Das Verkehrslexikon

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OLG Bamberg Beschluss vom 17.01.2017 - 3 Ss OWi 1630/16 - Geschwindigkeitsfeststellung mit dem Messgerät TRAFFIPAX TraffiStar S 330

OLG Bamberg v. 17.01.2017: Geschwindigkeitsfeststellung mit dem Messgerät TRAFFIPAX TraffiStar S 330 und Qualität des Fahrerfotos


Das OLG Bamberg (Beschluss vom 17.01.2017 - 3 Ss OWi 1630/16) hat entschieden:
  1. Macht der Tatrichter, der den Betroffenen als Fahrzeugführer durch den Vergleich mit dem aufgrund einer Verkehrsüberwachungsanlage gefertigten Messfoto identifiziert hat, nicht von der Möglichkeit nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Gebrauch, so hat er das Lichtbild so genau und ausführlich zu beschreiben, dass das Rechtsmittelgericht die Eignung zur Identifizierung der Abbildung überprüfen kann. Die bloße Aufzählung von einzelnen Gesichtsteilen genügt hierfür nicht (Anschluss an BGHSt 41, 376).

  2. Bei einem Geschwindigkeitsverstoß, der mit dem Messgerät TRAFFIPAX TraffiStar S 330 ermittelt wurde, gibt der Umstand, dass auf dem zu den Akten gelangten Ausdruck des Messfotos kein Schlosssymbol sichtbar ist, keinen Anlass, an der Authentizität und Integrität der Messdaten zu zweifeln.

Siehe auch Lichtbildqualität - Radarfoto und Die Messgeräte TRAFFIPAX TraffiStar S 330 und Jenoptik Robot 'Traffistar S350


Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer am 17.01.2016 als Führer eines Pkw auf einer Bundesautobahn fahrlässig begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 30 km/h (§ 24 Abs. 1 StVG i.V.m. §§ 41 Abs. 2, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO) zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt und gegen ihn wegen eines Regelfalls eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne der §§ 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 26a StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV ein mit einem beschränkten Vollstreckungsaufschub nach § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG verbundenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet. Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat aufgrund der Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg.

1. Die Beweiswürdigung ist hinsichtlich der Feststellungen zur Fahrereigenschaft des Betroffenen, von der sich das Amtsgericht mittels des Messfotos überzeugt hat, lückenhaft. Denn sie ermöglichen dem Senat nicht die Überprüfung, ob die tatrichterliche Überzeugungsbildung insoweit in rechtsfehlerfreier Weise erfolgt ist.

a) Zwar obliegt allein dem Tatrichter die Entscheidung, ob das Lichtbild die Identifizierung des Betroffenen als Fahrer zulässt (BGHSt 29, 18; BGHSt 41, 376). Allerdings müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht überprüfen kann, ob das Lichtbild überhaupt geeignet ist, die Identifizierung zu ermöglichen (BGHSt 41,376).

b) Zur Erfüllung dieser Anforderungen hat der Tatrichter grundsätzlich zwei Möglichkeiten.

aa) Das Amtsgericht kann entweder in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Lichtbild gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug nehmen, sodass die Abbildung zum Bestandteil der Urteilsgründe wird (zu den Anforderungen an die Bezugnahme vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2016 - 3 StR 425/16 = StraFo 2016, 155 = NStZ-​RR 2016, 178 = BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 3 Verweisung 5 und OLG Bamberg, Beschluss vom 14.11.2016 - 3 Ss OWi 1164/16 [bei juris]). Aufgrund dessen ist das Rechtsmittelgericht in die Lage versetzt, aus eigener Anschauung zu beurteilen, ob das Messfoto vom Schärfegrad her und der Erkennbarkeit der einzelnen Körpermerkmale zur Identifizierung tauglich ist (BGHSt 41, 376). In diesem Fall sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des Fahrers entbehrlich, wenn das Foto zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist (BGH a.a.O.).

