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Bundesfinanzhof Beschluss vom 26.11.2013 - VII B 243/12 - Abrechnung der Kraftfahrzeugsteuer bei Insolvenzeröffnung

BFH v. 26.11.2013: Zur Abrechnung der Kraftfahrzeugsteuer bei Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Fahrzeughalters


Der Bundesfinanzhof (Beschluss vom 26.11.2013 - VII B 243/12) hat entschieden:
Wird während des Zeitraums, für den die Kraftfahrzeugsteuer im Voraus entrichtet worden ist, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Fahrzeughalters eröffnet, ist die entrichtete auf den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallende Steuer der Insolvenzmasse zu erstatten. Gegen den Erstattungsanspruch kann das FA mit Insolvenzforderungen aufrechnen, sofern keine insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote bestehen.


Siehe auch Kraftfahrzeugsteuer - Kfz-Steuer


Tatbestand:

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Insolvenzverwalter in dem am 1. September 2008 über das Vermögen der X-​GmbH (Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren. Die Schuldnerin war Halter eines zur späteren Insolvenzmasse gehörenden Kraftfahrzeugs, für das sie die Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 339 € zu Beginn des vom 5. Januar 2008 bis zum 4. Januar 2009 laufenden Entrichtungszeitraums gezahlt hatte.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechnete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - ​FA -) die auf den Zeitraum 5. Januar bis 31. August 2008, also bis zur Insolvenzeröffnung, entfallende Kraftfahrzeugsteuer für die Schuldnerin mit 222 € neu und wies dementsprechend ein Guthaben für die Schuldnerin in Höhe von 117 € aus.

Während des Insolvenzverfahrens wurde das Fahrzeug bis zu seiner Abmeldung am 4. November 2008 zur Fortführung des Betriebs der Schuldnerin genutzt. Für diesen Zeitraum (1. September bis 3. November 2008) setzte das FA Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 64 € gegen den Kläger fest.

Das für die Schuldnerin ermittelte Guthaben in Höhe von 117 € verrechnete das FA mit einer offenen Umsatzsteuerschuld für Mai 2008. Nachdem der Kläger dieser Aufrechnung widersprochen und seinerseits die Aufrechnung gegen die ihm gegenüber festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer erklärt hatte, erließ das FA einen Abrechnungsbescheid, mit dem es das Erlöschen des Erstattungsanspruchs von 117 € durch Aufrechnung feststellte.

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16. November 2004 VII R 62/03 (BFHE 207, 371, BStBl II 2005, 309) sei davon auszugehen, dass die auf den gesamten Entrichtungszeitraum entfallene Kraftfahrzeugsteuer auf die Zeiträume vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufzuteilen sei. Während die nach Insolvenzeröffnung für das Halten des Fahrzeugs der Schuldnerin entstandene Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit gegen den Kläger als Insolvenzverwalter neu festzusetzen sei, müsse der von der Schuldnerin im Voraus entrichtete Steuerbetrag, soweit er auf den Zeitraum nach Insolvenzeröffnung entfalle, der Insolvenzmasse erstattet werden, sofern er nicht - ​wie im Streitfall - mit Insolvenzforderungen des FA verrechnet werde. Insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote stünden der im Streitfall erklärten Aufrechnung nicht entgegen.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung - ​FGO -) stützt.


Entscheidungsgründe:

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

Die insolvenzrechtliche Behandlung vor Insolvenzeröffnung entrichteter Kraftfahrzeugsteuer für ein zur Insolvenzmasse des Schuldners gehörendes Fahrzeug ist durch die Rechtsprechung des beschließenden Senats geklärt. Nach dem Senatsurteil in BFHE 207, 371, BStBl II 2005, 309 ist die Kraftfahrzeugsteuerschuld eines Entrichtungszeitraums, in den die Insolvenzeröffnung fällt, auf die Tage vor und die Tage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Folge aufzuteilen, dass hinsichtlich der für die Tage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzschuldner bereits entrichteten Kraftfahrzeugsteuer ein Erstattungsanspruch entsteht. Diese Rechtsgrundsätze hat das FG im Streitfall zutreffend angewendet.

1. Die seitens der Beschwerde gegen das vorgenannte Senatsurteil vorgebrachten Einwände wecken keine die Zulassung der Revision rechtfertigenden Zweifel, ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist.

Die Beschwerde macht insoweit im Wesentlichen geltend, dass sich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an der Haltereigenschaft des Insolvenzschuldners nichts ändere, der Insolvenzverwalter daher nicht Halter des zur Insolvenzmasse gehörenden Fahrzeugs und somit gemäß § 7 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) auch nicht Schuldner der Kraftfahrzeugsteuer werde. Es gebe keinen Grund, entgegen dem Wortlaut des Gesetzes die Steuerschuld von der Person des Halters zu lösen. Wegen der fortbestehenden Haltereigenschaft des Insolvenzschuldners und der bloßen Fremdverwaltung seines Vermögens durch den Insolvenzverwalter entstehe bei Insolvenzeröffnung kein die Kraftfahrzeugsteuer betreffendes Steuerguthaben. Ein solches Guthaben entstehe erst bei Abmeldung des Fahrzeugs vor Ablauf des Entrichtungszeitraums.

Der beschließende Senat hat allerdings in jenem Urteil in BFHE 207, 371, BStBl II 2005, 309 keineswegs in Abrede gestellt, dass nach § 7 Nr. 1 KraftStG derjenige Steuerschuldner ist, für den das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist, sondern hat seine Entscheidung auf die Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO) gestützt, die das Steuerrecht überlagern und modifizieren. Da eine in den Tagen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene, jedoch nicht bezahlte Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 38 InsO Insolvenzforderung sei, jedoch die für dasselbe nach Verfahrenseröffnung weiterhin vom Insolvenzverwalter genutzte Fahrzeug entstandene Kraftfahrzeugsteuer eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, sei dem insolvenzrechtlich unterschiedlichen Schicksal dieser Verbindlichkeiten auch dann Rechnung zu tragen, wenn die Kraftfahrzeugsteuer bereits vor Insolvenzeröffnung im Voraus entrichtet worden sei. Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Kraftfahrzeugsteuer sei durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen, während der entsprechende vor Verfahrenseröffnung bereits im Voraus entrichtete Betrag der Insolvenzmasse zu erstatten sei. An dieser Rechtsprechung ist wegen des Vorrangs der Insolvenzordnung festzuhalten.

2. Ebenso wenig lassen sich dem bloßen Hinweis der Beschwerde, diese Rechtsprechung des Senats sei "in der Literatur teilweise kritisiert worden", Gründe für ihre Änderung und damit für die Zulassung der Revision entnehmen. Der insoweit von der Beschwerde angeführte Farr (Die Besteuerung in der Insolvenz, Rz 434) hält die Rechtsprechung des beschließenden Senats lediglich für nicht zutreffend bzw. nicht überzeugend und meint, der Insolvenzschuldner bleibe auch nach Verfahrenseröffnung Schuldner der Kraftfahrzeugsteuer, was allerdings im Senatsurteil in BFHE 207, 371, BStBl II 2005, 309 durchaus erwogen, jedoch im Ergebnis anders entschieden worden ist. Gundlach, Frenzel, Schirrmeister (Die Aufrechnung gegen Steuererstattungsansprüche in der Insolvenz, Deutsches Steuerrecht 2005, 1412) begründen ihre Kritik mit dem Sinn und Zweck der Steuervorauszahlung. Dem stehen jedoch die Ausführungen im Senatsurteil in BFHE 207, 371, BStBl II 2005, 309 entgegen, der zufolge die Steuerschuld der Insolvenzmasse und die im Voraus entrichtete, jedoch nicht entstandene Steuerschuld des Insolvenzschuldners nur der Höhe nach identisch, wesensmäßig jedoch verschieden sind.

Ab Insolvenzeröffnung sind zwei, bei Freigabe von Vermögensgegenständen aus der Insolvenzmasse sogar drei Vermögensmassen zu unterscheiden. Bei objektbezogenen Steuern wie der Kraftfahrzeugsteuer ist die Steuerschuld daher derjenigen Vermögensmasse zuzuordnen, zu welcher das Objekt gehört. Dies wird auch in der Literatur nicht in Frage gestellt. Es erscheint deshalb nicht folgerichtig, wenn - ​was z.T. in der Literatur u.a. auch von den seitens der Beschwerde angeführten Autoren vertreten wird - die Zuordnung des Fahrzeugs zu den unterschiedlichen Vermögensmassen zu beachten sein soll, sofern die vor Insolvenzeröffnung festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer pflichtwidrig nicht entrichtet wurde oder das Fahrzeug freigegeben wurde und zum insolvenzfreien Vermögen des Schuldners gehört, nicht aber, wenn die vor Insolvenzeröffnung festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer entrichtet und das Fahrzeug nunmehr vom Insolvenzverwalter weiter genutzt wird.

Im Übrigen hat das Senatsurteil in BFHE 207, 371, BStBl II 2005, 309 Kritik in der Literatur (und auch im Streitfall der Beschwerde) vor allem hervorgerufen, weil das FA in jenem Fall gegen den Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse mit Insolvenzforderungen aufrechnen konnte. Die Frage, ob ein Erstattungsanspruch der Insolvenzmasse entstanden ist, lässt sich aber nicht mit der Begründung verneinen, eine dadurch entstehende Aufrechnungsmöglichkeit des FA sei kein wünschenswertes Ergebnis.

Darüber hinaus gibt es allerdings auch zustimmende Literaturmeinungen (vgl. Lüdtke in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 38 InsO Rz 57; Jarchow, ebenda, § 55 InsO Rz 65; MünchKomm InsO, Insolvenzsteuerrecht Rz 228 ff.; Graf-​Schlicker, InsO, § 55 Rz 21 f.; Busch/Hilbertz, Aufrechnung von Kraftfahrzeugsteuer im eröffneten Insolvenzverfahren, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzverfahren 2005, 195). Letztere führen zu Recht aus, Verbindlichkeiten, die der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Verfahrens begründe, seien Masseverbindlichkeiten und könnten nicht auf die vor Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzschuldner vorausgezahlten Beträge angerechnet werden, weil dies zu einer unzulässigen Vermischung der verschiedenen Vermögensmassen führe.

3. Besteht aber ein zur Insolvenzmasse gehörender Erstattungsanspruch, kann der Schuldner dieser Forderung mit eigenen Ansprüchen aufrechnen, sofern keine insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote bestehen.

Im Streitfall hat das FG zu Recht entschieden, dass § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO die seitens des FA erklärte Aufrechnung mit einer Umsatzsteuerforderung aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht hindert. Das FA ist nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Masse schuldig geworden, vielmehr ist der Erstattungsanspruch insolvenzrechtlich als bereits vor Verfahrenseröffnung begründet anzusehen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats, dass für einen auf Vorauszahlungen beruhenden steuerrechtlichen Erstattungsanspruch der Rechtsgrund im insolvenzrechtlichen Sinne im Zeitpunkt der Vorauszahlung gelegt worden ist, da der Steuerpflichtige bei Steuervorauszahlungen bereits mit deren Entrichtung einen Erstattungsanspruch unter der aufschiebenden Bedingung erlangt, dass am Ende des Besteuerungszeitraums die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung (vgl. Senatsurteil vom 6. Februar 1996 VII R 116/94, BFHE 179, 547, BStBl II 1996, 557; Senatsbeschluss vom 7. Juni 2006 VII B 329/05, BFHE 212, 436, BStBl II 2006, 641; ebenso Farr, a.a.O., Rz 435).

Soweit die Beschwerde dieser Auffassung entgegentritt, bezeichnet sie keinen Grund für die Zulassung der Revision. Von einer doppelten Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer - ​wie die Beschwerde meint - kann nicht die Rede sein. Durch die Verrechnung des Kraftfahrzeugsteuerguthabens mit der Umsatzsteuerforderung Mai 2008 wurde nicht die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit nach Insolvenzeröffnung ein weiteres Mal entrichtet, sondern die Umsatzsteuerforderung erfüllt.