Das Verkehrslexikon

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VGH Kassel Urteil vom 19.02.2014 - 2 A 1465/13 - Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h

VGH Kassel v. 19.02.2014: Zur Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h zur Nachtzeit in Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße


Der VGH Kassel (Urteil vom 19.02.2014 - 2 A 1465/13) hat entschieden:
Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken. Diese Befugnis wird durch § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO hinsichtlich Beschränkungen des fließenden Verkehrs dahin modifiziert, dass Voraussetzung hier eine besondere örtliche Gefahrenlage ist, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der Wohnbevölkerung durch Lärm und Abgase erheblich übersteigt. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn Lärm oder Abgase Beeinträchtigungen mit sich bringen, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zugemutet werden muss.

Siehe auch Verkehrsrechtliche Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen und Streckenverbote


Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Aufhebung einer verkehrsrechtlichen Anordnung, soweit mit ihr für die Nachtzeit die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h in Ortsdurchfahrten auf einer Bundesstraße beschränkt worden ist. Der Senat nimmt zunächst gemäß § 130b Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - im Einzelnen Bezug auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung und macht sich die dortigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu eigen.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 11. Juni 2013 wurde dem Kläger am 24. Juni 2013 zugestellt. Am 28. Juni 2013 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Die Begründung der Berufung ist mit einem am 23. August 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof übermittelten elektronischen Dokument erfolgt. Hierin trägt der Kläger vor: Die klageabweisende Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei unrichtig. Die für die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung des fließenden Verkehrs erforderliche „besondere Gefahrenlage“ nach § 45 Abs. 9 Satz 2 der Straßenverkehrsordnung - StVO - liege hier nicht vor. Allein die Überschreitung von Lärmgrenzwerten bei der Lärmbelastung von Anwohnern genüge jedenfalls bei einer Bundesstraße im Hinblick auf deren Funktion einer Straße für den weiträumigen Verkehr nicht. Auf derartigen dem überörtlichen Verkehr gewidmeten Straßen müsse der fließende Verkehr Vorrang haben. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht die Argumentation des Beklagten bestätigt, der die Verkehrsfunktion der Straße erst im Rahmen der Ermessensauübung nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO und nicht schon bei den tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm berücksichtigt habe. Ansonsten könne jeder Anwohner einer Bundesstraße, an der Lärmgrenzwerte überschritten würden, die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung verlangen. Zur Überschreitung von Lärmgrenzwerten müssten noch weitere besondere örtliche Umstände für eine Gefahrenlage hinzukommen, um die Anordnung einer derart „flächendeckenden“ Geschwindigkeitsbeschränkung auf einer Bundesstraße zu rechtfertigen. Solche Umstände lägen nicht vor.

Weiterhin sei die Ermessenentscheidung des Beklagten deshalb fehlerhaft, weil nach den erhobenen Daten von der insgesamt erreichbaren Lärmreduzierung lediglich 0,5 dB(A) auf PKWs entfielen. Eine solche Reduzierung sei für die Anwohner nicht tatsächlich wahrnehmbar. Soweit sich das Verwaltungsgericht für seine die Erwägung des Beklagten bestätigende Argumentation auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2011 (3 C 40.11) bezogen habe, seien die dortigen Ausführungen auf den hiesigen Fall nicht übertragbar. Das Bundesverwaltungsgericht beziehe sich in seiner Entscheidung auf eine durch ein Durchfahrtverbot für LKW lediglich erreichbare Lärmreduzierung um nur 1 dB(A) und argumentiere, dass durch das Durchfahrtverbot deutlich weniger Lastverkehr die Ortschaften passiere. Die Situation hier sei anders, es gehe nicht um eine Reduktion von Vorbeifahrten durch ein Durchfahrtverbot, sondern bei einer gleichbleibenden Zahl von Fahrzeugen lediglich um eine nicht wahrnehmbare Lärmreduzierung.

Darüber hinaus berücksichtige die zugrunde gelegte Lärmberechnung nicht die Tatsache, dass geringere Geschwindigkeiten meist mit niedrigerem Gang gefahren würden und somit zu einem höheren Geräuschpegel führen könnten. Erst eine Lärmmessung und Verkehrszählung könne zu einer zuverlässigen Aussage über die Wirkung der hiesigen Tempo 30 Regelung führen. Schließlich sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, die nächtliche Geschwindigkeitsbeschränkung stelle nur eine „vergleichsweise geringe Einschränkung“ des vorrangigen fließenden Verkehrs dar, nicht zutreffend. Die Geschwindigkeitsbeschränkung führe entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts auch zu einer Verkehrsverdrängung auf Ausweichstrecken.

Der Kläger beantragt,
das am 11. Juni 2013 verkündete Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen und die durch Verkehrszeichen 274 (Nr. 49 der Anlage2 zu § 41 Abs. 1 Satz 1 StVO) an der B 252 in den Ortschaften Münchhausen, Simtshausen, Todenhausen, Wetter, Niederwetter und Lahntal-Göttingen in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr durch Anordnung vom 23. Dezember 2010 geregelte Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h aufzuheben, soweit sie nicht im Zuge der Ortsdurchfahrt Wetter südlich der Marburger Straße 28 und im Abschnitt zwischen der Einmündung der K 86 und der Einmündung der K 1 in der Ortsdurchfahrt Simtshausen aufgehoben worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Weiter trägt er vor, dass im November 2013 eine detaillierte Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Geschwindigkeitsbeschränkungen auch in den streitgegenständlichen Teilbereichen der B 252 stattgefunden habe. Diese habe zur Anordnung der Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkungen auf einem geringen Teil der streitgegenständlichen Strecke geführt.

Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10.Januar 2014 die Hauptsache hinsichtlich der aufgehobenen Geschwindigkeitsbeschränkung für erledigt erklärt und der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung in diesem Umfang im Schriftsatz vom 21. Januar 2014 unter Verwahrung gegen eine Kostenlast angeschlossen. Die aufgehobene Geschwindigkeitsbeschränkung bezieht sich zum einen auf die Ortsdurchfahrt Wetter, dort südlich der Marburger Straße 28, und zum anderen auf den Abschnitt zwischen der K 86 und Simtshausen, in Fahrtrichtung Norden beginnt die Beschränkung damit in Simtshausen nördlich der Einmündung der K 1 (Mellnauer Straße).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die für die Entscheidungsfindung beigezogenen Verwaltungsvorgänge (3 Aktenordner und 1 Hefter des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung - 66 K 120106 - betr. LKW-Fahrverbote B 3/B 252 und 1 Hefter des Regierungspräsidiums Kassel - Az. 2266 K 10.21 - B 252 -) Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.


Entscheidungsgründe:

Soweit die Beteiligten wegen teilweiser Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz das Berufungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren zur Klarstellung einzustellen. Wegen Geringfügigkeit des erledigten Teils rechtfertigt dies in entsprechender Anwendung der Vorschrift des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO aber keine Berücksichtigung bei der Gesamtkostenentscheidung (dazu siehe unten).

Im Übrigen ist die Berufung zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO gegen die durch das Regierungspräsidium Kassel am 23. Dezember 2010 angeordnete und durch Vorschriftszeichen 274 (Nr. 49 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) als Allgemeinverfügung bekannt gemachte Begrenzung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit zulässig.

Hinsichtlich der Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) und der Einhaltung der Klagefrist (§§ 74 Abs. 1 Satz 2, 58 Abs. 2 VwGO) folgt der Senat der zutreffenden Beurteilung durch das Verwaltungsgericht (§ 130b Satz 2 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat auch in vollem Umfang überzeugend begründet, weshalb die Klage in der Sache keinen Erfolg haben konnte. Denn die angegriffene verkehrsrechtliche Anordnung kann sich auch hinsichtlich der nächtlichen Geschwindigkeitsbegrenzung in den Ortsdurchfahrten auf der B 252 auf die Ermächtigungsgrundlage des § 45 Abs. 9 Satz 2 der Straßenverkehrsordnung - StVO - stützen. Der Senat folgt mit der Maßgabe der unten stehenden Ergänzungen den Gründen der angefochtenen Entscheidung (§ 130b Satz 2 VwGO), weil das Berufungsvorbringen keine andere Entscheidung rechtfertigt.

Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken. Diese Befugnis wird durch § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO hinsichtlich Beschränkungen des fließenden Verkehrs dahin modifiziert, dass Voraussetzung hier eine besondere örtliche Gefahrenlage ist, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der Wohnbevölkerung durch Lärm und Abgase erheblich übersteigt. Diese Voraussetzung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (seit Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 - BVerwGE 74, 234) dann erfüllt, wenn Lärm oder Abgase Beeinträchtigungen mit sich bringen, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zugemutet werden muss.

