der Weiterfahrt sein Fahrzeug stehen lässt und aussteigt, um den - vom Fahrzeug aus nicht einsehbaren - Bereich in Augenschein zu nehmen. Selbst danach könnte er jedoch - je nach den konkreten Örtlichkeiten - unter Umständen nicht sicher sein, ob nicht während der Zeit, die er anschließend benötigt, um zum Fahrzeug zurückzukehren, wieder einzusteigen, sich anzuschnallen und zur Weiterfahrt anzusetzen, eine Person (z. B. aus einem Haus kommend) in den zuvor kontrollierten, nun aber (vom Fahrersitz aus) wiederum nicht mehr einsehbaren Bereich gelangt und im Begriff ist, die Fahrbahn zu betreten. Einer weiteren Vertiefung dieser Überlegungen bedarf es indes nicht, denn im Ergebnis kommt es hier nicht entscheidend auf die Frage an, ob ein Kraftfahrer in einer sogenannten "Spielstraße" auch ohne konkrete Anhaltspunkte für die mögliche Gefährdung eines Kindes zum Warten sowie zum Erkunden des Geländes verpflichtet ist.

Der Senat ist nämlich aufgrund der Ergebnisse der im Berufungsrechtszug ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich für den Beklagten zu 1) bei der Annäherung an die spätere Kollisionsstelle konkrete Anhaltspunkte für die drohende Gefährdung eines Kindes ergeben haben, und zwar so rechtzeitig, dass der Beklagte zu 1) den Zusammenstoß mit dem Kläger zu 1) hätte vermeiden können. Die von den Beklagten sowohl in ihrer Klageerwiderung vom 2. Dezember 1997 (Seite 2) als auch in ihrer Berufungserwiderung vom 2. September 1998 (Seite 5) vorgetragene Darstellung, der Beklagte zu 1) habe, als er den Kläger zu 1) bemerkte, sein Fahrzeug sowohl nach links gezogen als auch gleichzeitig abgebremst, lässt sich nicht mit den Ergebnissen des Gutachtens des Sachverständigen ... in Einklang bringen. Bereits in seinem im ersten Rechtszug erstatteten schriftlichen Gutachten hat der Sachverständige ausgeführt sowie zeichnerisch dargestellt, dass der Beklagte zu 1) unter der Voraussetzung, dass das Vorbringen der Beklagten zur Geschwindigkeit (7 km/h) stimmt, erst etwa 1,95 m vor dem späteren Kollisionspunkt - mit der Motorhaube bereits auf der Höhe der Grundstückseinfahrt der Kläger befindlich - eine Bremsreaktion, hingegen bereits 6,4 m vor dem späteren Kollisionspunkt eine Lenkreaktion nach links gezeigt hat. Ausweichen und Bremsen waren danach, wie der Sachverständige auch bei seiner Vernehmung durch den Senat überzeugend bekräftigt hat, entgegen der Darstellung der Beklagten kein einheitlicher Vorgang, sondern selbständige Abschnitte eines mehrgliedrigen Geschehensablaufs. Die der Bremsreaktion räumlich wie zeitlich vorausgehende Lenkreaktion des Beklagten zu 1) spricht, wie der Sachverständige weiter einleuchtend ausgeführt hat, dafür, dass bereits zur Zeit der Lenkreaktion für den Beklagten zu 1) eine Reaktionsaufforderung gegeben war.

