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Amtsgericht Köln Urteil vom 15.11.2013 - 269 C 95/13 - Unfall zwischen vorfahrtberechtigtem Radfahrer und Kfz

AG Köln v. 15.11.2013: Unfall zwischen wartepflichtigem Kfz-Führer und in falscher Richtung fahrenden Radfahrer


Das Amtsgericht Köln (Urteil vom 15.11.2013 - 269 C 95/13) hat entschieden:
Bei einem Zusammenstoß zwischen einem wartepflichtigen Kfz und einem den Radweg in verkehrter Fahrtrichtung benutzenden vorfahrtberechtigten Radfahrer haftet der Radfahrer zu 40% für den eingetretenen Schaden mit.


Siehe auch Kreuzung eines Radweges mit einer Straße und Stichwörter zum Thema Vorfahrt


Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 495 a, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner kein weiterer Anspruch auf Zahlung eines materiellen Schadenersatzes gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1, 2, 249, 421 S. 1 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1, S. 4 VVG zu. Denn ein solcher Anspruch ist gemäß § 254 BGB ausgeschlossen, jedenfalls aber durch Erfüllung gemäß § 362 BGB untergegangen. Die Klägerin muss sich jedenfalls ein Mitverschulden von 40 % anrechnen lassen.

Sowohl die Klägerin wie auch der Beklagte zu 2 haben den Unfall durch schuldhafte Verkehrsverstöße herbeigeführt.

Der Beklagte zu 2 hat den Unfall durch eine Vorfahrtsverletzung gemäß § 8 Abs. 1 StVO fahrlässig verursacht. Da er aus der untergeordneten Straße nach rechts in die Vorfahrtsstraße abbiegen wollte, durfte er erst durchfahren, nachdem er sich vergewissert hatte, dass er keinen vorfahrtsberechtigten Verkehrsteilnehmer gefährdete oder in seiner ungehinderten Weiterfahrt beeinträchtigte. Gegen diese Pflicht hat er verstoßen.

Auch die Klägerin hat den Unfall fahrlässig mitverursacht, da sie entgegen der Vorschrift des § 2 Abs. 4 S. 2 StVO den für ihre Fahrtrichtung nicht freigegebenen Radweg verbotenerweise in der falschen Richtung befahren hat. Denn aufgrund der zur Akte gereichten Fotos von der Unfallstelle steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Klägerin mit ihrem Fahrrad den Fahrradweg, welcher über den Rechtsabbiegestreifen von der P. Straße zur F.-Straße in Fahrtrichtung K.straße führt, entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung benutzte. Eine Ausnahme von dem Gebot des § 2 Abs. 4 S. 2 StVO durch ein Schild gem. Zeichen 237 bestand unstreitig für den linken Radweg nicht.

Der Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteil der Klägerin ist somit nicht unerheblich. Zwar hatte sie trotz Benutzung des in ihrer Richtung nicht freigegebenen Radweges die Vorfahrt. Dieser Umstand schuf für sie aber keine besondere Vertrauensgrundlage, weil sie sich ihrerseits nicht verkehrsgerecht verhielt. Die Klägerin durfte auch nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte zu 2 anhalten und sie durchlassen werde. Der Umstand, dass sich der Beklagte zu 2 kontinuierlich langsam fahrend über den Radweg hinweg auf die F. Straße zubewegte, musste der Klägerin eher Veranlassung geben, dass sich der Beklagte zu 2 vorwiegend nach links orientierte – von dort drohten ihm in erster Linie Gefahren – und sie, die Klägerin, nicht bemerken würde. Eine auf ihre eigenen Interessen bedachte Radfahrerin hätte sich der Einmündung von vornherein nur so langsam genähert, dass sie noch vor von links kommenden Kraftfahrzeugen hätte anhalten können. Darauf, dass der Fahrer eines Pkws sie bemerken und anhalten würde, durfte sie ohne Herstellung eines Blickkontaktes nicht vertrauen.

Unter Abwägung dieser Umstände erscheint es dem Gericht sachgerecht, die Klägerin mit 40 % an den Unfallfolgen zu beteiligen, wie es die Beklagte zu 1 bei ihrer Berechnung des Schadensersatzanspruches der Klägerin vorgerichtlich gemacht hat.

2. Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner auch kein weiterer Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gemäß § 823 Abs. 1, 2, 253 Abs. 2, 421 S. 1 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1, S. 4 VVG zu. Denn ein solcher Anspruch ist gemäß § 254 BGB ausgeschlossen, jedenfalls aber durch Erfüllung gemäß § 362 BGB untergegangen.

Selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrages hält das Gericht ein Schmerzensgeld von mehr als 150 EUR für den erlittenen immateriellen Schaden der Klägerin nicht für gerechtfertigt. Die Klägerin erlitt ausweislich des Ambulanzbogens des Krankenhauses L: eine Knieprellung. Streitig zwischen den Parteien ist lediglich, ob die im Ambulanzbogen angegebenen vorzeitigen Wehen (die Klägerin war unstreitig im 6. Monat schwanger), welche im Krankenhaus abklangen, auf den Verkehrsunfall zurückzuführen sind. Einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte es dazu nicht. Denn selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrages zur Kausalität ergibt sich kein höheres Schmerzensgeld.

Denn schmerzensgeldmindernd wirkt sich vorliegend aus, dass die Klägerin, wie oben bereits festgestellt, bei der Entstehung des Schadens ein nicht unerhebliches Mitverschulden, nämlich in Höhe von 40 %, trifft. Bei Berücksichtigung dieses klägerischen Mitverschuldens und allen sonstigen Umständen, auch der als wahr unterstellten (Art und Intensität der Verletzungen: Knieprellung, kurzzeitige Wehen, welche im Krankenhaus abklangen, keine Arbeitsunfähigkeit, Klägerin konnte am nächsten Tag bereits einen Flug in ihre Heimat antreten) hält das Gericht einen Betrag von 150 EUR für angemessen, um der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes gerecht zu werden.

3. Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner auch kein weiterer Anspruch auf Freistellung der Rechtsanwaltsgebühren gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 249, 257 Abs. 1, 421 S. 1 BGB zu. Soweit ein solcher Anspruch bestand, ist auch dieser gemäß § 362 BGB untergegangen. Ein weiterer Freistellungsanspruch besteht darüber hinaus nicht.

Die Höhe der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten richtet sich nach dem maßgeblichen Streitwert. Aufgrund des Mitverschuldensanteils der Klägerin und der oben dargelegten Umstände ist ein Streitwert bis 600 EUR der Berechnung zugrunde zu legen.

4. Mangels Hauptforderung besteht kein Anspruch auf Zahlung der Zinsen.

5. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711.

Streitwert: 307,19 EUR.



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