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Landgericht Heidelberg Urteil vom 09.01.2019 - 1 S 34/18 - Wertersatzpflicht nach § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB bei Gebrauch eines PKW

LG Heidelberg v. 09.01.2019: Zur Frage der Wertersatzpflicht nach § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB bei Zulassung und anschließendem Gebrauch eines gekauften PKW


Das Landgericht Heidelberg (Urteil vom 09.01.2019 - 1 S 34/18) hat entschieden:

   Der wirksame Widerruf des Darlehensvertrags im Rahmen eines verbundenen Geschäfts gemäß § 358 Abs. 2 BGB hat zur Folge, dass der Käufer damit auch nicht mehr an den verbundenen Kaufvertrag gebunden ist. Gemäß § 358 Abs. 4 S. 1 BGB sind auf die Rückabwicklung des verbundenen, nicht widerrufenen Vertrags unabhängig von der Vertriebsform „je nach Art des verbundenen Vertrags, die §§ 355 Abs. 3, 357 bis 357b BGB entsprechend anzuwenden“. Da das Verbundgeschäft im vorliegenden Fall ein Kaufvertrag über Waren ist, ist dies ein Verweis auf § 357 BGB. Dabei ist eine Anwendung des § 357 BGB nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil im vorliegenden Fall ein Präsenzkauf stattfand und kein Fernabsatzvertrag oder ein Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde.


Siehe auch
Nutzungsentschädigung / Wertersatz
und
Stichwörter zum Thema Autokaufrecht


Gründe:


I.

Der Kläger begehrt nach erfolgtem Widerruf eines zur Finanzierung des Kaufpreises für einen gebrauchten Pkw dienenden Verbraucherdarlehensvertrags die vollständige Rückzahlung einer an die Beklagte geleisteten Anzahlung.

Der Kläger bestellte am 11.09.2017 bei der Beklagten einen gebrauchten VW Tiguan (Anl. K1, I, 25). Dem Vertrag lagen die Gebrauchtwagen-​Verkaufsbedingungen der Beklagten (I, 27 ff.) zu Grunde. Es wurde vereinbart, dass der Kläger bei Abholung des Fahrzeugs eine Anzahlung i.H.v. 5.700 € leistet und der restliche Kaufpreis i.H.v. 22.000 € bei der Volkswagen Bank GmbH finanziert wird. Dem Darlehensvertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Volkswagen Bank GmbH (I, 37 ff.) zu Grunde. Darüber hinaus wurde eine Sicherungsübereignung zwischen der Volkswagen Bank GmbH und dem Kläger vereinbart. Am 15.09.2017 holte der Kläger das Fahrzeug bei der Beklagten ab. Zuvor hatte der Kläger das Fahrzeug auf sich zugelassen, da ihm seitens der Mitarbeiter der Beklagten erklärt worden war, dass eine Übergabe mit einer „roten Nummer“ nicht möglich sei. Mit Schreiben vom 18.09.2017 widerrief der Kläger unter anderem den Darlehensvertrag, den Sicherungsübereignungsvertrag und den Kaufvertrag (Anl. K2, I, 55). Der Kläger ging dabei davon aus, dass das Fahrzeug mangelhaft sei. In der Folge zahlte die Beklagte die geleistete Anzahlung unter Abzug eines Wertersatzes in Höhe von 837 € zurück.




Diesen Differenzbetrag i.H.v. 837 € zuzüglich Zinsen sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat der Kläger mit seiner Klage bei dem Amtsgericht Wiesloch geltend gemacht.

Der Kläger war der Ansicht, dass die Beklagte zu Unrecht einen Wertersatzanspruch von der geleisteten Anzahlung in Abzug gebracht habe. Infolge des Widerrufs des Darlehensvertrages sei auch der Kaufvertrag hinfällig. Die Anzahlung sei vollständig zurückzuzahlen. Ein Wertersatzanspruch entsprechend § 357 Abs. 7 BGB bestehe nicht. Zudem sei überhaupt kein Wertverlust eingetreten.

