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OLG Karlsruhe Beschluss vom 25.08.2004 - 2 Ss 80/04 - Höchstgeschwindigkeit auf BAB - Abgrenzung Pkw-Lkw über 3,5 to. (Sprinter) nach der Bauart

OLG Karlsruhe v. 25.08.2004: Höchstgeschwindigkeit auf BAB - Abgrenzung Pkw-Lkw über 3,5 to. (Sprinter) nach der Bauart




Das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 25.08.2004 - 2 Ss 80/04) hat entschieden:

   Für die Entscheidung der Frage, ob ein Kleintransporter ("Sprinter" des Herstellers Mercedes Benz) der Geschwindigkeitsbeschränkung für Lastkraftwagen nach § 18 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 StVO unterfällt, kommt es auf die Eintragung der Fahrzeugart in den Kfz-Papieren als "Pkw geschlossen" nicht an. Es ist auf dessen konkrete Bauart und Einrichtung abzustellen.

Siehe auch
Mercedes Sprinter - Abgrenzung Pkw-Lkw
und
Stichwörter zum Thema Geschwindigkeit

Aus den Entscheidungsgründen:


"... Sollte sich in der erneuten Hauptverhandlung der dem Betroffenen im Bußgeldbescheid zur Last gelegte Sachverhalt bestätigen, wäre entscheidend, ob es sich bei dem vom Betroffenen geführten Fahrzeug um einen LKW oder um einen PKW gehandelt hatte, er somit der Geschwindigkeitsbeschränkung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO von 80 km/h auf Autobahnen unterworfen war oder nicht. Für diese Frage hat nach Auffassung des Senates die Eintragung der Fahrzeugart - hier als „PKW geschlossen" - in den Kfz-Papieren keine Bedeutung. Dem Amtsgericht, das der Zulassung des betreffenden Fahrzeugs als PKW eine rechtsgestaltende Wirkung dahingehend zugesprochen hat, das Fahrzeug im Straßenverkehr wie einen PKW im Sinne der StVO führen zu können, kann nicht zugestimmt werden. Dass für das betroffene Fahrzeug im Rahmen des Zulassungsverfahrens eine EG-Typ-Genehmigung - eine allgemeine Betriebserlaubnis nach der harmonisierten Betriebserlaubnisrichtlinie 70/156/EWG - als Fahrzeug der Klasse M1 und somit als PKW erteilt worden war, ist daher in diesem Zusammenhang ohne Belang.

Die StVO enthält trotz mehrfacher Verwendung der Begriffe „Lastkraftwagen" und „Personenkraftwagen" keine Definitionen dieser Fahrzeugarten. Derartige Definitionen ergeben sich auch nicht unmittelbar aus dem Sinn der einzelnen, diese Begriffe verwendenden Vorschriften der StVO.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird daher auf die Definition in § 4 Abs. 4 Nr. 3 PBefG abgestellt, wonach Lastkraftwagen Kraftfahrzeuge sind, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern bestimmt sind (vgl. BayObLGSt 1997, 69; OLG Hamm DAR 1976, 217; VRS 56, 127; OLG Düsseldorf NZV 1991, 483). Für Personenkraftwagen wird auf § 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG, der diese als Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschließlich Führer) geeignet und bestimmt sind, definiert, zurückgegriffen. Zusätzlich wird § 23 Abs. 6 a (vormals § 23 Abs. 1 letzter Satz) StVZO, wonach Personenkraftwagen auch Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t sein können, die nach ihrer Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt sind, wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen, und die außer dem Führersitz Plätze für nicht mehr als acht Personen haben, herangezogen (vgl. BayObLG Beschluss vom 23.07.2003 - 1 O-bOWi 219/03 - DAR 2003, 469; BayObLGSt 2001, 155; 1997, 69; OLG Hamm NZV 1997, 323; VRS 47, 469; OLG Stuttgart VRS 68, 303; OLG Braunschweig NZV 1994, 80; KG Berlin NZV 1992, 162; OLG Schleswig NZV 1991, 163). Der Bezeichnung eines Fahrzeuges bei der amtlichen Zulassung wird dabei keine Bedeutung beigemessen (vgl. BayObLG DAR 2003, 469; BayObLGSt 1997, 69; OLG Düsseldorf NZV 1991, 483;OLG Hamm NZV 1997, 323).

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Für die Einordnung eines Fahrzeuges als Personenkraftwagen bzw. Lastkraftwagen im Sinne der StVO ist auf dessen konkrete Bauart und Einrichtung abzustellen. Die im Rahmen des Zulassungsverfahrens nach der StVZO ausgestellten Fahrzeugpapiere - die Betriebserlaubnis (§§ 19 ff. StVZO), der Fahrzeugbrief (§ 25 StVZO) und der Fahrzeugschein (§ 24 StVZO) - haben keinen Regelungscharakter hinsichtlich der generellen straßenverkehrsrechtlichen Einordnung eines Fahrzeuges im Sinne der StVO. Ihre Feststellungswirkung beschränkt sich darauf, dass ein Fahrzeug betriebssicher ist und am Straßenverkehr teilnehmen darf.



Die Betriebserlaubnis ist für Zulassungspflichtige Fahrzeuge im Sinne des § 18 Abs. 1 StVZO Voraussetzung dafür, dass diese auf öffentlichen Straßen überhaupt in Betrieb genommen werden können. Mit ihr wird die Anerkennung der Vorschriftsmäßigkeit und somit die Betriebssicherheit eines Fahrzeuges bescheinigt (Hentschel Straßenverkehrsrecht 37. Aufl. § 19 StVZO Rn 2). Eine darüber hinausgehende Wirkung hat sie nicht. Dies gilt auch, wie noch auszuführen sein wird, für die Europäische Betriebserlaubnis. Der Fahrzeugbrief dient der Sicherung des Eigentums und anderer Rechte an dem Fahrzeug (Hentschel a.a.O. § 25 StVZO Rn. 2). Seine Einführung erfolgte durch die Verordnung über den Kraftfahrzeugverkehr vom 11.04.1934 (RGBI. 1934, 303), wobei er nach der Ausführungsanweisung zur Reichs-Straßenverkehrsordnung vom 29.09.1934 (RGBI. 1934, 869, 874) Handhaben zur Sicherung des Eigentums an Kraftfahrzeugen schaffen und statistische Unterlagen für Maßnahmen der Wirtschafts- und Verkehrspolitik liefern sollte (vgl. BGH WM 1982, 213 m.w.N.; BGHZ 10, 122; 18, 110; BGH LM Nr. 8 zu § 267 StGB). Eine Regelungsfunktion dahingehend, dass die in ihm enthaltenen Eintragungen über die Art eines Fahrzeuges maßgebend für die Einhaltung der Bestimmungen der StVO sein sollten, war ihm vom Verordnungsgeber somit nicht beigelegt worden. Eine derartige Regelungsfunktion ist dementsprechend auch nicht den Vorschriften in der StVZO über den Fahrzeugbrief zu entnehmen. Der Fahrzeugbrief ist im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger (§§ 18 ff. StVZO) gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 StVZO bei der Stellung des Antrags auf Zuteilung des amtlichen Kennzeichens vorzulegen. Bei einem Fahrzeug einer allgemein zugelassenen Gattung (Typ) hat der berechtigte Hersteller (Inhaber der allgemeinen Betriebserlaubnis) den Fahrzeugbrief auszufüllen und dabei die Angaben und somit auch die Bauart des Fahrzeuges einzutragen (§ 20 Abs. 3 StVZO; siehe auch Richtlinie zum Fahrzeugbrief vom 20.06.1972 VkBI. 1972, 354 sowie Richtlinie zur Ausfüllung von Fahrzeugbriefvordrucken aufgrund einer Übereinstimmungsbescheinigung für eine EG-Typgenehmigung vom 21.05.1999 VkBI. 1999, 402). Der für die Ausfüllung des Briefes Verantwortliche hat zwar die Richtigkeit der Angaben über die Beschaffenheit des Fahrzeugs und dessen Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ zu bescheinigen, eine Überprüfung dieser Angaben durch die Zulassungsstelle ist nicht jedoch nicht vorgesehen. Hinzu kommt, dass der im Fahrzeugbrief beschriebene und der tatsächliche Zustand eines Fahrzeuges bereits am Tag nach der Ausstellung überholt und unrichtig geworden sein kann (vgl. BGHZ 18, 110, 116).




