Das Verkehrslexikon

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OLG Brandenburg Beschluss vom 12.11.2004 -1 Ss (OWi) 210 B/04 - Anforderungen an das Tatrichterurteil bei Verwendung der Videodistanzauswertung OLG Brandenburg v. 12.11.2004: Anforderungen an das Tatrichterurteil bei Verwendung der Videodistanzauswertung

Das OLG Brandenburg (Beschluss vom 12.11.2004 -1 Ss (OWi) 210 B/04) hat die tatrichterlichen Anforderungen an die Urteilsgründe bei einer Geschwindigkeitsmessung mittels Videodistanzauswertung dargelegt:
Die tatrichterlichen Feststellungen so vollständig sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht eine Kontrolle der Beweiswürdigung ermöglichen. Dabei muss der Tatrichter bei unter Einsatz von Messgeräten festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen grundsätzlich das angewandte Messverfahren, die gemessene Geschwindigkeit sowie die berücksichtigten Messtoleranzen in den Urteilsgründen mitteilen, um dem Rechtsmittelgericht eine Überprüfung der korrekten Ermittlung der gefahrenen Geschwindigkeit zu ermöglichen.


Siehe auch Videoaufzeichnungen bei Geschwindigkeits- und Abstands-Messungen und Geschwindigkeitsverstöße - Nachweis - standardisierte Messverfahren


Sachverhalt: Das AG hat den Betr. durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft zu einer Geldbuße von 230 EUR verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit nach § 25 Abs. 2 a StVG verhängt. Den Urteilsfeststellungen zufolge befuhr der Betr. mit seinem Pkw die BAB 13 und überschritt zunächst die Geschwindigkeitsbeschränkung aufgrund des Schildes nach § 41 Z. 274 StVO, welches eine Beschränkung auf 80 km/h vorschreibt, um mindestens 54 km/h. Anschließend missachtete er die Geschwindigkeitsbegrenzung, angeordnet mit einem Schild nach § 41 Z. 274 StVO von 120 km/h, indem er die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 52 km/h überschritt. Die Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.


Aus den Entscheidungsgründen:

Die angegriffene Entscheidung weist einen durchgreifenden sachlich-rechtlichen Fehler auf, denn die Feststellungen zur Fahrgeschwindigkeit des vom Betr. gesteuerten Pkw entbehren einer nachvollziehbaren Grundlage. Die tatrichterlichen Feststellungen müssen so vollständig sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht eine Kontrolle der Beweiswürdigung ermöglichen. Dabei muss der Tatrichter bei unter Einsatz von Messgeräten festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen grundsätzlich das angewandte Messverfahren, die gemessene Geschwindigkeit sowie die berücksichtigten Messtoleranzen in den Urteilsgründen mitteilen, um dem Rechtsmittelgericht eine Überprüfung der konkreten Ermittlung der gefahrenen Geschwindigkeit zu ermöglichen (BGHSt 39, 291, 303). Zwar genügt bei bestimmten standardisierten Messverfahren, z. B. PRO-VIDA, die im Urteil zu belegen sind, die Angabe der gemessenen (brutto) Geschwindigkeit ohne die konkreten Toleranzwerte, da in solchen Fällen das Rechtsbeschwerdegericht in der Lage ist, zu prüfen, ob die nach Gebrauchsanweisung des Herstellers auftretende Fehlerfrequenz in zutreffendem Umfang berücksichtigt worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 15. 12. 2003 - 1 Ss (OWi) 234 B/03, Senatsbeschluss vom 8. 10. 2003 - 1 Ss (OWi) 205 B/03). Es kann sogar lediglich die Bezeichnung des zur Messung verwendeten Gerätetyps und der berechneten Geschwindigkeit ausreichen, wenn es dem verwendeten System immanent ist, dass dieses eine eigenständige Weg-Zeit-Berechnung durchführt (z. B. VIDISTA-R), (vgl. Beschluss des 2. Strafsenats vom 12. 8. 2004 - 2 Ss (OWi) 172 B/03). Die Urteilsgründe genügen diesen Anforderungen indes nicht, da das AG lediglich die dem Betr. vorgeworfenen (netto) Geschwindigkeiten mitgeteilt hat und ausführt, dass diese im Wege einer Videodistanzauswertung ermittelt worden sind. Das AG hat es versäumt mitzuteilen, mit welchem Messverfahren die dem Betr. vorgeworfenen Geschwindigkeiten gemessen wurden. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um dem Senat die Feststellung zu ermöglichen, ob die von dem AG festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen rechtsfehlerfrei festgestellt worden sind, zumal die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitungen auch für die Anordnung des Fahrverbotes als Nebenfolge maßgeblich ist und der Betr. die gefahrenen Geschwindigkeiten nicht eingeräumt hat. ..."







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