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OLG München Urteil vom 28.10.2016 - 10 U 2602/16 - Zur fehlenden Aktivlegitimation des Leasingnehmers

OLG München v. 28.10.2016: Zur fehlenden Aktivlegitimation des Leasingnehmers


Das OLG München (Urteil vom 28.10.2016 - 10 U 2602/16) hat entschieden:
  1. Ist zwar der Betriebsinhaber wirtschaftlicher Eigentümer eines Leasingfahrzeugs, ist dieses jedoch auf einen angestellten Mitarbeiter zugelassen und diesem unter vertraglicher Übernahme der Halterpflichten zur alleinigen Benutzung überlassen, dann ist der Betriebsinhaber nicht Halter und somit für Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall nicht aktivlegitimiert.

  2. De Leasinggeberin muss sich weder ihrem Schadensersatzanspruch wegen unfallbedingter Verletzung ihres Eigentums am Leasingfahrzeug aus § 823 BGB noch aus § 7 StVG dessen Betriebsgefahr anspruchsmindernd zurechnen lassen, da es hierfür keine Zurechnungsnorm gibt (vgl. BGHZ 173, 182 ff OLG; Karlsruhe MDR 2014, 152). Eine Zurechnung eines etwaigen Verschuldens des Fahrzeugführers oder der Beifahrerin scheidet ohnehin aus, da eine Zurechnungsnorm, etwa §§ 278, 831 BGB nicht eingreift.

Siehe auch Aktivlegitimation für Schadensersatzansprüche aus Verkehrsunfall im Leasingverhältnis und Stichwörter zum Thema Leasingfahrzeug und Leasingvertrag


Gründe:

A.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

I.

Das Landgericht hat zu Unrecht eine Mithaftung der Klägerin wegen der von den Insassen geöffneten Tür angenommen. Nach dem erstmals in zweiter Instanz vorgelegten Leasingvertrag war der Mitarbeiter der Klägerin, der Zeuge B., der auch Fahrer des Pkw der Klägerin zum Unfallzeitpunkt war, Halter (vgl. Ziffer I.4 der Mietbedingungen Konzernangehörige) des Fahrzeugs und ausweislich der Betätigung des Landratsamtes (Anlage K 9) war das Fahrzeug auch auf ihn zugelassen. Der Inhalt der Leasingbedingungen und die Richtigkeit der behördlichen Auskunft sind zwischen den Parteien nicht streitig, weshalb schon deshalb eine Präklusion nicht in Betracht kommt (BGH MDR 2010, 649); überdies hat das Landgericht die in erster Instanz von den Parteien thematisierte Frage, ob die Klägerin nur Eigentümerin oder auch Halterin des Pkw ist, übersehen, § 531 II Nr. 1 ZPO. Weiter wurde der Pkw der Klägerin unstreitig beim Betrieb des bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw des Beklagten zu 1), der zugleich dessen Fahrer war, beschädigt, §§ 7 I, 18 I StVG, 115 I 1 Nr. 1 VVG. Die Schadenshöhe ist zwischen den Parteien nicht streitig und eine Anspruchskürzung wegen Mitverursachung oder Mitverschulden scheidet aus.

Da nicht von einer Haltereigenschaft der Klägerin auszugehen ist (entsprechend der üblichen Vertragsgestaltung bei Leasingverträgen), gilt Folgendes:

Die Leasinggeberin muss sich weder ihrem Schadensersatzanspruch wegen unfallbedingter Verletzung ihres Eigentums am Leasingfahrzeug aus § 823 BGB noch aus § 7 StVG dessen Betriebsgefahr anspruchsmindernd zurechnen lassen, da es hierfür keine Zurechnungsnorm gibt (vgl. BGHZ 173, 182 ff OLG; Karlsruhe MDR 2014, 152). Eine Zurechnung eines etwaigen Verschuldens des Fahrzeugführers oder der Beifahrerin scheidet ohnehin aus, da eine Zurechnungsnorm, etwa §§ 278, 831 BGB nicht eingreift.

Das OLG Karlsruhe führt in der genannten Entscheidung u.a. aus:
„§ 17 Abs. 2 StVG kommt nicht in Betracht, da diese Vorschrift die Haftungsverteilung der Halter untereinander regelt. Der Bundesgerichtshof hat in der oben zitierten Entscheidung auch in Ansehung der Änderung des § 17 Abs. 3 S. 3 StVG durch das 2. Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, die eine Erstreckung der Anwendung des § 17 StVG auf den Eigentümer, der nicht Halter ist, wegen des eindeutigen Wortlauts des § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG ablehnt (vgl. BGH aaO., 186 f.; vgl. auch Wagner, Deliktsrecht, 12. Aufl. 2013, S. 224 Rn. 564). Mit der Gesetzesänderung sei vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien, aus denen ein Bewusstsein für das mögliche Auseinanderfallen von Halter- und Eigentümerstellung gerade beim Leasing hervorgehe, keine durchgehende Gleichstellung von Eigentümer und Halter, sondern nur für den geregelten Fall des unabwendbaren Ereignisses, angestrebt worden.

Die Haltereigenschaft der Leasinggeberin ist jedoch vorliegend weder vorgetragen noch gibt es Anhaltspunkte hierfür. Bei üblicher Gestaltung des Leasingvertrags ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH der Leasingnehmer, nicht jedoch der Leasinggeber Halter des Leasingfahrzeugs (vgl. BGHZ 87, 133, 135 f.; BGH VersR 1986, 169).

Auch §§ 9 StVG, 254 BGB scheiden als Zurechnungsnormen aus.

Im Rahmen der deliktischen Haftung scheitert eine direkte Anwendung des § 9 StVG bereits daran, dass sich die Norm unmittelbar nur auf Ansprüche aus der straßenverkehrsrechtlichen Gefährdungshaftung, damit gerade nicht auf deliktische Schadensersatzansprüche bezieht (vgl. König in Hentschel/König/Dauer: Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage 2013, StVG § 9 Rn.17, 24 m.w.N.).

Auch eine analoge Anwendung kommt mangels Regelungslücke nicht in Betracht. Die Haftungserweiterung des § 9 StVG gegenüber § 254 BGB durch die Zurechnung des Verschuldens dessen, der die tatsächliche Gewalt über die geschädigte Sache ausübt, dient gerade dem Ausgleich für die schärfere Gefährdungshaftung des Schädigers nach StVG gegenüber der Verschuldenshaftung des allgemeinen Deliktsrechts (vgl. BGHZ 173, 182, 186 und BGH NJW 2013, 3235).

Aber auch ihrem Schadensersatzanspruch aus § 7 StVG, auf den § 9 StVG grundsätzlich anwendbar ist, kann der Eigentümerin die Betriebsgefahr des Fahrzeugs nicht anspruchsmindernd entgegen gehalten werden, da die Haftungserweiterung des § 9 StVG ein Verschulden voraussetzt. Eine entsprechende und verschuldensunabhängige Anwendung auf die mitwirkende Betriebsgefahr würde entgegen dem Haftungssystem des StVG, nach dem der Halter für das von ihm geschaffene Wagnis der Betriebsgefahr haftet, zur Zuweisung der Betriebsgefahr allein aufgrund des Eigentums und damit zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 17 StVG führen. Dies hat der BGH aber bereits, wie oben im Rahmen der Prüfung des § 17 StVG als Zurechnungsnorm ausgeführt, aufgrund des klaren Wortlauts des Gesetzes eindeutig abgelehnt.

Zwar kann sich die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs nach ständiger Rechtsprechung des BGH in erweiternder Auslegung des § 254 BGB grundsätzlich anspruchsmindernd auswirken. Voraussetzung hierfür ist aber, dass sich der Geschädigte die Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeugs dem Schädiger gegenüber zurechnen lassen muss, was beim Fahrzeugeigentümer, der nicht zugleich Halter ist, nicht der Fall ist. Der BGH hat in seinen Entscheidungen ausdrücklich die Zurechnung der Betriebsgefahr über § 254 BGB gegen eigene Ansprüche des Halters aus Eigentum bejaht, gegen Ansprüche des Eigentümers, der nicht Halter ist, aber ebenso ausdrücklich verneint (vgl. BGH a.aO.).“
Dem schließt sich der Senat an.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 97 II ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.