Das Verkehrslexikon

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BayObLG Beschluss vom 04.09.1995 -2 ObOWi 536/95 - Zum Inhalt des Bußgeldbescheides

BayObLG v. 04.09.1995: Zum Inhalt des Bußgeldbescheides (Tatortangabe), Feststellung mehrerer Geschwindigkeitsüberschreitungen durch Fahrtenschreiberauswertung und zu Tateinheit und Tatmehrheit




Das BayObLG (Beschluss vom 04.09.1995 -2 ObOWi 536/95) hat entschieden:

  1.  Bei sogenannten fahrzeugbezogenen Geschwindigkeitsverstößen wird der Bußgeldbescheid in seiner Wirksamkeit nicht dadurch beeinträchtigt, dass in ihm ein Tatort nicht mitgeteilt ist (Anschluß OLG Düsseldorf, 31. Januar 1994, 5 Ss (OWi) 19/94 - (OWi) 22/94 I, VRS 87, 51 (1994)).

  2.  Der Bußgeldbescheid erfüllt seine Umgrenzungs- und Informationsfunktion auch, wenn unter Auswertung des Schaublattes des Kontrollgerätes / Fahrtenschreibers kein Zweifel daran bestehen kann, welche Verkehrsverstöße dem Betroffenen zur Last gelegt werden sollen (Ergänzung BayObLG München, 1. August 1994, 2 ObOWi 343/94, BayObLGSt 1994, 135).

  3.  Auch in Fällen der Nr 5.1.1 der Anlage 1a zur Bußgeldkatalogverordnung handelt es sich in der Regel um mehrere Taten im materiellen und prozessualen Sinne (so auch BayObLG München, 29. Mai 1995, 2 ObOWi 231/95, BayObLGSt 1995, 91).

  4.  Es bestehen keine rechtlichen Bedenken, in einem derartigen Fall für jeden Geschwindigkeitsverstoß eine Buße von 80 DM zu verhängen.


Siehe auch
Bußgeldbescheid und Einspruch im Ordnungswidrigkeitenverfahren
und
Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren

Zum Sachverhalt:


Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen dreier sachlich zusammentreffender fahrlässig begangener Überschreitungen der gemäß § 18 Abs. 5 Nr. 1 StVO zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 14 km/h zu Geldbußen von jeweils 80 DM, d.h. insgesamt 240 DM, und verhängte außerdem ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats.

Gegen diese Entscheidung richtete sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügte. Das Rechtsmittel blieb erfolglos.





Aus den Entscheidungsgründen:


"... 1. Aufgrund der dem Rechtsbeschwerdegericht obliegenden Verpflichtung, das Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen, war der Frage nachzugehen, ob der Bußgeldbescheid eine ausreichende Verfahrensgrundlage für die abgeurteilte Tat dargestellt hat. Diese Eigenschaft verliert der Bescheid nicht schon, wenn er den Anforderungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG nicht voll entspricht, sondern lediglich dann, wenn er die dem Betroffenen zur Last gelegte Tat nicht in dem Maß erkennen lässt, dass die Tatidentität feststeht, wenn also eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Lebensvorgang besteht (BGHSt 23, 336/340 ff.; BayObLGSt 1994, 135/137). An einem derartigen Mangel leidet der Bescheid im vorliegenden Fall nicht.

Keinen Bedenken begegnet zunächst die Tatsache, dass dem Betroffenen mehrere an verschiedenen Orten begangene Geschwindigkeitsverstöße zur Last gelegt werden, der angegebene Tatort aber offensichtlich nur derjenige des letzten Verstoßes ist. Dies ist deshalb im konkreten Fall unschädlich, weil dem Betroffenen vorgeworfen wird, schneller gefahren zu sein, als er mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug fahren durfte. Die Verstöße sind also fahrzeug- und nicht orts- oder situationsbezogen. Nur im letzteren Fall - etwa beim Vorwurf der Missachtung bestimmter Verkehrszeichen - bedürfte es der Angabe des Ortes (OLG Düsseldorf VRS 87, 51 f.; siehe auch OLG Hamm VRS 82, 235/239; a.A. LG Münster VerkMitt 1995, 31).