Die Grenze der Zumutbarkeit in diesem Sinne wird jedoch nach allgemeiner Auffassung durch keinen bestimmten Schallpegel bestimmt (siehe BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1993 - 11 C 45.92 -, juris Rn. 26; Bay. VGH, Urteil vom 21. März 2012 - 11 B 10.1657 -, juris Rn. 25). Es liegen auch keine auf Rechtsetzung beruhenden Grenzwerte für eine Lärmbelastung vor, die unmittelbar Anwendung finden können. Das hat das Verwaltungsgericht zutreffend im Einzelnen ausgeführt (Urteilsabdruck S. 10). Für die Beurteilung der Frage, wann die Zumutbarkeit einer Lärmbelastung im Zusammenhang mit dem Eingreifen der Ermächtigungsgrundlage nach § 45 Abs. 9 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO überschritten wird, können jedoch die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 der Verkehrslärmschutzverordnung (16. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz - 16. BImSchV -) als Orientierungspunkte herangezogen werden (BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1993, a. a. O.; Bay. VGH, Urteil vom 21. März 2012, a. a. O., Rn. 28). Wenn diese Schwelle der Lärmbelastung erreicht ist, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Straßenverkehrsbehörde erfüllt und die Behörde hat dann unter Gebrauch ihres Ermessens über Beschränkungen des fließenden Verkehrs zu entscheiden bzw. ist auf entsprechenden Antrag hin dann zu einer Ermessensentscheidung verpflichtet.

Diese tatbestandlichen Voraussetzungen liegen hier ohne Weiteres vor. Die Orientierungswerte nach § 2 Abs. 1 der Verkehrslärmschutzverordnung sind vorliegend weit überschritten. § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV normiert für den Nachtzeitraum einen Beurteilungspegel in Wohngebieten von höchstens 49 dB(A) und in Kern-, Dorf- und Mischgebieten von höchstens 54 dB(A).

Für den vorliegenden Fall hat das Ingenieurbüro Lüning unter Berücksichtigung des bereits vor Inkrafttreten der streitgegenständlichen Anordnung geltenden Fahrverbotes für LKW über 3,5 t in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr bei der zulässigen Höchstgeschwindigkeit einen nächtlichen Schallpegelwert (Mittelwert) in Münchhausen von 64,8 dB(A), in Simtshausen von 64,5 dB(A), in Todenhausen von 65,5 dB(A), in Wetter von 64,7 dB(A), in Niedewetter von 65,8 dB(A) und in Lahntal-Göttingen von 66,2 dB(A) errechnet. Diese Lärmberechnungen hat das Verwaltungsgericht zutreffend zugrunde gelegt; sie sind auch im Berufungsverfahren von keiner Seite infrage gestellt worden.

Der Beklagte hat das ihm deshalb zustehende Ermessen für eine Beschränkung des fließenden Verkehrs auf der B 252 in den genannten Ortsdurchfahrten auch ermessensfehlerfrei ausgeübt. Seine verkehrsrechtliche Anordnung vom 23. Dezember 2010 verfolgt das Ziel, in den Ortsdurchfahrten einen Lärmpegel von 62 dB(A) (Mittelungspegel) nicht mehr zu überschreiten. Zur Erreichung dieses Ziels hat sich der Beklagte für eine Kombination von nächtlichem Fahrverbot für LKW (mit Ausnahmen für Be- und Entlader an den an die Straße angrenzenden Landkreisen) und eine Geschwindigkeitsbeschränkung für alle Kraftfahrzeuge in den Ortsdurchfahrten in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr auf 30 km/h entschieden, nachdem das nächtliche LKW-Fahrverbot allein sich als nicht genügend zur Zielerreichung erwiesen hatte (siehe etwa die Vermerke des Beklagten vom 23. November 2010, Bl. 345; vom 20. September 2010, Bl. 371 sowie vom 3. September 2010, Bl. 423 f.). Trotz des bereits bestehenden nächtlichen Fahrverbots für LKW ergaben sich die oben dargestellten Lärmwerte in den Ortsdurchfahrten. Dieses Gesamtkonzept zur Zielerreichung ist in sich schlüssig, die dahin führende Ermessensausübung rechtlich nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).

Rechtlicher Ausgangspunkt ist hierbei zunächst, dass die festgestellten Lärmwerte nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensausübung nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO erfüllen, sondern aufgrund der Höhe der Lärmbelastung trotz des bereits vorher bestehenden Nachtfahrverbots für LKW ein weiteres Tätigwerden der Straßenverkehrsbehörde zum Schutz der Gesundheit der Anwohner (Art. 2 Abs. 1 GG) sogar geboten war (Ermessensreduzierung). Der Beklagte hat sich bei der Festlegung seines Ziels, einen Lärmpegel von 62 dB(A) in den Ortsdurchfahrten nicht mehr zu überschreiten, in erster Linie an den „Richtlinien für straßenverkehrliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm“ (Lärmschutz-Richtlinien - StV -) vom 23. No-vember 2007 (Verkehrsblatt 2007, S. 767) orientiert. Das ist jedenfalls nicht zu beanstanden; die neueste verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung erweitert den grundrechtlich gebotenen Lärmschutz sogar tendenziell noch. Im Einzelnen:

Nach Ziffer 2.1 der genannten Richtlinien kommen straßenverkehrsrechtliche Lärmschutzmaßnahmen insbesondere in Betracht, wenn der vom Straßenverkehr herrührende Beurteilungspegel am Immissionsort in reinen und allgemeinen Wohngebieten einen Wert von 60 dB(A) nachts und in Kern-, Dorf- und Mischgebieten einen Wert von 62 dB(A) nachts überschreitet. Der Beklagte hat vorliegend - ohne dass es entscheidungserheblich auf Feststellungen dazu ankäme - in den Ortsdurchfahrten jeweils den Charakter eines Kern-, Dorf- oder Mischgebietes angenommen.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (siehe etwa BVerwG, Urteil vom 10. November 2004 - 9 A 67.03 -, juris Rn. 44) wird bei Lärmbelastungen von über 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts jedenfalls in Wohngebieten ein kritischer Bereich hinsichtlich einer Gesundheitsgefährdung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) für lärmbetroffene Anwohner erreicht. Diesem Ansatz folgend wird in der Rechtsprechung zu Lärmbelastungen an Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen ein Beurteilungspegel von 60 dB(A) nachts als genügend angesehen, um ein nächtliches Fahrverbot für LKW zu rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 3 C 40.10 -, juris Rn. 11). Umso weniger kann es beanstandet werden, wenn der Beklagte hier als Ziel seines Tätigwerdens lediglich die Erreichung eines nächtlichen Lärmpegels von 62 dB(A) in Ortsdurchfahrten einer Bundesstraße anstrebt.

Die Ermessensausübung des Beklagten ist entgegen der Auffassung der Berufung auch nicht deshalb fehlerhaft, weil in ihr die Verkehrsfunktion der B 252 nicht genügend Berücksichtigung findet. In diesem Punkt kann der Senat wieder in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (Urteilsabdruck S. 14, 3. Absatz bis S. 15 Ende des ersten Absatzes) Bezug nehmen (§ 130b Satz 2 VwGO).

Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen lediglich darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO gerade nicht schon bei seinen tatbestandlichen Voraussetzungen die Berücksichtigung des Charakters einer Bundesstraße vorsieht. Er stellt als Voraussetzung für eine Ermessensausübung hinsichtlich des fließenden Verkehrs vielmehr allein ab auf eine besondere örtliche Gefahrenlage hinsichtlich der Lärmbelastung für die Anwohner. Unabhängig davon ergibt sich aus dem oben Gesagten, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensausübung der Straßenverkehrsbehörde bereits bei sehr viel niedrigeren Lärmwerten (nachts 49 dB(A)) gegeben sind. Die Anordnung einer zusätzlichen Maßnahme wie einer Geschwindigkeitsbegrenzung nach Ermessensausübung ist jedenfalls bei derart hohen Lärmwerten wie vorliegend auch bei einer Straße gerechtfertigt, die dem weiträumigen Verkehr dient und nachdem das LKW-Nachtfahrverbot allein zur Erreichung eines hinreichenden Gesundheitsschutzes für die Anwohner nicht genügte. Die Funktion der Bundesstraße als einer dem Durchgangsverkehr dienenden Straße bleibt auch deshalb gewahrt, weil die angegriffene Geschwindigkeitsbeschränkung für PKW auf den Nachtzeitraum beschränkt ist, während der überwiegende Teil des Verkehrs tagsüber stattfindet.