bb) Macht der Tatrichter indes - wie hier - von dieser erleichterten Darstellung der Urteilsgründe keinen Gebrauch, so ist er gehalten, das Foto so genau und ausführlich zu beschreiben, dass das Rechtsmittelgericht die Eignung zur Identifizierung der Abbildung überprüfen kann (BGH a.a.O.). Dabei genügen weder die Mitteilung des Ergebnisses der Überzeugungsbildung noch die Aufzählung der zur Identifizierung herangezogenen Merkmale. Vielmehr müssen in einem derartigen Fall Ausführungen zur Bildqualität, insbesondere zur Bildschärfe, erfolgen und die abgebildete Person ist in ihren charakteristischen Eigenschaften präzise zu beschreiben (BGH a.a.O.).

c) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Eine Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO ist nicht erfolgt. Eine genaue Beschreibung des Bildes ist unterblieben und auch die charakteristischen Gesichtsmerkmale der abgebildeten Person wurden nicht dargestellt. Vielmehr hat sich das Amtsgericht auf die bloße Aufzählung von Gesichtsteilen der abgebildeten Person beschränkt. Es hat damit allein das Ergebnis seiner Bewertung, nicht aber einzelne Fakten genannt, die eine Überprüfung der Eignung des Lichtbilds zur Identifizierung ermöglichen würden.

2. Die übrigen Urteilsgründe zum (objektiven) Geschwindigkeitsverstoß lassen dagegen keinen Rechtsfehler erkennen. Die Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung sind ausreichend. Insbesondere dringen auch die von der Rechtsbeschwerde erhobenen Verfahrensrügen, mit denen die Richtigkeit dieser Feststellungen angegriffen werden sollen, nicht durch.

a) Die Aufklärungsrüge ist jedenfalls unbegründet. Das Tatgericht musste sich nicht zu weiterer Aufklärung gedrängt sehen. Ein Aufklärungsbedarf folgt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht daraus, dass das „Schlosssymbol“, welches die Authentizität und Integrität der mit dem Messgerät TRAFFIPAX TraffiStar S 330 ermittelten Messdaten belegen soll, nicht auf dem ausgedruckten Messbild ersichtlich ist. Denn nach der von der Rechtsbeschwerde zutreffend zitierten Bedienungsanleitung wird dieses Symbol zwar bei der Öffnung der digitalen Datei mit dem Auswerteprogramm angezeigt, damit sich der mit der Auswertung befasste Beamte von der Authentizität und der Integrität der Daten überzeugen kann. Allerdings wird das Sicherungssymbol bei der Abspeicherung des Tatfotos nach der Auswertung nicht mehr eingeblendet und erscheint deshalb auch nicht auf dem zu den Akten gelangten Ausdruck. Damit sind gerade keine Umstände gegeben, welche an der Datenauthentizität und -integrität zweifeln ließen. Dies gilt umso mehr, als nach den Urteilsfeststellungen die mit der Auswertung betraute Beamtin das Vorhandensein aller relevanten Messdaten bestätigt hatte.

b) Die mit der gleichen Zielrichtung erhobene Beweisantragsrüge ist bereits unzulässig, weil die diesbezüglichen Ausführungen unvollständig sind und deshalb nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG gerecht werden. Zudem wäre sie aber auch aus den bereits genannten Erwägungen unbegründet.

III.

Aufgrund des aufgezeigten Darstellungsmangels können der Schuldspruch und damit auch der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 Abs. 1 StPO). Die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen werden jedoch nur insoweit aufgehoben, soweit sie von dem Rechtsfehler betroffen sind (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 353 Abs. 2 StPO). Das sind hier lediglich die Feststellungen zur Fahreridentität, aber auch zur (möglichen) subjektiven Tatseite des Betroffenen. Demgegenüber können die sonstigen objektiven Feststellungen des Amtsgerichts zum Geschwindigkeitsverstoß bestehen bleiben, weil sie durch die Gesetzesverletzung nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).

IV.

Gemäß § 79 Abs. 6 OWiG wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

V.

Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG. Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.