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Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 23.06.2021 - 2 BvQ 63/21 - Unzulässigkeit eines Eilantrags gegen die Entziehung einer Fahrerlaubnis mangels Rechtswegerschöpfung

BVerfG v. 23.06.2021: Unzulässigkeit eines Eilantrags gegen die Entziehung einer Fahrerlaubnis mangels Rechtswegerschöpfun




Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 23.06.2021 - 2 BvQ 63/21) hat entschieden:

   Ist der Rechtsweg noch nicht erschöpft, da der Antragsteller weder die Abhilfe- bzw Nichtabhilfeentscheidung des AG noch die Beschwerdeentscheidung des LG abgewartet hat, führt dies zur Unzulässigkeit eines verfassungsrechtlichen Eilrechtsschutzantrags.

Siehe auch
Vorläufiger Rechtsschutz durch Eilverfahren in Verkehrsverwaltungsverfahren
und
Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein


Gründe:


Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor, da der Antrag unzulässig ist. Der Antragsteller hat den Rechtsweg nicht ordnungsgemäß ausgeschöpft (1.). Es ist auch nicht ersichtlich, dass angesichts der insoweit strengen Maßstäbe (2. a)) dem Antragsteller ein Zuwarten bis zu einer fachgerichtlichen Entscheidung unzumutbar wäre (2. b)).

1. Der Antragsteller hat in Bezug auf die vorläufige Entziehung seiner Fahrerlaubnis nach § 111a Abs. 1 Satz 1 StPO den Rechtsweg noch nicht erschöpft, da er weder die Abhilfe- beziehungsweise Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts (vgl. § 306 Abs. 2 StPO) noch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts (vgl. § 309 StPO) abgewartet hat. Für eine ordnungsgemäße Rechtswegerschöpfung sind grundsätzlich auch im Verfahren des verfassungsrechtlichen Eilrechtsschutzes die Entscheidungen der Fachgerichte über den eingelegten Rechtsbehelf abzuwarten. Denn § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zielt darauf ab, eine ordnungsgemäße Vorprüfung der Beschwerdepunkte durch die zuständigen gerichtlichen Instanzen zu gewährleisten, dadurch das Bundesverfassungsgericht zu entlasten und für seine eigentliche Aufgabe des Verfassungsschutzes freizumachen (vgl. BVerfGE 4, 193 <198>). Der fachgerichtliche Rechtschutz bietet dem Antragsteller auch eine weitergehende Rechtsschutzmöglichkeit als das verfassungsgerichtliche Verfahren, da das Beschwerdegericht eine umfassende Rechtsprüfung vornimmt und nach § 308 Abs. 2 StPO zur Amtsaufklärung verpflichtet ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. November 2020 - 2 BvQ 87/20 -, Rn. 46 f.).




2. Im vorliegenden Fall ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor der (Nicht-)Abhilfeentscheidung und vor der Beschwerdeentscheidung auch nicht deshalb geboten, weil das Verfahren von allgemeiner Bedeutung oder dem Antragsteller das Abwarten der fachgerichtlichen Entscheidungen unzumutbar im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG wäre.

a) Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG und auch bei der Frage, ob dem Antragsteller ein Zuwarten bis zu einer fachgerichtlichen Entscheidung unzumutbar ist, weil ihm ein schwerer oder unabwendbarer Nachteil drohte (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG), ist ein strenger Maßstab zugrunde zu legen. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Bundesverfassungsgericht ist - anders als der vorläufige Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren - nicht darauf angelegt, möglichst lückenlos vorläufigen Rechtsschutz zu bieten. Erst recht ist das Verfahren nach § 32 Abs. 1 BVerfGG nicht darauf angelegt, das fachgerichtliche Verfahren vorwegzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Dezember 2020 - 2 BvQ 93/20 -, juris, Rn. 4).

b) Nach diesen Maßstäben ist eine Unzumutbarkeit des Zuwartens nicht ersichtlich. Das Amtsgericht Gera sowie das Landgericht sind gehalten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die zu einem möglichst raschen und sachgerechten Abschluss des Verfahrens führen. Dies hat der Antragsteller grundsätzlich abzuwarten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvQ 9/14 -, Rn. 3). Nach der Sollvorschrift des § 306 Abs. 2 StPO entscheidet das Amtsgericht über die (Nicht-)Abhilfe grundsätzlich binnen drei Tagen. Vorliegend ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Fachgerichte nicht innerhalb einer vertretbaren Zeit eine Entscheidung über die Beschwerde des Antragstellers treffen werden. Dabei ist es in Bezug auf die eigenständige Beschwerdeentscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis unerheblich, wie viel Zeit die Fachgerichte üblicherweise für den Erlass eines Strafbefehls oder für die Terminierung einer Hauptverhandlung benötigen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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