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Finanzgericht Dessau-Roßlau Urteil vom 02.10.2013 - 2 K 512/11 - Einordnung eines Rover Defender mit vollständig verglaster Doppelkabine als Pkw

FG Dessau-Roßlau v. 02.10.2013: Zur Einordnung eines Rover Defender mit vollständig verglaster Doppelkabine als Pkw


Das Finanzgericht Dessau-Roßlau (Urteil vom 02.10.2013 - 2 K 512/11) hat entschieden:
  1. Ein Pickup der Marke Rover Defender 130 mit vier Türen und fünf Sitzen mit Sicherheitsgurten sowie einer vollständig verglasten und durch eine feste Trennwand von der Ladefläche abgegrenzten Doppelkabine ist auch dann als Pkw mit der Folge der emissionsbezogenen Hubraumbesteuerung einzuordnen, wenn die Ladefläche die der Personenbeförderung dienende Fläche geringfügig übersteigt. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Pickup über eine für Pkw übliche Motorisierung und Höchstgeschwindigkeit verfügt und die Zulademöglichkeit nur rund ein Drittel des zulässigen Gesamtgewichts beträgt.

  2. Die Ladefläche ermittelt sich unter Einbezug der Flächen für die Radkästen und den Kraftstoffeinfüllstutzen bei zur Beladbarkeit ausreichendem Abstand zur Ladekante. Nicht hinzuzurechnen ist jedoch die aus dem Ausbau von zwei Sitzen (ohne Entfernung der Sicherheitsgurte) und die Montage von Regalen zur Werkzeugbeförderung im Fahrgastraum verwendete Fläche sowie die Fläche der Mittelkonsole.

Siehe auch Einordnung als Pkw oder Lkw bei der Kfz-Steuer und Kraftfahrzeugsteuer - Kfz -Steuer


Tatbestand:

Streitig ist, ob der Beklagte (FA) das Fahrzeug des Klägers zutreffend als einen der Hubraumbesteuerung unterliegenden PKW eingestuft hat.

Der Kläger ist seit dem 27. Juli 2010 Halter eines Pickup-​Fahrzeugs mit Doppelkabine der Marke Rover Defender 130 mit dem amtlichen Kennzeichen ... Die Zulassungs​bescheinigung Teil I weist die Fahrzeugklasse und den Aufbau als „LKW Plane und Spriegel“, ein Leergewicht von 2.167 kg, ein zulässiges Gesamtgewicht von 3.500 kg, eine Höchstgeschwindigkeit von 129 km/h und fünf Sitzplätze einschließlich des Fahrersitzplatzes aus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Fotokopie der Zulassungsbescheinigung Teil I verwiesen. Das Fahrzeug hat ausweislich der vom Kläger überreichten Fotoaufnahmen vier Türen, die Doppelkabine hat eine vollständige Verglasung und zwischen Doppelkabine und Ladefläche befindet sich eine feste Trennwand.

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) hat für das Fahrzeug ausgehend von der Fahrzeugart PKW mit Bescheid vom 24. September 2010 unter der Steuernummer ... die Steuer für die Zeit vom 27. Juli 2010 bis zum 31. März 2011 auf 585 €, für die Zeit vom 01. April 2011 bis zum 26. Juli 2011 auf 266 € und für die Zeit ab dem 27. Juli 2011 auf jährlich 832 € festgesetzt. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 29. März 2011 als unbegründet zurück.

Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die objektive Beschaffenheit des Fahrzeugs spreche für eine Einordnung als LKW. Im Übrigen sei nach eigener Vermessung die Ladefläche größer als die zur Personen​beförderung dienende Fläche.

Das FA hat das Fahrzeug des Klägers nach Klageerhebung am 14. Februar 2013 besichtigt und folgende Feststellungen getroffen: Die Bodenfläche des Fahrgastraumes hat eine Länge von 1,90 m und eine Breite von 1,38 m (= 2,622 qm). Zwei der drei hinteren Sitze in der Doppelkabine sind ausgebaut und durch ein Regal ersetzt worden. Die dadurch geschaffene Fläche hat eine Länge von 0,91 m und eine Breite von 0,80 m (= 0,728 qm). Die Sitzbefestigungspunkte und Sicherheitsgurthalterungen der ausgebauten Sitze sind weder entfernt noch unbrauchbar gemacht worden. Die Ladefläche hat eine Länge von 1,70 m und eine Breite von 1,67 m (= 2,839 qm); hiervon entfällt auf die Radkästen eine Fläche von 0,4988 qm (= 0,86 m x 0,29 m x 2; Höhe 0,21 m) und auf den Kraftstoffeinfüllstutzen eine Fläche von 0,0364 qm (= 0,26 m x 0,14 m; Höhe 0,28 m). Der Kläger vertritt den Standpunkt, bei der Fläche des Fahrgastraumes sei die auf den „Mitteltunnel“ entfallende Fläche von mehr als 0,32 qm abzuziehen. Im Übrigen sei die durch die ausgebauten Sitze gewonnene Fläche in der Doppelkabine der Ladefläche hinzuzurechnen, da die Sicherheitsgurte der Sitze abgebaut worden seien. Die Sitzgelegenheit könne daher nicht ohne größeren Aufwand wiederhergestellt werden.

Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Bescheides über Kraftfahrzeugsteuer vom 24. September 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. März 2011 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 30. März 2012 die Steuer jeweils unter Zugrundelegung der Fahrzeugart LKW herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA ist der Auffassung, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse prägten sämtliche Merkmale das Fahrzeug des Klägers als PKW. Bei Pickup-​Fahrzeugen sei eine Einordnung als LKW grundsätzlich nur dann gerechtfertigt, wenn die Ladefläche die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche übertreffe. Das Fahrzeug des Klägers habe jedoch eine Ladefläche, die weniger als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmache. Die durch den Ausbau der hinteren Sitze in der Doppelkabine gewonnene Fläche sei der Ladefläche nicht zuzurechnen, da diese Fläche durch den Einbau der Sitze jederzeit wieder für den Personentransport nutzbar gemacht werden könne. Bei der Berechnung der Ladefläche sei zudem die Fläche der Radkästen und des Kraftstoffeinfüllstutzens nicht zu berücksichtigen.

Auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 Nr. 3 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) setzte das FA mit Bescheid vom 30. März 2012 die Kraftfahrzeugsteuer wegen der Beendigung der Steuerpflicht für die Zeit vom 27. Juli 2011 bis zum 14. März 2012 wiederum ausgehend von der Fahrzeugart PKW auf 527 € fest.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Das FA ist zutreffend davon ausgegangen sein, dass es sich bei dem Fahrzeug des Klägers um einen Personenkraftwagen im Sinne von § 8 Nr. 1 KraftStG handelt, für welchen sich die Steuer nach § 9 Absatz 1 Nr. 2 KraftStG bemisst. Im Einzelnen:

Die Abgrenzung zwischen LKW und PKW ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anhand der Bauart, der Ausstattung und der Eignung des Fahrzeugs zur Personenbeförderung bzw. zur Lastenbeförderung vorzunehmen. Dabei ist die objektive Beschaffenheit des Fahrzeugs unter Berücksichtigung aller Merkmale in ihrer Gesamtheit vom Tatsachengericht zu bewerten; zu berücksichtigen sind z.B. die Zahl der Sitzplätze, die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, die erreichbare Höchstgeschwindigkeit, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten, die Verblechung der Seitenfenster, die Beschaffenheit der Karosserie und des Fahrgestells, die Motorisierung und bei Serienfahrzeugen die Konzeption des Herstellers (BFH-Urteile vom 24. Februar 2010, II R 6/08, BStBl II 2010, 994, und vom 29. August 2012 II R 7/11, BStBl II 2013, 93).

Vorliegend ist ein sogenanntes Pickup-​Fahrzeug zu beurteilen. Bei derartigen Fahrzeugen kommt in der Regel dann, wenn die Ladefläche geringer ist als die zur Personen​beförderung dienende Fläche, diesem Umstand ausschlaggebende Bedeutung zu (BFH-​Urteile vom 29. August 2012 II R 7/11, BStBl II 2013, 93, und vom 05. Dezember 2012 II R 23/11, BFH/NV 2013, 992).

