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Verwaltungsgericht Minden Beschluss vom 03.05.2005 - 3 L 132/05 - Sperre der in Fahrerlaubnisregistern gespeicherten Daten

VG Minden v. 03.05.2005: Zur Sperre der in Fahrerlaubnisregistern gespeicherten Daten


Das Verwaltungsgericht Minden (Beschluss vom 03.05.2005 - 3 L 132/05) hat entschieden:
Die Speicherung und Übermittlung von Daten, die im Zentralen Fahrerlaubnisregister und den örtlichen Fahrerlaubnisregistern eingetragen sind, ist grundsätzlich in den §§ 48 ff. StVG geregelt, wobei die §§ 49 ff. FeV die Vorgaben des Straßenverkehrsgesetzes lediglich konkretisieren, nicht aber vom Straßenverkehrsgesetz abweichende beziehungsweise modifizierende Regelungen treffen. Letzteres wäre überdies von der Ermächtigung zum Erlass der Fahrerlaubnisverordnung ersichtlich nicht gedeckt. Ausnahmen von den Regelungen der §§ 48 ff. StVG können über § 74 Abs. 1 FeV somit nicht erreicht werden. Daher hat der Inhaber eines pyrotechnischen Betriebs keinen Anspruch auf Sperre der in Fahrerlaubnisregistern gespeicherten Daten.


Siehe auch Halterauskunft - Übermittlung von Fahrzeug- und Halterdaten an Dritte und Stichwörter zum Thema Verkehrsverwaltungsrecht


Gründe:

Der sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
  1. für das auf ihn - den Antragsteller - zugelassene Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen M. -G. 0000 eine Übermittlungssperre anzuordnen und Auskünfte nur in Einzelfällen bei überwiegendem öffentlichen Interesse nach Abgabe einer Stellungnahme durch ihn - den Antragsteller - zu erteilen und

  2. auf der Grundlage des § 74 Abs. 1 der Fahrerlaubnis-​Verordnung (FeV) seine - des Antragstellers - Führerscheindaten (Nummer ...) zu sperren,
hat keinen Erfolg.

Der Antrag zu 1. ist bereits unzulässig. Dem Antragsteller fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm begehrte Regelung, denn mit Blick auf die seitens des Antragsgegners unter dem 22. April 2005 angeordnete Übermittlungssperre hat sich das Verfahren - entgegen der Auffassung des Antragstellers - insoweit erledigt.

Der Antragsgegner hat seine Entscheidung auf § 41 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVG) gestützt. Nach dieser Vorschrift sind Übermittlungssperren auf Antrag des Betroffenen anzuordnen, wenn er glaubhaft macht, dass durch die Übermittlung seine schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt würden. Im Rahmen des Klageverfahrens des Antragstellers auf Erteilung eines Waffenscheines (8 K 3312/03) sind die Beteiligten davon ausgegangen, dass bei der beruflichen Tätigkeit des Antragstellers, insbesondere dem Umgang und Transport mit Sprengstoffen, eine besondere Gefahrenlage gegeben sei. Dem Antragsteller ist daraufhin ein Waffenschein erteilt worden, damit er sich vor Raubüberfällen schützen kann. Hieran anknüpfend hat die Kreispolizeibehörde M1. unter dem 20. April 2005 den Antragsteller als gefährdete Person eingestuft. Mit der Anordnung der Übermittlungssperre ist der Antragsgegner nunmehr dem Begehren des Antragstellers nachgekommen.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsgegner im Schriftsatz vom 25. April 2005 dargetan hat, er werde über Auskunftsersuchen der Polizei, der Bußgeldbehörden, der Staatsanwaltschaften und Gerichte nach Einholung einer Stellungnahme des Antragstellers und Überprüfung, ob ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Kenntnis der gesperrten Daten bestehe, entscheiden. Dies ist (insbesondere) mit der Ausnahmevorschrift des § 41 Abs. 3 Satz 1 StVG vereinbar. Danach ist die Übermittlung trotz bestehender Sperre im Einzelfall zulässig, wenn an der Kenntnis der gesperrten Daten ein überwiegendes öffentliches Interesse, insbesondere an der Verfolgung von Straftaten besteht. Der Einwand des Antragstellers, nach dieser Vorschrift sei ein überwiegendes Interesse nur im Falle der Verfolgung von Straftaten, nicht hingegen von Ordnungswidrigkeiten gegeben, greift nicht durch. Vorliegend ist die Übermittlungssperre angeordnet worden, weil durch die Übermittlung von Fahrzeugregisterdaten schutzwürdige Interessen des Antragstellers beeinträchtigt werden könnten. Die Übermittlungssperre nach § 41 Abs. 2 StVG dient in erster Linie dazu, die Erteilung entsprechender Auskünfte an Privatpersonen zu unterbinden und dadurch das Risiko des Antragstellers, auf Grund seiner Tätigkeit Opfer von Straftaten zu werden, zu minimieren. Eine Übermittlungssperre im privaten Interesse kann jedoch nicht dazu führen, dass eine Verfolgung von Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr erschwert oder gar verhindert wird, da hierdurch die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs erheblich beeinträchtigt würde und dies eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer bedeuten könnte. Das Ergebnis dieser Auslegung wird dadurch bestätigt, dass § 41 Abs. 3 Satz 1 StVG die Offenbarung der Daten trotz Übermittlungssperre allgemein von dem Vorliegen eines überwiegenden öffentliches Interesses abhängig macht. Die Verfolgung von Straftaten wird in diesem Zusammenhang lediglich exemplarisch angeführt.