Nach zusammenfassender Würdigung des Parteivorbringens sowie der Ausführungen des Sachverständigen ist der Senat davon überzeugt, dass die ausweichende Lenkbewegung nach links tatsächlich das Resultat einer von dem Beklagten zu 1) wahrgenommenen Reaktionsaufforderung gewesen ist und nicht etwa völlig unmotiviert und zufällig erfolgte. Für die letztgenannte, rein theoretische Möglichkeit bieten sich im Parteivorbringen keinerlei Anhaltspunkte. Auch die Beklagten haben nicht aufgezeigt, dass die von dem Beklagten zu 1) gezeigte Lenkreaktion eine andere Ursache als eine konkrete Reaktionsaufforderung gehabt haben könnte, sondern sie haben im Gegenteil - wie oben schon erwähnt - die Lenkreaktion selbst mehrfach mit einer konkreten Reaktionsaufforderung, nämlich mit dem Wahrnehmen des Klägers zu 1) durch den Beklagten zu 1), in Verbindung gebracht. Nach der Vernehmung des Sachverständigen durch den Senat haben die Beklagten zwar versucht, von ihrem ursprünglichen Vorbringen abzurücken, worauf später noch zurückzukommen sein wird. Dass die Lenkbewegung des Beklagten zu 1) ohne konkrete Reaktionsaufforderung erfolgt sei, ergibt indes auch das nach der Beweisaufnahme gehaltene Vorbringen der Beklagten nicht. Der Senat ist deshalb überzeugt, dass die ausweichende Lenkbewegung auf eine entsprechende Reaktionsaufforderung zurückging, weil eine andere, vernünftigerweise und ernsthaft in Betracht zu ziehende Alternative nicht erkennbar ist.

Nach den weiteren, den Senat überzeugenden und auch von den Beklagten nicht angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen setzt eine Reaktionsaufforderung, von deren Vorliegen der Senat aus den eben genannten Gründen überzeugt ist, einen bestimmten Anlass im Sinne eines vom Kraftfahrer wahrgenommenen und aus seiner Sicht nicht lediglich peripher erscheinenden Ereignisses voraus, wobei hierfür am ehesten eine vom Kraftfahrer wahrgenommene Bewegung in Frage kommt. Hieraus kann - mangels erkennbarer anderer ernsthafter Möglichkeiten - nach Überzeugung des Senats der Schluss gezogen werden, dass der Beklagte zu 1) bereits während seiner Annäherung an die Grundstückseinfahrt vor dem Haus der Kläger jedenfalls eines der beiden in dieser Einfahrt spielenden Kinder wahrgenommen hat. Dies haben im übrigen die Beklagten im Anschluss an die Beweisaufnahme letztlich selbst eingeräumt, indem sie haben vortragen lassen, durch die eingehende Erörterung des Unfalls mit dem Sachverständigen sei dem Beklagten zu 1) nunmehr bewusst geworden, dass die sogenannte Reaktionsaufforderung möglicherweise nicht von dem Kläger zu 1), sondern von dem anderen anwesenden Kind ausgegangen sei.

