Das Verkehrslexikon

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OLG Brandenburg Urteil vom 28.06.2011 - 2 U 16/10 - Beschädigung eines parkenden Fahrzeugs durch herabstürzenden Ast

OLG Brandenburg v. 28.06.2011: Beschädigung eines auf der Straße parkenden Fahrzeugs durch herabstürzenden Ast einer nahe stehenden Pappel


Das OLG Brandenburg (Urteil vom 28.06.2011 - 2 U 16/10) hat entschieden:
  1. Die Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers, die für den öffentlichen Verkehr gewidmete Straßen, Wege und Plätze besteht, umfasst auch die Beseitigung von Gefahren, die von auf oder an diesen öffentlichen Flächen gepflanzten Bäumen, ausgehen; sei es durch Umfallen eines Baumes oder lediglich durch Herabfallen von Teilen.

  2. Wird ein an der Straße abgestelltes Fahrzeug durch einen herabfallenden Ast beschädigt, kommt ein Amtshaftungsanspruch aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegen die Stadt als Straßenbaulastträgerin nur dann in Betracht, wenn der Baum, von dem der Ast abgebrochen ist, als sog. Straßenbegleitgrün zur Straße gehört.

Siehe auch Amtshaftung im Verkehrsrecht und Astbruch und Verkehrssicherung


Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten den Ersatz von Schäden, die ihm dadurch entstanden sind, dass ein Baum auf sein Fahrzeug gefallen ist.

Der Kläger war Eigentümer und Halter des VW-Busses mit dem amtlichen Kennzeichen ..... Diesen hatte er am Abend des 3. August 2008 vor dem Grundstück T.... Straße 38 in ...., Halbinsel H...., abgestellt. Die Straße führt zu dem Fähranleger H..... Am Morgen des 4. August 2008 brach ein Ast einer nahestehenden Pappel ab und stürzte auf das Fahrzeug, an dem ein wirtschaftlicher Totalschaden entstand. Der Schadensumfang ergibt sich im Einzelnen aus einem vorgerichtlichen Gutachten.

Die beklagte Landeshauptstadt hatte mit Vertrag vom 15./18. Dezember 2000 einen Teil des Grundstücks T.... Straße 38 an die A...., Kreisverband .... e.V. (nachfolgend „A....“) vermietet. In § 16 des Vertrages heißt es:
„... 2. Der Mieter übernimmt grundsätzlich die dem Vermieter als Eigentümer des Mietobjektes obliegende Verkehrssicherungspflicht, insbesondere auch soweit sie sich aus § 836 BGB ergibt, allein. Dazu gehört auch das Reinigen anliegender Bachläufe und Gräben sowie die Beseitigung von Abfällen und die Straßenreinigung, soweit diese Maßnahmen nach der Ortsatzung nicht von der Stadt durchgeführt werden.

3. Sind zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht bauliche Maßnahmen, zu denen der Vermieter gemäß Vertrags verpflichtet ist, erforderlich, beschränken sie sich für den Mieter darauf, dem Vermieter erkennbare Mängel unverzüglich anzuzeigen und alle Sofortmaßnahmen zu ergreifen, die zur Vermeidung eines Schadensfalles notwendig sind. Im Übrigen obliegt die Verkehrssicherungspflicht dem Vermieter. ...“
Der obige Fettdruck in Absatz 2 findet sich auch im Original. Überdies heißt es in § 19 des Vertrages:
„... 4. Zwischen den in der Anlage gekennzeichneten Punkten A, B, C ist ein Zaun in der Höhe des bereits vorhandenen Zauns zu setzen.

Für die verbleibende nicht vermietete Restfläche (unbebaut) des Flurstücks 3/2 von 7.506 qm verpflichtet sich der Mieter gemäß § 16 des Mietvertrages zur Verkehrssicherungspflicht sowie zur Pflege (Laubbeseitigung, Schneiden der Sträucher und Koniferen) der Fläche.“
Mit dem 1. Nachtrag vom 5./8. April 2005 vermietete die Beklagte an die A.... sodann einen weiteren Teil des Grundstücks T.... Straße 38 im Umfang von 450 qm zur Aufstellung einer Wagenburg. Die Beklagte übertrug in § 19 Ziff. 11 des Nachtrags die Baum- und Gehölzpflege der Mieterin. Der Nachtrag schließt mit dem Bemerken, dass alle weiteren im Mietvertrag vom 15./18. Dezember 2000 getroffenen Vereinbarungen ihre Gültigkeit behalten, soweit sie durch den Nachtrag nicht geändert wären.

