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OVG Bautzen Beschluss vom 28.10.2015 - 3 B 289/15 - Wiedererlangung der Kraftfahreignung bei Einnahme von harten Drogen

OVG Bautzen v. 28.10.2015: Zur Wiedererlangung der Kraftfahreignung bei Einnahme von harten Drogen


Das OVG Bautzen (Beschluss vom 28.10.2015 - 3 B 289/15) hat entschieden:
  1. Lässt sich eine Abhängigkeit nicht nachweisen, genügt bei harten Drogen unter Umständen der Nachweis einer Abstinenzzeit von weniger als einem Jahr.

  2. Die Beurteilung hat in Fällen nicht nachgewiesener Abhängigkeit alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Hierzu gehört neben der nachgewiesenen Drogenabstinenz über eine gewisse Zeitdauer jedoch auch der Nachweis eines stabilen Verhaltens- und Einstellungswandels.

Siehe auch Wiedererteilung der Fahrerlaubnis - Wiedererlangung der Fahreignung und Stichwörter zum Thema Drogen


Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, ergeben nicht, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. April 2015 in der Fassung, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2015 erhalten hat, wiederherzustellen oder anzuordnen. Mit diesem Bescheid entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen B, M, L und S (Nr. 1 des Bescheids), forderte ihn auf, den Führerschein innerhalb von fünf Arbeitstagen nach Zustellung des Bescheids abzugeben oder zu übersenden (Nr. 2) und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit der Verfügungen Nr. 1 und Nr. 2 an (Nr. 3).

Das Verwaltungsgericht hat die Ablehnung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO damit begründet, die im vorliegenden Verfahren allein mögliche, aber ausreichende summarische Prüfung ergebe, dass der in Streit stehende Bescheid offensichtlich rechtmäßig sei. Dem Antragsteller sei die Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV i. V. m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV (nachfolgend: Anlage 4 FeV) zu entziehen. Er habe sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, weil er am 3. Januar 2015 unter dem Einfluss von Amphetamin und Methamphetaminein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt habe. Dies ergebe sich aus der Untersuchung der Blutprobe des Antragstellers. Der Eignungsmangel habe auch noch zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vorgelegen, da ein Zeitraum von vier Monaten seit dem nachgewiesenen Konsum nur geringfügig überschritten worden und damit die geforderte zeitliche Nähe zum nachgewiesenen Konsum der Rauschmittel noch vorhanden sei. Es sei noch kein so beachtlich langer Zeitraum seitdem verstrichen, dass sicher auf ein abgeschlossenes Konsumverhalten geschlossen werden könne. Aus dem vom Antragsteller vorgelegten Ergebnis einer Urinuntersuchung vom 11. Mai 2015 ergebe sich nichts anderes, da das vorliegend insbesondere eine Rolle spielende Methamphetamin nicht untersucht worden und weder vorgetragen noch ersichtlich sei, dass der Laborbefund auf einer unvorbereiteten Kontrolle basiert habe. Die Anordnung einer medizinisch- psychologischen Begutachtung sei nicht angezeigt, da im Falle des hier feststehenden Eignungsmangels die Anordnung eines Gutachtens nicht in Frage komme. In Anbetracht der von ihm ausgehenden erhöhten Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer habe der Antragsteller auch die mit dem Fahrerlaubnisentzug verbundenen beruflichen Beeinträchtigungen hinzunehmen.

Dem hält der Antragsteller in seiner Beschwerde mit Schriftsatz vom 1. September 2015 entgegen, dass es sich um ein einmaliges und abgeschlossenes Verhalten gehandelt habe. Er habe während einer Jahresabschlussparty Crystal konsumiert und nicht vermutet, dass er noch am 3. Januar 2015 bei seinem Aufgriff Spuren davon in seinem Körper gehabt habe. Das abgeschlossene Konsumverhalten ergebe sich auch aus der Urinuntersuchung. Daher sei mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Dresden davon auszugehen, dass er nach Ablauf von vier Monaten nicht mehr als ungeeignet angesehen werden dürfe. Bei dem Entzug der Fahrerlaubnis drohten ihm ein Verlust seines Arbeitsplatzes und damit die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz. Hierzu legt er eine Bestätigung seines Arbeitgebers vom 29. Juli 2015 vor. Dies habe auch das Amtsgericht Hoyerswerda in dem Bußgeldverfahren bewogen, von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen. Zudem wolle er ab September das zweite Jahr der Qualifizierungsmaßnahme "Meisterschule" im Bildungswerk in Dresden besuchen. Diese Fahrten könne er mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Hoyerswerda aus nicht bewältigen, da „der öffentliche Nahverkehr zwischen Hoyerswerda und Dresden so nicht ausgestaltet“ sei.

Mit diesem Vorbringen kann die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden nicht in Frage gestellt werden.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Antragsteller wegen der Einnahme von Betäubungsmitteln i. S. v. § 1 Abs. 1 BtMG i. V. m. dessen Anlagen II und III gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i. V. m. Nr. 9.1 Anlage 4 FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Aus der Analyse der Blutprobe des Antragstellers durch das Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden vom 12. Februar 2015 ergibt sich ein positiver Befund für Methamphetamin im Serum. Auch konnten Spuren von Amphetamin nachgewiesen werden. Der Antragsteller hat eingeräumt, Crystal konsumiert zu haben. Wie der Senat mehrfach entschieden hat, kommt es bei nachgewiesenem Konsum solcher Betäubungsmittel nicht auf eine bestimmte Häufigkeit des Konsums oder darauf an, ob der Betroffene Drogenkonsum und Fahren trennen kann. Bereits der erstmalige gesicherte Nachweis einer relevanten Menge von Amphetamin und Methamphetamin im Blut eines Kraftfahrzeugführers rechtfertigt die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen (SächsOVG, Beschl. v. 10. Dezember 2014 - 3 B 148/14 -, juris Rn. 8 m. w. N.).

Mit dem Verwaltungsgericht kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller seine Fahreignung im Entscheidungszeitpunkt wiedererlangt hat. Lässt sich - wie hier - eine Abhängigkeit nicht nachweisen, genügt unter Umständen der Nachweis einer Abstinenzzeit von weniger als einem Jahr. Die Beurteilung hat in Fällen nicht nachgewiesener Abhängigkeit alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Hierzu gehört neben der nachgewiesenen Drogenabstinenz über eine gewisse Zeitdauer jedoch auch der Nachweis eines stabilen Verhaltens- und Einstellungswandels (SächsOVG, a. a. O. Rn. 16 ff.; SächsOVG, Beschl. v. 1. Februar 2010 - 3 B 161/08 -, juris Rn. 5 zum für sich genommen nicht ausreichenden zeitlichen Abstand von vier Monaten seit der Drogenfahrt).

Dies ist hier nicht gelungen. Zum einen ist der bis zum Erlass des vorbezeichneten Widerspruchsbescheids verstrichene Zeitraum und die Tatsache, dass der Antragsteller seitdem nicht wieder verhaltensauffällig gewesen ist, allein noch nicht geeignet, eine stabile Verhaltensänderung bejahen zu können (hierzu näher SächsOVG, Beschl. v. 14. Februar 2012 - 3 B 357/11 -, juris Rn. 5 m. w. N.). Auch die vom Antragsteller hierzu vorgelegte Urinprobe ist nicht aussagefähig, da sich ihr nicht entnehmen lässt, dass der Antragsteller im Rahmen einer entsprechenden Vereinbarung auf Grund einer kurzfristigen ärztlichen Einbestellung und nicht aus eigenem Entschluss zu einem ihm günstigen erscheinenden Zeitpunkt zu der Urinprobe erschienen ist (SächsOVG, Beschl. v. 10. Dezember 2014 a. a. O. Rn. 18 m. w. N.), und Verwaltungsgericht sowie Antragsgegner in seiner Antragserwiderung mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2015 zum anderen zutreffend darauf hingewiesen haben, dass eine Überprüfung auf Spuren von Methamphetamin augenscheinlich nicht stattgefunden hat. Auch die Tatsache, dass das Amtsgericht Hoyerswerda in dem Bußgeldverfahren des Antragstellers wegen der negativen Folgen von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen hat, ändert hieran nichts, denn Anlass für die amtsgerichtliche Entscheidung war nicht der vorliegend erforderliche Nachweis, dass der Antragsteller die Fahreignung wiedererlangt hat. Schließlich hat der Antragsgegner mit Hinweis auf die Rechtsprechung (BayVGH, Beschl. v. 18. Februar 2008 - 11 CS 07.2831 -, juris Rn. 13 m. w. N.), dass Amphetamine unabhängig von ihrer Dosis im Blut maximal bis 48 Stunden nach Konsum nachweisbar sind, das Vorbringen des Antragstellers, er habe drei Tage vorher einmalig Crystal konsumiert, wirksam in Zweifel gezogen. Das vom Antragsteller zugestandene Konsumverhalten erscheint daher insgesamt nicht ohne weiteres glaubhaft.

Auch die Interessenabwägung durch das Verwaltungsgericht ist nicht zu beanstanden. Der Senat hat wiederholt darauf hingewiesen, dass angesichts der erheblichen Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer der Umstand, dass sich ein Kraftfahrer als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, in aller Regel ausreicht, um die Verfügung zur Einziehung der Fahrerlaubnis für sofort vollziehbar zu erklären und den ungeeigneten Fahrerlaubnisinhaber unverzüglich von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen. Dies gilt auch, soweit - wie hier - der Betroffene auf die aus beruflichen Gründen auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist (SächsOVG, Beschl. v. 10. Dezember 2014 a. a. O. Rn. 21 f. m. w. N.). Im Übrigen hat der Antragsgegner im Hinblick auf die Teilnahme an dem Meisterkurs in Dresden unter Vorlage eines Fahrplanauszugs zutreffend darauf hingewiesen, dass es dem Antragsteller wie zahlreichen anderen Pendlern ohne weiteres zumutbar ist, bis zu der Wiedererlangung seiner Fahrerlaubnis auf öffentliche Verkehrsmittel zurückzugreifen, selbst wenn sich dadurch die Fahrtzeiten erhöhen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und folgt der Streitwertsetzung des Verwaltungsgerichts im erstinstanzlichen Verfahren, gegen die keine Einwände erhoben wurden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).