Danach bleibt zwar offen, ob der Beklagte zu 1) vor seiner Lenkreaktion (gerade) den Kläger zu 1) wahrgenommen hatte. Auch lässt sich, zumal angesichts des Umstands, dass der Beklagte zu 1) die Grundstückseinfahrt der Kläger bei der Annäherung in Folge eines angrenzenden Mäuerchens mit aufgesetztem Zaun sowie vorhandener Vegetation nicht voll einsehen konnte, nicht sicher feststellen, ob der Beklagte zu 1) bereits zum Zeitpunkt seiner Lenkreaktion gesehen hatte, dass sich der Kläger zu 1) mit seinem Bobby-​Car in Richtung Straße bewegte. Das ist indes nicht ausschlaggebend. Denn ist aus den oben genannten Gründen davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1) jedenfalls eines der beiden in der Einfahrt spielenden Kinder, sei es auch möglicherweise den Bruder des Klägers zu 1) und nicht diesen selbst, in einer eine Reaktion herausfordernden Weise wahrgenommen hatte, so muss es angesichts der oben beschriebenen besonders hohen Sorgfaltsanforderungen als pflichtwidrig bewertet werden, dass der Beklagte zu 1) sich gleichwohl zunächst mit einer leichten Ausweichbewegung nach links begnügte, seine Fahrt im übrigen aber mit unverminderter Geschwindigkeit fortsetzte. Denn hatte der Beklagte zu 1) wenigstens eines der spielenden Kinder wahrgenommen, so musste er - zumal wegen der vorhandenen Sichtbehinderung - mit der Anwesenheit weiterer Kinder rechnen, weil Kinder erfahrungsgemäß häufig gemeinsam und nicht alleine spielen. Nach den örtlichen Gegebenheiten - zur Straße hin offene Grundstückseinfahrt, schlechte Einsehbarkeit der Einfahrt während der Annäherung, für Fußgänger und insbesondere Kinder uneingeschränkt erlaubte Benutzung der Fahrbahn (§ 42 Abs. 4 a Nr. 1 StVO) - ergaben sich für den Beklagten zu 1) aus der gemachten Wahrnehmung auch konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit der Gefährdung eines Kindes. Denn solange er aufgrund seiner Wahrnehmungen und angesichts der beschränkten Einsichtsmöglichkeiten in die Grundstückseinfahrt nicht verlässlich vom Gegenteil ausgehen konnte, musste der Beklagte zu 1) wegen der besonderen Gegebenheiten in einer sogenannten Spielstraße und den konkreten örtlichen Verhältnissen mit der Möglichkeit rechnen, dass ein Kind ohne Beachtung des Fahrzeugverkehrs aus der zur Straße hin weder durch einen Zaun noch sonst gesicherten Grundstückseinfahrt auf die Straße gelangen könnte. Dafür, dass der Beklagte zu 1) das Gefahrenpotential der sich ihm darbietenden Situation jedenfalls grundsätzlich erkannt hatte, spricht im übrigen seine - ansonsten nicht plausibel erklärbare - ausweichende Lenkbewegung nach links, also weg von der rechts gelegenen Einfahrt. In der konkreten Situation, wie sie sich hier für den Beklagten zu 1) darstellte, stellte es indes eine fahrlässige Verletzung der durch die §§ 3 Abs. 2 a, 42 Abs. 4 a StVO normierten besonderen Sorgfaltspflichten dar, nach dem Erkennen wenigstens eines Kindes unweit des Fahrbahnrandes in einer nach vorn offenen Einfahrt lediglich leicht nach links zu lenken, ansonsten aber die Fahrt zunächst noch unvermindert fortzusetzen. Der Beklagte zu 1) wäre vielmehr gehalten gewesen, schon auf die erste Reaktionsaufforderung hin zum Ausschluss einer Gefährdung sein Fahrzeug abzubremsen und entweder bis zur Klärung der unklaren Situation ganz anzuhalten oder aber jedenfalls sich nur unter äußerster Vorsicht, ständiger Bremsbereitschaft und mit geringst möglicher Geschwindigkeit an den Rand der Grundstückseinfahrt heranzutasten, bis er das dortige Geschehen ausreichend überblicken konnte.

Der Einwand der Beklagten, eine solche Betrachtungsweise führe dazu, einem Kraftfahrer ein Bremsen "auf Verdacht" abzuverlangen, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Wie oben bereits näher ausgeführt, entspricht es herrschender Auffassung in der Rechtsprechung, dass ein Kraftfahrer, der ein kleines Kind ohne Begleitung Erwachsener in der Nähe der Fahrbahn erkannt hat, bereits nach dem Sorgfaltsmaßstab des § 3 Abs. 2 a StVO zu äußerster Vorsicht verpflichtet ist, solange die Möglichkeit einer Gefährdung des Kindes besteht. In einem verkehrsberuhigten Bereich, in dem jederzeit mit dem - erlaubten - Betreten der Fahrbahn durch Kinder gerechnet werden muss, gilt dies um so mehr. Es geht daher hier nicht um ein Bremsen auf bloßen Verdacht hin, sondern um die angemessene Reaktion auf die nach den gemachten Wahrnehmungen und den örtlichen Verhältnissen konkret erkennbare Möglichkeit einer Gefährdung. Dass der Beklagte zu 1) eine auch aus seiner Sicht kritisch, d.h. gefahrgeneigt scheinende Situation erfasst hatte, ergibt sich im übrigen - wie bereits erwähnt - aus seiner Lenkbewegung nach links, die - mangels anderer greifbarer Erklärungen - ansonsten sinnlos gewesen wäre.

Der Senat ist schließlich auch davon überzeugt, dass der Beklagte zu 1) den Unfall hätte vermeiden können, wenn er auf die erste Reaktionsaufforderung hin nicht (nur) nach links ausgewichen wäre, sondern sein Fahrzeug (auch) abgebremst hätte. Dies ergibt sich schon aus den nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen ..., wonach der Beklagte zu 1) - jeweils seine eigene Geschwindigkeitsangabe als richtig unterstellt - nur einen Bremsweg von knapp 2 Meter benötigte, die Lenkreaktion aber bereits 6,4 m vor der späteren Kollisionsstelle gezeigt hat.