Der Kläger forderte die Beklagte vorgerichtlich wiederholt zum Schadensausgleich auf. Die Beklagte wies Ansprüche zurück.

Der Baum habe - so der Kläger - außerhalb des Zauns auf dem Grundstück T.... Straße 38 gestanden. Der Kläger behauptete weiter, die Beklagte habe in den letzten Jahren trotz Mietvertrages mit der A.... Pflegemaßnahmen an dem streitgegenständlichen Baum vorgenommen, darunter etwa 2 bis 4 Jahre vor dem Unfall eine erhebliche Kronenreduzierung. Der Falsche Zunderschwamm an dem Unglücksbaum sei bereits zwei Jahre vor dem Unfall erkennbar gewesen. Nach Ansicht des Klägers sei die Beklagte verkehrssicherungspflichtig. Sie habe ausreichende Kontrollen unterlassen, die zum Entdecken des Pilzbefalls und zu entsprechenden Maßnahmen gegen Bruch geführt hätten. Die Beklagte habe daher für den Schaden aufzukommen, den der Kläger auf € 3.624,87 nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 402,82 bezifferte.

Die Beklagte wandte dagegen ein, sie sei nicht passivlegitimiert. Sie habe die Verkehrssicherungspflicht wirksam auf die A.... übertragen. Die Beklagte habe den Baum daher etwa die letzten 10 Jahre vor dem Unfall nicht angesprochen. Bei einer Kontrolle wäre die Schädigung nicht erkennbar gewesen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers zum Schadensort durch Inaugenscheinnahme der T.... Straße 38. Überdies hat das Landgericht Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers zu dem Pilzbefall durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.

Mit Urteil vom 13. Januar 2010 hat das Landgericht der Klage nahezu vollumfänglich unter Rekurs einerseits auf § 823 Abs. 1 BGB sowie andererseits auf § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG, §§ 9 Abs. 4, 10 Abs. 1 BbgStrG stattgegeben. Zur Begründung des Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB hat die Kammer ausgeführt, die Beklagte habe die Verkehrssicherungspflicht einer Eigentümerin nicht wirksam auf die A.... übertragen. Aus §§ 16 und 19 des Vertrages lasse sich nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit eine Übertragung entnehmen. Der A.... als Mieterin sei nicht klar gemacht worden, dass sie auch für das sog. Straßenbegleitgrün entlang der Grundstücksgrenze, zu dem der streitgegenständliche Baum zu rechnen sei, Sorge tragen müsse, zumal der Zaun auf dem Grundstück nicht mit der Grundstücksgrenze übereinstimme.

Überdies hafte die Beklagte als Trägerin der Straßenbaulast nach § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG, §§ 9 Abs. 4, 10 Abs. 1 BbgStrG. Im Ergebnis der Inaugenscheinnahme handle es sich bei dem Baum um sog. Straßenbegleitgrün. Denn die Straße sei am Unglücksort von einem ca. drei bis vier Meter breiten Grüngürtel beidseitig eingesäumt, was den ländlichen Charakter des Weges präge. Die hoheitliche Verkehrssicherungspflicht sei von dem Mietvertrag und dessen Übertragung der Verkehrssicherungspflicht nach dem Willen der Parteien nicht umfasst. Die Beklagte habe ihre Pflicht als Straßenbaulastträgerin vorwerfbar verletzt. Nach eigenem Vortrag habe sie seit 10 Jahren eine Kontrolle nicht mehr vorgenommen. Eine Überprüfung hätte aber - nach dem Ergebnis des eingeholten Gutachtens - zur Feststellung des Falschen Zunderschwamms und damit - ein ordnungsgemäßes Vorgehen unterstellt - zu entsprechenden Vorsorgemaßnahmen geführt. Die Beschädigung des Fahrzeugs wäre mithin unterblieben.

Im Rahmen der Schadenshöhe hat das Landgericht den Verwertungserlös von € 1,00 in Abzug gebracht und einen Anspruch auf Nutzungsausfall mangels Nutzungswillens verneint. Überdies hat es Verwertungskosten nicht anerkannt, da solche infolge des Verkaufs nicht entstanden seien. Im Ergebnis hat es der Klage in Höhe von € 2.933,87 nebst Zinsen und anteiliger vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von € 316,18 nebst Zinsen stattgegeben. Im Übrigen hat die Kammer die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen das am 18. Januar 2010 zugestellte Urteil hat die beklagte Stadt mit einem am 18. Februar 2010 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20. April 2010 mit einem am 20. April 2010 eingegangenen Schriftsatz begründet. Die beklagte Stadt wendet sich gegen das Urteil, soweit das Landgericht darin dem Kläger einen Anspruch zuerkennt.