Die Beklagte hat demgegenüber eingewandt, dass die Zulassung auf den Kläger zu einem Wertverlust des Fahrzeugs in der in Abzug gebrachten Höhe geführt habe. In entsprechender Anwendung des § 357 Abs. 7 BGB sei der Kläger daher zum Wertersatz verpflichtet. Da der Kläger im Zeitpunkt der Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten die Zulassungsbescheinigung Teil I nicht zurückgegeben habe, habe kein Verzug vorgelegen, weshalb vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nicht zu ersetzen seien.

Das Amtsgericht Wiesloch hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 837,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.10.2017 zu zahlen sowie den Kläger von den außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 571,44 € freizustellen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Kläger stehe aufgrund des wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrags gemäß §§ 358 Abs. 2 und Abs. 4, 355 Abs. 3 BGB auch ein Rückzahlungsanspruch bezüglich der restlichen Anzahlung in Höhe von 837 € zu. Das Schreiben des Klägers vom 18.09.2017 sei als Widerruf des Darlehensvertrages zu werten, was im Rahmen des vorliegenden verbundenen Geschäfts gemäß § 358 Abs. 2 BGB zur Folge habe, dass der Kläger auch nicht mehr an die Willenserklärung des mit dem Darlehensvertrag verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware gebunden sei. Gemäß § 358 Abs. 4 BGB seien auf die Rückabwicklung des verbundenen Vertrages die Vorschriften des 355 Abs. 3 BGB und je nach Art des verbundenen Vertrags auch die Vorschriften der §§ 357-357b BGB entsprechend anzuwenden. Aus § 355 Abs. 3 BGB ergebe sich, dass die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren seien. Die empfangene Anzahlung habe die Beklagte teilweise zurückgezahlt. Eine Verweigerung der vollständigen Rückzahlung unter Berufung auf einen Wertersatzanspruch gemäß § 357 Abs. 7 BGB greife nicht durch. Dies gelte unabhängig davon, ob § 357 Abs. 7 BGB auf die vorliegende Konstellation überhaupt entsprechend anwendbar sei. Denn ein Wertersatzanspruch bestehe gemäß § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB nur, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen sei, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendig sei. Vorliegend sei es für die Übergabe des Fahrzeugs jedoch erforderlich gewesen, dass das Fahrzeug auf den Kläger zugelassen wird. Es liege auch nicht die Fallkonstellation vor, dass beispielsweise nach Abholung des Fahrzeugs mit diesem eine Fahrtstrecke zurückgelegt werde, die über eine Strecke hinausgehe, die zur Prüfung des Fahrzeugs erforderlich sei. Die Zulassung sei Grundvoraussetzung für die Prüfung der Ware gewesen. Eine Probefahrt vor Abschluss des Kaufvertrags sei nicht gleichzusetzen mit der Prüfung der Ware im Sinne des 357 Abs. 7 BGB. Die Voraussetzungen eines Wertersatzanspruchs der Beklagten lägen daher nicht vor.

Der Anspruch des Klägers auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sei ebenfalls begründet, da kein Zurückbehaltungsrecht bestanden habe, das den Verzugseintritt gehindert habe. § 952 BGB sei nur auf die Zulassungsbescheinigung Teil II entsprechend anwendbar. Diese habe sich infolge der Finanzierung des Fahrzeugs jedoch nicht beim Kläger befunden.