Steht nach alledem zur Überzeugung des Senats fest, dass die Kollision vom Beklagten zu 1) durch eine fahrlässige Verletzung der ihn treffenden hohen Sorgfaltspflichten verursacht worden ist, so können die Beklagten dem Schmerzensgeldanspruch auch nicht mit Erfolg die erstmals im Berufungsrechtszug aufgestellte Behauptung entgegenhalten, die vom Kläger zu 1) erlittene Unterschenkelfraktur sei nicht unmittelbar durch die Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1), welche nur Hautabschürfungen zur Folge gehabt habe, herbeigeführt worden, sondern erst dadurch, dass der Kläger zu 2) nach dem Unfall den Kläger zu 1) "panikartig" weggerissen habe. Selbst wenn diese - schon in sich fragwürdige - Darstellung zutreffen würde, änderte sich dadurch im Ergebnis an der Haftung der Beklagten nichts. Denn im Zivilrecht hat der Schädiger für alle adäquaten Folgen seines Verhaltens einzustehen. Ein solcher adäquater Kausalzusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach regelmäßigem Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolgs geeignet ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BGHZ 3, 261/267; BGH NJW 1998, 138/140). Wenn eine Handlung eine gefährliche Lage geschaffen hat, in welcher ein nicht außerhalb jeder Erfahrung liegendes Fehlverhalten eines anderen einen schädlichen Erfolg herbeiführt, dann besteht ein adäquater Zusammenhang zwischen der ersten Handlung und dem Schaden (vgl. BGHZ 43, 178/181 mit weiteren Nachweisen). Wer einen Verkehrsunfall verschuldet hat, kann deshalb auch für Verletzungen haftbar sein, die unmittelbar (erst) durch das Fehlverhalten eines Dritten verursacht werden. Besteht nämlich zwischen der Unfallverursachung und der Verletzung ein adäquater Zusammenhang im oben genannten Sinne, so ist es für die Haftung des Unfallverursachers ohne Bedeutung, ob er die Verletzung des Geschädigten unmittelbar und selbst bewirkt hat, oder ob dies im Wege einer "Kettenreaktion" geschehen ist (vgl. BGH NJW 1972, 1804, 1805).

Nach diesen Grundsätzen haftet der Beklagte zu 1) selbst dann nach § 823 Abs. 1 BGB für die vom Kläger zu 1) erlittene Fraktur, wenn diese noch nicht unmittelbar bei der Kollision des Pkw des Beklagten zu 1) mit dem Kläger zu 1) herbeigeführt wurde, sondern erst dadurch, dass der Kläger zu 2) nach Eintreffen an der Unfallstelle den Kläger zu 1) "panikartig" weggerissen hat. Denn dass der Vater eines von einem Auto angefahrenen Kleinkindes aus Schrecken und Erregung "kopflos" reagiert und sich deshalb bei der "Rettung" ungeschickt verhält, stellt keinen besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach regelmäßigem Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umstand dar. Die Gefahr, dass ein naher Angehöriger eines Unfallbeteiligten, der zur Unfallstelle eilt, infolge der durch den Unfall hervorgerufenen Aufregung die nötige Vorsicht außer Acht lässt, ist vielmehr naheliegend (vgl. BGH NJW 1972, 1804/1806). Der von den Beklagten behauptete Geschehensablauf ist daher nicht so ungewöhnlich, als dass er ihnen mangels adäquaten Kausalzusammenhangs haftungsmäßig nicht zuzurechnen wäre.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der vom Beklagten zu 1) fahrlässig verletzten Verkehrsvorschriften (§§ 3 Abs. 2 a und 42 Abs. 4 a StVO) kann nicht von einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs ausgegangen werden. Denn die Gefahr, in der - der Darstellung der Beklagten zufolge - der Kläger zu 1) zu Schaden gekommen ist, stand nicht lediglich in einem nur äußerlichen, mehr oder weniger zufälligen Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Verkehrsunfall, sondern war unmittelbare Folge jenes Unfalls und hat sich in direktem Anschluss daran - zu einem Zeitpunkt, in dem der Unfall noch nicht als bereits endgültig abgeschlossenes Geschehen angesehen werden konnte - verwirklicht. Der erforderliche innere Zusammenhang, wie er bei wertender Beurteilung der Zurechnungsfrage gegeben sein muss, lag also vor, so dass die vom Kläger zu 1) erlittene Fraktur auch bei unterstellter Richtigkeit der Darstellung der Beklagten noch vom Schutzzweck der verletzten Norm gedeckt ist (vgl. BGH NJW 1972, 1804/1806).

