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Amtsgericht Daun Urteil vom 31.05.2011 - 3a C 440/10 - Volle Leistungsfreiheit bei absoluter Fahruntüchtigkeit

AG Daun v. 31.05.2011: Volle Leistungsfreiheit bei absoluter Fahruntüchtigkeit


Das Amtsgericht Daun (Urteil vom 31.05.2011 - 3a C 440/10) hat entschieden:

   Nach ständiger Rechtsprechung liegt objektiv eine grobe Fahrlässigkeit vor, wenn ein Versicherungsnehmer sein Fahrzeug - wie hier gegeben - im Zustande absoluter Fahruntüchtigkeit, nämlich mit einem Blutalkoholgehalt von über 1,1 ‰ führt. In einem solchen Fall ist der Fahrzeugversicherer zu 100% leistungsfrei.


Siehe auch
Alkohol und Fahrzeugversicherung - Vollkasko - Teilkasko
und
Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung


Tatbestand:


Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Erstattung seines Kaskoschadens aus einem Verkehrsunfall vom 11. November 2009 in S.

Zwischen den Parteien besteht eine Vollkaskoversicherung. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die Bestandteil des Vertrages sind, heißt es unter A.2.17.1:

   "Kein Versicherungsschutz besteht für Schäden, die sie vorsätzlich herbeiführen. Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen, allerdings nur, soweit es sich um die Entwendung des Fahrzeuges oder seiner Teile und der Zubehörteile handelt oder um die Herbeiführung eines Versicherungsfalles infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel."

Der Kläger befuhr am 11. November 2009 gegen 23.00 Uhr mit seinem Fahrzeug, einen BMW mit dem amtlichen Kennzeichen ..., das zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten kaskoversichert war die Straße Zur Ley in Fahrtrichtung Hauptstraße in S.




In Höhe des Anwesens Zur Ley Nr. 3 fuhr der Kläger ungebremst gegen das Fahrzeug des Zeugen ..., amtliches Kennzeichen ..., was am rechten Fahrbahnrand abgestellt war, wobei der genaue Unfallhergang zwischen den Parteien streitig ist.

Bei einer Blutprobenentnahme um 1:20 Uhr wies der Kläger eine Blutalkoholkonzentration von 1,08 ‰(Blatt 41 der Ermittlungsakte) auf.

Der Kläger beziffert seinen Schaden auf insgesamt 4.750,00 €, der sich aus dem Wiederbeschaffungswert über 7.900,00 € abzüglich des Restwertes von 3.000,00 € und der Selbstbeteiligung über 150,00 € zusammensetzt.

Mit Schreiben vom 11.06.2010 wurde die Beklagte zur Zahlung bis zum 25.06.2010 aufgefordert.

Zahlungen von Seiten der Beklagten erfolgten nicht.

Der Kläger trägt vor, der Unfallbeteiligte ... habe sein Fahrzeug nicht unmittelbar unter einer Straßenlaterne abgestellt, sondern 10- 15 m entfernt. Das Unfallgeschehen sei nicht auf seine Blutalkoholkonzentration von 1,08 ‰ zurückzuführen, sondern entscheidend für das Unfallgeschehen sei der durch die Polizei festgestellte dichte Nebel gewesen, wodurch der parkende Pkw nicht zu erkennen gewesen sei.




In Anbetracht der Straßenverkehrsverhältnisse habe er nicht grob fahrlässig, sondern lediglich mit einfacher Fahrlässigkeit gehandelt.

Er beantragt,

  1.  Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 4.750,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.6.2010 zu zahlen.

  2.  Die Beklagte wird verurteilt, ihm die vorgerichtlichen Kosten der anwaltlichen Tätigkeit in Höhe von 546,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, das Fahrzeug des Zeugen ... sei unter einer Straßenlaterne abgestellt gewesen und durch die Beleuchtung gut zu erkennen gewesen. Zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger mindestens eine Blutalkoholkonzentration von 1,28 ‰ aufgewiesen und sei fahruntüchtig gewesen, wodurch es zum Auffahrunfall gekommen sei. Ein nüchterner Fahrer wäre in der Lage gewesen den Unfall zu vermeiden.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlegen verwiesen.