Gegen das der Beklagten am 09.07.2018 zugestellte Urteil (I, 179 ff., 187), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, richtet sich ihre am 09.08.2018 eingegangene Berufung (II, 1), die mit Schriftsatz vom Montag, den 10.09.2018, vorab per Telefax bei Gericht eingegangen am selben Tag, gesondert begründet (II, 17 ff.) wurde.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Beklagte meint insbesondere, eine Zulassung gehe über eine Prüfung im Sinne des § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB hinaus. Zum einen sei eine Zulassung überhaupt nicht notwendig, um das Fahrzeug zu prüfen, da dies in aller Regel im Rahmen einer Probefahrt möglich sei. Zum anderen sei bei § 357 Abs. 7 BGB als Vergleichsmaßstab stets die im stationären Handel mögliche Prüfung heranzuziehen. Auch dort sei eine Zulassung des Fahrzeugs auf den Kaufinteressenten nicht nötig, eine Probefahrt genüge. Durch die Zulassung des Fahrzeugs auf den Kläger, der damit im Teil I der Zulassungsbescheinigung als weiterer Halter geführt werde, habe das Fahrzeug unzweifelhaft einen Wertverlust erlitten, da die Anzahl der Vorbesitzer einen erheblichen Faktor beim Verkauf von gebrauchten Fahrzeugen darstelle. Selbst wenn ein Halter wie im vorliegenden Fall nur für einige Tage eingetragen gewesen sei, führe dies bei potentiellen Kaufinteressenten und damit im Markt zu Skepsis und Zweifeln und damit zu einem Wertverlust. Schließlich sei das Amtsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugscheins gehabt habe. Der Herausgabeanspruch aus § 952 Abs. 2 BGB beschränke sich nicht auf den Fahrzeugbrief. Daher sei die Beklagte mit der Rückzahlung im Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten durch den Kläger noch nicht in Verzug gewesen.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

   die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Berufung unter Wiederholung und Vertiefung seiner früheren Argumente entgegen. Ergänzend meint der Kläger, § 357 Abs. 7 BGB sei im vorliegenden Fall nicht analog anwendbar. Die Rückabwicklung erfolge allein nach den §§ 358 Abs. 4, 355 Abs. 3 BGB. Eine Wertersatzpflicht sei somit ausgeschlossen. Selbst wenn man von einer analogen Anwendung des § 357 Abs. 7 BGB ausginge, bestünde keine Wertersatzpflicht, da die Zulassung des Fahrzeugs für die Übergabe unerlässlich gewesen sei. Die Beklagte habe eine Übergabe des Fahrzeugs ohne Zulassung verweigert. Eine Prüfung der Funktionsweise und Beschaffenheit des Fahrzeugs sei dem Kläger ohne Zulassung somit nur bei der hierfür nicht tauglichen Testfahrt möglich gewesen. Zudem seien nach der Testfahrt noch Arbeiten an dem Fahrzeug durch die Beklagte durchgeführt worden, so dass das Fahrzeug bei Übergabe nicht mehr im gleichen Zustand wie im Zeitpunkt der Testfahrt gewesen sei. Die notwendige Prüfung der Beschaffenheit habe erst beim Gebrauch nach Übergabe stattgefunden. Darüber hinaus sinke der Wert eines Gebrauchtfahrzeugs bei mehreren Vorbesitzern nicht durch jede einzelne Zulassung, sondern durch deren tatsächliche Nutzung. Schließlich habe die Beklagte zu beweisen, dass es zu einem Wertverlust von 837 € gekommen sei. Eine pauschale Schätzung des Wertverlusts sei insofern nicht möglich.




Darüber hinaus hat der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung über die Berufung am 21.11.2018 vorgetragen, dass nach seiner Ansicht § 357 BGB schon deshalb nicht einschlägig sei, weil im vorliegenden Fall nicht zutreffend über die Widerrufsfolgen belehrt worden sei. In der Widerrufsinformation der Volkswagen Bank GmbH würden sich von Nr. 6 der Darlehensbedingungen der Volkswagen Bank GmbH abweichende Darstellungen der Widerrufsfolgen finden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen in erster Instanz, das amtsgerichtliche Urteil sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 21.11.2018 (II, 55 ff.) Bezug genommen.


II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und zur Klageabweisung.
1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft (§ 511 ZPO) sowie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 517, 519 ZPO) und innerhalb der gewährten Fristverlängerung begründet (§ 520 ZPO) worden.

2. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

a) Das Amtsgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass dem Kläger infolge des wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrags grundsätzlich zunächst ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung in Höhe von 5.700 € gemäß §§ 358 Abs. 2 und Abs. 4, 355 Abs. 3 BGB zustand.

Dieser Anspruch ist aber, soweit er nicht infolge Erfüllung in Höhe von 4.863,00 € erloschen ist, infolge Aufrechnung gemäß §§ 387, 389 BGB in Höhe von 837,00 € erloschen.

Die Beklagte hat wirksam die Aufrechnung mit einem ihr zustehenden Wertersatzanspruch nach §§ 358 Abs. 2 und Abs. 4 S. 1, 357 Abs. 7 BGB konkludent erklärt (vgl. Schreiben vom 04.10.2017, I, 61).

aa) Wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, hat der wirksame Widerruf des Darlehensvertrags im Rahmen des vorliegenden verbundenen Geschäfts gemäß § 358 Abs. 2 BGB zur Folge, dass der Kläger damit auch nicht mehr an den verbundenen Kaufvertrag gebunden ist. Gemäß § 358 Abs. 4 S. 1 BGB sind auf die Rückabwicklung des verbundenen, nicht widerrufenen Vertrags unabhängig von der Vertriebsform „je nach Art des verbundenen Vertrags, die §§ 355 Abs. 3, 357 bis 357b BGB entsprechend anzuwenden“. Da das Verbundgeschäft im vorliegenden Fall ein Kaufvertrag über Waren ist, ist dies ein Verweis auf § 357 BGB. Die in § 357 Abs. 7 BGB statuierte Wertersatzpflicht ist im vorliegenden Fall anwendbar.


(1) Dabei ist eine Anwendung des § 357 BGB nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil im vorliegenden Fall ein Präsenzkauf stattfand und kein Fernabsatzvertrag oder ein Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde.

Dies ergibt sich bereits aus dem insofern eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 358 Abs. 4 S. 1 BGB, der eine „entsprechend[e]“ Anwendung der §§ 357 bis 357c BGB vorsieht und folgt überdies aus der Gesetzesbegründung. Nach dieser sind der bei der Rückabwicklung eines verbundenen Vertrags die Vorschriften entsprechend anzuwenden, „die gelten würden, wenn dieser widerrufen worden wäre“. Weiter wird in der Gesetzesbegründung betont, dass sich grundsätzlich nach dem Inhalt des Vertrags und unabhängig von der Vertriebsform bestimmt, welche der Vorschriften der §§ 357 bis 357c BGB zur Anwendung kommt. Schließlich hält die Gesetzesbegründung explizit fest, dass im Falle eines verbundenen Vertrages, mit dem Waren oder Dienstleistungen erworben werden, die Rechtsfolgen des § 357 BGB entsprechend gelten sollen (vgl. BT-​Drucks. 17/12637, S. 98; vgl. auch Herresthal, ZIP 2018, 753, 761 f. ebenso wohl auch Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 358 Rn. 20).

(2) Der Verweis in § 358 Abs. 4 S. 1 BGB auf § 357 BGB umfasst auch die in § 357 Abs. 7 BGB geregelte Wertersatzpflicht.

Dass die umfassende Verweisung auf § 357 BGB sich nicht auf dessen Abs. 7 beziehen soll, lässt sich weder aus dem Wortlaut des § 358 Abs. 4 S. 1 BGB ableiten noch aus dem Willen des Gesetzgebers folgern (vgl. Herresthal, ZIP 2018, 753, 762).