Da der Kläger zum Unfallzeitpunkt erst drei Jahre alt und damit deliktsrechtlich noch nicht verantwortlich war (§ 828 Abs. 1 BGB), muss er sich ungeachtet des Umstands, dass er ohne Beachtung des Fahrzeugverkehrs auf die Straße gefahren ist, kein Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB anrechnen lassen. Die Beklagten können dem Schmerzensgeldanspruch des Kläger zu 1) auch nicht angebliches Mitverschulden des Klägers zu 2) aus dem Gesichtspunkt einer (Mit-​) Verursachung der Fraktur oder einer Aufsichtspflichtverletzung entgegenhalten. Abgesehen davon, dass die Beklagten für die angebliche (Mit-​) Verursachung der Fraktur durch den Kläger zu 2) keinen Nachweis erbracht und für eine Aufsichtspflichtverletzung schon keine hinreichende Tatsachengrundlage aufgezeigt haben, scheitert ihr diesbezüglicher Einwand ohnehin aus Rechtsgründen. Denn nur wenn zwischen dem Kläger zu 1) und dem Beklagten zu 1) bereits im Augenblick des Unfalls ein Schuldverhältnis oder eine sonstige, einem Schuldverhältnis ähnliche rechtliche Sonderverbindung bestanden hätte (was jedoch zweifellos nicht der Fall war), könnten die Beklagten dem Kläger zu 1) ein etwaiges Mitverschulden seines gesetzlichen Vertreters an der Schadensentstehung nach § 254 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 278 BGB entgegenhalten (vgl. BGHZ 103, 338/342). Da der Kläger zu 1), wie schon ausgeführt, zum Unfallzeitpunkt noch nicht deliktsfähig war (§ 828 Abs. 1 BGB), scheidet im übrigen auch die Annahme einer sogenannten Zurechnungs- bzw. Haftungseinheit zwischen ihm und seinem Vater aus (vgl. BGHZ aaO, Seite 344).

Der Höhe nach hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe des vom Kläger zu 1) angestrebten Mindestbetrages von 10.000,00 DM für angemessen. Hierbei war insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1) - unstreitig - bis heute unter den Folgen des gut zwei Jahre zurückliegenden Unfalls zu leiden hat, weil es zu einer posttraumatischen Beinverlängerung links sowie zu einer bisher nicht korrigierten Fehlstellung des linken Fußes gekommen ist, wodurch die Bewegungsfähigkeit des Klägers zu 1) zwar nicht dramatisch, aber doch in schmerzhafter und gerade angesichts des kindlichen Bewegungsdrangs nicht unerheblicher Weise eingeschränkt ist. Die bis heute feststehenden Unfallfolgen rechtfertigen deshalb ein Schmerzensgeld in der zuerkannten Höhe. Hierbei war der Senat außerstande, die Verletzungsfolgen abschließend zu bewerten und das Schmerzensgeld hiernach - im Sinne einer endgültigen Abgeltung des immateriellen Schadens - auszurichten. Denn aus heutiger Sicht ist noch ungewiss, wie sich die Unfallfolgen künftig entwickeln werden, ob insbesondere bezüglich der Fehlstellung des linken Fußes und der daraus resultierenden Gehprobleme von einem echten Dauerschaden auszugehen ist, oder ob diese Fehlstellung im Laufe der Zeit noch korrigiert werden kann. Wegen dieser Ungewissheit des künftigen Schadensverlaufs konnte sich die Bemessung des Schmerzensgeldes nur an den bis heute feststehenden Verletzungsfolgen orientieren.

Neben dem Schmerzensgeld hat der Kläger Anspruch auf eine Unkostenpauschale in Höhe von 40,00 DM. Der daneben zuerkannte Zinsanspruch hat seine Grundlage in §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Soweit der Kläger zu 1) Zinsen von 10 % p.a. begehrt, fehlt es schon an einer schlüssigen Begründung.

