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OLG Köln Urteil vom 19.02.2013 - I-14 U 15/12 - Rücktritt wegen geringfügiger Nutzung als Fahrschulwagen

OLG Köln v. 19.02.2013: Zum Rücktritt vom Gebrauchtwagenkauf wegen geringfügiger Nutzung als Fahrschulwagen


Das OLG Köln (Urteil vom 19.02.2013 - I-14 U 15/12) hat entschieden:
Ein zum Rücktritt berechtigender erheblicher Sachmangel des verkauften Gebrauchtwagens ist trotz einer nicht offenbarten Nutzung als Fahrschulwagen nicht gegeben, wenn angesichts der gesamten Laufleistung von 98.000 km die geringfügige Nutzung als Fahrschulwagen über eine Strecke von 5.000 km nicht ins Gewicht fällt. Diese Nutzung kann angesichts ihres geringen Umfangs nicht als Mangel bezeichnet werden.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Autokaufrecht und Gewährleistung und Garantie beim Gebrauchtwagenkauf


Gründe:

I.

Am 17. August 2010 hatte die Klägerin von der Beklagten einen gebrauchten PKW der Marke C, Typ X, mit einer Laufleistung von 97.258 Kilometern zum Preis von 13.950 € erworben. Bei der am 18. August 2010 durchgeführten Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO wurden keine Mängel festgestellt. Nachdem die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 16. September 2010 das Abspringen eines Rippenriemens von der Riemenscheibe bemängelt und eine Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 23. September 2010 gesetzt hatte, führte sie das Fahrzeug am 23. September 2010 dem B2-Prüfzentrum in B zur Untersuchung vor. Die im Untersuchungsprotokoll aufgeführten Beanstandungen machte sie mit Anwaltsschreiben vom 28. September 2010 bei der Beklagten als zu beseitigende Mängel geltend. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2010 hat die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin ihr Rückabwicklungsverlangen zudem darauf gestützt, dass der Wagen als Fahrschulwagen benutzt worden sei. Die Beklagte hat das Vorhandensein von Mängeln zum Zeitpunkt der Übergabe bestritten. Von der Nutzung als Fahrschulwagen habe sie keine Kenntnis gehabt, im Übrigen sei diese Nutzung auch nur in geringem Umfang erfolgt.

Durch das angefochtene Urteil ist die Beklagte weitgehend antragsgemäß dahin verurteilt worden, 11.190,38 €, das ist der Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung, nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu zahlen. Ferner ist festgestellt worden, dass die Beklagte sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Verzug befindet. In den Gründen ist ausgeführt, dass die Klägerin wegen der Nutzung des Wagens als Fahrschulwagen zur Rückabwicklung des Vertrages berechtigt sei. In dieser Nutzung, die über fast Jahre erfolgt sei, liege ein Mangel, auch wenn der Wagen nur im Rahmen eines Nebenjobs als Fahrschulwagen gelaufen sei. Immerhin sei in dem Zeitraum eine Strecke von etwa 95.000 km zurückgelegt worden. Kenntnis von dieser Nutzung habe weder die Klägerin noch die Beklagte gehabt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Bezug genommen.


II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet, die Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages zu. Ein solcher Anspruch nach §§ 346 Absatz 1, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB ist nur dann gegeben, wenn zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs ein zum Rücktritt berechtigender Mangel vorgelegen hätte.

Eine Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat, § 434 Absatz 1 Satz 1 BGB. Eine solche Beschaffenheitsvereinbarung haben die Parteien im Kaufvertrag nicht getroffen. Die im Formularvertrag vorgesehene Rubrik "Das Kraftfahrzeug wurde lt. Vorbesitzer als Taxi/Miet-/Fahrschulwagen genutzt" ist weder bei ja noch bei nein angekreuzt. Ist eine Beschaffenheit nicht vereinbart, ist die Sache gemäß § 434 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 BGB frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Der Rücktritt ist nach § 323 Absatz 5 Satz 2 BGB allerdings ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung der nicht vertragsgemäßen Erfüllung nur unerheblich ist.

Im vorliegenden Fall ist ein zum Rücktritt berechtigender Sachmangel nicht gegeben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat zwar eine Nutzung des gekauften Fahrzeugs als Fahrschulwagen stattgefunden. Dabei kann im vorliegenden Rechtsstreit offenbleiben, ob eine solche Nutzung aus technischer Sicht überhaupt die Beschaffenheit des Fahrzeugs verändert und ob die auf dem PKW-Markt vorhandene negative Einschätzung solcher Fahrzeuge nicht eher auf einer gefühlsmäßigen Abneigung beruht (so Reinking/ Eggert, Der Autokauf, 11. Auflage, Rdn. 3188). Mit dem in der Rechtsprechung entschiedenen Fall, dass eine langjährige ununterbrochene Nutzung als Fahrschulwagen einen Mangel der Kaufsache darstellt (vgl. Reinking/Eggert a.a.O. Rdn. 3207 mit weiteren Nachweisen), ist der hier zu beurteilende Sachverhalt nicht vergleichbar. Die Nutzung kann im vorliegenden Fall angesichts ihres geringen Umfangs nicht als Mangel bezeichnet werden.

Der Zeuge Zur hat bei seiner Vernehmung vor dem Senat glaubhaft geschildert, dass er das Fahrzeug zwar als Fahrschulwagen gekauft habe, insbesondere wegen des dadurch erheblich günstigeren Kaufpreises. Er sei aber fast ausschließlich zu seiner Arbeitsstelle damit gefahren, was auch die relativ hohe Kilometerzahl erkläre. Er sei nebenberuflich auch als Fahrlehrer an Wochenenden tätig gewesen. Der dazu benötigte Wagen sei von der jeweiligen Fahrschule gestellt worden. Nur ganz ausnahmsweise habe er gelegentlich auf seinem eigenen Wagen geschult. Es könnten vielleicht 5.000 km auf diese Nutzung entfallen sein, wenn überhaupt. Die von der Klägerin behauptete langjährige, ununterbrochene Nutzung als Fahrschulwagen bestand danach nicht. Angesichts der gesamten Laufleistung von 98.000 km fällt die geringfügige Nutzung als Fahrschulwagen nicht ins Gewicht.

Auch soweit die Klägerin ihr Rückabwicklungsverlangen auf eine Pflichtverletzung bei Vertragsabschluss stützen will, ist ihre Klage nicht begründet. Die Beklagte traf keine Verpflichtung darüber aufzuklären, dass sie das Fahrzeug nicht von dem zuletzt in den Fahrzeugpapieren eingetragenen Halter erworben hatte. Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung (OLG Brandenburg v. 12.1.2011, zitiert nach juris; OLG Bremen NJW 2003), 3713) betrifft Fallgestaltungen, in welchen der Verkäufer das Auto von einem ihm nicht bekannten und nicht identifizierbaren "fliegenden Zwischenhändler" erworben hatte. In einem solchen Fall besteht redlicher Weise eine Aufklärungspflicht, weil der Verdacht naheliegt, dass eine Manipulation am Tachometer des Fahrzeugs vorgenommen worden sein könnte und deshalb der abgelesene Kilometerstand wesentlich geringer als die tatsächliche Laufleistung sein könnte. Diese Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Die Zwischenhändler sind bekannt, die Kaufverträge sind vorgelegt. In einem solchen Fall besteht kein Grund von dem Verkäufer zu verlangen, ungefragt sich darüber zu erklären, dass er den Wagen nicht von dem zuletzt in den Papieren eingetragenen Halter erworben hat (so auch Rinking/Eggert, a.a.O. Rdn. 3227 f).

Die Angabe im Kaufvertrag, dass im Brief (gemeint wohl die Zulassungsbescheinigung Teil II gemäß § 12 FZV) nur ein Halter eingetragen ist, trifft zu und begründet keine Haftung für den Umstand, dass es nicht eingetragene Zwischenerwerber gibt.

Soweit die Klägerin vorgerichtlich und in erster Instanz technische Mängel des Fahrzeugs gerügt hatte, ist sie darauf in der Berufungsinstanz nicht mehr zurückgekommen. Es ist schon aus diesem Grund davon auszugehen, dass es sich allenfalls um geringe Mängel handelt, die nach § 323 Absatz 5 Satz 2 BGB keine Rückabwicklung des Vertrages rechtfertigen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Absatz 1 Satz 1, 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

Streitwert: 12.190,38 €