Das Verkehrslexikon

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Finanzgericht Nürnberg Urteil vom 26.08.2010 - 6 K 489/2009 - Kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einordnung eines Land Rover Defender 130 Crew Cab als Pkw

FG Nürnberg v. 26.08.2010: Zur kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Einordnung eines Land Rover Defender 130 Crew Cab als Pkw


Das Finanzgericht Nürnberg (Urteil vom 26.08.2010 - 6 K 489/2009) hat entschieden:
Das viertürige Pick-up-Fahrzeug Land Rover Defender 130 Crew Cab ist kraftfahrzeugsteuerrechtlich als PKW nach Hubraum, Schadstoff- und Kohlendioxidemissionen zu besteuern. Zu den relevanten Merkmalen und zur Ermittlung der Ladefläche, die für die Qualifizierung als LKW bzw. PKW von Bedeutung sind.


Siehe auch Einordnung als Pkw oder Lkw bei der Kfz-Steuer und Kraftfahrzeugsteuer - Kfz -Steuer


Tatbestand:

Streitig ist, ob das Finanzamt es zu Recht abgelehnt hat, das Kraftfahrzeug des Klägers rückwirkend ab 01.05.2005 als Lkw zu besteuern, entgegen der Einstufung des Fahrzeugs als Pkw in den bestandskräftigen Kraftfahrzeugsteuerbescheiden vom 08.08.2005 und vom 03.07.2007.

Der Kläger ist seit dem xx.xx.2000 (Tag der Erstzulassung) Halter des streitgegenständlichen Pick-​up-​Fahrzeugs mit Doppelkabine Land Rover (GB) Defender 130 Crew Cab mit dem amtlichen Kennzeichen B . Aus dem vorliegenden Fahrzeugschein ergeben sich die verkehrsrechtliche Fahrzeugart " Lkw Plane u. Spriegel", verbunden mit der (Lkw-​)Schadstoffschlüsselnummer 53 (Ziffer 1, Stellen 5 und 6) und u. a. folgende weitere Daten: Dieselmotor, Hubraum 2495 cm³, Leergewicht 2197 kg, zul. Gesamtgewicht 3500 kg, Höchstgeschwindigkeit 130 km/h, 5 Sitzplätze (einschl. Fahrersitz). ( Laut ergänzender Rückfrage des Gerichts bei der Kraftfahrzeugzulassungsstelle am 06.08.2010 sind diese technischen Daten des Fahrzeugs bis heute unverändert.)

Entsprechend den von der Zulassungsstelle im Datenträgeraustausch übermittelten Daten setzte das Finanzamt mit Kraftfahrzeugsteuer(erst)bescheid vom 25.08.2000 eine Jahressteuer in Höhe von 412,00 DM für die Zeit ab 08.08.2000 fest.

Mit Änderungsbescheid vom 08.08.2005 - gestützt auf § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes -​KraftStG-​ - stufte das Finanzamt den Pick-​up rückwirkend ab 01.05.2005 nunmehr als Pkw ein und besteuerte ihn dementsprechend nach Hubraum und Schadstoffausstoß (Emissionsschlüssel 29). Die Jahressteuer erhöhte sich dadurch auf 683,00 € (27,35 € je angefangene 100 cm³). Zur Begründung heißt es in dem Bescheid unter "Sonstige Erläuterungen":
"Die Besteuerungsgrundlagen für Ihr Fahrzeug haben sich infolge der Aufhebung des § 23 Abs. 6 a StVZO zum 01.05.2005 geändert. Die Besteuerung richtet sich ab diesem Stichtag ausschließlich nach objektiven Beschaffenheitskriterien, insbesondere nach Bauart, Einrichtung und äußerem Erscheinungsbild des Fahrzeugs. Bei hiernach vorrangig zur Personenbeförderung ausgelegten und gebauten Fahrzeugen (z. B. Geländewagen, Großraumlimousinen, Kleinbusse, Pickups) ist die Steuer nach dem Hubraum und den Schadstoffemissionen zu bemessen."
Laut Aktenvermerk wurde das Fahrzeug am 11.08.2005 beim Finanzamt zur Besichtigung vorgefahren. Hierbei wurde die Fläche des Ladeteils des viertürigen Fahrzeugs mit (167 cm x 155 cm =) 2 ,58 m² und die der Personenbeförderung dienende Fläche mit (205 cm x 140 cm =) 2 ,87 m² gemessen.

Mit erneut geändertem Bescheid vom 03.07.2007 wurde die Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug des Klägers ab 01.04.2007 auf jährlich 713,00 € heraufgesetzt, auf der Grundlage eines Steuersatzes von 28,55 €/100 cm³ gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c KraftStG i.V.m. § 9a KraftStG. Unter "Sonstige Erläuterungen" heißt es:
"Die Steuer für Ihr Fahrzeug erhöht sich nach § 9a Kraftfahrzeugsteuergesetz ab 01.04.2007 um 1,20 € je angefangene 100 cm³, weil es nicht mit Partikelminderungstechnik ausgerüstet ist (Viertes Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 24.03.2007, BGBl. I Seite 356). … "
Laut Aktenvermerk des zuständigen Sachbearbeiters vom 01.08.2008 sprach der Kläger am 28.07. 2008 erneut beim Finanzamt vor, um eine Berichtigung der Fahrzeugart zu erwirken. Hierbei wurde das Fahrzeug wiederum in Augenschein genommen, geprüft und fotografiert. Bei einem neuen Aufmaß wurden für den Ladeteil eine Fläche (172 cm x 166 cm =) 2,86 m² und für die Personenfläche (201 cm x 140 cm =) 2,81 m² gemessen.

Der schriftliche Antrag des Klägers vom 18.08.2008 auf Änderung des Kfz-​Steuerbescheides vom 03.07.2007, hier konkret auf Änderung der Fahrzeugart vom "Pkw" zum "Lkw", wurde vom Finanzamt am 20.08.2008 abgelehnt . Der angegriffene Kraftfahrzeugsteuerbescheid sei sowohl inhaltlich als auch formell korrekt ergangen. Zutreffend sei der Land Rover Defender 130 Crew Cap kraftfahrzeugsteuerrechtlich als Pkw eingestuft worden.

Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte der Kläger, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, am 03.09.2008 Einspruch ein. Dieser beantragte, den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 08.08.2005, geändert durch den Bescheid vom 03.07.2007, sowie den Bescheid vom 20.08.2008 dahingehend zu ändern, dass die Steuerfestsetzung rückwirkend nach den Grundsätzen der Gewichtsbesteuerung für Lkw erfolgt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:

Im Kraftfahrzeugsteuerrecht sei mit Wirkung zum 01.05.2005 definiert worden, welche Fahrzeuge auch als Personenkraftwagen gelten würden. Nach § 2 Abs. 2a KraftStG sei nur dann von einem Personenkraftwagen auszugehen, wenn die genannten Fahrzeuge vorrangig zur Personenbeförderung ausgelegt und gebaut seien. Gemäß § 2 Abs. 2a Satz 3 KraftStG sei dies insbesondere dann der Fall, wenn die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche größer sei als die Hälfte der gesamten Nutzfläche des Fahrzeugs.

Das Finanzamt habe eine Personenbeförderungsfläche von 2,81 m² und eine Ladefläche von 2,86 m² festgestellt. Somit sei die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche nicht größer als die Hälfte der gesamten Nutzfläche, so dass die Voraussetzung des § 2 Abs. 2a Satz 3 KraftStG erfüllt sei. Da von der Rechtsprechung aufgestellte Grundsätze zur Flächenberechnung nicht Eingang in die gesetzliche Legaldefinition gefunden hätten, stelle auch die Fläche über den Radkästen zumindest eine Nutzfläche dar. Auf die Nutzlast komme es nicht an.

Verfahrensrechtlich handele es sich um einen Bescheid mit Dauerwirkung, da die Kraftfahrzeugsteuer über einen Zeitraum von mehreren Kalenderjahren festgesetzt worden sei. Der Bescheid sei daher als rechtswidriger Verwaltungsakt nach § 173 Abs.1 Nr. 2 der Abgabenordnung -AO- rückwirkend zu ändern.

Nach einem vorausgegangenen Erläuterungsschreiben wurde der Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 06.03.2009 zurückgewiesen.

Zur Begründung führte das Finanzamt zunächst in verfahrensrechtlicher Hinsicht aus, dass eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ausscheide, da keine neuen Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt geworden seien, die zu einer niedrigeren Steuer führen würden.

In materiell-​rechtlicher Hinsicht wies das Finanzamt darauf hin, dass bei der Beurteilung der Frage, ob die Ladefläche eines Kraftfahrzeugs mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmache, die Fläche über den Radkästen nicht zur Ladefläche zähle (Urteil des FG München vom 8. September 2004 4 K 3889/04, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2005, 483). Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug betrage somit die Personenbeförderungsfläche 2,81 m² und die Ladefläche (2,86 m² abzügl. der Fläche über den Radkästen von ca. 0,3 m² =) 2,56 m² .

Nach dem rechtskräftigen Urteil des Finanzgerichts Schleswig-​Holstein vom 21. September 1999 III 239/97 sei ein Pick-​up-​Fahrzeug mit Doppelkabine der Marke Land Rover -GB- vom Typ Defender 130 Crew Cap als Pkw zu besteuern, weil die Ladefläche nicht deutlich erkennbar die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche übertreffe und der Gütertransport laut Herstellerkonzept ("Crew Cap") nicht im Vordergrund stehe.

Mit seiner am 07.04.2009 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger weiterhin die Besteuerung seines Fahrzeugs als Lkw rückwirkend ab 01.05.2005.

Zur Begründung wiederholt der Prozessbevollmächtigte zunächst wörtlich die bereits in der Einspruchsbegründung vom 03.09.2008 gemachten Ausführungen. Ergänzend merkt er u.a. noch an, dass bei der Ladefläche zu würdigen sei, dass die Fläche über den Radkästen bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug auch tatsächlich benutzbar und verkehrsrechtlich zugelassen sei. Zum Beweis wird die Inaugenscheinnahme durch das Gericht sowie ein Sachverständigengutachten nach Auswahl des Gerichts beantragt.

Der Klägervertreter beantragt,
den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 08.08.2005, geändert durch den Bescheid vom 03.07.2007, und den Bescheid vom 20.08.2008, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 06.03.2009, dahin zu ändern, dass das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen B rückwirkend ab 01.05.2005 als Lkw besteuert wird.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist die Behörde zunächst auf ihre Einspruchsentscheidung vom 06.03.2009. Wiederholend und vertiefend wird ausgeführt, dass die nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG geänderten Kraftfahrzeugsteuerbescheide vom 08.08.2005 und vom 03.07.2007 bestandskräftig seien. Eine Neufestsetzung nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 KraftStG komme nicht zum Tragen, da keine fehlerhafte Steuerfestsetzung vorliege.

Da die Ladefläche (2,56 m²) nicht deutlich erkennbar die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche (2,81 m²) übertreffe und der Gütertransport laut Herstellerkonzept ("Crew Cab") nicht im Vordergrund stehe, handele es sich bei dem streitgegenständlichen Land Rover Defender 130 Crew Cab um einen Pkw.

Nach der Nichtannahme der gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 1. Oktober 2008 II R 63/07 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 2009, 20) zur Frage des kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Begriffs "Personenkraftwagen" eingelegten Verfassungsbeschwerde (Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 31. August 2009 1 BvR 3227/08, juris-​Dokument Nr. KVRE385260901) ist der Prozessbevollmächtigte mit richterlichem Anschreiben vom 19.03.2010 nochmals darauf hingewiesen worden, dass dem erkennenden Senat in der veröffentlichten BFH-​Rechtsprechung kein einziger Fall bekannt sei, in dem ein Pick-​up-​Fahrzeug mit Doppelkabine kraftfahrzeugsteuerrechtlich als Lkw anerkannt worden wäre.

Mit Schreiben vom 24.03.2010 hat der Klägervertreter erwidert, dass sein Mandant die Fortsetzung des Verfahrens wünsche.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat das Gericht Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Hinsichtlich der getroffenen Feststellungen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.


Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist ohne Erfolg.

Zu Recht hat das beklagte Finanzamt den Antrag des Klägers auf rückwirkende Änderung der Kraftfahrzeugsteuer mit Bescheid vom 20.08.2008 abgelehnt.

Eine vorliegend allein nach § 173 Abs.1 Nr. 2 AO denkbare rückwirkende Änderung der Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung aufgrund der Neuvermessung des Fahrzeugs am 28.07.2008 scheidet aus, weil diese Änderung nicht zu einer niedrigeren Steuer führen würde.

Und eine ebenfalls denkbare Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer ab dem laufenden Entrichtungszeitraum nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 KraftStG scheitert daran, dass die Steuerfestsetzung nicht fehlerhaft ist. Denn das Finanzamt hat das viertürige Pick-​up-​Fahrzeug (Doppelkabine) Land Rover Defender 130 Crew Cab des Klägers - abweichend von der verkehrsrechtlichen Einstufung als Lkw - zutreffend als Pkw nach Hubraum, Schadstoff- und Kohlendioxidemissionen (§ 8 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes -KraftStG-​) besteuert und die Kraftfahrzeugsteuer mit Steuerbescheiden vom 08.08.2005 und vom 03.07.2007 frei von Rechtsfehlern nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c KraftStG bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. § 9a KraftStG festgesetzt.

1. Die im Streitfall maßgebende Rechtsfrage, nämlich die steuerrechtliche Einstufung eines Kraftfahrzeugs als Pkw oder Lkw, ist durch eine Vielzahl von Entscheidungen der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs weitestgehend geklärt (vgl. Zens/Hasselbeck in Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer-​Kommentar, Stand Juli 2010, § 8 Rz. 17a; Rüsken, Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Besteuerung von Klein-​Lkws und Pkw-​Kombis, Deutsches Autorecht -DAR- 1999, 100).

1.1 Das geltende Kraftfahrzeugsteuergesetz enthält - anders als früher § 10 Abs. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1972 - keine eigenständigen Definitionen der Begriffe "Pkw" und "Lkw". Nach den gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG "jeweils geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften" sind " Personenkraftwagen " im Sinne des § 8 Nr. 1 KraftStG Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschl. Führer) geeignet und bestimmt sind (§ 4 Abs. 4 Nr. 1 des Personenbeförderungsgesetzes -PBefG-​). Ein Lastkraftwagen ist hingegen ein Kraftfahrzeug, das nach Bauart und Einrichtung nicht zur Beförderung von Personen, sondern zur Beförderung von Gütern bestimmt ist (§ 4 Abs. 4 Nr. 3 PBefG). Dessen Besteuerung erfolgt gemäß § 8 Nr. 2 KraftStG als "anderes Fahrzeug" nach dem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht (vgl. BFH-​Urteil vom 1. August 2000 VII R 26/99, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2001, 72; BFH-​Beschluss vom 21. August 2006 VII B 333/05, BStBl II 2006, 721, und BFH-​Urteil vom 28. November 2006 VII R 11/06, BStBl II 2007, 338; zuletzt BFH-​Urteil vom 1. Oktober 2008 II R 63/07, BStBl II 2009, 20).

1.2 Die verkehrsrechtliche Einstufung als Lkw oder Pkw ist kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht bindend (ständige Rechtsprechung des BFH seit dem Urteil vom 30. September 1981 II R 56/78, BStBl II 1982, 82; vgl. Urteile vom 29. April 1997 VII R 1/97, BStBl II 1997, 627 und vom 26. August 1997 VII R 60/97, BStBl II 1997, 744; Beschluss vom 17. Juli 2000 VII B 79/00, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2001, 1049). Verbindlich für das Finanzamt sind die Feststellungen der Zulassungsbehörde nach § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 KraftStG nur für die Einstufung eines Fahrzeugs in Emissionsklassen und für die Beurteilung von Besteuerungsgrundlagen "technischer Art“. Seinem Beschluss vom 3. Februar 2003 VII B 266/02 (BFH/NV 2003, 658) hat der BFH in diesem Zusammenhang allerdings folgenden bemerkenswerten Satz angefügt: "Dass die Übernahme der rechtlichen Beurteilung der Verkehrsbehörde durch das FA ... der Einfachheit der Verwaltung dienen und die Akzeptanz des Rechts beim Steuerpflichtigen fördern mag, kann an den vorgenannten klaren gesetzlichen Vorgaben nichts ändern."