Das Gericht hat die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Trier, Aktenzeichen 8051 Js 27731/09 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ..., ... und ... . Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen vom 30. März 2011 und 18. Mai 2011(Bl. d.A.).


Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Erstattung seiner Schäden aus dem Verkehrsunfallereignis vom 11. November 2009 in S. Die Beklagte ist vielmehr nach § 81 VVG leistungsfrei.

a) Der Kläger hat sich grob fahrlässig verhalten, indem er sein Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,113 ‰ geführt hat.




(1) Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration von 1,113 ‰ aufgewiesen hat ausgehend von der um 1:20 Uhr festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,08 ‰ in Verbindung mit einer Rückrechnung auf die Tatzeitblutalkoholkonzentration.

Die Berechnung auf die Tatzeitblutalkoholkonzentration erfolgt durch Rückrechnung, wobei ein stündlicher Abbauwert von 0,1 ‰ zugrunde zulegen ist. Um jede Benachteiligung des "Täters" auszuschließen sind die ersten 2 Stunden nach Trinkende und bei normalem Trinkverlauf grundsätzlich von der Rückrechnung auszunehmen(vgl. Fischer Kommentar zum StGB 57. Auflage 2010 § 316 StGB, Rn. 16ff).

Nach den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung geht das Gericht davon aus, dass das Trinkende gegen 23 Uhr lag. Die Blutprobe um 1:20 Uhr ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,08 ‰, so dass sich bei einer Rückrechnung eine Tatzeitblutalkoholkonzentration von 1,113 ‰ ergibt. Der Zeitraum zwischen 23:00 Uhr und 1.00 Uhr darf bei der Rückrechnung entgegen der Auffassung der Beklagten keine Berücksichtigung finden und für die sich daran anschließenden 20 Minuten ist ein Abbauwert von 0,033 ‰ zugrunde zulegen.

Davon ausgehend war der Kläger zum Unfallzeitpunkt absolut fahruntüchtig.

(2) Nach ständiger Rechtsprechung liegt objektiv eine grobe Fahrlässigkeit vor, wenn ein Versicherungsnehmer sein Fahrzeug - wie hier gegeben - im Zustande absoluter Fahruntüchtigkeit, nämlich mit einem Blutalkoholgehalt von über 1,1 ‰ führt. Ein solches Verhalten gehört zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt (LG Oldenburg vom 24.09.2010, 13 O 1964/10, LG Münster vom 24.09.2009, 15 O 275/09, Juris).

Beim Vorliegen einer objektiv groben Fahrlässigkeit ist das Verhalten in der Regel auch subjektiv grob fahrlässig. Es ist heute allgemein bekannt, dass Kraftfahrer, die unter starker Alkoholeinwirkung am Straßenverkehr teilnehmen, sich und andere in unverantwortlicher Weise gefährden. Ein Fahrer, der sich darüber aus mangelnder Einsicht hinwegsetzt, muss sich diese mangelnde Einsicht in der Regel als grobes Verschulden anrechnen lassen (BGH vom 22.02.1989, IV a ZR 274/87- Juris). Gründe für eine Ausnahme sind nicht ersichtlich. Insbesondere genügt der Hinweis des Klägers er habe sich normal gefühlt und er hätte nach Berlin fahren können nicht um eine solche Ausnahme annehmen zu können.

b) Nach Auffassung des Gerichtes war das grob fahrlässige Verhalten des Klägers auch kausal für das Unfallereignis am 11. November 2009.

Für den Kausalzusammenhang zwischen der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit und dem Unfall spricht der Beweis des ersten Anscheins.


Dem Kläger ist es nicht gelungen, den Anscheinsbeweis für den Kausalzusammenhang zwischen absoluter Fahruntüchtigkeit und dem Unfallgeschehen zu widerlegen.

Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises sind der Vortrag und der Nachweis von Umständen, aus denen sich die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes ergibt, den auch ein nicht alkoholisierter Fahrer nicht gemeistert hätte, also dass der Unfall unabhängig von einer absoluten Fahruntüchtigkeit des Klägers eingetreten wäre.