Die weitergehende Berufung des Klägers zu 1) war daher insoweit und auch im übrigen zurückzuweisen. Soweit der Kläger zu 1) für beschädigte Kleidungsstücke (Strumpfhose und Schuhe) über die vom Landgericht dafür bereits zuerkannten 30,00 DM hinaus noch weitere 90,00 DM als Schadensersatz begehrt, fehlt es schon nach seinem eigenen Vorbringen an einer ausreichenden Tatsachengrundlage, die es erlauben würde, mehr als den im ersten Rechtszug bereits zuerkannten Schadensbetrag zuzusprechen. Die Schadensberechnung des Klägers zu 1) ist zunächst bereits insoweit unschlüssig, als die Schadenshöhe mit dem Neuwert (Anschaffungspreis) der Kleidungsstücke gleichgesetzt wird, obwohl diese gebraucht waren und bei der Zerstörung gebrauchter Sachen grundsätzlich nur die für die Wiederbeschaffung wirtschaftlich gleichwertiger (d. h. ebenfalls gebrauchter) Sachen erforderlichen Kosten zu ersetzen sind. Hiervon bei Kinderkleidung eine Ausnahme zu machen, sieht der Senat keinen Anlass, zumal es angesichts des Umstandes, dass Kinder häufig aus ihren Kleidern herauswachsen, bevor diese "verbraucht" sind, durchaus einen Markt für gebrauchte Kinderkleidung gibt, zum Beispiel in Form sogenannter Second-​Hand-​Shops, aber auch in Form privater Verkaufsangebote durch Annoncen. Davon abgesehen ist der vom Kläger zu 1) behauptete Neuwert der beschädigten Sachen in beiden Rechtszügen streitig gewesen, und der Kläger zu 1) hat dazu keine substantiierten Angaben gemacht, sondern lediglich pauschal - auffallend "runde" - Anschaffungspreise von 100,00 DM bzw. 20,00 DM behauptet. Eine schon vom Landgericht mit Verfügung vom 22. Dezember 1997 gemachte Auflage, Einkaufsbelege sowie die beschädigten Kleidungsstücke als solche vorzulegen, ist ohne Erfolg geblieben. Zudem ist - abgesehen von der Angabe, die Strumpfhose sei ein halbes Jahr alt gewesen - über Alter und Erhaltungszustand der Kleidungsstücke vor dem Unfall nichts vorgetragen. Danach scheidet auch eine Schadensschätzung (§ 287 ZPO), die zu einem höheren als dem vom Landgericht zuerkannten Betrag führt, aus, weil sie völlig "in der Luft hängen" müsste und deshalb unzulässig wäre.

2) Zur Berufung des Klägers zu 2):

Der vom Kläger zu 2) geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 2.000,00 DM (§§ 823, 847 BGB) sowie einer Unkostenpauschale erweist sich schon nach seinem eigenen Vorbringen als unbegründet; seine Berufung war daher zurückzuweisen. Selbst wenn der Beklagte zu 1) den Zusammenstoß mit dem Kläger zu 1) verschuldet hat, ergeben sich daraus nicht zugleich die geltend gemachten Ansprüche des Klägers zu 2). Der Gesetzgeber hat Ersatzansprüche aus unerlaubter Handlung - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen in den §§ 844, 845 BGB abgesehen - auf den Schaden des unmittelbar Verletzten beschränkt. Erleidet ein Angehöriger des Verletzten durch das Erleben des Unfallereignisses oder durch die Unfallnachricht psychisch vermittelte Beeinträchtigungen, so setzt ein Schmerzensgeldanspruch des Angehörigen nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Beeinträchtigungen die in vergleichbaren Situationen erfahrungsgemäß üblichen Nachteile für das gesundheitliche Wohlbefinden erheblich übersteigen und so gewichtig sind, dass sie nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit des Angehörigen selbst betrachtet werden (BGHZ 56, 163 ff.; BGH VersR 1989, 853/854; vgl. auch OLG Köln Versicherungsrecht 1989, 519). Hierfür reicht das Auftreten von Störungen der physiologischen Abläufe und/oder seelischer Funktionen, selbst wenn sie medizinisch fassbar sind, noch nicht aus, weil negative Erlebnisse, die Empfindungen wie Schmerz, Trauer oder Schrecken hervorrufen, regelmäßig derartige Störungen auslösen können, was nach geltender Rechtslage im Rahmen des nach der Lebenserfahrung Üblichen ersatzlos hinzunehmen ist (BGHZ 56, 163/165). Bei den sogenannten "Schockschäden" von Angehörigen des unmittelbar Verletzten kommt somit ein Schmerzensgeldanspruch des Angehörigen nur in Betracht, wenn es über solche Erscheinungen hinaus, die noch im Bereich normaler Reaktion liegen, zu "traumatischen" Schädigungen der psychischen oder physischen Gesundheit gekommen ist (BGH aaO, Seite 167).

Nach diesen Grundsätzen sind hier die Voraussetzungen für einen Schmerzensgeldanspruch des Klägers zu 2) nicht zu erkennen. Unter Berücksichtigung des vorgelegten Attestes und der Aussage der Ärztin ... vor der Zivilkammer sind an körperlichen Reaktionen des Klägers zu 2) auf das Unfallereignis lediglich eine Synkope (kurzzeitige Ohnmacht) sowie eine vorübergehende Erhöhung des Blutdrucks - bei unfallunabhängig ohnehin bestehendem Grundleiden - verifizierbar. Ferner hat die Zeugin ... den Kläger zu 2) wegen einer "psychischen Dekompensation" für vier Arbeitstage krank geschrieben. Der Krankenhausaufenthalt des Klägers zu 2) hat allenfalls wenige Stunde gedauert, denn unstreitig wurde er noch am Abend des Unfalltages wieder nach Hause entlassen, wobei sich der Unfall unstreitig erst gegen 19.35 Uhr ereignet hatte. Auch wurde der Kläger zu 2) nicht klinisch behandelt, sondern nur untersucht, was - bis auf den erhöhten Blutdruck - keinen Befund erbrachte. Objektiv betrachtet stellte die Einlieferung ins Krankenhaus danach eine reine Vorsichtsmaßnahme dar. Nach alledem vermag der Senat im vorliegenden Fall keinerlei Grundlage für die Annahme zu erkennen, dass die durch das Unfallgeschehen ausgelösten Beeinträchtigungen des Klägers zu 2) über das übliche, als Ausfluss des allgemeinen Lebensrisikos ersatzlos hinzunehmende Maß hinausgegangen sind. Da es deshalb an einer Grundlage für eine Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger zu 2) fehlt, war dessen Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

3) Zu den Nebenentscheidungen:

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92, 97 Abs. 1 ZPO. Der Senat hat gemäß § 92 Abs. 2 ZPO davon abgesehen, dem Kläger zu 1) einen Teil der Kosten aufzuerlegen, weil seine Zuvielforderung (restliche 90 DM für beschädigte Kleidung) verhältnismäßig geringfügig war und mangels Übergang in eine höhere Streitwertstufe auch keine besonderen Kosten verursacht hat. Der Kläger zu 2) als sowohl mit der Klage als auch mit der Berufung unterlegene Partei hat dagegen seine eigenen außergerichtlichen Kosten und einen seiner Beteiligung am Gesamtstreitwert entsprechenden Teil der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu tragen. Im übrigen waren die Kosten entsprechend ihrem teilweisen Unterliegen den Beklagten aufzuerlegen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Wert der Beschwer der Parteien war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 546 Abs. 1 S. 2 ZPO) vermag der Senat nicht als gegeben zu erkennen. Die Beurteilung der zwischen den Parteien streitigen Haftungsfragen durch den Senat beruht nicht auf einer Abweichung von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, und es ist auch nicht ersichtlich, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt. Hinsichtlich der bei der Beurteilung der Haftung zugrundezulegenden Grundsätze folgt die Entscheidung des Senats gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung, und die auf dieser Grundlage erfolgte Beantwortung der streitigen Haftungsfragen ist - wie sich aus den oben dargestellten Gründen ergibt - so maßgebend von den konkreten Umständen des Falles geprägt, dass nicht erkennbar ist, inwieweit der Entscheidung - über den Einzelfall hinaus - grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte.