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Rechtsprechung: Schadensteilung bei Unklarheit über einen Fahrstreifenwechsel des Vorausahrenden

Rechtsprechung: Ist bei einem Auffahrunfall ungeklärt, ob unmittelbar zuvor ein Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden vorlag, dann findet kein Anscheinsbeweis Anwendung und der Schaden muss geteilt werden




Siehe auch
Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden und Auffahrunfall
und
Stichwörter zum Thema Auffahrunfälle



Kann mangels Beweismöglichkeiten bei strittigem Fahrstreifenwechsel vor einem Auffahrunfall nicht festgestellt werden, was die maßgebliche Unfallursache war, dann kann weder der Anscheinsbeweis zu Lasten des Auffahrenden noch der zu Lasten des Fahrstreifenwechslers Anwendung finden, sondern es muss von einem ungeklärten Sachverhalt und daraus folgender Schadensteilung ausgegangen werden, wie das OLG Celle (Urteil vom 26.11.1981 - 5 U 79/81) festgestellt hat:

   "Ist nicht mehr aufzuklären, ob ein Zusammenstoß zwischen zwei Fahrzeugen auf der Autobahn auf den Wechsel des Fahrstreifens durch das auf der ersten Spur fahrende Kfz oder das Auffahren des Kraftfahrers auf das vorausfahrende Fahrzeug infolge mangelnder Aufmerksamkeit zurückzuführen ist, ist eine Schadenteilung im Verhältnis 1 : 1 geboten."


Auch das Kammergericht Berlin (Urteil vom 26. 8. 2004 - 12 U 195/03) hat in einem solchen Fall entschieden:

  1.  Der Beweis des ersten Anscheins gegen den Auffahrenden setzt voraus, dass beide Fahrzeuge - unstreitig oder erwiesenermaßen - so lange in einer Spur hintereinander hergefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangenen Fahrbewegungen hätten einstellen können.

  2.  Bleibt dies ebenso ungeklärt wie die Frage, ob sich der Unfall in unmittelbarem zeitlichem und örtlichem Zusammenhang mit einem - unstreitigen - Fahrstreifenwechsel des angestoßenen Fahrzeugs ereignet hat, ist der Schaden hälftig zu teilen




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Entgegen der Ansicht des LG kann nicht zu Gunsten der Bekl. davon ausgegangen werden, dass der Unfall auf einem schuldhaften Verstoß der Kl. gegen die sich aus § 7 Abs. 5 StVO ergebenden Sorgfaltspflichten beruht. Ein dahingehender Anscheinsbeweis kommt nicht in Betracht. Zwischen den Parteien ist gerade nicht unstreitig, dass sich der Unfall in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem – unstreitigen – Fahrstreifenwechsel der Kl. ereignet hat. Vielmehr hat die Kl. behauptet, sie habe nach dem Fahrstreifenwechsel und vor dem Unfall 30 bis 40 Sekunden an der Ampel gestanden. Damit fehlt es an einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen Fahrstreifenwechsel und Unfall.

Es kann aber auch nicht zugunsten der Kl. davon ausgegangen werden, dass der Unfall von der auffahrenden Bekl. verschuldet worden ist. Der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis setzt nämlich voraus, dass beide Fahrzeuge – unstreitig oder erwiesenermaßen – so lange in einer Spur hintereinander hergefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangenen Fahrbewegungen hätten einstellen können (OLG Celle, VersR 1982, 960; OLG München, NZV 1989, 438; Senat, Urteile 25. 9. 2003 – 12 U 34/02; vom 22. 6. 1992 – 12 U 7008/91 –; vom 7. 6. 1999 – 12 U 4408/97 –; vom 11. 9. 2000 – 12 U 1361/99 –). Diese Voraussetzung ist vorliegend aber nicht erwiesen.

Bleibt der Unfall aber – wie hier – bei einem ernsthaft möglichen Fahrstreifenwechsel als Unfallursache ungeklärt, ist der Schaden hälftig zu teilen (Senat, VM 1997, 43). Die der Höhe nach unstreitigen Schadenspositionen haben die Bekl. der Kl. deshalb – mit Ausnahme des Schmerzensgeldes – zu 50% zu ersetzen. Ein Schmerzensgeld kann die Kl. nicht beanspruchen, da – wie oben dargelegt – von einer schuldhaften Unfallverursachung durch den Bekl. zu 1) nicht ausgegangen werden kann."

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