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OLG Frankfurt am Main Urteil vom 16.07.1998 - 7 U 172/97 - Bemessung der Schadenshöhe bei unterlassener Reparatur

OLG Frankfurt am Main v. 16.07.1998: Bemessung der Schadenshöhe bei unterlassener Reparatur


Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.07.1998 - 7 U 172/97) hat entschieden:
Hat der gerichtlich bestellte Sachverständige nachvollziehbar festgestellt, dass Arbeiten zur Instandsetzung des Frontschadens, der beiden hinteren Türen, der Rahmenlängsträger und Radhäuser durchgeführt werden mussten, dass die Hinterachse ein- und ausgebaut werden musste, um das Fahrzeug auf einer Richtbank komplett zu vermessen und Hohlraumversiegelungen und Unterbodenschutzarbeiten durchzuführen waren, so sind die Richtbankkosten zu ersetzen.


Siehe auch Reparaturkosten und Richtbankkosten - Richtbankarbeiten


Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).


Entscheidungsgründe:

Berufung und Anschlussberufung sind zulässig. Die Berufung führt teilweise zum Erfolg, die Anschlussberufung ist unbegründet.

Dem Kläger steht wegen des vom Beklagten zu 1 unstreitig allein verursachten Unfallereignisses vom 4.8.1992 über den vom Landgericht ausgeurteilten Betrag von 8.825,74 DM hinaus ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.891,00 DM zu.

Ist ein Fahrzeug bei einem Unfall beschädigt worden, so kann der Geschädigte von dem ersatzpflichtigen Schädiger statt der Herstellung durch diesen den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dieser bemisst sich danach, was vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Eigentümers in der Lage des Geschädigten für die Instandsetzung des Fahrzeugs zweckmäßig und angemessen erscheint, wobei es dem Geschädigten frei steht, den für die Reparatur erforderlichen Geldbetrag nicht für die Reparatur seines Fahrzeugs, sondern für andere Zwecke zu verwenden (BGH VersR 1989, 1056).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme besteht kein Zweifel daran, dass für die sachgerechte Instandsetzung des unfallgeschädigten Fahrzeugs Reparaturkosten in Höhe von 17.985,75 DM (18.183,42 DM abzüglich eines Abschlags für Wertverbesserungen von 197,68 DM) ohne Mehrwertsteuer notwendig waren. Der Sachverständige S. hat bei seiner Anhörung überzeugend ausgeführt, dass sämtliche von ihm in seinem Gutachten vom 11.8.1993 im einzelnen aufgeführten Arbeiten erforderlich waren, um die durch das Unfallereignis entstandenen Beschädigungen zu beheben. Er hat sich sowohl mit den Gutachten des vom Kläger beauftragten Sachverständigen B. vom 6.8.1992 als auch mit dem Gutachten des von der Beklagten zu 2 hinzugezogenen Sachverständigen H. vom 8.9.1992 und dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen R. vom 26.3.1994 auseinandergesetzt. Er hat nachvollziehbar begründet, dass entgegen den Feststellungen des Sachverständigen R. Arbeiten zur Instandsetzung des Frontschadens, der beiden hinteren Türen, der Rahmenlängsträger und Radhäuser durchgeführt werden mussten, dass die Hinterachse ein- und ausgebaut werden musste, um das Fahrzeug auf einer Richtbank komplett zu vermessen und Hohlraumversiegelungen und Unterbodenschutzarbeiten durchzuführen waren. Er hat auch im einzelnen überzeugend darlegt, dass die Verwendung der von ihm aufgelisteten Ersatzteile geboten war.

An der Sachkunde des Sachverständigen S. bestehen keinerlei Zweifel. Er ist als Kraftfahrzeugmeister in der Lage zu beurteilen, auf welche Art Fahrzeugschäden sachgemäß zu beheben sind und verfügt durch seine jahrelange Tätigkeit für das Sachverständigenbüro K. über eine umfangreiche Erfahrung.

