Das Verkehrslexikon

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Erklärung des sog. CIF-Wertes

Erklärung des sog. CIF-Wertes




Der VGH Mannheim (Beschluss vom 15.11.2005 - 10 S 2143/05) hat die Bedeutung des sog. CIF-Wertes wie folgt erläutert:

   Der im Bereich des Strafrechts in Bezug auf den Konsum von Cannabis zum Nachweis der "absoluten" Fahruntüchtigkeit entwickelte "Cannabis-Influence-Factor" (CIF) ist für das Zusatzelement des fehlenden Trennungsvermögens im Sinne von Nr 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung nicht von Bedeutung.


Siehe auch
Der CIF-Wert - Cannabis-Influence-Factor
und
Stichwörter zum Thema Cannabis


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Dem im Untersuchungsbefund vom 16. 2. 2005 erwähnten „Cannabis-Influence-Factor” (CIF), auf den auch das VG in seinem Beschluss abgestellt hat, kommt für das Zusatzelement des fehlenden Trennungsvermögens i. S. von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dieser Faktor ist unter anderem von Daldrup und Meininger (in: Berghaus/Krüger, Cannabis im Straßenverkehr, 1998, S. 181 ff.) für den Bereich des Strafrechts entwickelt worden (für die Anwendung in diesem Bereich, AG Moers, Blutalkohol 2004, 276). Grund hierfür war das Bestreben, für die Straftatbestände § 315c I Nr. 1 lit. a und § 316 StGB ("infolge des Genusses berauschender Mittel nicht in der Lage, ein Fahrzeug sicher zu führen") analog der für Alkohol anerkannten 1,1 Promille-Grenze auch für Cannabis einen Grenzwert für die Annahme der so genannten „absoluten Fahruntüchtigkeit” zu schaffen. Die Fahruntüchtigkeit im Sinne der beiden Tatbestände des StGB setzt voraus, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers, insbesondere infolge Enthemmung sowie geistig-seelischer und körperlicher Ausfälle, so weit herabgesetzt ist, das er nicht mehr fähig ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke und zwar auch bei plötzlichem Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (vgl. BGHSt 44, 219 = NJW 1999, 226). Im Bereich des Strafrechts wird die „relative” Fahruntüchtigkeit von der „absoluten” nicht nach der Qualität der durch das berauschende Mittel hervorgerufenen Leistungsminderung, sondern allein nach der Art und Weise unterschieden, wie der Nachweis der Fahruntüchtigkeit als psychophysischer Zustand herabgesetzter Gesamtleistungsfähigkeit zu führen ist (vgl. BGHSt 31, 42 = NJW 1982, 2612 in Bezug auf Alkohol).




Bisher geht die höchstrichterliche strafrechtliche Rechtsprechung davon aus, dass noch keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, die es entsprechend der Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille erlauben, „Grenzwerte” der Blut-Wirkstoff-Konzentrationen für die Annahme „absoluter” Fahruntüchtigkeit nach dem Konsum von Betäubungsmitteln zu bestimmen (vgl. BGHSt 44, 219 = NJW 1999, 226 in Bezug auf Heroin und Kokain). Dementsprechend kommt in der strafrechtlichen Praxis des BGH und der Oberlandesgerichte eine Verurteilung nach § 315c 1 oder § 316 StGB im Hinblick auf den Konsum zum Beispiel von Cannabis derzeit nur in Betracht, wenn der Wirkstoff im Blut des Betroffenen nachgewiesen worden ist und zusätzlich ein charakteristischer Fahrfehler oder andere Ausfallerscheinungen vorliegen, die die Fahruntüchtigkeit begründen (relative Fahruntüchtigkeit; vgl. BGH, NJW 1999, 226; OLG Zweibrücken, VRS 106, 288 = DAR 2004, 409 jew. m. w. Nachw.).



Um den Nachweis der Fahruntüchtigkeit im Sinne der genannten Straftatbestände zu erleichtern, wurde von Wissenschaftlern der „CIF” entwickelt. Dieser Wert wird nach der Formel (THC [ng/ml] + THC-OH [ng/ml] / THC-000H [ng/ml]) x 100 berechnet. Nach Daldrup ist der Nachweis der „absoluten” Fahruntüchtigkeit infolge des Konsums von Cannabis bei einem Wert von 10 oder mehr gegeben (vgl. Drasch/ v. Meyer/Roeder/Jägerhuber, Blutalkohol 2003, 269). Da bei diesen Werten die - strafrechtliche - „absolute” Fahruntüchtigkeit nachgewiesen sein soll, trifft bereits die Annahme des VG nicht zu, erst bei Werten über 10 trete „bei einer Mehrzahl von Probanden eine signifikante Beeinträchtigung auf”. Ohnehin geht es aber beim Zusatzmerkmal des fehlenden Trennungsvermögens i. S. von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung nicht um den im Hinblick auf die Anforderungen des Strafrechts gebotenen zweifelsfreien Nachweis der - unabhängig von etwaigen Fahrfehlern oder Ausfallerscheinungen allein auf Grund der Wirkstoffkonzentration belegten - „absoluten” Fahruntüchtigkeit. Dieses Zusatzelement stellt vielmehr auf den charakterlich-sittlichen Mangel des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers ab, der bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen. Dieser Einstellungsmangel kommt insbesondere dann zum Ausdruck, wenn der Betreffende ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen (vgl. BVerfG, NJW 2002, 2378). Danach setzt der charakterliche Mangel des unzureichenden Trennungsvermögens den sicheren Nachweis der Fahruntüchtigkeit des Betreffenden nicht voraus. Auch bei Konzentrationen der psychoaktiv wirksamen Stoffe THC und THC-OH, die nach der von Daldrup und Meininger entwickelten Formel für den „CIF” noch nicht den für den Nachweis der absoluten Fahruntüchtigkeit erforderlichen Wert von 10 ergeben, treten - wie bereits ausgeführt - nach wissenschaftlichen Erkenntnissen (jedenfalls ab einer THC-Konzentration von 2 ng/ml) Beeinträchtigungen der fahreignungsrelevanten Eigenschaften eines Fahrzeugführers auf. Im Übrigen geht auch das Gutachten des Universitätsklinikums Jena vom 16. 2. 2005 (S. 3), in dem der „CIF-Wert” des Ast. mit lediglich 9 angegeben wird, wegen des Nachweises von rauschwirksamen Bestandteilen von der Möglichkeit von Beeinträchtigungen aus. Führt aber ein Cannabiskonsument ein Kraftfahrzeug mit einer solchen THC-Konzentration im Blut, die eine Einschränkung seiner für den öffentlichen Straßenverkehr bedeutsamen Fähigkeiten auch nur möglich erscheinen lässt, so ist nicht gewährleistet, dass der Betreffende den Konsum dieses Betäubungsmittels und das Fahren in einer Weise zu trennen in der Lage ist, dass eine Beschränkung der verkehrsrelevanten Eigenschaften durch die Einnahme von Cannabis unter keinen Umständen eintreten kann (vgl. Senat, Blutalkohol 2005, 187). Damit ist aber bereits das Zusatzelement des fehlenden Trennungsvermögens belegt."

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