Auch aus systematischen Gründen oder teleologischen Erwägungen ergibt sich dies nicht. Insbesondere ist eine Verweisung auch auf die Wertersatzpflicht des § 357 Abs. 7 BGB nicht unbillig. Der Gesetzgeber hat mit § 357 Abs. 7 BGB für den Fall des Widerrufs von Willenserklärungen bezüglich der Wertersatzpflicht des Verbrauchers eine im Vergleich zu der Rücktrittsregelung des § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB für den Verbraucher ungünstigere Sonderregelung getroffen. Die darin angeordnete, im Vergleich zu den Rechtsfolgen beim Rücktritt schärfere Haftung des Verbrauchers für Verschlechterungen der Kaufsache beruht auf den unterschiedlichen Interessenlagen beim gesetzlichen Rücktritt einerseits und beim Widerruf einer auf den Abschluss eines verbundenen Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers andererseits. Sie rechtfertigt sich dadurch, dass das Widerrufs- oder Rückgaberecht des Verbrauchers nicht von einer Vertragsverletzung des Unternehmers abhängt, sondern ihm kraft Gesetzes in jedem Fall zusteht. Bei einem verbundenen Geschäft bleibt es dem freien Willen des Verbrauchers überlassen, ob und aus welchen Gründen er von dem - nicht an eine Begründungspflicht geknüpften - gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch macht. Dabei wird ihm das Recht eingeräumt, die bestellte Sache zu prüfen und auszuprobieren, und zwar auch dann, wenn dies zu Verschlechterungen führt; jedenfalls solange dies nicht den gesetzlich gestatteten Prüfungsumfang überschreitet (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 55/15 - juris, Rn. 36 m.w.N.).

Soweit der Kläger behauptet, das Fahrzeug sei mangelhaft, war es ihm unbenommen, wie auch in sonstigen Fällen einer Konkurrenz mehrerer zur Wahl stehender Rechte oder Ansprüche, dasjenige Gestaltungsrecht - Widerruf oder Rücktritt - zu wählen, das für ihn im Gesamtergebnis günstiger erscheint. Im vorliegenden Fall hat sich der Kläger jedoch für den Widerruf des Darlehensvertrags und nicht für die Geltendmachung des Rücktrittsrechts infolge der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs entschieden. Für eine Durchbrechung des in sich geschlossenen und auf die beiderseitige Interessenlage abgestimmten Systems des Widerrufs bei verbundenen Verträgen durch Anwendung etwa der Rücktrittsregelung des § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB besteht insofern keine Veranlassung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 55/15 - juris, Rn. 37).

bb) Die Voraussetzungen des § 357 Abs. 7 BGB liegen auch vor.

(1) Das Amtsgericht hat das Vorliegen der in § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB für einen Anspruch der Beklagten auf Wertersatz erforderlichen Voraussetzungen zu Unrecht verneint.

Die Zulassung des Fahrzeugs und der anschließende Gebrauch des zugelassenen Fahrzeugs gingen - entgegen der Ansicht des Amtsgerichts und des Klägers - über eine nach § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB gestattete bloße Prüfung seiner Beschaffenheit, Eigenschaften und seiner Funktionsweise hinaus (dazu sogleich (a)) und führten zu einem Wertverlust (dazu (b)).

(a) Bei der Beurteilung, was im Einzelfall vom Tatbestandsmerkmal der Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und der Funktionsweise umfasst ist, ist vor dem Hintergrund des Regelungszwecks der Norm, die der Kompensation von Gefahren aufgrund der im Rahmen eines Fernabsatzvertrages in der Regel fehlenden Möglichkeit der Inaugenscheinnahme der Ware vor Vertragsschluss dient, zunächst darauf abzustellen, wie ein Verbraucher beim Testen und Ausprobieren der gleichen Ware in einem Ladengeschäft im stationären Handel typischerweise hätte verfahren können (vgl. BT-​Drucks. 17/5097, S. 15 zu § 312e BGB a.F.; BT-​Drucks. 17/12637 S. 63; BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 55/15 - juris, Rn. 21 f. m.w.N.). Der Verbraucher soll mit der Ware grundsätzlich so umgehen und sie so ausprobieren dürfen, wie er dies auch in einem Ladengeschäft hätte tun dürfen. Ihm muss es zumindest gestattet sein, dieselben Ergebnisse wie bei einer Prüfung im Ladengeschäft zu erzielen (vgl. BT-​Drucks. 17/5097, S. 15; BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 55/15 - juris, Rn. 22).

Im stationären Handel kann einem potentiellen Kunden eine Probefahrt mit sogenannten „Roten (Händler-​)Kennzeichen“ gemäß § 16 FZV oder auf einem nicht-​öffentlichen Gelände ermöglicht werden. Eine Zulassung des Fahrzeugs mit anschließendem Gebrauch des Fahrzeugs wird einem Kaufinteressenten demgegenüber vor Vertragsschluss auch im stationären Handel nicht ermöglicht. Sie ist als solche weder erforderlich noch zielführend für eine Prüfung des Fahrzeugs im beschriebenen Umfang. Denn durch die bloße Zulassung kann der Verbraucher die Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise des Fahrzeugs gerade nicht prüfen. Die Zulassung eines Fahrzeugs ist daher nicht als Untersuchung oder Testen der Ware entsprechend einer Untersuchung oder einem Warentest eines örtlichen Händlers einzuordnen (vgl. auch LG Köln, Urteil vom 10. Oktober 2017 - 21 O 23/17 - juris, Rn. 53; LG Berlin, Urteil vom 05. Dezember 2017 - 4 O 150/16 - juris, Rn. 68; Herresthal, ZIP 2018, 753, 763).

So wird auch bereits in der Gesetzesbegründung zu der mit der Schuldrechtsreform eingeführten Regelung des § 357 Abs. 3 BGB a.F. ausgeführt: „Dies bedeutet, dass der Verbraucher die durch die Erstzulassung eines Pkws entstehende Wertminderung tragen müsste, wenn er entsprechend Satz 1 vom Unternehmer über diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit der Vermeidung belehrt worden ist. Denn diese Wertminderung ist gerade nicht auf die Prüfung des Pkws zurückzuführen, sondern beruht allein auf der Zulassung des Fahrzeugs und ist damit prüfungsunabhängig. Dagegen dürfte dem Verbraucher der Wertverlust, der dadurch entsteht, dass sich der Verbraucher in den Pkw setzt, alle Instrumente ausprobiert und mit dem Pkw eine kurze Strecke auf nichtöffentlicher Verkehrsfläche zurücklegt, in keinem Fall auferlegt werden“ (BT-​Drucks. 14/6040, S. 199 f.; zur Fortgeltung der Beispiele vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 55/15 - juris, Rn. 20).

Soweit der Kläger vorträgt, nach der Probefahrt seien noch weitere (vereinbarte) Arbeiten an dem Fahrzeug vorgenommen worden, wäre es ihm unbenommen geblieben, das Fahrzeug anschließend vor der Zulassung nochmals vor Ort zu prüfen. Die reguläre Zulassung des Fahrzeugs stellt auch unter Berücksichtigung dieses Umstands eine Handlung dar, die über die Prüfung der Beschaffenheit, der Funktionsweise und der Eigenschaften des Kfz bei weitem hinausgeht. Sie ist vielmehr eine notwendige Voraussetzung zur endgültigen Nutzung des Vertragsgegenstandes (vgl. auch Herresthal, ZIP 2018, 753, 763).

(b) Durch die Zulassung des Fahrzeugs auf den Kläger, der damit in Teil I der Zulassungsbescheinigung als weiterer Halter geführt wird, ist auch ein Wertverlust im Sinne des § 357 Abs. 7 BGB eingetreten.

Neben einem durch Substanzschäden oder Untergang der Ware eingetretenen Wertverlust umfasst § 357 Abs. 7 BGB auch einen Wertverlust, der ohne Beeinträchtigung der Sachsubstanz aus einem negativen Werturteil des Marktes resultiert (s. BeckOK BGB/Müller-​Christmann, 48. Ed., Stand: 01.08.2018, § 357 BGB Rn. 17). Dies ist insbesondere bei der Ingebrauchnahme der Ware durch den Verbraucher der Fall, wenn der Markt hierauf mit Preisabschlägen reagiert.