Da die verkehrsbehördliche Zulassung als Pkw oder Lkw insoweit also keinen Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung -AO- darstellt, ist die Finanzbehörde nach § 88 AO und § 6 der Kraftfahrzeugsteuer-​Durchführungsverordnung -KraftStDV- berechtigt, eigenverantwortlich zu prüfen, ob die verkehrsrechtliche Einstufung durch die Zulassungsbehörde kraftfahrzeugsteuerrechtlich zutreffend ist. Auch der Fahrzeugklassifikation des Herstellers und der darauf beruhenden verkehrsrechtlich orientierten Beurteilung durch das Kraftfahrtbundesamt kommt keine kraftfahrzeugsteuerrechtliche Bindungswirkung zu (BFH-​Urteil vom 8. Februar 2001 VII R 73/00, BStBl II 2001, 368).

1.3 Nach Aufhebung des § 23 Abs. 6a der Straßenverkehrs-​Zulassungs-​Ordnung -StVZO-​ durch die Siebenundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-​Zulassungs-​Ordnung vom 2. November 2004 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I 2004, 2712) gilt auch für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t der von der Rechtsprechung des BFH entwickelte Grundsatz, dass anhand von Bauart (="Gesamtbild", so BFH-​Urteil vom 26. November 1991 VII R 88/90, BFH/NV 1992, 414) und Einrichtung des Fahrzeugs zu beurteilen ist, ob ein Personen- oder ein Lastkraftwagen vorliegt. Es ist die Aufgabe des Tatsachengerichts, unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller Merkmale eine Bewertung der objektiven Beschaffenheit des jeweiligen Fahrzeugs vorzunehmen. Auf die subjektiven Vorstellungen des Steuerpflichtigen wie auch die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs kommt es insofern nicht an (vgl. zuletzt BFH-​Beschluss vom 10. Februar 2010 II B 96/09, BFH/NV 2010, 952).

1.4 Als für die Einstufung relevante Merkmale zu berücksichtigen sind z. B. die Zahl der Sitzplätze, die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten, die Verblechung der Seitenfenster, die Beschaffenheit der Karosserie und des Fahrgestells, die Motorisierung und die damit erreichbare Höchstgeschwindigkeit, das äußere Erscheinungsbild und bei Serienfahrzeugen die Konzeption des Herstellers (BFH-​Urteile vom 26. November 1991 VII R 88/90, BFH/NV 1992, 414, vom 26. Juni 1997 VII R 12/97, BFH/NV 1997, 810, vom 5. Mai 1998 VII R 104/97, BStBl II 1998, 489, und vom 1. August 2000 VII R 26/99, BStBl II 2001, 72). Dabei kann kein Merkmal von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs als von vornherein alleinentscheidend angesehen werden, mag auch einzelnen Merkmalen ein besonderes Gewicht zukommen und eine Zuordnung als Pkw oder Lkw nahe legen.

1.5 Zu den Merkmalen, denen bei der Zuordnung eines Fahrzeugs zum Typ des Pkw oder des Lkw besonderes Gewicht beizumessen ist, gehören insbesondere die Größe der Ladefläche des Fahrzeugs und die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, weil diese Merkmale von besonderer Bedeutung dafür sind, ob die Möglichkeit einer Benutzung des Fahrzeugs zur Lastenbeförderung gegenüber seiner Eignung zur Personenbeförderung Vorrang hat. Im Interesse praktikabler Zuordnungsmaßstäbe und der um der Rechtssicherheit willen geforderten Vorhersehbarkeit kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Zuordnungen hält es der BFH für gerechtfertigt, typisierend davon auszugehen, dass Fahrzeuge nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt sind, wenn ihre Ladefläche oder ihr Laderaum nicht mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmacht (grundlegend BFH-​Urteile vom 1. August 2000 VII R 26/99, BStBl II 2001, 72, und vom 8. Februar 2001 VII R 73/00, BStBl II 2001, 368; weiterhin BFH-​Beschlüsse - alle betreffend Pick-​up-​Doppelkabiner - vom 26. Oktober 2006 VII B 125/06, BFH/NV 2007, 767, und VII B 135/06, BFH/NV 2007, 770, vom 7. November 2006 VII B 79/06, BFH/NV 2007, 778, vom 14. Februar 2007 IX B 219/06, juris-​Dokument Nr. STRE200750340, vom 30. Oktober 2008 II B 58/08, BFH/NV 2009, 418, zuletzt vom 10. Februar 2010 II B 96/09, BFH/NV 2010, 952).

In der Revisionsentscheidung des Bundesfinanzhofs vom 8. Februar 2001 VII R 73/00 (BStBl II 2001, 368 <369>), mit welcher das vorinstanzliche Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 3. August 2000 VI 23/1999 (EFG 2000, 1203) - betreffend einen Mitsubishi L 200 Pick-​up-​Doppelkabiner - aufgehoben wurde, heißt es wörtlich wie folgt:
"Auch bei solchen, oftmals als Pick-​up bezeichneten Fahrzeugen, hält der erkennende Senat grundsätzlich eine Einordnung als LKW nur dann für gerechtfertigt, wenn die Ladefläche die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche übertrifft. Denn nur dann ist im Allgemeinen die Annahme gerechtfertigt, das Fahrzeug sei (zumindest überwiegend) für die Güterbeförderung konzipiert."
1.6 Die in § 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG enthaltene Begriffsbestimmung des Pkw wird durch die Richtlinie 70/156/EWG - in der Fassung der Richtlinie 2001/116/EG - zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger an den technischen Fortschritt nicht in Frage gestellt. Entgegen der ursprünglich auch vom erkennenden Senat vertretenen Rechtsansicht (so Beschlüsse vom 1. März 2006 VI 374/2005, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2006, 846, und vom 3. März 2006 VI 442/2005, juris-​Dokument Nr. STRE200670557) enthält das EU-​Gemeinschaftsrecht nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs keine verbindlichen Festlegungen hinsichtlich der Einteilung von Kraftfahrzeugen zwecks der Erhebung von Kraftfahrzeugsteuer (grundlegend Beschluss vom 21. August 2006 VII B 333/05, BStBl 2006, 721; bestätigt durch die Urteile vom 9. April 2008 II R 62/07, BStBl II 2008, 691, und vom 1. Oktober 2008 II R 63/07, BStBl II 2009, 20; zur Verfassungsbeschwerde gegen letzteres Urteil Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31. August 2009, juris-​Dokument Nr. KVRE385260901). Der gemeinschaftsrechtlichen Einteilung der für die Personenbeförderung ausgelegten und gebauten Kraftfahrzeuge in die Klassen M1 bis M3 sowie der weiteren Differenzierung und entsprechenden Codierung nach den jeweiligen Aufbauarten (Limousine, Schrägheck-​, Kombi- oder Cabrio-​Limousine, Coupé oder Mehrzweckfahrzeug) kann für die zutreffende Besteuerung eines Kraftfahrzeugs nach dem Kraftfahrzeugsteuergesetz nichts entnommen werden (BFH-​Beschluss vom 26. Oktober 2006 VII B 135/06, BFH/NV 2007, 770).

2. In Anwendung dieser vorstehend aufgezeigten höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug Land Rover Defender 130 Crew Cab entgegen der verkehrsrechtlichen Einstufung als Lkw, kraftfahrzeugsteuerrechtlich um einen Pkw.

2.1 Aufgrund der Inaugenscheinnahme und der eigenen Vermessung des Fahrzeugs steht für den Senat fest, dass bei dem viertürigen Pick-​up-​Doppelkabiner mit fünf eingetragenen Sitzplätzen die Ladefläche kleiner ist als die zur Personenbeförderung dienende Fläche und somit weniger als die Hälfte der gesamten Nutzfläche des Fahrzeugs ausmacht. "Ladefläche" ist insofern die zum Beladen zur Verfügung stehende Bodenfläche und nicht der darüber (über den Radkästen) befindliche Raum (so BFH-​Beschluss vom 13. April 2007 IX B 14/07, BFH/NV 2007, 1352; und zuvor schon FG München, Urteile vom 5. Juni 2002 4 K 4600/99, EFG 2002, 1481, und vom 8. September 2004 4 K 3889/04, EFG 2005, 483).