Die Ermessensausübung des Beklagten ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil nach seinen Feststellungen die Erstreckung der Geschwindigkeitsbeschränkung auch auf PKW lediglich zu einer weiteren Lärmreduzierung von 0,5 dB(A) gegenüber einer Geschwindigkeitsbeschränkung allein für LKW führt und diese Reduzierung von 0,5 dB(A) für sich genommen für die Anwohner nicht tatsächlich wahrnehmbar ist. Zutreffend hat sich das Verwaltungsgericht dazu auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 -, juris Rn. 34) bezogen, wonach bei einer Lärmbelastung jenseits einer für den Gesundheitsschutz schon kritischen Schwelle von 60 dB(A) in der Nacht auch eine geringfügige (weitere) Senkung des Beurteilungspegels eine tragfähige Erwägung für eine Verkehrsbeschränkung darstellt. Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2011 (- 3 C 40.11 -, juris) nicht, dass eine solche Argumentation nur für die Anordnung eines Durchfahrtverbots für LKW tragfähig wäre. Vielmehr entspricht die Erwägung, dass bei der Überschreitung einer Schwelle von 60 dB(A) nachts auch eine geringfügige Lärmreduzierung schon erhebliches Gewicht hat, der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Verkehrslärmschutzrecht insgesamt (siehe etwa BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2011, a. a. O., zu straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen aus Lärmschutzgründen; BVerwG, Urteil vom 7. März 2007 - 9 C 2.06 -, juris Rn. 29 zur Lärmsanierung im Rahmen der straßenrechtlichen Planfeststellung; Urteil vom 12. April 2000 - 11 A 18.98 -, juris zur Lärmsanierung im Rahmen einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung).

Die Ermessensausübung mit dem Ergebnis der zusätzlichen Anordnung einer nächtlichen Geschwindigkeitsbeschränkung wird getragen durch die Erwägung, dass gerade durch eine Kombination von nächtlichen Durchfahrtsverboten für LKW und Geschwindigkeitsbeschränkungen für alle Fahrzeuge der Zielwert von höchstens 62 dB(A) in den Ortsdurchfahrten nahezu eingehalten werden kann (siehe die angegriffene verkehrsbehördliche Anordnung S. 4, 2. Absatz). Denkbar gewesen wären auch andere ebenso zur Zielerreichung geeignete Maßnahmen, etwa ein ausnahmsloses Nachtfahrverbot für LKW ohne eine Geschwindigkeitsbeschränkung oder etwa die Reduzierung für Ausnahmen für Be- und Entlader etwa durch Herausnahme eines Landkreises kombiniert mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung lediglich für LKW. Es liegt jedoch im Rahmen des mit der Ermächtigung zur Ermessensausübung dem Beklagten eingeräumten Gestaltungsspielraums, dass er sich im Rahmen seines schlüssigen Konzepts für eine Kombination verschiedener Maßnahmen einschließlich einer Geschwindigkeitsbeschränkung auch für PKW in der Nacht entschieden hat. Diese Entscheidung kann gerichtlich nicht beanstandet werden (§ 114 Satz 1 VwGO). Der Beklagte durfte die wirtschaftlichen Nachteile einer noch strikteren Durchfahrtregelung für LKW in der Nacht (weniger Ausnahmen) abwägen gegenüber einem weniger gewichtigen Eingriff durch die Geschwindigkeitsbeschränkung auch für PKW. Auch dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt (Urteilsabdruck S. 13, 2. Absatz bis S. 14, 1. Absatz sowie S. 15, letzter Absatz bis S. 16 Mitte).

Soweit der Kläger schließlich vorträgt, die zugrunde gelegte Lärmberechnung berücksichtige nicht die Tatsache, dass geringere Geschwindigkeiten meist mit niedrigerem Gang gefahren würden und somit zu einem höheren Geräuschpegel führen könnten, bleibt dies unsubstantiiert und dürfte überdies unzutreffend sein. Denn bei der durch die „Richtlinien“ für den Lärmschutz an Straßen - RLS - 90 - vorgegebenen Methode der Lärmberechnung werden gemäß Ziffer 4.4.1.1.2 RLS - 90 die unterschiedlichen zulässigen Höchstgeschwindigkeiten, u. a. auch 30 km/h, ausdrücklich berücksichtigt. Unsubstantiiert bleibt auch die bloße Behauptung des Klägers, die Geschwindigkeitsbeschränkung führe zu einer Verkehrsverdrängung auf Ausweichstrecken. Im Übrigen wäre eine solche Verlagerung auf andere Strecken rechtlich unerheblich für die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Verkehrsanordnung.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO (entsprechend) zu tragen, weil dem erledigten Teil des Rechtsstreits keine wesentliche Bedeutung zukommt und die Berufung des Klägers im Übrigen keinen Erfolg haben konnte.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), da kein Zulassungsgrund vorliegt.