Die Vorschriften der StVZO über den Fahrzeugschein schreiben ihm, was die in ihm aufgeführte Art des Fahrzeugs betrifft, ebenfalls keinen Regelungscharakter zu. Sein Zweck ist es, die Zulassung (Erteilung der Betriebserlaubnis und des amtlichen Kennzeichens) des darin bezeichneten Fahrzeugs (vgl. BVerwG VRS 64, 239; JZ 1978, 234; BFHE 1987, 94) für eine näher bezeichnete Person (vgl. BGHSt 22, 201; BayObLG NJW 1980, 1057; OLG Hamburg NJW 1966, 1827; BVerwG Beschluss vom 14.03.1979 - 7 B 53/79; OVG Rheinland-Pfalz NZV 1991, 406) auszuweisen; er dient hingegen nicht dazu, die Richtigkeit der in ihm enthaltenen Angaben zu öffentlichem Glauben zu bezeugen (vgl. BGHSt 20, 186). Er wird aufgrund der Betriebserlaubnis oder der EG-Typ-Genehmigung und nach Zuteilung des Kennzeichens von der Zulassungsstelle ausgefertigt und ausgehändigt (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVZO). Es handelt sich um einen Auszug aus dem Fahrzeugbrief, wobei er die wichtigsten technischen Angaben, die der Betriebserlaubnis zu Grunde liegen, enthält (OLG Gelle VRS 74, 459). Eine Überprüfung dieser Daten durch die Zulassungsstelle, wie bereits angeführt, ist nicht vorgeschrieben. Auch beim Fahrzeugschein können der in ihm beschriebene und der tatsächliche Zustand eine Fahrzeuges bereits kurz nach der Zulassung auseinanderfallen.

Die Bezeichnung der Bauart eines Fahrzeuges in den Fahrzeugpapieren ist daher generell weder dazu gedacht noch dazu geeignet, über die Maßgeblichkeit von Vorschriften der StVO zu bestimmen.

Leitgedanke für den Erlass der StVO war die Verhinderung von Verkehrsunfällen (VkBI. 1970, 797). Dem Regelungszweck der StVO kann nur dadurch Rechnung getragen werden, dass für die Einordnung eines Fahrzeuges im Sinne der Verordnung auf dessen konkrete Bauart und Einrichtung abgestellt wird. Denn für die Beherrschung eines Fahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr sind neben den persönlichen Fähigkeiten des Fahrzeugführers die Eigenschaften des Fahrzeuges und dessen Ladung relevant. § 4 Abs. 4 PBefG stellt somit eine gesetzliche straßenverkehrsrechtliche Definition der Fahrzeugarten Personenkraftwagen, Kraftomnibus und Lastkraftwagen dar, die auch für den Geltungsbereich der StVO sinnvoll ist. Als ergänzende Vorschrift ist für Kombinationskraftwagen - mangels Regelung im PBefG - auf § 23 Abs. 6 a StVZO, bei dem es sich ebenfalls um eine - zwar nicht gesetzliche -straßenverkehrsrechtliche Regelung handelt, heranzuziehen. Diese Vorschrift über die Bezeichnung bestimmter Kombinationskraftwagen als Personenkraftwagen hat der Verordnungsgeber bei Harmonisierung der Betriebserlaubnisrechtlinie 70/156/EWG durch die 20. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (VkBI. 1995, 3) bewusst aufrechterhalten, ihr wurde lediglich innerhalb des § 23 StVZO ein anderer Absatz zugewiesen. § 23 Abs. 6 a StVZO kommt ein über das reine Zulassungsrecht hinausgehender Definitionscharakter zu.



...

Die Baureihe „Sprinter" des Herstellers Mercedes-Benz umfasst eine umfangreiche Palette von Fahrzeugen verschiedenster Bauart u.a. zum reinen Personentransport - dabei auch mit Bestuhlungen von mehr als neun Sitzen - oder zum reinen Gütertransport. Das Amtsgericht wird daher in der neuen Verhandlung nähere Feststellungen zur Bauart und zur Ausstattung des vom Betroffenen gesteuerten Fahrzeugs zu treffen haben. ..."

(es folgen noch einige europarechtliche Ausführungen zur EG-Typgenehmigung)

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