2.2 Unstreitig ist die Fläche des Fahrgastraums mit (Länge 201 cm x Breite 140 cm =) 2,81 m² und die durch eine feste Zwischenwand von der Doppelkabine getrennte Fläche des Ladeteils (Innenmaß über den Radkästen und dem Kraftstoffeinfüllstutzen) mit (Länge 172 cm x Breite 166 cm =) 2,86 m² anzusetzen. Auf einer Fläche von jeweils (Länge 82 cm x Breite 28 cm =) 0,23 m² stehen links und rechts in den Ladeteil hinein die zwei 25 cm hohen Radkästen , die eine runde Form haben und nur oben auf einer Fläche von (Länge 30 cm x Breite 18 cm =) 0,05 4 m² abgeflacht sind. Auf der rechten Seite des Bodens des Ladeteils führt der Kraftstoffeinfüllstutzen , der mit Blech kantig verkleidet ist, zur rechten Außenwand. Die Grundfläche dieser Blechverkleidung beträgt (Länge 14 cm x Breite 30 cm =) 0,04 2 m² . Über der Fahrerkabine befindet sich ein Dachträger aus 2 mm starkem Aluminiumblech mit einer Grundfläche von (Länge 156 cm x Breite 145 cm =) 2,26 m² und einer 12 cm hohen Umrandung. Dieser links und rechts am Dachrahmen mit je fünf massiven Schraubverbindungen befestigte Dachträger ist ein Originalzubehörteil des Fahrzeugherstellers und in dessen aktuellem Fahrzeugprospekt mit einer Dachlast von 75 kg (einschl. Dachträger) ausgewiesen. Der Dachträger kann jederzeit abgenommen werden und ist nicht im Fahrzeugschein eingetragen.

Unter Abzug der Flächen für die beiden Radkästen und den Kraftstoffeinfüllstutzen errechnet der Senat eine Ladefläche von
2,86 m² - 2x 0,23 m² - 0,04 m² = 2,36 m²
und kommt damit zu einem Wert, der noch um 0,2 m² unter dem vom Finanzamt in der Einspruchsentscheidung angesetzten Wert von 2,56 m² liegt. Die abgeflachten (Mini-​) Flächen von jeweils 0,05 m² über den Radkästen sind keine "Bodenfläche", jedes hier abgestellte Beförderungsteil fällt "zu Boden", solange nicht weiteres entsprechend hohes Ladegut abstützend wirkt. Eine Hinzurechnung des Dachträgers zur Ladefläche scheidet aus, da dieser nicht fest und dauerhaft mit der Karosserie des Fahrzeugs verbunden (z. B. verschweißt) ist, vielmehr durch einfaches Lösen der Schrauben jederzeit abgenommen werden kann.

2.3 Da bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug somit die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche größer ist als die Hälfte der gesamten Nutzfläche des Fahrzeugs, ist der Land Rover Defender 130 Crew Cab schon allein deshalb als vorrangig zur Personenbeförderung ausgelegt und gebaut anzusehen. Auf weitere für die Einstufung als Pkw oder Lkw sprechende Merkmale kommt es danach nicht mehr entscheidungserheblich an (vgl. BFH-​Urteil vom 1. Oktober 2008 II R 63/07, BStBl II 2009, 20 <23>).

3. Der Anwendung des mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 21. Dezember 2006 eingeführten § 2 Abs. 2a Nr. 2 KraftStG bedarf es nicht. Dieser Vorschrift kann im Streitfall allenfalls eine klarstellende Bedeutung zukommen. § 2 Abs. 2a Nr. 2 KraftStG bestimmt nicht ausschließlich und abschließend, wann ein Pkw vorliegt. Aus der Formulierung "gelten auch" ergibt sich vielmehr, dass nach der Vorschrift lediglich bestimmte weitere Kraftfahrzeuge als Pkw zu behandeln sind, sofern sie nicht schon - wie im Streitfall - nach der allgemeinen kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Einordnung Pkw sind (vgl. BFH-​Urteil vom 1. Oktober 2008 II R 63/07, BStBl II 2009, 20 <23>).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.