Entgegen der Auffassung des Klägers stellt die Anzahl der Vorbesitzer eines Fahrzeugs einen maßgeblichen wertbildenden Faktor dar. Dies gilt insbesondere für Neufahrzeuge, weshalb auch der Gesetzgeber der Schuldrechtsreform 2002 bezüglich der erstmaligen Zulassung eines Kraftfahrzeugs von einem regelmäßigen Wertverlust in Höhe von 20 % ausging (s. BT-​Drucks. 14/6040, S. 199; vgl. auch Herresthal, ZIP 2018, 753, 763). Aber auch für Gebrauchtwagen gilt nichts anderes. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier das Datum der Erstzulassung im maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung des Wertersatzanspruchs erst rund ein Jahr zurück liegt. Darüber hinaus ergibt sich auch aus dem Umstand, dass ein Halter nur für kurze Zeit eingetragen ist, nichts anderes. Vielmehr führt dies bei potentiellen Kaufinteressenten und damit im Markt eher zu Skepsis und Zweifeln bezüglich der Funktionsfähigkeit des Fahrzeugs und damit zu einem Wertverlust.

Die Höhe der geltend gemachten Wertminderung schätzt die Kammer gemäß § 287 ZPO anhand des Kaufpreises auf den von der Beklagten in Abzug gebrachten Betrag in Höhe von 837 €. Die Kammer geht dabei - auch aus eigener Erfahrung - davon aus, dass mit der erstmaligen Zulassung eines Kraftfahrzeugs ein regelmäßiger Wertverlust in Höhe von rund 20 % einhergeht, da das Fahrzeug in diesem Fall nicht mehr als Neuwagen gilt. Die zweite Zulassung konnte vor diesem Hintergrund nur zu einem deutlich geringeren Abzug führen. Zugleich hat die Kammer aber auch berücksichtigt, dass das Fahrzeug nur kurze Zeit auf den Kläger zugelassen war und das Datum der Erstzulassung erst rund ein Jahr zurück lag. Mit der Annahme eines Wertverlust in Höhe von 3 % des Kaufpreises sind diese Faktoren hinreichend berücksichtigt.

(2) Gemäß § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB setzt der Anspruch auf Wertersatz zudem grundsätzlich voraus, dass der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat. Danach ist der Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie das Muster-​Widerrufsformular in der Anlage 2 zu belehren.

Allerdings setzt auch Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB dem Wortlaut nach ein Widerrufsrecht nach § 312g BGB für den Kaufvertrag voraus, das nur für Außergeschäftsraumverträge und Fernabsatzverträge gilt. Da es sich hier jedoch um verbundene Geschäfte handelt und der Kaufvertrag gerade nicht widerrufen wurde, wird in einer solchen Konstellation teilweise angenommen, die Pflichten des Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB könnten nicht Voraussetzung für einen Wertersatzanspruch sein (vgl. LG Limburg, Urteil vom 13. Juli 2018 - 2 O 317/17 - juris, Rn. 47; LG Ravensburg, Urteil vom 07. August 2018 - 2 O 259/17 - juris, Rn. 38; Nordholtz/Bleckwenn, NJW 2017, 2497, 2501; Herresthal, ZIP 2018, 753, 763; für eine Anwendung des Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB hingegen LG Ellwangen, Urteil vom 25. Januar 2018 - 4 O 232/17 - juris, Rn. 103).

Insofern ist in Rechtsprechung und Literatur weiter umstritten, ob eine Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs bei verbundenen Verträgen, insbesondere über den Wertersatz, dann überhaupt nicht besteht (Nordholtz/Bleckwenn, NJW 2017, 2497, 2501), die Widerrufsbelehrung nur den Voraussetzungen des Art. 246 Abs. 3 EGBGB genügen muss (vgl. LG Limburg, Urteil vom 13. Juli 2018 - 2 O 317/17 - juris, Rn. 38 f.) oder eine Pflicht, den Darlehensnehmer auch über die Wertersatzpflicht zu unterrichten, Art. 247 § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 b EGBGB zu entnehmen ist (vgl. LG Berlin, Urteil vom 05. Dezember 2017 - 4 O 150/16 - juris, Rn. 56; LG Ulm, Urteil vom 30. Juli 2018 - 4 O 399/17 - juris, Rn. 86;LG Ravensburg, Urteil vom 07. August 2018 - 2 O 259/17 - juris, Rn. 38; Herresthal, ZIP 2018, 753, 763).

