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VGH München Beschluss vom 15.05.2013 - 11 ZB 13.190 - Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach– und Rechtslage

VGH München v. 15.05.2013: Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach– und Rechtslage im Führerschein-Verwaltungsverfahren


Der VGH München (Beschluss vom 15.05.2013 - 11 ZB 13.190) hat entschieden:
In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung ist die bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens bestehende Sach- und Rechtslage als maßgebend zu Grunde zu legen. Nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens eintretende, die Beurteilung der Fahreignung positiv beeinflussende Umstände sind nicht zu berücksichtigen und können somit nicht mit der Anfechtungsklage gegen den Entziehungsbescheid geltend gemacht werden.


Gründe:

I.

Die Klägerin war zuletzt Inhaberin einer Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, BE, C1, C1E, L, M und S.

Mit Bescheid vom 10. Oktober 2011 entzog die Beklagte der Klägerin die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1 des Bescheides), forderte sie auf, den Führerschein unverzüglich bei der Beklagten abzugeben (Nr. 2) und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage nach Nr. 2 ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € an (Nr. 3). Dem lag zugrunde, dass die Klägerin wiederholt in der Vergangenheit im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt hatte. Die Beklagte forderte daher die Klägerin mit Schreiben vom 1. Oktober 2010 auf, binnen dreier Monate ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Klärung der Fahreignung vorzulegen. Trotz mehrfacher Verlängerung der Frist zur Vorlage legte die Klägerin das Gutachten nicht vor.

Im Verfahren über den gegen den Bescheid vom 10. Oktober 2011 eingelegten Widerspruch wurde der Klägerin erneut die Möglichkeit eröffnet, die Eignungszweifel durch die Vorlage eines Gutachtens auszuräumen. Das unter dem 13. April 2012 vorgelegte Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums zwar keine Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 und 2 in Frage stellten, es jedoch zu erwarten sei, dass die zu begutachtende Person auch künftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Daraufhin wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2012 der Widerspruch der Klägerin zurück. Hiergegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin zum Verwaltungsgericht München Klage, die mit Urteil vom 12. Dezember 2012 abgewiesen wurde. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.

Die Beklagte beantragt, den Zulassungsantrag abzulehnen.


II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet.

Die Klägerin hat zwar keinen der in § 124 Abs. 2 VwGO aufgeführten Zulassungsgründe ausdrücklich benannt, macht aber der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Zur Begründung lässt sie im Wesentlichen ausführen, das Verwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung ihr Vorbringen, soweit es die Zeiträume nach dem 31. Juli 2012 und somit nach Entscheidung der Widerspruchsbehörde betreffe, nicht berücksichtigt und als nicht entscheidungserheblich angesehen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei jedoch bei Dauerverwaltungsakten oder Verwaltungsakten, die noch nicht vollstreckt seien, nicht die letzte Behördenentscheidung, sondern der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Hier verkenne das Verwaltungsgericht, dass die Klägerin, nachdem hier kein Sofortvollzug angeordnet worden sei, immer noch im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis sei. Das Verwaltungsgericht hätte sich daher damit auseinandersetzen müssen, dass die Klägerin vor nunmehr fast drei Jahren zum letzten Mal mit Alkohol auffällig gewesen sei und dass das Haargutachten belege, dass sie alkoholabstinent lebe.

Dieses Vorbringen begründet jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung (vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 3 C 26/07 – BVerwGE 132, 315; BayVGH, B.v. 19.5.2010 – 11 ZB 10.772 – juris) die bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens bestehende Sach- und Rechtslage als maßgebend zugrunde gelegt. Nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens eintretende, die Beurteilung der Fahreignung positiv beeinflussende Umstände sind nicht zu berücksichtigen und können somit nicht mit der Anfechtungsklage gegen den Entziehungsbescheid geltend gemacht werden ( vgl. BVerwG, U. v. 27.9.1995 – 11 C 34.94 – juris). Zur Begründung verweist das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung auf den Zweck der Entziehung der Fahrerlaubnis als Sicherungsmaßnahme, die dazu dient, die Allgemeinheit vor Gefährdungen durch ungeeignete Fahrzeugführer zu schützen. Denn die Frage nach dem für die Sachentscheidung maßgebenden Zeitpunkt beantwortet sich nicht schematisch nach Art der Klage oder der angefochtenen Entscheidung, sondern vielmehr nach dem dem Verwaltungsrecht zugrunde liegenden materiellen Recht (st. Rspr., BVerwG, B.v. 4.7.2006 – 5 B 90/05 – juris). Aufgrund der mit dem Straßenverkehr verbundenen hohen Risiken für Leben, Gesundheit und Eigentum vieler Bürger können sich nach der letzten Behördenentscheidung eingetretene günstige Umstände daher erst in einem Verfahren auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis auswirken.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 46.2, 46.3, 46.5 und 46.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).



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