Der Kläger hat zwar insofern vorgetragen, dass der Pkw des Zeugen XXXX nicht unter einer Straßenlaterne abgestellt gewesen sei, sondern 10 - 15 m entfernt und das entscheidend für das Unfallereignis der von den Polizeibeamten festgestellte dichte Nebel gewesen sei, doch ist es nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichtes gelangt, dass zum Unfallzeitpunkt derart dichter Nebel herrschte bei dem es auch einem nüchternen Fahrer nicht gelungen wäre den Unfall zu vermeiden.

Unabhängig von der Frage, ob das Fahrzeug des Zeugen XXXX direkt unter der Straßenlaterne abgestellt war oder 10 - 15 m davon entfernt, ist es nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichtes gelangt, dass zum Unfallzeitpunkt derart starker Nebel herrschte, dass der Pkw auch nicht für einen nüchternen Fahrer erkennbar und der Unfall unvermeidbar gewesen wäre.

Die Aussagen der Zeugen ..., ..., ..., ... und .... waren insofern unergiebig als das sie keine Angaben zu den Witterungsverhältnissen an dem Unfallabend mehr machen konnten, insbesondere konnten die ..., ..., ..... und ... auch keine Angaben zu etwaigen Nebel zum Unfallzeitpunkt machen, da die Unfallaufnahme erst 1 ½ Stunden nach dem Unfallgeschehen selbst erfolgte.

Der Zeuge xxx hat zwar glaubhaft bekundet, dass Nebel geherrscht habe, doch aus dem Umstand, dass es zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls nebelig war, kann nicht geschlossen werden, dass es einen nüchternen Fahrer nicht gelungen wäre den Unfall zu vermeiden.

Anhaltspunkte, die Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Äußerungen aufkommen lassen würden, lagen nicht vor, insbesondere waren keine einseitigen Belastungstendenzen erkennbar.



Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus den Angaben in der Verkehrsunfallanzeige, in der es heißt Nebel/Dunst Sicht ca. 30 m. Zum einem konnte nicht zweifelfrei aufgeklärt werden, ob diese Angabe auf den Bekundungen des Geschädigten bzw. des Klägers beruhten oder auf den Angaben der unfallaufnehmenden Beamten, wobei die Verkehrsunfallaufnahme ca. 1 1/2 Stunden nach dem eigentlichen Unfallereignis erfolgte und damit nichts über die Witterungsverhältnisse um 23.00 Uhr aussagt. Darüber hinaus kann aus der Angabe allein nicht geschlossen werden, warum es einem nüchternen Fahrer bei den Witterungsverhältnissen angepasster Geschwindigkeit nicht gelungen wäre, das Fahrzeug zum Stillstand zu bringen oder das parkende Fahrzeug des Zeugen .... rechtzeitig zu erkennen und zu umfahren. Vielmehr stellt der Nebel eine rein theoretische Unfallursache dar, die den Anscheinsbeweis, dass das Unfallereignis auf die alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit zurückzuführen ist, nicht zu erschüttern vermag.

c) Gemäß § 81 Abs. 2 VVG ist die Beklagte somit aufgrund der groben Fahrlässigkeit des Klägers berechtigt, ihre Leistungen in einem der Schwere des Verschuldens des Klägers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

In den Fällen der groben Fahrlässigkeit infolge absoluter Fahruntüchtigkeit ist anerkannt, dass ein Kürzung der Leistungen auf Null nach § 81 Abs. 2 VVG zulässig ist, wobei für die Frage, ob eine Kürzung auf Null gerechtfertigt ist es immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ankommt, selbst bei der Annahme einer absoluten Fahruntüchtigkeit des Versicherungsnehmers.

2. Mangels eines Anspruches auf Erstattung seiner Unfallschäden steht dem Kläger gegen Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von €zu sowie auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren über € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.


II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Beschluss
Der Streitwert wird auf 4.750,00 € festgesetzt.

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