Unabhängig davon, aus welcher Norm die Anforderungen an die Widerrufsinformation herzuleiten sind beziehungsweise welche Norm man im vorliegenden Fall überhaupt für anwendbar hält, greifen die von dem Kläger dagegen erstmalig in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren erhobenen Beanstandungen jedenfalls nicht durch.

(a) Mit der dem Darlehensvertrag beigefügten Widerrufsbelehrung der Volkswagen Bank GmbH (I, 43) ist der Kläger unstreitig richtig und ausreichend informiert worden. Der Kläger ist dabei auch zutreffend auf seine Wertersatzpflicht bei Rückgabe des Fahrzeuges hingewiesen worden. Ob über diese Rechtsfolge überhaupt informiert werden muss, kann daher im vorliegenden Fall offen bleiben.

(b) Der Hinweis auf die Wertersatzpflicht in der Widerrufsinformation wird auch nicht dadurch entkräftet, dass die Darlehensbedingungen unter Ziff. 6 a) „Wertverlust“ (I, 39) eine abweichende Formulierung über den Wertersatz enthalten, die wie folgt lautet:

   „Der Darlehensnehmer hat im Fall des Widerrufs des Darlehensvertrages eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme des Fahrzeugs entstandene Wertminderung (z.B. Wertverlust aufgrund der Zulassung eines Pkw) zu ersetzen. Diese Verpflichtung kann dadurch vermieden werden, dass die Zulassung des Fahrzeugs erst erfolgt, wenn der Darlehensnehmer sich entschlossen hat, von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch zu machen.“

Eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung kann zwar dadurch entwertet werden, dass an anderer Stelle ein inhaltlich unzutreffender Hinweis erteilt wird. Wenn eine von mehreren Widerspruchsbelehrungen insgesamt ordnungsgemäß war, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf an, ob der Verbraucher durch eine weitere - formal oder inhaltlich nicht ordnungsgemäße - Belehrung irregeführt oder von einem rechtzeitigen Widerspruch abgehalten wird (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2015 - IV ZR 71/14 - juris, Rn. 11 m.w.N.; LG Berlin, Urteil vom 05. Dezember 2017 - 4 O 150/16 - juris, Rn. 68). Dies ist hier aber nicht der Fall.



Soweit die Formulierung in Ziff. 6 a) der Darlehensbedingungen außerhalb der streitgegenständlichen Widerrufsinformation überhaupt für die Beurteilung derselben zu berücksichtigen ist, steht sie jedenfalls nicht im Widerspruch zu dieser. Insofern besteht kein Risiko, dass der Verbraucher durch sie verwirrt wird. Vielmehr wird ihm die Bedeutung der mit der Widerrufsinformation erteilten Hinweise, insbesondere durch das genannte Beispiel und den zweiten Satz, wie die Wertersatzpflicht vermieden werden kann, eher noch verdeutlicht. Die in den Darlehensbedingungen gewählte Formulierung entspricht auch der gesetzlichen Regelung. Denn die Zulassung eines Fahrzeugs ist gerade nicht als Untersuchen oder Testen der Ware entsprechend einer Untersuchung oder einem Warentest bei einem örtlichen Händler einzuordnen (s. oben), weswegen richtigerweise darauf hingewiesen wird, dass schon die Zulassung des Fahrzeugs zu einem Wertersatzanspruch der Beklagten führen kann (vgl. LG Köln, Urteil vom 10. Oktober 2017 - 21 O 23/17 - juris, Rn. 53; LG Stuttgart, Urteil vom 17. August 2017 - 12 O 256/16 - juris, Rn. 28; LG Ellwangen, Urteil vom 25. Januar 2018 - 4 O 232/17 - juris, Rn. 112; LG Ulm, Urteil vom 30. Juli 2018 - 4 O 399/17 - juris, Rn. 89 ff.; a.A. LG Ravensburg, Urteil vom 07. August 2018 - 2 O 259/17 - juris, Rn. 34 ff.).

b) Nachdem der mit dem Klageantrag Ziffer 1 geltend gemachte Anspruch nicht besteht, hat auch der Klageantrag Ziffer 2 keinen Erfolg. Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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