Die Beklagte hält an ihrer Ansicht fest, dass sie der A.... als Mieterin wirksam die Verkehrssicherungspflicht in § 19 Abs. 4 des Mietvertrages übertragen habe. Es fehlten Abgrenzungsschwierigkeiten. Klarer als durch Bezugnahme auf die Gesamtfläche lasse sich die Übertragung gar nicht ausgestalten. Dass der Zaun womöglich nicht auf der Grundstücksgrenze verlaufe, sei unerheblich. Denn zum einen sei die Verkehrssicherungspflicht für das gesamte Grundstück übertragen worden; zum anderen könne ein Zaun nach Belieben errichtet werden. Da die Pflichten aus Eigentümerhaftung und als Straßenbaulastträger identisch seien, liege auch der Gedanke fern, die Mietvertragsparteien hätten hier trennen wollen.

Überdies wendet sich die Beklagte gegen den Begriff des Straßenbegleitgrüns. Der Baum habe gerade nicht auf öffentlichem Straßenland, sondern dem Privatgrundstück gestanden. Für derartige Gefahren treffe den Straßenbaulastträger nur dann eine Haftung, wenn er die Gefahr positiv kenne oder aber habe kennen müssen und ihm Gefahrenabwehrmaßnahmen zumutbar und möglich seien. Positive Kenntnis habe die Beklagte nicht gehabt. Und da sie die Verkehrssicherungspflicht auf die A.... übertragen habe, habe sie zudem die Gefahr auch nicht kennen müssen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Beklagte hafte als Eigentümerin und Straßenbaulastträgerin. Die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht aus dem Mietvertrag könne sich nach Treu und Glauben nur auf das eingezäunte Areal beziehen. Andernfalls hätte die Beklagte der A.... einen deutlichen Hinweis erteilen müssen. Da der Baum (nur) 3 - 4 Meter von der Straße entfernt gestanden habe, sei er in dem Grünstreifen, der die Straße einsäumt, einbezogen gewesen und damit als Straßenbegleitgrün anzusehen.


II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Kläger steht gegen die beklagte Stadt wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs weder ein Amtshaftungsanspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG sowie §§ 9 Abs. 4, 10 Abs. 1 BbgStrG noch ein Anspruch abgeleitet aus der Eigentümerstellung der beklagten Stadt aus § 823 Abs. 1 BGB zu.

1. Der Kläger vermag die Beklagte nicht erfolgreich als Straßenbaulastträgerin im Wege der Amtshaftung in Anspruch zu nehmen. Zwar gehört nach § 2 Abs. 2 Ziff. 3 BbgStrG zur Straße auch das Zubehör. Das sind die Verkehrszeichen, die Verkehrseinrichtungen und sonstigen Anlagen aller Art, die der Sicherheit oder Leichtigkeit des Straßenverkehrs oder dem Schutz der Anlieger dienen, und die zur Straße gehörenden Pflanzen (Straßenbegleitgrün). So umfasst die Verkehrssicherungspflicht, die für den öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wege und Plätze besteht (vgl. §§ 2 Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 BbgStrG), auch die Beseitigung von Gefahren, die von Straßenbäumen, d. h. von auf oder an diesen öffentlichen Flächen gepflanztem Gehölz, ausgehen; sei es durch Umfallen des Baumes oder lediglich durch Herabfallen von Teilen (statt vieler Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17. Juni 2003, Az. 2 U 50/02, Rdnr. 14; zitiert nach juris; dass., Beschluss vom 30. September 2009, Az. 2 U 24/08).

In diesem Zusammenhang muss nach ständiger Senatsrechtsprechung der Verkehrssicherungspflichtige durch hinreichend qualifiziertes Personal regelmäßig zweimal im Jahr die Bäume kontrollieren. Dabei kann sich die Untersuchung normalerweise auf eine Sichtprüfung vom Boden beschränken (vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17. Juni 2003, Az. 2 U 50/02, Rdnr. 14 m. w. N.). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Einholung des schriftlichen Sachverständigengutachtens kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Beklagte die Schädigung des Baumes und mithin die drohende Gefahr bei einer eigenen Kontrolle in den letzten beiden Jahren vor dem Ereignis erkannt hätte.

