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Landgericht Hannover Urteil vom 13.05.2005 - Az. 8 O 63/05 - Zur Bindung der Rechtsschutzversicherung an einen Stichentscheid

LG Hannover v. 13.05.2005: Zur Bindung der Rechtsschutzversicherung an einen Stichentscheid




Das Landgericht Hannover (Urteil vom 13.05.2005 - Az. 8 O 63/05) hat zur Wirkung eines Stichentscheids entschieden:

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   Ist in einem Stichentscheid für den Rechtsschutzversicherer die Sach- und Rechtslage ersichtlich falsch beurteilt worden, ist der Rechtsschutzversicherer hieran nicht gebunden. Der Rechtsschutzversicherer hat auch dann die Kosten für die Erstellung des Stichentscheides zu tragen, unabhängig vom Ergebnis des Stichentscheides.

Siehe auch
Die Maßgeblichkeit der Erfolgsaussichten in der Rechtsschutzversicherung und das Schiedsverfahren
und
Rechtsschutzversicherung

Zum Sachverhalt:


Der Kläger verlangt von der Beklagten Deckung und Leistung aus einer Rechtsschutzversicherung. Der Kläger schloss bei der Beklagten am 5.7.2001 eine Rechtsschutzversicherung ab. Seit dem 30.9.1997 lebte der Kläger getrennt von seiner Ehefrau. Der Kläger und seine getrennt lebende Ehefrau beabsichtigten eine Scheidung und befanden sich in Verhandlungen über den Zugewinnausgleich. Bei einer Verhandlung am 4.10.1999 legte die Ehefrau des Klägers dem Kläger eine Vermögensübersicht der ... Bank vom 30.4.1999 vor, aus der sich eine vom Kläger am gleichen Tag erhaltene Überweisungsgutschrift wegen einer Bonuszahlung von 933.330,00 DM ergab. Der Kläger einigte sich mit seiner Ehefrau darauf, den von ihm zunächst beabsichtigten Zugewinnausgleich von 900.000,00 DM um 500.000,00 DM zu erhöhen. Mit Schreiben vom 21.8.2003 bat der Kläger die Beklagte um Versicherungsschutz für eine beabsichtigte Klage gegen die ... Bank wegen Schadensersatz. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 8.9.2003 eine Deckung ab und kündigte die Rechtsschutz-Versicherung mit Schreiben vom 18.9.2003. Der Kläger ließ durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten einen sog. Stichentscheid vom 20.1.2004 fertigen, für den sein jetziger Prozessbevollmächtigter Gebühren in Höhe von 1.808,44 € verlangte. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 12.1.2004 unter Fristsetzung zum 19.2.2004 auf, ihre Deckungspflicht zu erklären und den geforderten Betrag zu erstatten. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 9.2.2004 erneut ab. Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe sowohl Versicherungsschutz für die beabsichtigte Klage zu gewähren, als auch die Kosten für den Stichentscheid zu erstatten. Der beabsichtigte Prozess gegen die ... Bank habe hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der von seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten gefertigte Stichentscheid weiche nicht erheblich von der Sach- und Rechtslage ab und weise keine offenbare Unrichtigkeit auf. Der Kläger behauptet, ohne die von ... Bank unter Bruch des Bankgeheimnisses an die Ehefrau übersandte Vermögensübersicht, hätte er mindestens 466.665,42 DM = 238.602,24 € weniger als Zugewinnausgleich zu zahlen gehabt, denn die Ehefrau hätte keine weiteren Auskünfte mehr verlangt. Das Kostenrisiko für die beabsichtigte Klage betrage 19.596,32 €..




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die zulässige Klage ist - bis auf einen Teil des Zahlungsanspruches - nicht begründet.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Versicherungsleistung zu.

Die von dem Kläger beabsichtigte Klage gegen die Bank auf Schadensersatz wegen Verletzung des Bankgeheimnisses hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es kann dahinstehen, ob die Bank mit der Übersendung einer Vermögensübersicht vom 30.4.1999 an die Ehefrau des Klägers das Bankgeheimnis verletzt hat. Jedenfalls ist diese Verletzung für einen Schaden beim Kläger nicht ursächlich geworden bzw. unterfällt nicht dem Schutzzweck.


Der Kläger kann sich insbesondere nicht darauf berufen, ohne das Verhalten der Bank hätte er an seine Ehefrau 466.665,42 DM = 238.602,24 € weniger Zugewinnausgleich zu zahlen gehabt.

Es ist schon nicht nachvollziehbar, weshalb sich der Kläger nach Bekannt werden der zusätzlich in die Zugewinnausgleichsberechnung auf Seiten des Klägers einzustellenden Vermögensposition von 933.330,00 DM darauf eingelassen hat, den an seine Ehefrau zu zahlenden Zugewinnausgleich von 900.000,00 DM auf 1.400.000,00 DM, d.h. um 500.000,00 DM, zu erhöhen. Allenfalls wäre zu erwarten gewesen, dass der Zugewinnausgleichsbetrag für die Ehefrau um die Hälfte der Bonuszahlung erhöht wurde, d.h. um 466.665,42 DM.

Außerdem geht der Kläger zu Unrecht davon aus, er habe seine Auskunftspflicht gegenüber seiner Ehefrau schon durch eine Auskunft im Dezember 1998 erfüllt gehabt. Die Auskunftspflicht im Rahmen von Zugewinnansprüchen gemäß § 1379 BGB konnte von dem Kläger im Dezember 1998 noch überhaupt nicht erfüllt werden. Die Auskunftspflicht bezieht sich auf den Bestand des Endvermögens im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages, §§ 1384, 1379 Abs. 2 BGB, d.h. nach dem Vortrag des Klägers erst im Oktober 1999 und damit lange nach der Auskunft des Klägers im Dezember 1998. Im Oktober 1999 lag der Ehefrau des Klägers schon längst die Vermögensübersicht vom 30.4.1999 vor, so dass gerade nicht davon auszugehen ist, dass sie Ehefrau ohne die ihr vorliegende Vermögensübersicht auf eine ordnungsgemäße Auskunft zum Stichtag tatsächlich verzichtet hätte.

Im Übrigen unterfällt ein hypothetischer Schaden des Klägers insoweit auch nicht dem Schutzzweck des Bankgeheimnisses. Das Bankgeheimnis ist z.B. nicht dazu bestimmt, Straftaten zu ermöglichen oder zu verheimlichen, und auch in vertraglichen Beziehungen für die Haftung durch den Schutzzweck einer Norm begrenzt.

Der Kläger wäre immerhin gem. §§ 260, 261 BGB, 156 StGB, strafbewehrt verpflichtet gewesen, ggfs. die Vollständigkeit seiner Auskunft an Eides statt zu versichern. Wenn der Kläger vorhatte, entgegen dieser strafbewehrten Pflicht seine Ehefrau die ganz erhebliche Zahlung - die den der Ehefrau zustehenden Zugewinn immerhin absolut um ca. 0,5 Millionen DM und relativ um ca. 50% erhöhte - zu verheimlichen, ist dies keine schützenswerte Rechtsposition, deren Beeinträchtigung einen Schadensersatzanspruch für den Kläger auslösen würde. Insoweit unterfällt vorliegend der behauptete Schadensverlauf nicht dem Schutzzweck des Bankgeheimnisses.



Auf den Stichentscheid kommt es im Verhältnis zwischen Parteien nicht an, denn der von dem jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers gefertigte Stichentscheid beurteilt die Sach- und Rechtslage ersichtlich falsch, § 17 Abs. 2 ARB. Es genügt insoweit, dass sich die Unrichtigkeit einem Sachkundigen nach der gebotenen Prüfung mit Deutlichkeit aufdrängt (vgl. Prölss/Armbrüster, VVG, 27. Aufl. 2004, § 17 ARB 75 Rn. 9). Hiervon ist aus dem obenstehenden Gründen auszugehen.

2. Die Beklagte ist allerdings verpflichtet, die für die Erstellung des Stichentscheids anfallenden Rechtsanwaltskosten zu tragen. Denn der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Freistellung von dem Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts besteht in jedem Fall und unabhängig von dessen Ergebnis (vgl. OLG Karlsruhe VersR 1990, 1389).

Als Vergütung ist eine nach dem vom Versicherer zu tragenden Kostenrisiko zu berechnende Geschäftsgebühr gem. § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO geschuldet (vgl. Prölss/Armbrüster, WG, 27. Aufl. 2004, § 17 ARB 75 Rn. 12). Als Kostenrisiko sind die vom Kläger angegebenen 19.596,32 € anzunehmen, weil das tatsächliche Kostenrisiko noch geringfügig höher läge, nämlich bei einem Streitwert der beabsichtigten Klage von 238.602,24 € jeweils drei Anwaltsgebühren zzgl. Nebenkosten und drei Gerichtsgebühren, d.h. (6 x 2.052,00 € + 2 x 20,00 €) x 1,16 + 3 x 2.206,00 € = 20.946,32 €. Als angemessene Gebühr ist hier eine 7,5/10-Gebühr anzunehmen; d.h.,7,5/10 x 646,00 € + 20,00 € zzgl. MwSt. = 585,22€.. ..."

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