Der Verwertung seines Gutachtens steht die Bestimmung des § 404 Abs. 2 ZPO nicht entgegen, da es sich bei der Regelung, dass grundsätzlich öffentlich bestellte Sachverständige zu beauftragen sind, lediglich um eine Ordnungsvorschrift handelt, deren Missachtung prozessual belanglos ist (Baumbach-​Hartmann, ZPO 51. A. § 404 RZ 2). Auch der Umstand, dass die Beklagte vor der Beauftragung des Sachverständigen S. nicht angehört worden ist, steht der Verwertbarkeit des Gutachtens nicht entgegen. § 404 ZPO sieht keine Pflicht des Gerichts vor, die Parteien anzuhören, wer als Sachverständiger ausgewählt werden soll. Nur dann, wenn sich von den Parteien nachträglich erhobene Einwendungen als bedenkenswert erweisen, hat das Gericht rückschauend zu prüfen, ob es diesen vor Beauftragung des Sachverständigen Rechnung getragen hätte (BGHZ 131, 76, 80). Hier aber haben sich die Beklagten nur darauf berufen, dass der Sachverständige S. nicht öffentlich bestellt ist. Dies aber ist, wie oben ausgeführt, kein Grund, von seiner Hinzuziehung abzusehen.

Damit beläuft sich der Schadensersatzanspruch des Klägers auf

Reparaturkosten 17.985,74 DM
merkantile Wertminderung 1.600,00 DM
Nutzungsentschädigung 1.131,00 DM
insgesamt 20.716,74 DM


Der Kläger hat mit seiner Klage, wie er im Schriftsatz vom 9.11.1993 (Bl. 101, 102 d.A.) ausdrücklich klargestellt hat und wie es sich auch aus dem Gutachten des Sachverständigen S. errechnen lässt, Nutzungsentschädigung nur für 13 Tage in Höhe von 87,00 DM pro Tag, insgesamt also 1.131,00 DM geltend gemacht.

Unter Berücksichtigung des bereits von der Beklagten zu 2 gezahlten Betrages von 10.000,00 DM ergibt sich mithin eine noch offene Forderung des Klägers von 10.716,74 DM. Hiervon ist entgegen der Ansicht des Landgerichts der Betrag von 2.500,00 DM, für den das Autohaus Be. das Fahrzeug im beschädigten Zustand in Zahlung genommen hat, nicht abzuziehen. Da sich der Nettowiederbeschaffungswert des Fahrzeugs abzüglich des Restwertes nach dem Gutachten des Sachverständigen S. auf 19.868,42 DM (22.368,42 abzüglich 2.500,00 DM), die Reparaturkosten zuzüglich des Minderwertes jedoch auf 19.585,74 DM beliefen, war der Kläger berechtigt, den für die Beklagten günstigeren Weg über eine Abrechnung auf Gutachtenbasis zu wählen. Dabei aber kann ihm nicht der Vorteil angerechnet werden, der ihm bei einer Abrechnung auf der Basis einer Ersatzbeschaffung entstanden wäre.

Ein Anspruch auf Ersatz anteiliger Mehrwertsteuer auf die fiktiven Reparaturkosten in Höhe von 647,47 DM steht dem Kläger hingegen nicht zu. Dem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten erwächst aus seiner Pflicht zur Schadensminderung die Verpflichtung, die bei der Schadensbehebung anfallende Mehrwertsteuer selbst zu bezahlen und von seiner eigenen Umsatzsteuer abzusetzen. Sie wirkt sich wirtschaftlich gesehen für ihn nicht aus, belastet ihn nicht und ist daher auch nicht Bestandteil des ersatzpflichtigen Schadens. Hier hätte der Kläger die auf eine Reparatur des Fahrzeugs anfallende Umsatzsteuer ungeachtet des Umstandes, dass er das Fahrzeug zu 25 % auch privat genutzt hat, in vollem Umfang als Vorsteuer abziehen können. Dies folgt aus der Umsatzsteuer Richtlinie 1992 Abschnitt 192 Abs. 18 Nr. 2, in der ausdrücklich bestimmt ist, dass
"ein sog. einheitlicher Gegenstand nur insgesamt als für das Unternehmen oder insgesamt als für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen angesehen werden"
kann.
"Umsatzsteuerbeträge, die durch den Erwerb, die Herstellung sowie die Verwendung oder Nutzung eines solchen Gegenstandes anfallen, z.B. durch den Kauf oder Miete sowie den laufenden Unterhalt eines Kraftfahrzeugs, können daher in vollem Umfang abzogen werden, wenn der Gegenstand dem Unternehmen zugeordnet ist."
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO. Die Beschwer ist gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt.