Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 30.04.2013 - VI ZR 155/12 - Zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII

BGH v. 30.04.2013: Zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII


Der BGH (Urteil vom 30.04.2013 - VI ZR 155/12) hat entschieden:
  1. Die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 108 Abs. 2 SGB X wegen unterlassener Beteiligung des Schädigers am Verwaltungsverfahren ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie eine bloße Förmelei wäre.

  2. Diente die Tätigkeit des Schädigers sowohl dem Interesse des Unfallbetriebs als auch dem seines eigenen bzw. seines Stammunternehmens, kann sie dem Unfallbetrieb nur dann im Sinne des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII zugeordnet werden, wenn sie der Sache nach für diesen und nicht für das eigene Unternehmen geleistet wurde.

  3. Zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII.

Siehe auch Gemeinsame Betriebsstätte


Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aus einem Unfall in Anspruch.

Der Kläger ist bei der B. AG angestellt und arbeitet in deren Werk in D. Er wird an Arbeitstagen von einem sogenannten Werksbus der B. AG von seinem Wohnort in E. abgeholt und an seine Arbeitsstelle gebracht. Mit der Durchführung der Fahrten der Werksbusse beauftragte die B. AG die Beklagte zu 2, die hierfür u.a. den bei ihr als Busfahrer angestellten Beklagten zu 1 einsetzte. Am 22. Juni 2009 gegen 4.10 Uhr holte der Beklagte zu 1 den Kläger mit einem Bus der Beklagten zu 2, der bei der Beklagten zu 3 haftpflichtversichert ist, in E. ab und erreichte gegen 4.40 Uhr die Ausstiegsstelle für den Werksbus der B. AG in D. Der Kläger stieg an der hinteren Tür des Busses aus, kam dabei zu Fall und zog sich eine distale Unterarmfraktur links mit Gelenkbeteiligung zu. Die für die B. AG zuständige Berufsgenossenschaft Holz und Metall erkannte den Unfall mit Bescheid vom 23. September 2010 als Arbeitsunfall an.

Mit der Behauptung, der Beklagte zu 1 habe die hintere Bustür geschlossen, als er gerade im Begriff gewesen sei, auszusteigen, begehrt der Kläger die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten hinsichtlich zukünftiger materieller und immaterieller Schäden. Die Beklagten machen geltend, ihre Haftung sei gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen, weil der Beklagte zu 1 zum Unfallzeitpunkt in den Betrieb der B. AG wie ein Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII eingegliedert gewesen sei.

Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 9.000 € sowie außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten und einer Auslagenpauschale verurteilt und dem Feststellungsantrag des Klägers entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.


Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Haftung der Beklagten gemäß § 106 Abs. 3 Fall 3, § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen. Der Kläger als Geschädigter und der Beklagte zu 1 als Schädiger seien zwar Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen, so dass das Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht unmittelbar eingreife. Der Unfall habe sich aber bei einer vorübergehenden Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII ereignet. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1 habe eine wechselseitige Gefahrengemeinschaft bestanden. Während der Busfahrt einschließlich der Ein- und Aussteigevorgänge habe nicht nur die Gefahr bestanden, dass der Busfahrer dem Fahrgast einen Schaden zufüge. Vielmehr habe auch der Fahrgast Gefährdungen des Busfahrers vermeiden müssen, die dadurch entstehen könnten, dass der Fahrer während der Fahrt angesprochen und abgelenkt werde. Darüber hinaus könne der Busfahrer durch schleudernde Gegenstände oder Fahrgäste verletzt werden. Das Miteinander der Beteiligten stelle sich nicht nur als zufälliges Zusammentreffen dar, sondern habe gegenseitiger Absprache und Ergänzung bedurft. Der Werksbusbetrieb sei in den Arbeitsablauf der B. AG eingebunden gewesen, so dass konkrete Absprachen hätten getroffen werden müssen wie beispielsweise zur Frage, welche Haltestellen der Bus anfahre, wie lange die Fahrt dauere, wie zu fahren sei und ob ausreichend Platz im Bus vorhanden sei. Die Arbeitnehmer der B. AG hätten auch dafür sorgen müssen, rechtzeitig an den jeweiligen Haltestellen anwesend zu sein, damit der Fahrbetrieb so durchgeführt werden könne, dass der jeweilige Schichtbeginn eingehalten werden könne. Abgesehen davon ändere sich der Charakter der Betriebsstätte und damit auch der gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 SGB VII nicht dadurch, dass ein Unternehmer einzelne Arbeitsschritte nicht mehr von eigenen, sondern von fremden Arbeitnehmern oder anderen Unternehmen durchführen lasse. In diesen Fällen träfen die jeweiligen Arbeitnehmer der verschiedenen Unternehmen nicht zufällig zusammen; vielmehr bleibe die vorhandene Gefahrengemeinschaft innerhalb des Werks bestehen mit dem einzigen Unterschied, dass dasselbe Werk nunmehr nicht nur von den eigenen Arbeitskräften, sondern auch von Arbeitnehmern anderer Unternehmen im eigenen Haus gefertigt werde. Entgegen der Auffassung des Landgerichts liege auch kein Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB VII vor. Der Kläger habe den Unfall vielmehr auf einem zur versicherten Tätigkeit zählenden Betriebsweg erlitten, da die Beförderung der Arbeitnehmer integraler Bestandteil der Organisation des Arbeitsbetriebs der B. AG gewesen sei. Der im Auftrag der B. AG durchgeführte Fahrbetrieb sei allein auf die Bedürfnisse und Notwendigkeiten der B. AG und deren Arbeitnehmer abgestimmt gewesen.


II.

Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Den Beklagten kommt kein Haftungsprivileg zugute.

1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass die Haftung des Beklagten zu 1 nicht gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen ist. Nach dieser Bestimmung sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, von der Haftung für Personenschäden freigestellt, wenn sie den Unfall weder vorsätzlich noch auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Beklagte zu 1 hat im Unfallzeitpunkt keine betriebliche Tätigkeit für den Betrieb erbracht, in dem der Kläger versichert war und dem der Versicherungsfall zuzurechnen ist.

a) Der Kläger hat den Unfall als Versicherter aufgrund seines Beschäftigungsverhältnisses zur B. AG in deren Werk in D. erlitten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Dies steht mit Bindungswirkung nach § 108 Abs. 1 SGB VII aufgrund des Bescheids vom 23. September 2010 fest, mit dem die für die B. AG zuständige Berufsgenossenschaft Holz und Metall den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anerkannt hat.

aa) Gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII ist der Zivilrichter an unanfechtbare Entscheidungen der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte hinsichtlich der Frage gebunden, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist. Die Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die Entscheidung darüber, ob der Verletzte den Unfall als Versicherter aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 1 SGB VII erlitten hat und welchem Betrieb der Unfall zuzurechnen ist (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 - VI ZR 202/07, VersR 2008, 820 Rn. 9, 13; vom 19. Mai 2009 - VI ZR 56/08, BGHZ 181, 160 Rn. 17, 21; Horst/Katzenstein, VersR 2009, 165, 169 f.; ErfK/Rolfs, Arbeitsrecht, 13. Aufl., § 108 SGB VII Rn. 2; jeweils mwN).

bb) Zwar ist dem Berufungsurteil nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob der Bescheid vom 23. September 2010 auch den Beklagten zu 1 und 2 gegenüber bestandskräftig geworden ist. Das Berufungsgericht hat insbesondere keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Beklagten zu 1 und 2 gemäß § 12 Abs. 2 SGB X in der gebotenen Weise an dem Verfahren beteiligt worden sind (vgl. zur grundsätzlichen Notwendigkeit tatsächlicher Feststellungen zu dieser Frage: Senatsurteile vom 22. April 2008 - VI ZR 202/07, VersR 2008, 820 Rn. 9; vom 19. Mai 2009 - VI ZR 56/08, BGHZ 181, 160 Rn. 22 ff.). Dies ist jedoch ausnahmsweise unschädlich, da die im Fall einer unterlassenen Beteiligung des Schädigers an sich gebotene Aussetzung des Verfahrens gemäß § 108 Abs. 2 SGB X im Streitfall eine bloße Förmelei wäre und deshalb ausnahmsweise entbehrlich ist.