Mit dem Landgericht lässt sich zudem annehmen, dass der streitgegenständliche Baum zusammen mit den weiteren Pflanzen an der Unglücksstelle den ländlichen Charakter der T.... Straße prägt. Letztlich reicht dies im vorliegenden Fall für die Annahme eines Straßenbegleitgrüns und damit die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten als Straßenbaulastträgerin jedoch nicht aus.

Nach § 2 Abs. 2 Ziff. 3 BbgStrG zählen lediglich die zur Straße gehörenden Pflanzen zu dem Straßenbegleitgrün. Nur auf diese erstreckt sich die Straßenbaulast. Die Straßenverkehrssicherungspflicht soll den Gefahren begegnen, die aus der Zulassung des öffentlichen Verkehrs auf den Straßen für den Verkehrsteilnehmer entstehen können. Sie folgt aus der Tatsache, dass von der Straße durch die Zulassung eines öffentlichen Verkehrs Gefahren ausgehen können. Gegenstand dieser Pflicht sind daher Maßnahmen, mit denen diesen Gefahren zu begegnen ist. Die Sicherungspflicht erstreckt sich nicht nur auf den Zustand der Fahrbahn, sondern auch darauf, dass der Verkehr sich auf dieser Straße gefahrlos entwickeln kann. Der Pflichtige hat die Gefährdeten vor allen von der Straße ausgehenden Gefahren zu schützen, soweit dies mit zumutbaren Mitteln geschehen kann. Dabei entscheidet die Verkehrsauffassung darüber, ob eine Gefahr noch von der Straße oder aber von der Umgebung oder von den Straßenbenutzern ausgeht. Die Verkehrssicherungspflicht umfasst die gesamte Straße bis zu der Stelle, die dem Verkehrsteilnehmer als Grenze äußerlich erkennbar ist. Deshalb nötigt sie zum Beispiel nicht zur Vorsorge gegen das Herabstürzen von Teilen benachbarter Bauwerke, weil diese Gefahr nicht von der Straße, sondern einem außerhalb des Straßenzuges befindlichen Bauwerk ausgeht. Von der Straße selbst droht hingegen die Gefahr, wenn Hindernisse durch Naturgewalten oder von angrenzenden Bauwerken bereits auf die Straße gelangt sind (zum Ganzen BGH, Urteil vom 19. Januar 1989, Az. III ZR 258/87, Rdnr. 19 m. w. N.; zitiert nach juris).

Allgemein gibt es für den Umfang der Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf Bäume, die in den Luftraum einer Straße hineinragen, keine für jeden Fall geltenden Grundsätze (OLG Naumburg, Urteil vom 23. November 1999, Az. 9 U 19/99, Rdnr. 8; zitiert nach juris). Die Anforderungen sind geringer, wenn es sich um einen Feldweg mit untergeordneter Verkehrsbedeutung handelt, und höher, wenn eine vielbefahrene Bundes- oder Ausfallstraße vorliegt (OLG Naumburg, a. a. O., Rdnr. 10). Zuweilen muss der Verkehrssicherungspflichtige, wenn ihm die Beseitigung der Gefahrenquelle nicht zugemutet werden kann, zumindest vor ihr warnen (OLG Naumburg, Urteil vom 5. Februar 1997, Az. 5 U 235/96; zitiert nach juris). Auch das Interesse an der Erhaltung alten Baumbestandes an öffentlichen Straßen ist mit in Betracht zu ziehen (OLG Naumburg, Urteil vom 23. November 1999, Az. 9 U 19/99, Rdnr. 16; zitiert nach juris). Ein im Waldsaum an der Straße stehender Baum wird nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht der Straße zugerechnet. Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich auf ihn so lange nicht, als er unauffällig im Wald steht und nicht aus ihm hervortritt, indem der Baum Eigentümlichkeiten aufweist, die ihn vom Waldsaum abheben und äußerlich der Straße zuordnen (BGH, a. a. O., Rdnr. 20).

Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist zunächst festzuhalten, dass sich nach den Feststellungen des Landgerichts im Rahmen der Inaugenscheinnahme (Bl. 86 d. A.) im Bereich der Abbruchstelle Straßenlaternen befanden, der Straßenabschnitt einen befestigten Untergrund in einer Breite von 4 - 5 Metern aufwies, eine Absperrung der Straße nach der Abbruchstelle im Bereich eines gepflasterten Zugangsweges zur Fähre begann und sich der Baum etwa 4 - 5 Meter vom Abstellort des Fahrzeugs befand, und zwar innerhalb eines 3 - 4 Meter breiten Grüngürtels entlang der Fahrbahn. Überdies belegen die vorgelegten Fotos, Bl. 83 f. d. A., dass es sich bei der T.... Straße um einen untergeordneten Weg handelt, auf dem nach den Ausführungen des Klägers zwar „täglich mehrere Angestellte des paritätischen Wohlfahrtverbandes, der nahe gelegenen Kleingartenanlage, Anwohner der T....- und der K....straße sowie Touristen“ und Schüler verkehrten, der jedoch sonst keinem weiteren nennenswerten Verkehr diente. Wie bereits die Fotos vom Abstellort des Fahrzeuges ergeben und wie der hierzu in der mündlichen Verhandlung gehörte Kläger klargestellt hat, war der Schaden auch nicht etwa beim Befahren des schmalen einspurigen Weges eingetreten. Vielmehr hatte der Kläger den Bus nahezu ins Unterholz hinein seitlich des schmalen Weges abgestellt.

Im Ergebnis hat der Senat bei Würdigung der vorgelegten Fotos und des Ergebnisses der Inaugenscheinnahme der Luftbilder vom Schadensort in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2011 nicht die Überzeugung gewinnen können, dass es sich bei der streitgegenständlichen Pappel um Straßenbegleitgrün handelt. Der Senat zieht dabei die Gedanken heran, der der eingangs zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 19. Januar 1989, Az. III ZR 258/87, Rdnr. 19 f.; zitiert nach juris) zu Grunde lagen. Danach gibt es zwar keine für jeden Einzelfall geltenden Grundsätze. Ein im Waldsaum an der Straße stehender Baum wird nach allgemeiner Verkehrsauffassung jedoch nicht der Straße zugerechnet. Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich auf ihn so lange nicht, als er unauffällig im Wald steht und nicht derart aus ihm hervortritt, dass er äußerlich der Straße zuzuordnen wäre (BGH, a. a. O., Rdnr. 20). Vorliegend befand sich die Pappel inmitten der verwilderten Grünfläche auf dem Grundstück T.... Straße 38. Der Baum trat aus dem übrigen Bewuchs des Grundstücks - wie die vorgelegten Fotos und die Inaugenscheinnahme der Luftbilder entgegen der Ansicht der Klägers belegen - nicht hervor. Es war auch nicht etwa so, dass der Bewuchs die T.... Straße auf ihrer gesamten oder zumindest auf einer bedeutenden Länge - gleichsam planerisch - einrahmte. Vielmehr handelte es sich erkennbar um Wildwuchs, der auch wegen seiner Tiefe von 4 bis 5 Metern im vorliegenden Fall weniger der Straße als dem übrigen Grundstück T.... Straße 38 zuzuordnen war. Dabei stimmen die in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2011 in Augenschein genommenen Luftbilder der T.... Straße im Wesentlichen mit dem Zustand zum Unfallzeitpunkt überein und wurden daher auch von allen Beteiligten zum Gegenstand der Erörterung der Örtlichkeiten gemacht.

Im Ergebnis kam dem streitgegenständlichen Baum nicht der Charakter eines Straßenbegleitgrüns zu. Die Beklagte hat ihre Verkehrssicherungspflicht als Straßenbaulastträger nicht verletzt.

2. Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB steht dem Kläger gegen die Beklagte nicht zu.

a) Zwar war die Beklagte Eigentümerin des Grundstücks, auf dem sich der streitgegenständliche Baum befand.

b) Die Beklagte hat mit der Regelung in dem Mietvertrag und deren Nachtrag (§§ 16 und 19) jedoch wirksam ihre Verkehrssicherungspflicht für die Gesamtfläche auf die A.... als Mieterin eines Teilstücks delegiert.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. statt vieler BGH, Urteil vom 22. Januar 2008, Az. VI ZR 126/07) können Verkehrssicherungspflichten mit der Folge eigener Entlastung delegiert werden. Die Verkehrssicherungspflichten des ursprünglichen Verantwortlichen verkürzen sich dann auf Kontroll- und Überwachungspflichten. Wer die Verkehrssicherungspflicht übernimmt, wird seinerseits deliktisch verantwortlich. Die Übertragung muss klar und eindeutig vereinbart sein (BGH, a. a. O.). Entscheidend ist, dass der in die Verkehrssicherungspflicht Eintretende faktisch die Sicherung für den Gefahrenbereich übernimmt und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch die primär Verkehrssicherungspflichtige, hier die Beklagte, unterbleiben, weil sich diese auf das Tätigwerden des Beauftragten verlässt (BGH, a. a. O.).

Diesen Anforderungen werden die Regelungen in §§ 16 und 19 des Mietvertrages und dessen Nachtrag gerecht. Zunächst hatte die Beklagte der A.... - durch Fettdruck in § 16 Abs. 2 besonders hervorgehoben - die dem Eigentümer obliegende Verkehrssicherungspflicht übertragen. Da die Vertragsparteien keine Einschränkungen vorgenommen haben, hält der Senat entgegen der Ansicht des Landgerichts die Formulierung im Mietvertrag auch für ausreichend klar dahin, dass dies auch die Verkehrssicherungspflicht für die auf der vermieteten Fläche stehenden Bäume umfasst.

Im weiteren Verlauf des Mietvertrages hatte die Beklagte der A.... in § 19 Abs. 4 unabhängig davon, dass sie nur einen Teil des Grundstücks vermietet hatte, jedenfalls die Verkehrssicherungspflicht für das gesamte Grundstück übertragen. Unklarheiten, wo die Fläche beginnt, auf die sich die Verkehrssicherungspflicht erstreckt, und wo sie endet, waren danach ausgeschlossen: Das gesamte Grundstück war umfasst. Dem Mietvertrag war, wie die Klägervertreterin auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2011 bestätigt hat, auch die als Anlage K 5 zur Akte gereichte Skizze beigefügt. Hierauf sind deutlich das Grundstück und dessen Grenzen erkennbar. Textliche Unklarheiten vermag der Senat daher entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht auszumachen.

Und auch der Einwand, der Zaun verlaufe im Bereich des streitgegenständlichen Baums nicht auf der Grundstückgrenze, verfängt nicht. Dadurch, dass der Baum 1 - 1 ½ Meter vom Zaun entfernt gestanden hat, lässt sich nicht der Schluss ziehen, er sei nicht mehr dem Grundstück zuzuordnen. Aus der dem Mietvertrag beigefügten Skizze K 5 ergeben sich deutlich die Grundstückgrenzen. Auf Zäune wird dort zur Abgrenzung des Grundstücks nicht Bezug genommen. Wie die Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2011 überdies eingeräumt hat, verläuft der Zaun auch im Übrigen, d. h. abseits der streitgegenständlichen Fläche, nicht ausnahmslos auf der Grundstücksgrenze, so etwa auf Höhe der Einbuchtung an der Einfahrt. Mithin konnte für die A...., die die Skizze K 5 zum Vertragsbestandteil gemacht hatte, nicht ernsthaft unklar sein, dass sie die Verkehrssicherungspflicht auch hinsichtlich des im Streit stehenden Baums übernommen hat. Im Übrigen hat der Kläger auch nicht näher dazu vorgetragen, geschweige denn Beweis dafür angeboten, dass die zuständigen Mitarbeiter auf Seiten der A.... ungeachtet der Vertragslage tatsächlich im Ungewissen über die Grenzen der Verkehrssicherungspflicht gewesen seien.

c) Eine schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten als Eigentümerin im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB lässt sich auch nicht mit der Begründung annehmen, die Beklagte sei ihrer Kontroll- und Überwachungspflicht gegenüber der A.... als Übernehmerin der Verkehrssicherungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Sofern der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und nunmehr in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 7. Juni 2011 in diese Richtung argumentiert hat, ist er mit diesem Vortrag nach §§ 530, 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Die Voraussetzungen für ein neues Angriffsmittel liegen nicht vor. Im Übrigen wäre der Vortrag des Klägers widersprüchlich, behauptet er doch andererseits, Mitarbeiter der Beklagten hätten etwa 2 - 4 Jahre vor dem Astabbruch die Baumkrone beschnitten. Dieses Tätigwerden der Beklagten ginge sogar über das gewöhnliche Maß, das von der Beklagten im Wege einer reinen Überwachungspflicht gegenüber dem Übernehmer der Verkehrsicherungspflicht zu fordern ist, weit hinaus.

Andere Grundlagen für einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte als die oben genannten sind nicht ersichtlich.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Das Berufungsurteil beruht im Wesentlichen auf einer Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Eine Divergenz zu Entscheidungen des Bundesgerichtshofes oder anderen Oberlandesgerichten ist nicht ersichtlich.


IV.

Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz wird entsprechend der weiterverfolgten Klageforderung festgesetzt auf 2.933,87 Euro.