Der Bußgeldbescheid genügt auch im übrigen der Umgrenzungs- und Informationsfunktion. Zwar hat der Senat mit Beschluss vom 29.5.1995 (2 ObOWi 231/95, zur Veröffentlichung vorgesehen in BayObLGSt 1995, 91) entschieden, dass der Bußgeldbescheid auch in Fällen der Nr. 5.1.1 der Anlage 1 a zur Bußgeldkatalogverordnung nur dann seine Bestimmungs- und Informationsaufgabe erfüllt, wenn er genaue Angaben über jeden Geschwindigkeitsverstoß enthält, der ihn von anderen eindeutig abhebt. In der genannten Entscheidung hat das Fehlen entsprechender Angaben aber nur deshalb zur Unwirksamkeit des Bescheides und damit zur Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses geführt, weil sich auch unter Heranziehung des Akteninhalts (vgl. hierzu BayObLGSt 1994, 135/139), insbesondere der Diagrammscheibe, kein zureichender Bestimmtheitsgrad erzielen ließ.

Im vorliegenden Fall ist dies anders. Der Bescheid gibt als Tatzeit den 13.12.1994 2.30 Uhr bis 3.00 Uhr an. Außerdem ist in ihm ausgeführt, dass dem Betroffenen mehr als zwei Fälle vorgeworfen werden, in denen jeweils eine Geschwindigkeit von 100 km/h abzüglich 6 km/h Toleranz festgestellt wurde. Aus dem Schaublatt ergeben sich nach den Feststellungen des Amtsgerichts für diesen Zeitpunkt drei Geschwindigkeitsspitzen von 100 km/h. Für den Betroffenen und für das Gericht bestanden daher keinerlei Zweifel, welcher Verkehrsverstoß dem Betroffenen zum Vorwurf gemacht werden sollte (BayObLGSt 1994, 135/139).

2. Eine Verfahrensrüge hat der Betroffene nicht erhoben, so dass der Senat nicht gehalten ist, die Frage der örtlichen Zuständigkeit zu prüfen (OLG Düsseldorf VRS 71, 366; OLG Köln VRS 74, 32; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 42. Aufl. § 338 Rn. 31). Im übrigen ist zumindest der letzte Geschwindigkeitsverstoß im Zuständigkeitsbereich des erkennenden Amtsgerichts begangen worden (§ 35 Nr. 1 BayGZVJu).

3. Die auf die allgemeine Sachrüge hin vorzunehmende Überprüfung der Entscheidung lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen.



Dass es sich bei mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen auch im Verlaufe einer Fahrt regelmäßig um mehrere Taten im materiellen und prozessualen Sinne handelt, ist - soweit ersichtlich - einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. BayObLGSt 1994, 135/137; OLG Köln NZV 1994, 292; OLG Düsseldorf NZV 1994, 118 f.; Jagusch/Hentschel Straßenverkehrsrecht 33. Aufl. Einl. 150 a mit zahlreichen Nachweisen). Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 29.5.1995 (aaO) darauf hingewiesen, dass durch die Einfügung der Nr. 5.1.1 in die Anlage 1 a zur Bußgeldkatalogverordnung keine Änderung der von Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Grundsätze zum Tatbegriff eingetreten ist (ebenso OLG Celle NZV 1995, 197).

Daraus folgt, dass das Amtsgericht zu Recht gemäß § 20 OWiG für jeden der Geschwindigkeitsverstöße eine gesonderte Buße festgesetzt hat. Auch die Verhängung von drei Geldbußen zu je 80 DM begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zwar sieht die Tabelle 1 zur VerwarnVwV unter der hier einschlägigen Nr. 6.1.2 für die ersten beiden Fälle lediglich ein Verwarnungsgeld von 50 DM vor, während in Nr. 5.1.1 der Tabelle 1 a zur Bußgeldkatalogverordnung erst bei mehr als zwei Geschwindigkeitsverstößen eine Geldbuße von 80 DM verwirkt sein soll. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 29.5.1995 (aaO) festgestellt hat, ist es rechtlich unbedenklich, für jeden Verstoß gesondert eine Geldbuße von 80 DM zu verhängen, da die einzelnen Ordnungswidrigkeiten im Lichte ihrer wiederholten Begehung als gravierender eingestuft werden können. ..."

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