Der Bescheid der Berufsgenossenschaft Holz und Metall vom 23. September 2010 ist den Beklagten insofern günstig, als durch die Anerkennung des Unfalls als Versicherungsfall eine wesentliche Voraussetzung für die von ihnen geltend gemachte Haftungsprivilegierung geschaffen worden ist. Ihre Rechtsstellung, deren Wahrung das Beteiligungserfordernis des § 12 Abs. 2 SGB X dient, könnte nur dadurch nachteilig betroffen sein, dass der Unfall als Versicherungsfall für die B. AG anerkannt wurde und deshalb nicht mehr der Beklagten zu 2 zugeordnet werden kann (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 - VI ZR 202/07, aaO, Rn. 10; vom 19. Mai 2009 - VI ZR 56/08, aaO Rn. 23). Eine fehlerhafte Zuordnung des Versicherungsfalls zum Unternehmen des Klägers - etwa weil der Kläger nicht für die B. AG, sondern als sog. "Wie-​Beschäftigter" nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII für die Beklagte zu 2 tätig gewesen sei, - machen die Beklagten aber gar nicht geltend. Hierfür bestehen auch nicht die geringsten Anhaltspunkte. Die Beklagten haben sich im Gegenteil während des gesamten Verfahrens auf den Bescheid der für die B. AG zuständigen Berufsgenossenschaft Holz und Metall vom 23. September 2010 sowie darauf berufen, dass der Beklagte zu 1 zum Unfallzeitpunkt in den Betrieb der B. AG wie ein Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII eingegliedert gewesen sei. Bei dieser Sachlage erfordern es die Interessen der Beklagten ausnahmsweise nicht, wegen ihrer Nichtbeteiligung am Feststellungsverfahren der Berufsgenossenschaft den Rechtsstreit gemäß § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB VII auszusetzen und ihnen Gelegenheit zu geben, auf eine Wiederholung des Verwaltungsverfahrens hinzuwirken. Dies wäre vielmehr eine bloße Förmelei (vgl. OLG Zweibrücken, SP 2002, 127; Horst/Katzenstein, VersR 2009, 165 ff. Fn. 12 und 46; vgl. zu den Vorläuferbestimmungen in § 901 Abs. 2, § 638 RVO: BGH, Urteil vom 19. Mai 1969 - VII ZR 9/67, BGHZ 52, 115, 119).

b) Der Beklagte zu 1 hat im Unfallzeitpunkt keine betriebliche Tätigkeit für die B. AG erbracht. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung war er für sie insbesondere nicht wie ein Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII tätig. Vielmehr hat er die Aufgaben seines Stammunternehmens, der Beklagten zu 2, wahrgenommen.

aa) Entscheidend für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit und das Eingreifen des Haftungsausschlusses im Sinne des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist die Verursachung des Schadensereignisses durch eine Tätigkeit des Schädigers, die ihm von dem Betrieb oder für den Betrieb, in dem sich der Unfall ereignet hat, übertragen war oder die von ihm im Betriebsinteresse erbracht wurde (vgl. BAGE 110, 195, 201 f. mwN; von Koppenfels-​Spies in Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl., § 105 SGB VII Rn. 3; ErfK/Rolfs, aaO, § 105 SGB VII Rn. 3; KassKomm/Ricke, Sozialversicherungsrecht, 76. Ergänzungslieferung 2012, § 105 SGB VII Rn. 3a). Diente die Tätigkeit des Schädigers sowohl dem Interesse des Unfallbetriebs als auch dem seines eigenen bzw. seines Stammunternehmens, kann sie dem Unfallbetrieb nur dann zugeordnet werden, wenn sie der Sache nach für diesen und nicht für das eigene Unternehmen geleistet wurde. Für die unfallversicherungsrechtliche Zuordnung der Tätigkeit kommt es darauf an, ob ihr Aufgaben des fremden oder solche des eigenen Unternehmens das Gepräge gegeben haben. Auch unter der Geltung des § 105 Abs. 1 SGB VII ist dabei davon auszugehen, dass derjenige, der Aufgaben wahrnimmt, die sowohl in den Aufgabenbereich seines Unternehmens als auch in denjenigen eines fremden Unternehmens fallen, allein zur Förderung der Interessen seines Unternehmens tätig wird. Erst wenn die Tätigkeit nicht mehr als Wahrnehmung einer Aufgabe seines Unternehmens bewertet werden kann, kann sie dem fremden Unternehmen zugerechnet werden (vgl. Senatsurteil vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03, VersR 2004, 1045, 1046 f.; BAGE 104, 229 Rn. 27; OLG Düsseldorf, r+s 2012, 103, jeweils mwN; Lemcke, r+s 2012, 259, 260).

bb) Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte zu 1 im Unfallzeitpunkt keine betriebliche Tätigkeit für die B. AG erbracht, sondern war für sein Stammunternehmen tätig. Mit der Durchführung der Busfahrten nahm er eine Aufgabe der Beklagten zu 2 wahr. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die B. AG die Beklagte zu 2, eine selbständige Unternehmerin, mit der Beförderung der Arbeitnehmer der B. AG von deren Wohnort zum Werk und zurück beauftragt. Soweit der Fahrbetrieb den Bedürfnissen der B. AG angepasst wurde, beruhte dies auf den vertraglichen Absprachen der beteiligten Unternehmen, ohne dass die Beklagte zu 2 dadurch ihre Selbständigkeit verlor und ihr Unternehmen in den Betrieb der B. AG integriert wurde. Der Beklagte zu 1 erfüllte mit der Durchführung der Fahrten zum einen die ihm im Verhältnis zur Beklagten zu 2 obliegende Pflicht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung und zum anderen die von dieser gegenüber der B. AG vertraglich übernommene Verpflichtung zum Transport ihrer Arbeitnehmer (vgl. auch Senatsurteil vom 1. Dezember 1981 - VI ZR 219/80, VersR 1982, 270; OLG Brandenburg, VRS 106, 247, 248 f.; OLG Karlsruhe VersR 2000, 863; OLG Stuttgart, NJW-​RR 2005, 536, 537).

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt dem Beklagten zu 1 auch nicht das unternehmensübergreifende Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII zugute. Der Unfall, aus dem der Kläger seine Ansprüche herleitet, hat sich nicht bei einer vorübergehenden betrieblichen Tätigkeit des Klägers und des Beklagten zu 1 auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ereignet.

a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats erfasst der Begriff der "gemeinsamen Betriebsstätte" betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt. Erforderlich ist ein bewusstes Miteinander im Betriebsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt. Die Tätigkeit der Mitwirkenden muss im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet sein. § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII ist nicht schon dann anwendbar, wenn Versicherte zweier Unternehmen auf derselben Betriebsstätte aufeinander treffen. Eine "gemeinsame" Betriebsstätte ist nach allgemeinem Verständnis mehr als "dieselbe" Betriebsstätte; das bloße Zusammentreffen von Risikosphären mehrerer Unternehmen erfüllt den Tatbestand der Norm nicht. Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebenso wenig wie eine bloße Arbeitsberührung. Erforderlich ist vielmehr eine gewisse Verbindung zwischen konkreten Arbeitsvorgängen in der konkreten Unfallsituation. Denn der Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII ist nur im Hinblick auf die zwischen den Tätigen verschiedener Unternehmen bestehende Gefahrengemeinschaft gerechtfertigt (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 2013 - VI ZR 175/11, VersR 2013, 460 Rn. 10 f., 13; vom 11. Oktober 2011 - VI ZR 248/10, VersR 2011, 1567 Rn. 9, jeweils mwN).

b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken des Klägers mit dem Beklagten zu 1 in der konkreten Unfallsituation ist nicht gegeben. Es fehlt sowohl an einem bewussten Miteinander im Betriebsablauf als auch an dem erforderlichen wechselseitigen Bezug betrieblicher Aktivitäten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ereignete sich der Unfall, als der Kläger durch die geöffnete hintere Tür des Busses aussteigen wollte. Selbst wenn in dem Aussteigen eine betriebliche Tätigkeit des Klägers im Sinne des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII zu sehen wäre, war diese in keiner Weise auf die Tätigkeit des Beklagten zu 1 bezogen, mit ihr verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bestand im Unfallzeitpunkt zwischen den Beteiligten auch nicht die für eine gemeinsame Betriebsstätte typische Gefahr, dass sich die Beteiligten bei den versicherten Tätigkeiten "ablaufbedingt in die Quere" kommen. Allein der Kläger war dem naheliegenden Risiko ausgesetzt, durch ein Fehlverhalten des Beklagten zu 1 zu Schaden zu kommen. Die Gefahr, dass der Kläger dem Beklagten zu 1 beim Aussteigen aus dem Bus Schaden zufügen könnte, ist rein theoretischer Natur (vgl. auch OLG Stuttgart, NJW-​RR 2005, 536 sowie zur Gefahrengemeinschaft: Senatsurteil vom 16. Dezember 2003 - VI ZR 103/03, VersR 2004, 381, 382).

Soweit das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII mit der Begründung bejaht hat, das Haftungsprivileg könne nicht davon abhängen, ob der Unternehmer betriebliche Aufgaben von eigenen Arbeitnehmern erledigen lasse oder diese rechtlich selbständigen Betrieben übertrage ("Outsourcing"), hat es übersehen, dass der Gesetzgeber die jeweiligen Fallkonstellationen unterschiedlichen Regelungen unterworfen hat, die in ihren Voraussetzungen und in ihrem Normzweck nicht übereinstimmen. Hätte die B. AG nicht die Beklagte zu 2 mit der Beförderung ihrer Arbeitnehmer beauftragt, sondern die Fahrten von eigenen Arbeitnehmern durchführen lassen, wäre die Frage einer Haftungsablösung nicht nach § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII, sondern nach § 105 Abs. 1 SGB VII zu beurteilen. Auf das Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte käme es dann nicht an. Vielmehr würde es nach dieser Bestimmung genügen, dass der Schädiger im Unfallzeitpunkt für den Betrieb tätig war, in dem der Verletzte versichert war (vgl. die Ausführungen unter Ziff. 1).

Diese unterschiedliche Behandlung der beiden Fallkonstellationen trägt u.a. dem Umstand Rechnung, dass der unternehmensübergreifende Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII seine Rechtfertigung nur in der zwischen den Tätigen verschiedener Unternehmen bestehenden Gefahrengemeinschaft findet, während die in § 105 Abs. 1 SGB VII enthaltene Haftungsprivilegierung, soweit sie sich auf Angehörige desselben Betriebs bezieht, auf dem Gedanken der Ersetzung der Haftung des Schädigers als Konsequenz der alleinigen Finanzierung der Unfallversicherung durch die Unternehmer und dem Betriebsfriedensprinzip beruht (vgl. Senatsurteile vom 16. Dezember 2003 - VI ZR 103/03, VersR 2004, 381, 382; vom 3. Juli 2001 - VI ZR 198/00, BGHZ 148, 209, 212; vom 17. Juni 2008 - VI ZR 257/06, BGHZ 177, 97, Rn. 13 f., 16 a.E.; BGH, Urteile vom 27. Juni 2002 - III ZR 234/01, BGHZ 151, 198, 202; vom 8. März 2012 - III ZR 191/11, VersR 2012, 724 Rn. 10; BAGE 104, 229 Rn. 37; 110, 195 Rn. 20; Stöhr, VersR 2004, 809 ff.; HWK/Giesen, Arbeitsrecht, 5. Aufl., Vor 104-​113 SGB VII, Rn. 3; Waltermann, NJW 2008, 2895, 2896; Meike Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden nach dem Unfallversicherungsrecht, S. 44 ff.,131 f.; Ebsen in jurisPK-​SGB VII, § 105 SGB VII Rn. 8).

3. Da zugunsten des Beklagten zu 1 keine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung eingreift, scheidet auch eine Haftungsbefreiung der Beklagten zu 2 und 3 nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses aus (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2010 - VI ZR 147/09, VersR 2010, 1190 Rn. 11).

4. Das Berufungsurteil war aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Sache war nicht zur Endentscheidung reif, da sich das Berufungsgericht - aus seiner Sicht konsequent - nicht mit den weiteren Einwendungen der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil befasst hat (§ 563 Abs. 3 ZPO).