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OLG Celle Urteil vom 30.03.1983 - 3 Ss 85/82 - Die Methode der Begleitstoffanalyse zur quantitativen Bestimmung des Getränks, auf das der Alkoholgehalt im Blut beruht, ist wissenschaftlich gesichert

OLG Celle v. 30.03.1983: Die Methode der Begleitstoffanalyse zur quantitativen Bestimmung des Getränks, auf das der Alkoholgehalt im Blut beruht, ist wissenschaftlich gesichert




Das OLG (Urteil vom 30.03.1983 - 3 Ss 85/82) hat entschieden:

   Die Methode der Begleitstoffanalyse zur quantitativen Bestimmung des Getränks, auf das der Alkoholgehalt im Blut beruht, ist wissenschaftlich gesichert.

Siehe auch
Die Begleitstoffanalyse
und
Nachtrunk - Alkoholkonsum nach dem relevanten Ereignis

Aus den Entscheidungsgründen:


"... I. Der Überzeugung der Strafkammer, dass der Angekl. mindestens 1,25 g ‰ Alkohol im Blut gehabt hat, liegen folgende Umstände und Erwägungen zugrunde:

Die dem Angekl. um 21.30 Uhr entnommene Blutprobe enthielt 1,94 g ‰ Alkohol. Der Angekl. ist um 20.30 Uhr von der Polizei in der Gaststätte angetroffen worden. Hier hatte er nicht mehr als 1 Glas Bier zu 0,2 l getrunken. Der Angekl. hat Alkoholgenuss vor seiner Fahrt bestritten und behauptet, er habe kurz vor Betreten der Gaststätte eine noch zu einem Drittel oder zur Hälfte gefüllte 0,7 l-Flasche mit „Schladerer Kirschwasser” ausgetrunken. Diese Behauptung hält die Strafkammer hinsichtlich der Menge für widerlegt. Der Angekl. kann nach ihrer Überzeugung nicht mehr als höchstens 60 cm³ „Schladerer Kirschwasser” getrunken haben. Dieser Nachtrunk von ca. 22,5 g Alkohol kann 0,46 g ‰, das Glas Bier 0,16 g ‰ Blutalkohol erzeugt haben. Von den vorgefundenen 1,94 g ‰ stammten nach der Berechnung der Kammer mindestens 1,25 g ‰ aus Alkoholgenuss vor dem Vorfall.




Die Strafkammer hat ihre Überzeugung, dass der Angekl., wenn überhaupt, so jedenfalls nicht mehr als 60 cm³ Schladerer Kirschwasser getrunken hat, aus den Gutachten der Sachverständigen gewonnen. Diese hat nämlich die dem Angekl. entnommene Blutprobe auf sog. Begleitalkohole untersucht und darin 1,5 mg/I Methanol sowie 0,19 mg/l Propanol vorgefunden. Diese Menge hält die Strafkammer nach dem Gutachten für zwangslos erklärt, wenn der Angekl. überhaupt kein Schladerer Kirschwasser, sondern ein sonstiges alkoholisches Getränk genossen hätte, nur nicht reinen Korn-Branntwein (der kaum Begleitalkohole enthält). Schladerer Kirschwasser enthält jedoch nach den Untersuchungen so große Mengen der genannten Begleitstoffe, dass die Blutprobe davon die zehnfache Menge enthalten haben müsste, wenn der vorgefundene Blutalkohol von 1,94 g ‰ allein durch dieses Getränk und ein Glas Bier verursacht worden wäre.

Die Strafkammer hat mit Hilfe der Sachverständigen die nach ihrer Auffassung aus wissenschaftlicher Sicht möglichen Unsicherheitsfaktoren für diese Beurteilung zugunsten des Angekl. berücksichtigt; in den Urteilsgründen sind als solche Faktoren mögliche Produktionsunterschiede, ein etwaiges Defizit bei der Resorption, Unsicherheiten im Abbau der untersuchten Begleitstoffe sowie teilweise mögliche Verdunstung aufgeführt. Sie ist mit den Sachverständigen zu dem Ergebnis gekommen, dass der vorgefundene Blutalkoholgehalt äußerstenfalls zu einem Fünftel auf dem behaupteten Nachtrunk von Schladerer Kirschwasser beruhen kann und hat diesen Anteil mit 0,46 g ‰ berechnet. Hieraus hat sie mit Hilfe der Sachverständigen den äußerstenfalls für möglich gehaltenen Nachtrunk von Schladerer Kirschwasser von 60 cm³ abgeleitet.

Die Überzeugung der Strafkammer, dass der Angekl. mit seiner darüber hinausgehenden Behauptung die Unwahrheit sagt, ist zusätzlich auf die vom Sachverständigen übernommene Erwägung gestützt, dass der Angekl. bei einem so erheblichen Nachtrunk beim Antreffen durch die Polizeibeamten einen akuten schweren Rausch gehabt haben müsste. Aufgrund der Aussage des Polizeibeamten, hat die Strafkammer aber festgestellt, dass eine Verständigung mit dem Angekl. zu jenem Zeitpunkt durchaus möglich war.




Il. Die Feststellungen tragen die Verurteilung.

1. Der Angekl. hatte nach den Feststellungen zur Zeit der Tat möglicherweise weniger als 1,3 g ‰ Alkohol im Blut. Die Strafkammer hat hierbei ersichtlich von den vorgefundenen 1,94 g ‰ Blutalkohol nicht einfach 0,16 g ‰ für ein Glas Bier und 0,46 g ‰ für Schladerer Kirschwasser abgezogen, sondern zugunsten des Angekl. noch einen weiteren Sicherheitsabschlag vorgenommen. Damit war der Angekl. zur Zeit seiner Fahrt zwar nicht absolut fahruntüchtig. Dass er trotzdem nicht mehr in der Lage war, sein Fahrzeug sicher zu führen, hat die Strafkammer rechtsbedenkenfrei aus seinem Fahren in Schlangenlinien und aus dem aggressiven Verhalten, das zugleich eine Nötigung darstellt, geschlossen. Ein solcher Schluss drängte sich auf, andere Deutungen lagen nicht so nahe, dass sie hätten erwogen werden müssen.

2. Die Methode der Begleitstoffanalyse zur quantitativen Bestimmung des Getränks, auf das der Alkoholgehalt im Blut nach der Behauptung des Angekl. zurückgehen soll, ist allerdings verhältnismäßig neu. Der Senat hat deshalb über den Stand der wissenschaftlichen Forschung zur Zeit der Berufungshauptverhandlung im Mai 1981 Beweis erhoben und ein Gutachten des Direktors des Instituts für Rechtsmedizin eingeholt. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass das Analyseverfahren zur Bestimmung der Begleitalkoholkonzentrationen zur Zeit der Berufungshauptverhandlung wissenschaftlich gesichert war; die Begleitalkohole konnten in einigen Instituten für Rechtsmedizin, u.a. dem Institut für Rechtsmedizin der Universität Göttingen, mit ausreichender Empfindlichkeit und Trennschärfe nachgewiesen werden. Das gilt jedenfalls für Analysen des Genusses eines Obstbranntweins wie „Schladerer Kirschwasser”. Obstbranntweine unterscheiden sich nämlich dadurch von anderen alkoholischen Getränken, dass sie sehr hohe Konzentrationen der sogenannten Fuselalkohole Methanol und n-Propanol aufweisen. Da der Angekl. behauptet hat, neben einer großen Menge Schladerer Kirschwasser lediglich ein Glas Bier zu 0,2 l getrunken zu haben und die Blutprobe binnen 2 Stunden nach dem behaupteten Trinken entnommen wurde, handelte es sich um extreme, praktisch „ideale” Untersuchungsvoraussetzungen.



Die technische Methode, mit der die Begleitstoffkonzentrationen gemessen werden können, ist die Gaschromatographie. Dieses Verfahren ist seit über 20 Jahren bekannt. Es ist zu hoher Genauigkeit entwickelt worden. Die Forschungen zur Begleitalkoholanalyse sind seit dem Jahre 1978 vor allem an den Instituten für Rechtsmedizin der Universität Göttingen von Dr. Bonte und der Universität Köln von Professor Dr. Staak durchgeführt worden.

Der Senat hat hiernach keine Zweifel daran, dass die Untersuchungsmethode, auf die das angefochtene Urteil sich stützt, für den Bereich der Begleitstoffanalyse bei Obstbranntwein genügend gesichert und zuverlässig war. ..."

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