Vorliegend ist jedoch die Ladefläche größer als die zur Personenbeförderung dienende Fläche. Nach dem Ergebnis der Vermessung beträgt nämlich die Ladefläche 2,839 qm und die Bodenfläche der Doppelkabine 2,622 qm. Das FA ist zutreffend davon ausgegangen, die durch den Ausbau der zwei hinteren Sitze in der Doppelkabine entstandene Fläche nicht der Ladefläche zuzurechnen. Dass der Kläger diese Fläche zum Transport von Werkzeug und Material nutzt, ist unerheblich. Denn maßgeblich ist die objektive Eignung der Fläche zum Transport von Werkzeug und Material, nicht aber deren tatsächliche Verwendung. Für die Führerkabine ist bei objektiver Betrachtung die Funktion des Personentransports bestimmend (BFH-​Urteil vom 05. Dezember 2012 II R 23/11, BFH/NV 2013, 992). Im Übrigen ist der vorgenommene Umbau - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht von Dauer und kann jederzeit wieder rückgängig gemacht werden. Die Sitzbefestigungspunkte und Sicherheitsgurt​halterungen der ausgebauten Sitze sind weder entfernt noch unbrauchbar gemacht worden. Zudem bildet die feste Trennwand zwischen den Sitzen und der Ladefläche bei der Berechnung der maßgeblichen Nutzflächen bei objektiver Betrachtung eine Grenze zwischen der zur Personenbeförderung und der zur Lastenbeförderung dienenden Bodenfläche (Finanzgericht Münster, Urteil vom 12. Januar 2010 13 K 4411/07 Kfz, EFG 2010, 753). Daher hat das FA auch die Fläche der Mittelkonsole zutreffend der für die Personenbeförderung bestimmten Fläche zugerechnet. In die Berechnung der Ladefläche sind – entgegen der Auffassung des FA – die auf die Radkästen und den Kraftstoffeinfüllstutzen entfallenden Flächen aufgrund ihres Abstandes zum oberen Rand der Ladekante und ihrer Belastbarkeit einzubeziehen (BFH-​Urteil vom 05. Dezember 2012 II R 23/11, BFH/NV 2013, 992).

In Fällen, in denen die Ladefläche größer als die für die Personenbeförderung vorgesehene Fläche ist, erfolgt die Abgrenzung nach allgemeinen Kriterien. Dabei ist die Größe der Ladefläche und ihr Verhältnis zur Fläche für die Personenbeförderung nur ein Gesichtspunkt im Rahmen der Gesamtabwägung, dem allerdings umso größere Bedeutung zukommt, je deutlicher die Ladefläche die Fläche für die Personenbeförderung überwiegt. Überwiegt die Ladefläche die zur Personenbeförderung dienende Fläche indes - wie hier (52% zu 48%) - nur unwesentlich, spricht dies eher dafür, dass das Fahrzeug nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt ist (BFH-​Urteil vom 29. August 2012 II R 7/11, BStBl II, 2013, 93).

Im Übrigen lassen das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs und die Hersteller​konzeption mit vier Türen, fünf Sitzen und vollständiger Verglasung der Personenkabine das Fahrzeug auch bei einer rechnerisch etwas größeren Ladefläche als PKW erscheinen. Auch die für einen PKW übliche Motorisierung und die Höchstgeschwindigkeit von 129 km/h lassen den Schluss zu, dass das Fahrzeug nicht vorwiegend zum Transport von Gütern, sondern von Personen geeignet und bestimmt ist. Dasselbe gilt für die Möglichkeit, Lasten zuzuladen. Die Zuladung liegt mit 1.333 kg zwar über der Grenze von 800 kg, die der BFH bei Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 2.800 kg als Mindestzuladung ansieht (BFH-​Urteil vom 24. Februar 2010 II R 6/08, BStBl II 2010, 994). Mit nur etwas mehr als einem Drittel des zulässigen Gesamtgewichts von 3.500 kg liegt sie jedoch nicht so hoch, dass sie eine überwiegende Verwendung des Fahrzeugs zum Gütertransport eindeutig indiziert. Danach ist das Fahrzeug nach Überzeugung des Senats nicht überwiegend zum Transport von Gütern geeignet und bestimmt und ist für Zwecke der Kraftfahrzeugsteuer als PKW einzuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).