Ebenso wenig kann der Antragsteller aus seinem Vorbringen etwas für sich herleiten, in diesem Fall gehe es nicht nur um den Schutz seiner Person, sondern, da ein Raub von Spezial-​Sprengstoffen zu einer unbestimmten Zahl von Opfern führen könnte, um den Schutz von Leib und Leben vieler Bürger, hinter dem das Verfolgungsinteresse an Ordnungswidrigkeiten zurückstehen müsse. Die vom Antragsteller angeführte Gefahr für die Bevölkerung ist rein hypothetischer Natur und durch nichts belegt.

Der Antrag zu 2. ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind ferner zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Eine Ausnahme von dem Verbot der Vorwegnahme einer Hauptsacheentscheidung ist allerdings dann zu machen, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht
- vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., 2003, § 123 Rdnr. 13 f. -.
Hiervon ausgehend, hat der Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Er hat in diesem Zusammenhang angegeben, die Notwendigkeit der Vorwegnahme einer Hauptsacheentscheidung ergebe sich aus dem besonderen Gefahrenpotential der Explosivstoffe, mit denen er handele. So seien Terroranschläge auf Flugzeuge bereits mit wenigen hundert Gramm Plastiksprengstoff möglich. Die von ihm regelmäßig gelagerte Menge solcher Spezialsprengstoffe reiche - sofern sie im Rahmen eines Überfalls erbeutet würde - aus, um in den nächsten Jahren mehrere hundert Sprengstoffanschläge auf unterschiedliche Ziele zu verüben und einen unbegrenzten Personenkreis zu bedrohen.

Dieses Vorbringen reicht zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes nicht aus. Der Antragsteller hat nicht substantiiert dargetan, dass er durch das Abwarten einer Entscheidung in einem gegebenenfalls anhängig zu machenden Hauptsacheverfahren existenzielle Nachteile erleiden würde. Mit Blick darauf, dass er über einen Waffenschein verfügt und in seinem Fall Übermittlungssperren nach § 34 Abs. 6 des Meldegesetzes NRW und § 41 Abs. 2 StVG angeordnet worden sind, ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller, der bereits seit dem Jahre 2003 als Händler für Spezialsprengstoffe sowie als Sprengberechtigter tätig ist, für seinen Schutz vor Straftaten zwingend auf die zusätzliche Sperrung seiner im Zentralen Fahrerlaubnisregister und den örtlichen Fahrerlaubnisregistern gespeicherten Daten angewiesen wäre. Die von ihm beschriebenen Gefahren für die Bevölkerung sind - wie bereits oben angeführt - lediglich abstrakt und reichen für die Annahme eines Anordnungsgrundes nicht aus. Darüber hinaus ist der Antragsteller auch deshalb nicht schutzwürdig, weil (wie das Gericht bereits in seinen Beschlüssen vom 11. März 2005 - 2 L 121/05 und 2 L 140/05 - ausgeführt hat) er im Internet mit seinem pyrotechnischen Betrieb wirbt und im Rahmen seines Internetauftrittes bis vor kurzem noch auf die "fast unbegrenzten" Einsatzmöglichkeiten von Sprengstoff, wie z.B. Felssprengungen, Stahlsprengungen und Sprengungen unter Wasser hingewiesen hat, so dass für Dritte ohne weiteres erkennbar war, dass der Antragsteller als Anbieter von Sprengungen über besondere Explosivstoffe verfügt.

Im Übrigen hat der Antragsteller auch den erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach der vorliegend gebotenen summarischen Prüfung steht ihm ein Anspruch auf Sperrung seiner im Zentralen Fahrerlaubnisregister und den örtlichen Fahrerlaubnisregistern gespeicherten Daten nach § 74 Abs. 1 FeV nicht zu. § 74 Abs. 1 Fev besagt, dass die zuständigen obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten oder nach Landesrecht zuständigen Stellen von allen Vorschriften dieser Verordnung in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte einzelne Antragsteller, es sei denn, dass die Auswirkungen sich nicht auf das Gebiet des Landes beschränken und eine einheitliche Entscheidung erforderlich ist, Ausnahmen genehmigen können. Es ist schon zweifelhaft, ob der Antragsteller seinen Antrag auf Genehmigung von Ausnahmen nach § 74 Abs. 1 FeV überhaupt bei der zuständigen Stelle gestellt hat. Darüber hinaus ist die Speicherung und Übermittlung von Daten, die im Zentralen Fahrerlaubnisregister und den örtlichen Fahrerlaubnisregistern eingetragen sind, grundsätzlich in den §§ 48 ff. StVG geregelt, wobei die §§ 49 ff. FeV die Vorgaben des Straßenverkehrsgesetzes lediglich konkretisieren, nicht aber vom Straßenverkehrsgesetz abweichende beziehungsweise modifizierende Regelungen treffen. Letzteres wäre überdies von der Ermächtigung zum Erlass der Fahrerlaubnisverordnung ersichtlich nicht gedeckt. Ausnahmen von den Regelungen der §§ 48 ff. StVG können über § 74 Abs. 1 FeV somit nicht erreicht werden.

Sein Begehren kann der Antragsteller auch nicht unmittelbar auf Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes stützen. Das Straßenverkehrsgesetz sieht im Zusammenhang mit den in den Fahrerlaubnisregistern gespeicherten Daten - anders als bei solchen aus den Fahrzeugregistern - keine Übermittlungssperre vor, vielmehr regelt es explizit, unter welchen Voraussetzungen diese Daten übermittelt werden dürfen und wer der Empfänger dieser Daten sein darf.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG.